Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)

WDG, 6. Band, 1977

Wesen, das

WDG, 6. Band, 1977
Wesen, das; -s, -
1. /ohne Pl./ das Grundlegende, die Eigenart
a) Gesamtheit der entscheidenden, bestimmenden inneren Eigenschaften einer Sache, die ihre besondere, eigentümliche Art ausmachen: das W. einer Sache erkennen, erfassen, ergründen, erforschen; das W. einer Krankheit beurteilen; etw. enthüllt das innere, wahre, widerspruchsvolle W. einer Sache; etw. deckt das eigentliche W. auf; tief in das W. einer Sache eindringen; etw. liegt im W. einer Sache, gehört zum W. einer Sache;
b) Philos. /Kategorie in zahlreichen philos. Strömungen/ eine materialistische, idealistische Auslegung des Begriffs des Wesens; dial. Mat. Gesamtheit der inneren, allgemeinen, invarianten Bestimmungen der Dinge und Prozesse, die diesen notwendigerweise zukommen: das W. eines Dinges tritt in der Erscheinung zutage; W. und Erscheinung bilden eine dialektische Einheit von Gegensätzen;
2. /ohne Pl./ Gesamtheit der entscheidenden individuellen geistig-seelischen Eigenschaften eines Menschen, wie sie in Gesinnung, Lebensführung und Verhalten zum Ausdruck kommen, Charakter: er verstand das W. seines Freundes; sein (ganzes) W. (seine ganze Persönlichkeit, er) empörte sich dagegen, ist verändert, gefällt mir nicht sein ganzes W. ist mir fremd; er leidet bis in die Tiefen seines Wesens; jmdm. sein (innerstes) W. (sein Innerstes) offenbaren, enthüllen; er ist im Grunde seines Wesens schüchtern; er war mit jeder Faser seines Wesens ein Künstler; das gehört zu seinem W., ist seinem W. fremd; diese Tat, das entspricht nicht seinem W.; Art und Weise, wie jmd. auf Grund seiner Veranlagung, seines Charakters in seiner Umwelt wirkt, sich verhält: er hat ein freundliches, frisches, angenehmes, gerades, kindliches, verspieltes, sprunghaftes, schüchternes, scheues, ungehobeltes W.; jmd. zeigt ein verändertes, verstörtes, gedrücktes, herausforderndes, gebieterisches W.; sein rücksichtsloses, launisches, aufdringliches, unterwürfiges, unhöfliches, starres, finsteres W. wirkte abstoßend; er ist ein Mensch von heftigem, liebenswürdigem W.; ein lebhaftes, lautes, munteres, lustiges, gesetztes, würdiges W. zur Schau tragen, an den Tag legen;
3. /ohne Pl./ veraltend Tun und Treiben: das laute, heitere, tolle W. auf dem Rummelplatz störte sie; Sie können das Wesen mit der schlawinerischen Braut nicht mehr dulden A. Zweig Regenbogen 128; Ich wußte, daß hinter der graugestrichenen Tür … Christian sein Wesen hatte Hausm. Überfall 16; /meist in den Wendungen/ jmd. treibt sein W.: die Kinder trieben im Garten ihr W. (tummelten sich im Garten) am Ufer treiben die Bleßhühner ihr W.; im Vorort N treibt ein Einbrecher sein W. (treibt sein Unwesen, gefährdet Sicherheit und Ordnung) umg. viel, kein W., Wesens von etw., jmdm. machen einer Sache, jmdm. viel, wenig Bedeutung beimessen, viel, wenig Aufhebens, Umstände machen: mach nicht so viel Wesens davon, darum!; er machte kein W. daraus; er war dagegen, daß man (solch) ein W. um ihn machte;
4. lebender Organismus, Lebewesen: er sah im Wasser winzige, lebende, kleine, fremde W.; der Mensch ist ein gesellschaftliches, soziales, geselliges W.; Der Mensch hatte … ein geistiges Wesen zu werden, das die Erde beherrscht und bezwingt Strittmatter Wundertäter 232; angeblich vorhandenes Geschöpf: er glaubt an überirdische, übernatürliche, höhere W.; Mensch: sie ist ein liebes, freundliches, sanftes, gütiges, angenehmes, sonniges, reizendes, zartes, unscheinbares, ängstliches, scheues, kränkliches, hilfloses, armes, verbittertes W.; sie ist das einzige W., das er liebt; umg. ein weibliches W. (Frau, Mädchen) ein männliches W. (Mann, Knabe) ein menschliches W. (Mensch) sie nahm das kleine W. (Kind) auf den Arm

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Zitationshilfe
„Wesen“, in: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1964–1977), kuratiert und bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/wdg/Wesen>.

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