Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

fühlen

fühlen
praet. fühlete, jetzt kürzer und üblicher fühlte, part. praet. gefühlet, jetzt meist kürzer gefühlt, ahd. fuolan, fualan, auch mit noch nicht zu uo, ua entfaltetem ô fôlan, praet. fuolta, fualta, mhd. vüelen, wofür aber, da sich der nicht häufig vorkommende ausdruck auf Mitteldeutschland beschränkt, die diesem eigne form vûlen vorkommt, alts. fôlian, aber nur in dem zusammengesetzten gifôlian, mnd. völen, nnd. fölen, mnl. nnl. voelen, ags. fêlan in dem zusammengesetzten gefêlan, engl. feel, altfries. fêla. die goth. form, die fôljan gelautet haben würde, geht ab, auch gebricht der ausdruck dem altnordischen, das in dem sinne mit der hand tasten, fühlen þreifa, schw. trefva hat. vgl. Jacob Grimm bei Haupt 6, 7. dän. föle ist aus dem deutschen entlehnt. das wort führt offenbar auf ein starkes goth. falan praet. fôl, ahd. falan praet. fuol, von dessen praesens das mit verdunkelung des a der wurzel zu o (vgl. gramm. 1³, 78) für falma stehende ahd. folma f., die flache hand (Graff 3, 517), ags. folm f., alts. folm m., dann altn. fâlma, unsicher tasten, abgeleitet ist, welche wörter der lautverschiebung gemäsz genau mit gr. παλάμη, lat. palma, die flache hand, stimmen. hiernach kommt jene wurzel falan überein mit der in der ersten silbe des griechischen und lateinischen wortes, παλ, pal, sich zeigenden, zu welcher auch noch lat. palpare, betasten, gehört, und die bedeutung dürfte etwa gewesen sein: mit der hand oder den fingern ins ungewisse prüfend kommen. ahd. fuolan wäre dann davon das factitiv, gerade so wie ahd. fuoran nhd. führen (s. d.) das factitiv von ahd. faran nhd. fahren ist, und würde ursprünglich bedeuten: die hand oder die finger ins ungewisse prüfend kommen machen, d. h. mit der hand oder mit den fingern prüfend oder forschend berühren, betasten. dasz dies aber die älteste bedeutung sei, scheint durch ahd. glossen des 8. und 9. jh., wie fôlit, palpat (gl. hrab. 971ᵃ, wo fôhlit steht, welches Graff Diut. 3, 195 aus der handschrift berichtigt), und kifualit wësan, palpari (gl. jun. 219), bestätigt zu werden. man stellt deshalb mit fug dieselbe vorauf, und nach ihr ordnen sich dann die übrigen bedeutungen. es wurde vorhin bemerkt, dasz das wort im mhd. nicht mehr üblich sei, sondern sich auf das mitteldeutsche beschränke. in jenem kommt dafür enphinden, enpfinden, unser heutiges empfinden vor, wie schon die 3, 426 angeführten stellen zeigen, und fühlen ist in manchen gegenden Süddeutschlands dem volke allmählich so fremd geworden, namentlich in dem südwesten und der Schweiz, dasz der 1523 zu Basel erschienene nachdruck von Luthers übersetzung des neuen testamentes als ein gleichsam unbekanntes wort in dem bl. 361ᵇ ff. angehängten wortverzeichnisse fuͤlen eben durch enpfinden erklärt. auch verzeichnet Sebastian Helber, der kaiserlicher notar zu Freiburg im Breisgau war, s. 47 f. unter den wörtern mit üe kein füelen, und schweizerisch kennt man noch heute kein füela, füele, das, wenn es vorkäme, sicher bei Tobler aufgenommen sein würde. ferner scheint in den heutigen mundarten Süddeutschlands fühlen trotz seiner üblichkeit in der schriftsprache kein gewöhnliches wort, wenigstens wird bair. füeln von Schmeller 1, 525 als unvolksüblich bezeichnet, wenn gleich weit minder als die gleichbedeutend gebrauchten empfinden, spüren, greifen. völlig geläufig jedoch ist das wort bei dem volke in Mittel- und Norddeutschland. neben nd. fölen, das bereits oben angegeben ist, erscheint clevisch füle (Geerling die clevische volksmundart, Wesel 1841, s. 36), göttingisch-grubenhagenisch foilen (Schamb. 274ᵃ), und wetterauisch sagt man foile. aus der sprache Mitteldeutschlands ist dann fühlen in die nhd. sprache gekommen. Nun zu den bedeutungen und fügungen, zunächst wenn das wort, wie es sein ursprung fordert,
I.
transitiv steht, wobei zugleich angegeben werden wird, wo übergang in intransitive stellung und also diese selbst stattfindet. Hier bedeutet fühlen
1)
mit den fingern prüfend oder forschend berühren, mit den fingern prüfend oder forschend greifen, überhaupt prüfend oder forschend berühren. so mitteld. in aufzählung der fünf sinne sëhen, hôren, vûlen, smeckin unde rîchen. Hoffmanns fundgr. 1, 369ᵇ. nhd. das (dasz) sie allerlei götzen der heiden für götter halten, welcher augen nicht sehen, noch ire nasen luft holen, noch ire ohren hören, noch die finger an iren henden fülen können. weish. 15, 15. fühlen, berühren. (Harsdörfer) poet. trichter 3, 213.
a)
mit beigesetztem acc.: sehet meine hende und meine füsze, ich bins selber, fület mich und sehet, denn ein geist hat nicht fleisch und bein, wie ir sehet, das ich habe. Luc. 24, 39. das (dasz) sie den herrn suchen solten, ob sie doch in fülen (in der vulg. attrectent) und finden möchten. apostelgesch. 17, 27. der arzt fühlt den leib eines an einer entzündung in demselben daniederliegenden kranken, um den sitz des übels zu erforschen. obscen ist er fühlte ein frauenzimmer, tangebat foeminam. Steinbach 1, 520. vgl.matronam tangere, matronas tangere bei Horat. sat. 1, 2, 54. 28. die hühner, die enten fühlen, im gemeinen leben, dem huhn, der ente mit einem finger in den darm am bürzel fühlen, um zu erfahren, ob das legen eines eies nahe ist. hierher gehört auch fühlen als bergmännischer ausdruck, wenn der bergmann mit dem handfäustel das gestein oder eine gesteinswand beklopft, um zu hören, ob sie lauten d. h. einen holen, dumpfen ton von sich geben, an welchem man nemlich erkennt, dasz die masse los ist und einen risz bekommen hat. Hübner handlungslex. (1712) s. 541. mineral- und bergwerkslex. s. 223ᵇ. Wenckenbach bergmänn. wb. (Wiesb. 1864) s. 50. der bergmann fühlte das gestein. in der berg- und hüttensprache Östreichs jedoch scheint der ausdruck, da er bei Scheuchenstuel 86 fehlt, nicht üblich zu sein.
b)
mit dat. der person und acc. der sache. (einem) den puls fühlen, venam tentare, pulsum arteriae explorare. Stieler 580.
endlich Äskulap, der göttern und göttinnen
zweimal des tags mit groszer feirlichkeit
den puls fühlt.
Wieland 5, 214 (d. verkl. Amor 5, 159).
danach dann einem den puls fühlen auch bildlich für: einen zum versuche, wie es mit ihm steht, prüfen, ihn nur einigermaszen prüfen, einen versuch machen ihn auszuforschen. fühle ihm ein wenig den puls, tenta, degusta eum, expiscare. Serz 120ᵇ. in gleicher weise, eigentlich wie bildlich, auch mit dem dat. der person und einer praep. vor dem acc. einem an den puls fühlen. Steinbach 2, 204. er fühlte ihm an den puls, carpo ejus manum admovebat. ebenda. doch sagt man in der bildlichen anwendung, nemlich in dem sinne von aliquem tentare, gewöhnlich einem auf den puls fühlen (Steinbach 1, 520), und noch üblicher ist die redensart einem auf den zahn fühlen, welche ursprünglich so viel alsdentem alicujus tangere“ (Steinbach ebenda), einem den zahn anrühren, ihm auf den zahn greifen, wol um zu erforschen, ob er schmerzt, bedeutet, woraus dann die bildliche bedeutung hervorgieng. übrigens begegnen beide redensarten einem auf den puls fühlen und einem auf den zahn fühlen zuerst im 18. jh. und zwar bei Steinbach a. a. o., der sie durch „tentare aliquemerklärt, während sich der spätere Frisch 2, 463ᶜ bei der letzten redensart umständlicher ausdrücktexplorare alicujus voluntatem vel eruditionem.“ er fühlt mir auf den zahn, rem a me expiscari vult. Serz 180ᵃ. das heisze ich kurz abgebrochen! er wird doch nicht verdrieszlich geworden sein, dasz ich ihm ein wenig auf den zahn fühlte? Lessing 1, 410, eben so im ersten drucke des freigeistes in der ausg. der schriften v. j. 1755 5, 58 und dann in den lustspielen 1767 2, 49, weshalb Adelung bei anführung der stelle mit unrecht ihn setzt und ihm in klammern nur beifügt. allerdings sagt man auch mit dem acc. der person statt des dativs einen auf den zahn fühlen (Campe 2, 101ᵇ), aber der dat. ist weit geläufiger, und auch Campe 5, 808ᵇ setzt in der redensart der eben angeführten frühern angabe entgegen, einem.
c)
in intransitive stellung übergegangen, ohne casus: mitteld.
sô grîf daran mit dër hant
und vûle, wie dû sîst geblant
dër wârheit.
pass. K. 641, 86.
nhd. und wie er tappt, und wie er fühlt.
Göthe 1, 182. 10, 250, vgl. erwühlen.
fühle einmal, wie mir das herz schlägt; im dunkeln musz man fühlen, ob man auf den boden gefallenes wieder findet; er fühlte im finstern, um die thüre zu finden.
2)
durch wirkung auf die finger wahrnehmen, überhaupt durch wirkung auf einen körpertheil oder auf den körper wahrnehmen, eine mehr passive bedeutung der vorhergehenden gegenüber.
a)
mit beigesetztem acc.: ich wollte rosen pflücken, muste aber bald die dorne fühlen; eine verwundung fühlen; einen verursachten schmerz fühlen, hitze fühlen, kälte fühlen, ein frösteln fühlen. sie schlahen mich, aber es thut mir nicht weh, sie kloppen mich, aber ich füle es nicht. spr. 23, 35; dazu (hast du) die silbern, gülden, ehrne, eisern, hülzene, steinern götter gelobet, die weder sehen, noch hören, noch fülen. Dan. 5, 23; und da Ephraim seine krankheit und Juda seine wunden fület. Hos. 5, 13; sich nicht berauschen, das heiszt er gar nicht trinken. er will zwar nicht betrunken sein, aber doch so lange den geschmack des weins fühlen, als ihn der gaumen fühlen kann. Kleanth wird ein säufer, aber ein ordentlicher säufer. Gellert moral. vorles. 421;
fühlst du, beim seligen verlieren
in des vergangnen zauberland
ein lindes, geistiges berühren,
wie zephyrs kus, an lipp und hand.
ich will doch sehen, ob auch ich diesen degen fühle. Schiller 194ᵇ (kabale und liebe 2, 7);
was! gnügt ihm (dem feinde) nicht in mitternacht zu herschen,
und soll auch noch der friedliche mittag
des krieges geisel fühlen?
Schiller jungfrau von Orl., erster u. zweiter druck s. 18, in spätern ausgaben fehlt die stelle, vgl. friedlich.
die glieder fühlen, wirkung von denselben in sich wahrnehmen, gefühl in denselben haben; doch gerne mit verneinung: einen finger, einen arm, einen fusz nicht fühlen, keine wirkung von denselben auf den körper wahrnehmen, kein gefühl von denselben haben. göttingisch-grubenhagenisch ek foile mîne arme nich, wenn sie übermäszig in erschöpfender arbeit angestrengt worden sind. s. Schambach 274. ich fühle meinen fusz nicht, er ist eingeschlafen und ich kann nicht vom flecke.
er ritte noch, wofern ihn Raspinette (des ritters pferd),
die keinen fusz (vor müdigkeit) mehr fühlt, nicht abgemahnet hätte.
Wieland Idris 1, 14.
b)
mit dat. der person und acc. der sache, doch nur indem der inf. fühlen bei dem verbum lassen steht. den ausgeruhten pferden die sporen fühlen lassen. irrgarten 80; der menschliche verstand läszt sich zwar ein joch auflegen, so bald man es ihm aber zu sehr fühlen läszt, so bald schüttelt er es ab. Lessing 11, 26; einer frau, welche so viel muth hat wie diese, ihrem manne es fühlen zu lassen, dasz sie frau ist. Rabener 4, 369. diese fügung ist allerdings selten, häufiger und angemessener dagegen wird hier fühlen mit acc. der person und acc. der sache gesetzt: und er nam die eltesten der stad und dornen aus der wüsten und hecken und lies es die leute zu Sucoth fülen. richt. 8, 16. frau und kinder zu hause liesz er ärger und verdrusz fühlen, die ihm in seinem amte bereitet wurden; er liesz ihn die unterstützung, die er ihm einst hatte zu theil werden lassen, oft genug fühlen. statt des acc. der sache kann auch ein satz stehn: sie soll ihn fühlen lassen, was es heiszt, ein edles herz hintergehen. Gellert lustsp. (1748) 88.
c)
mit dem inf.:
er fühlt der nymfe herz an seinem busen schlagen,
der glückliche! wie schnell, wie stark, wie warm!
Wieland Oberon 3, 64.
aber im perfectum: er hat ihr herz schlagen fühlen, und im plusquamperfectum: er hatte ihr herz schlagen fühlen, wo der inf. fühlen für das part. praet. gefühlt gesetzt ist, so dasz hier zwei infinitive zusammenkommen. gleiches findet sich bei helfen, hören, lehren, lernen, z. b. in ich habe ihm suchen helfen, er hat irgendwo läuten hören, ihn hat die noth beten lehren, er hat ihn lesen lernen. es ist dies eine verwendung des inf. nach misverstandenem vorbilde, indem man können, wissen statt gekonnt, gewust z. b. in er hat nicht schlafen können, er hat es nicht zu sagen wissen, eben so heiszen, lassen, sehen statt geheiszen, gelassen, gesehen z. b. in ich habe es ihn thun heiszen u. s. w. für infinitive nahm, da sie doch nichts anders als wirkliche participien ohne das vorgesetzte ge- sind, die so mit den infinitiven in der form zufällig übereinstimmen. übrigens setzt die heutige sprache lieber ich habe oder hatte sein herz schlagen gefühlt, also das wirkliche particip. vgl. gramm. 4, 169.
d)
mit dem part. praet.:
doch die rosse fühlen kaum den wagen
nur gelenkt von unvorsichtgem muth,
so beginnen sie erzürnt zu jagen.
Gries ged. 1, 12,
anders früher in Schillers musenalm. 1798 s. 173.
e)
in intransitive stellung übergegangen, ohne casus:
ich bring, hochwährte herrn! den vorlauf meiner trauben,
so niemals noch gevihlt, wie stark die khälterschrauben.
Rompler erstes gebüseh, in der dedication s. 1.
nun fühlst du, wie weh es thut, wenn man frieren musz. Im besondern ist fühlen in sich steigernder bedeutung auch so viel als durch starke wirkung auf einen körpertheil oder auf den körper in erhöhtem grade wahrnehmen, eindringlich wahrnehmen, schmerzlich wahrnehmen.
a)
mit einem acc. gefügt: man mus dem bösen wehren mit harter strafe und mit ernsten schlegen die man fület. spr. 20, 30. gib dem bösen buben schläge, aber tüchtig, dasz er sie fühlt. es könnte auch gesagt werden dasz er es fühlt. dieses es wäre aber ebenfalls der acc., der bei fühlen nhd. ganz an die stelle des genitivs getreten ist, in welchem das object ahd., alts. und mitteld. bis ins 14. jh. stand, worüber gleich nachher beispiele beigebracht werden sollen. dasz bei Luther es der acc. ist, kann nicht in zweifel gezogen werden, denn er fügt das wort sonst überall mit diesem casus: ich wil die einwoner des landes auf dis mal verschleudern und wil sie engsten, das sie es fülen sollen. Jer. 10, 18.
b)
auch intransitiv verwandt, ohne casus. das thier fühlt wie der mensch, ist fähig, sinnliche eindrücke an sich wahrzunehmen. man musz schon fühlen, ob das tuch rauh oder glatt oder zart ist. sprichwörtlich wer nicht hören will musz fühlen (Simrock 4939), nd. de (der) nig hören will mot fölen (Dähnert 128ᵃ), göttingisch-grubenhagenisch wër nich höæren wil mot foilen (Schambach 274ᵃ), d. d. wer nicht aufs wort merken, rath annehmen und so folgen will, der musz dafür leiden, dem bleibt das schlimme nicht aus.
3)
an sich oder in sich durch oder als sinnliche oder geistige erregung wahrnehmen.
a)
alts. und ahd. mit dem object im gen., nicht im acc.: hie ... gifuolda iro fêgnes, er fühlte ihre falschheit. Hêl. 168, 25. ahd.
si fualta sâr (= alsbald) dës guates.
O. III. 14, 28;
thës ih ofto fualta.
IV. 31, 34;
(ër) zalta, wës ër fualta,   ioh waʒ thâr inan ruarta.
III. 20, 110;
fualen wir ës harto.
17, 26;
thaʒ leid, thaʒ inan ruarta,   thaʒ gënêr ës ni fualta.
V. 9, 16;
s. gramm. 4, 662. auch mhd. oder vielmehr mitteld. erscheint noch dieser gen.: und wille und vernunft sinken und fûlen dës êwigen wortes daʒ dër vater von himelrîche in in gebirt und offinbârt. Hermann von Fritslar in den myst. 1, 22, 12;
alle sîne sûche gelac (seine ganze krankheit hörte auf),
dër ër nicht ënvûlde.
pass. K. 61, 79.
aber daneben taucht der acc. an der stelle des genitivs auf:
in ein sûche ër (nemlich der tod) in (den heil. Bernhard) warf,
darinne ër vil genende (sehr muthig)
vûlte an im daʒ ende.
pass. K. 411, 70.
diese fügung mit dem acc. ist freilich anfangs sehr selten, hat aber bereits beim beginne der nhd. sprache die ursprüngliche mit dem gen. ganz verdrängt. denn wo inen der morgen kompt, ists inen wie ein finsternis, denn er fület das schrecken der finsternis. Hiob 24, 17;
seht, wie der mann der herde
den morgen fühlt,
und auf der frischen erde
den buhler spielt!
Hagedorn 3, 109;
Silvie. beschreib mir doch die liebe.
Damöt. die liebe fühlt man recht. sie läuft durchs ganze blut,
man sieht einander an und ist einander gut,
und fühlt — ich weisz nicht was: verlangst du mehr zu wissen,
so weisz ich keinen rath, als den, ich musz dich küssen.
Silvie. warum denn? geh doch nur! Amarillis. nein, er hat recht. ein kus
ist das, wodurch man erst die liebe fühlen musz.
Rost schäferged. 134;
ich sah dich und ich liebte dich:
doch ach! was fühltest du für mich?
„ich fühlte deine feuervollen blicke
und wandte schnell die meinigen zurücke
schon traut' ich ihnen selbst nicht mehr,
denn, ach! sie liebten dich zu sehr.“
Ramler 1, 90;
ja! ja! es ist kein wahn! ich fühls, ich fühls,
was deine adern schwellt, ist götterblut!
Wieland 26, 159;
welch eine nie gekannte glut
fühl ich in meinem herzen!
es klopft die brust, es wallt mein blut,
weh mir, welch süsze schmerzen!
Weisze kom. op. 2, 186;
der, fern vom purpur, fern von wechselbänken,
in eignen schatten, durch den west gekühlet,
sein leben fühlet.
E. von Kleist (1778) 1, 25;
fühl tugenden, so fühlst du glück!
59;
fühlst du noch meinen letzten blick,
gibst meinem staube deine thränen,
und denkest nicht dahin zurück,
wo du die schönste warst der schönen?
Boie im Göttinger musenalm. 1773 s. 100;
die bewegung beider war fürchterlich. sie fühlten ihr eignes elend in dem schicksale der edlen, fühlten es zusammen, und ihre thränen vereinigten sich. Göthe 16, 176; je mehr sich die seele erhebt zu dem gefühl der verhältnisse, die allein schön und von ewigkeit sind, deren hauptaccorde man beweisen, deren geheimnisse man nur fühlen kann. 39, 349; ich hatte doch die innern proportionen des ganzen (es ist der Straszburger münster gemeint) gefühlt. 359; deswegen gibts doch eine form (dramatischer stücke), ... die nicht mit händen gegriffen, die gefühlt sein will. 44, 2; nur ein einziges peinvolles gefühl sollst du fühlen. Klinger 3, 296;
ich allein, ich fühle deine schmerzen,
theures opfer, und beweine dich!
(Reitzenstein) Lotte bei Werthers grabe im teutschen Merkur 1775 juni s. 194;
kaum sprach der bube (Cypripor ist gemeint) so,
so schosz er und entfloh:
so fühlte schon mein herz
noch ungefühlten schmerz.
Uz (1768) 1, 15;
jetzt fühlt der engel was ich fühle,
ihr herz gewann ich mir beim spiele.
Göthe 56, 61;
weil alles hier (auf erden) den wechsel fühlet.
Gotter 1, 5;
ich fühlt es in der tiefsten tiefe
des herzens!
Kl. Schmidt poet. br. 142;
einen wunsch nur kann ich geben:
fühl die freuden immer neu.
Fr. Schlegel ged. 89.
drückt der acc. eine person aus, so hat hier fühlen den sinn: durch geistige erregung inne werden wer die person sei, durch das gefühl merken:
wenn Martial vertraut selbst mit dem kaiser spricht
und dreusten spott auf hoh' und niedre schüttet,
fühl' ich den Römer.
Göckingk 3, 257.
der verbrecher
fühlt' (im donner der posaunen) den rächer,
und erfüllte nun den bund.
Schubart ged. (1787) 2, 101;
Isabeau. ich darf ihn hassen, ich hab ihn geboren.
Talbot. wohl, an der rache fühlt er seine mutter!
Schiller 462ᵇ;
aber der sinn von fühlen kann auch sein: durch erregung der seele sich vergegenwärtigen, sich durch das gefühl vorstellen. er fühlte ihn (den mörder) so unglücklich, er fand ihn als verbrecher selbst so schuldlos, er setzte sich so tief in seine lage, dasz er gewisz glaubte, auch andere davon zu überzeugen. Göthe 16, 147;
als Gellert, der geliebte, schied,
manch gutes herz im stillen weinte, ...
stand Öser seitwärts von den leuten
und fühlte den geschiednen, sann
ein bleibend bild, ein lieblich deuten
auf den verschwundnen werthen mann.
2, 153;
an diese brust zu sinken,
die ihn nur fühlt.
F. Schlegel Alarcos s. 34.
b)
mit dem inf. oder vielmehr einer dem acc. mit dem inf. vergleichbaren fügung. so schon mitteld. in dem sinne von wahrnehmen:
dô quam Rûben ûʒer tur
in dëme bungarten sô hër vur
unde begunde wêrlich vûlen
einen man aldâ wûlen (wühlen)
in dëm obʒe, dër ëʒ las.
pass. H. 316, 34.
nhd. ich fühl es wahrheit sein, und ist doch nur ein wahn.
Lohenstein in auserlesene ged. 1, 271 (276),
= ich fühle dasz es wahrheit sei;
und rafft er auch einmal sich auf und will
sein was er war in Hektors heldentagen,
so fühlt er bald die sennen ihm versagen.
Wieland 5, 186;
ich fühl ein herz in meinem busen schlagen.
26, 158, vgl. oben 2) c);
er fühlte sein herz gegen den unbekannten aufgehen. 30, 347; wer fühlte nicht an ihrem arme himmel und erde in wonnevollsten harmonien zusammenflieszen. Göthe 44, 5;
ich fühle junges heilges lebensglück
neuglühend mir durch nerv und adern rinnen.
12, 32;
ich stand, als ich zum erstenmal bemerkte
die füsze stehn,
und reichte, da ich
diese hände reichen fühlte.
33, 243.
doch hat fühlen auch, freilich selten, den inf. mit zu bei sich: dieses letztere, das schwerere unstreitig, hat er (Göthe, im Egmont) vorgezogen, weniger vermuthlich aus zu groszer achtung für die historische wahrheit, als weil er die armuth seines stoffs durch den reichthum seines genies ersetzen zu können fühlte. Schiller 1237ᵇ.
c)
mit dem part. praet. gefügt:
ich fühls, du schwebst um mich, erflehter geist
enthülle dich!
ha! wies in meinem herzen reiszt!
zu neuen gefühlen
all meine sinnen sich erwühlen!
ich fühle ganz mein herz dir hingegeben!
Göthe 12, 34.
d)
in intransitive stellung übergegangen, ohne casus: der mensch fühlt, hat wahrnehmung durch sinnliche oder geistige erregung an oder in sich.
wenn sie nicht hören, reden, fühlen,
noch sehn, was thun sie denn? sie spielen.
Lichtwer fab. 4 nr. 3.
mit einem adj. oder adv.: fein fühlen; zart fühlen.
wer sein herz bedürftig fühlt,
findt überall einen propheten.
Göthe 13, 99;
dergleichen naturen fühlen menschlich weich. Schiller 161ᵇ; gott da empfand sie nichts? fühlte nichts, als ihren anschlag gelungen? nichts, als ihren reizen geschmeichelt? 201ᵃ;
doch warum fühlt diesz grosze herz so sehr,
das Marcius verräth?
Brawe trauersp. 82.
oder mit einer praep.: die gott für einen zornigen, ungnedigen fülen. Luther 3, 23; der fürst fühlt in der kunst und würde noch stärker fühlen, wenn er nicht durch das garstige wissenschaftliche wesen und durch die gewöhnliche terminologie eingeschränkt wäre. Göthe 16, 114; es ist billig, sagte der wirth, dasz ich Ihre neugierde befriedige, um so mehr als ich an Ihnen fühle, dasz sie im stande sind, auch das wunderliche ernsthaft zu nehmen, wenn es auf einem ernsten grunde beruht. 21, 19. da in der stelle von Luther aber statt für auch die demonstrative conjunction als gesetzt werden könnte, wenn es der zeit nach angienge, so ist hier gleich mit anzuführen, dasz fühlen dieses als mitunter bei sich hat: jetzt fangen erst die bäume, die felsen, ja Rom selbst an mir lieb zu werden: bisher hab ich sie immer nur als fremd gefühlt (d. h. so gefühlt dasz sie mir eine fremde erscheinung waren, keine vertraute). Göthe 29, 5. fühlen ohne beigesetztes object kann auch geradezu bedeuten liebe fühlen. bisher wuste er nicht, was liebe ist, aber jetzt fühlt er. vollständiger und allgemein üblich ist jedoch für jemand fühlen, für etwas fühlen. sie fühlte für ihn, liebte ihn. er fühlte für die schönheit der natur, hatte liebe für sie, gefühl für sie. ebenso steht empfinden, s. empfinden 4).
e)
mit einem abhängigen satze, zumal wenn dieser durch dasz verbunden einem acc. zu vergleichen ist, so dasz hier fühlen seinem ursprunge gemäsz transitiv erscheint: mitteld.
dô ëʒ quam an dën sëchsten tac
und ër in im vûlte wol
daʒ got sîne herten dol
ûf ein ende wolde jagen,
dô bat ër alsô kranc sich tragen
in die kirchen.
pass. K. 232, 3;
nu hôret, sprach si, ich vûle
daʒ mich dër liebe Jêsus Crist
wil nëmen in vil kurzer vrist.
337, 84;
wand ich, sprach ër, vûle
daʒ mir zene unde munt
wërden kalt in der stunt.
401, 82;
die brûdere ër alle rûfen lie
und vûlete wol daʒ ir gebët
dise kraft an im tët
und ër hie noch mûste sîn.
405, 43.
nhd. ich wil Ihren kummer so wohl wissen, als Ihr vergnügen und in beiden fällen fühlen, dasz ich Sie liebe. Gellert briefe (Leipz. 1758) s. 119; bis ans ende sollen sie fühlen, dasz ich nicht zu ihnen gehöre. Göthe 42, 423;
die schlechteste gesellschaft läszt dich fühlen,
dasz du ein mensch mit menschen bist.
12, 83;
du rührst mich, du hast groszmuth ausgeübt
an mir allein, ich fühle, dasz mein hasz
verschwindet, ich musz antheil an dir nehmen.
Schiller 473ᵇ;
warum kommt er nicht,
um meinen letzten segen zu empfangen?
ich fühle, dasz es schleunig mit mir endet.
542ᵃ.
vgl. noch dasz 1). aber nach fühlen wird auch zunächst der acc. es als nachdrücklich gesetzt, worauf dann erst der satz mit dasz folgt: und sie fülets am leibe, das (dasz) sie von irer plage war gesund worden. Marc. 5, 29; es ist mir aber immer, als wenn ich keinen (von den freunden als reisegefährten) mitnehmen würde. ich kann nicht sagen, warum? aber ich fühle es, dasz wir sie nicht brauchen. Gellert briefe (1758) 225;
ich fühls, dasz ich der mann des schicksals bin.
Schiller 382ᵇ.
ferner steht das wort auch mit einem diesen sätzen mit dasz vergleichbaren satze ohne diese conjunction, der wie aus einem mit derselben gebildeten verkürzt erscheint. so schon mitteld., aber in dem sinne von wahrnehmen, merken:
ër vûlte, dës in wundirte,
sîn hâr, daʒ im was benumin,
hatte ër sô vollinkumin
an brâin und an barte
und ûf dës houbtis swarte
daʒ nîman mocht irkennin
noch keine stat benennin
an sîme lîbe ubiral
di î gewësin wêre kal.
Jeroschin 18909, Pf. s. 272.
nhd. wer will wohl dem das glück entwenden,
der in sich selber fühlt, er hab es gut gemeint.
als intransitiv aber ist fühlen anzusehen, wenn es mit andern sätzen gefügt wird:
dann fühle, verräther, dann fühle wies thut,
an ehr und an glück zu verzweifeln!
Bürger 62ᵃ;
o lerne fühlen, welches stamms du bist!
Schiller 526ᵃ.
Nach der eben behandelten bedeutung werden die participien fühlend und gefühlt als adjective gebraucht. s. beide. Aber aus fühlen in seiner transitiven kraft geht hervor
II.
reflexives sich fühlen, und dieses bedeutet
1)
sich tastend bewegen, sich tastend finden: sich im dunkeln aus der stube bis an die hausthüre fühlen; er fühlte sich in dem finstern zimmer bis zum bette; ich konnte mich, als ich nachts nach hause kam, in dem hausgange nicht zurecht fühlen; er fühlte sich an der wand fort bis zur treppe. bildlich:
und, gott! das feld (der medicin) ist gar zu weit;
wenn man einen fingerzeig nur hat,
läszt sichs schon eher weiter fühlen.
Göthe 12, 99.
2)
in beziehung auf sich durch sinnliche oder geistige errregung innerlich wahrnehmen. hier steht das wort
a)
mit dem reflexiven dativ und mit dem acc. der sache, in der bedeutung: durch sinnliche oder geistige erregung in sich oder an sich innerlich wahrnehmen. er sah im traume seine blühende gattin ... sein herz erglühte — er fühlte sich flügel — sie trugen ihn zu der geliebten. Klinger 5, 353; ich stehe hoch und kann und musz noch höher steigen: ich fühle mir hoffnung, muth und kraft. Göthe 8, 216; das bittende sieht dich so freundlich an wie die gabe. niemand sieht erbärmlich aus, der sich einiges recht fühlt, fordern zu dürfen. Göthe 17, 310;
weltgeistlicher. jeder ernste blick
in diesen trüben tagen ist auf dich,
auf deinen werth, auf deine kraft gerichtet.
herzog. der glückliche nur fühlt sich werth (das subst.) und kraft.
9, 324;
denn an der braut, die der mann sich erwählt, läszt gleich sich erkennen,
welches geistes er ist und ob er sich eigenen werth fühlt.
40, 326;
du fühltest dir noch kräfte, dich hervor
zu wagen und der sonne licht zu sehn.
Schiller 610ᵇ.
hierher gehört auch, wenn an der stelle des accusativs ein adv. steht, wie viel, genug, die der acc. sg. des neutr. von adjectiven sind und einen gen. oder statt dessen das unflectierte subst. neben sich führen: ich glaubte selbst nicht, dasz man sich so viel gewalt fühlt, wenn man recht hat. ich habe auf euer geheisz manchen haufen durch vorstellungen abgehalten, durch drohungen geschreckt. Göthe 42, 420; fühlt sich der moderne griechischen geistes genug, um bei aller widerspenstigkeit seines stoffs mit den Griechen auf ihrem eignen felde, nämlich im felde naiver dichtung, zu ringen, so ... Schiller 1207ᵇ; sich mit dem schimmernden gefolge einer grösze begnügen, zu deren gründlichem gebrauch er sich muth und kräfte genug fühlte. 713ᵃ;
fühlst du dir stärke genug, der kämpfe schwersten zu kämpfen,
wenn sich verstand und herz, sinn und gedanken entzwein.
99ᵃ.
In allen diesen stellen, in denen der reflexive dativ steht, liesze sich auch das blosze verbum ohne diesen setzen, und wirklich hat Göthe 8, 59 er ... fühlte einen neuen zug nach Bamberg, während er 42, 75 in der ersten bearbeitung des Götz an der nemlichen stelle gesetzt hatte er fühlte sich einen neuen zug nach Bamberg.
b)
mit dem reflexiven acc. und dem acc. der person, in dem sinne: sich durch sinnliche oder geistige erregung innerlich wahrnehmen als —, sich in der seele fühlen als —. ich fühlte mich wieder denselben, der ich war, da du mich in deinem hause zu Smyrna verlieszest. Wieland 3, 168;
sie (Diana) kennt sich selbst nicht mehr und fühlt in ihrem leben
sich izt zum erstenmal ein weib.
10, 146 (Endym. 438 f.);
noch fühl ich mich denselben, der ich war!
Schiller 380ᵇ;
bube! wenn du genossest, wo ich anbetete! schwelgtest, wo ich einen gott mich fühlte. 202ᵃ. aber für den acc. kann auch der nom. eintreten:
dann übt der jüngling streitend seine kräfte,
fühlt was er ist, und fühlt sich bald ein mann.
Göthe 9, 113;
der lanzknecht fühlt sich frisches blut.
4, 64,
wo frisches blut auch acc. sein könnte, wenn sich bei Göthe sonst sichere belege der fügung mit diesem falle, insofern er eine person anzeigt, bei sich fühlen darböten. gleiches gilt von den beiden folgenden stellen dieses dichters:
dein eigensinn verkennt die wonne
wenn die götter, du,
die deinigen und welt und himmel all
sich ein innig ganzes fühlten.
33, 247;
wie hätt ich widerstanden! diese nahm ich auf!
mich vater fühlend, schlosz an meine brust ich sie.
40, 409;
ich fühle mich nun wieder der mann, der ich war. Klinger 5, 135; ich, der ich mich auf der Khalifen thron mehr mensch fühle, als der bettler auf der nackten erde. 209. um das, was der acc. oder der nom. ausdrücken, mehr hervorzuheben, wird auch noch vor dieselben das demonstrative als gesetzt, welches jedoch von geringer wirksamkeit ist. vgl. 1, 254—256. so empfand sie, dasz sie sein zartes gemüth verletzt habe und fühlte sich als seine schuldnerin. Göthe 17, 269.
c)
mit einer praeposition, in der bedeutung: sich in der seele fühlen.
wenn fremde sich in unsre lage fühlen,
sind sie wohl näher als die nächsten.
Göthe 9, 336;
sie begegnen sich, und eins im andern
fühlt sich ganz und fühlet ganz das andre.
40, 422;
er
wird Bajä gern mit ihnen tauschen,
und sich auf besserer erde fühlen.
Herder Terps. 1, 24;
fühlst du dich nicht in deine brüder,
so fühlt in dich sich niemand wieder.
werke, z. sch. lit. 15, 328.
d)
mit einem inf. gefügt. endlich griff ich nach den briefen und las. ich fühlte mich besser darnach werden. Bürger 499ᵇ; geht! geht! die arie zu hören, wo der junge mann, der sich sterben fühlt, ausruft: mon coeur s'en va! Göthe 36, 108. auch mit dem inf. mit zu: sie fühlte sich ein wurm zu sein. Jung-Stilling gesch. des herrn v. Morgenthau 2, 139; ich fühle mich, wohl etwas besseres leisten zu können, als mein leben und meine kräfte an geschäfte zu verschwenden, wozu jeder gemeine schreiber leicht gut genug wäre. Bürger 476ᵇ.
e)
mit einem particip oder einem adj., das dann den sinn bestimmt. vgl. sich empfinden bd. 3, 428. indem nun die pflanzen immer mehr wurzel schlugen und zweige trieben, fühlte sich auch Ottilie immer mehr an diese räume gefesselt. Göthe 17, 306; wenn man sich besonders gut gegen ihn gesinnt fühlte. 21, 19;
ein jeder fühle sich vom himmel aufgefodert.
Wieland 26, 195;
auch eben recht wirds für den weisen sein,
der sich berufen fühlt, so sonderlich zu wohnen,
wie der von Sinope.
Kl. Schmidt poet. br. 175;
er fühlt sich getroffen, fühlt, dasz das, was ein andrer sagt oder thut, auf ihn passt, auf ihn anwendbar ist; sich gedrückt fühlen, vgl. drücken 7 c; sich beleidigt fühlen; sich gekränkt fühlen; sich verletzt fühlen, auch uneigentlich in dem sinne sich in etwas zum verdrusse schmerzlich berührt, in etwas empfindlich gekränkt fühlen; sich gehoben fühlen, körperlich und geistig gekräftigt, in eine anregende, zur thatkraft anspannendere stimmung versetzt.
das abendmal halt mässiglich,
wilt du frühe lustig fühlen dich.
Henisch 1278, 69;
er, an ihre brust gedrückt,
fühlt sich unsterblich, wird zum gotte
in ihrem arm.
Wieland Oberon 7, 42;
zertummelt da, zerhummelt hie
wird manche krank sich fühlen.
Bürger 89ᵃ;
klein fühl ich mich in diesem furchtbargroszen.
Schiller 498ᵃ.
der wandrer fühlt sich nach dem weiten wege müde; der genesende fühlt sich noch schwach; er fühlt sich von der groszen anstrengung matt; der verlassene fühlt sich elend; doch bleibt es hier ungewis, ob lustig, unsterblich, krank, klein, müde, schwach, matt, elend wirklich adjective oder adverbien sind, zumal da sich fühlen auch mit wörtern gefügt wird, die unbezweifelt dieser letzten wortart angehören: ich fühle mich wol, ich bin nun wol auf. Henisch 1278, 60; die hausfrau — ich fühlte mich zufrieden, sie nicht als witwe denken zu dürfen — zeigte sich erwünscht erst am fenster, dann an der thüre. Göthe 23, 183; was meinen Sie wohl, dasz bei dem entzückten liebhaber, bei dem ruhigen gesetzten manne, dieser spott eines menschen, den er so herzlich verachtet, über den er sich so weit hinausfühlt (= sich so hoch erhaben fühlt), für wirkung thun könnte? Engel 1, 162. der fügung mit viel und genug wurde vorhin unter a) gedacht. dann ist noch hierher zu setzen:
in seinem (des zephyrs) säuseln fühlte
sie (die rose im winter) sich dem sturme preis.
Blumauer ged. 2, 161.
Bei der fügung mit einem particip kann häufig vor dieses eben so und mit derselben geringen wirksamkeit, wie vor dem von sich fühlen abhängigen subst. das demonstrative als gesetzt werden, zumal wenn es zur bestimmtheit des ausdrucks beiträgt: es darf sich einer nur für frei erklären, so fühlt er sich den augenblick als bedingt. wagt er es sich für bedingt zu erklären, so fühlt er sich frei. Göthe 17, 262, wo bedingt ohne als wie zu augenblick gehörig angesehen werden könnte. vor dem adj. oder adv. dagegen wird als nicht gesetzt. wir sagen sich glücklich fühlen, aber ein sich als glücklich fühlen dürfte schwerlich vorkommen, obgleich es nicht unzulässig wäre. vgl. 1, 256.
f)
ohne einen abhängigen casus oder nähere bestimmung, zunächst in der bedeutung: in sich seinen zustand, sei dieser körperlich oder geistig, wahrnehmen, in sich seine unvollkommenheit, seine schwäche, seine abnehmenden kräfte wahrnehmen.
aber menschen schweren frechlich, wenn sie sich gleich selbsten fühlen,
denn sie denken durch das schweren zu gewinnen, wie durch spielen.
Logau 2, 26, 96;
denn wem Egyptens hof und dienstbarkeit gefällt
wird schwerlich nach der kost des süszen manna ringen,
er fühlt sich, dasz er dort nichts gutes hoffen kann.
Chr. Gryphius poet. wälder 1, 443;
als er den 23. psalm seinen jungen studenten erklärte, da fühlete er sich (= fühlte er sich schwach, krank) und sprach: liebe zuhörer, ich werde in eine andere schul berufen. Otho 468. der kranke fühlt sich, fühlt seine krankheit, seine schwäche. du brichst mit fleisz ab, weil du dich fühlst (Gellert), weil du deine schwachheit fühlst, wie Adelung erklärt. Cäcilie. Sie halten sich auch für schwächer, als Sie sind. fürst. ich fühle mich. — unmittelbar empfind ich nichts mehr. nur éin kanal ist noch übrig, durch den sich süszes und bitters in mein herz ergieszen kann, — das sind meine kinder. Leisewitz Jul. v. Tarent 1, 7 = s. 27; wenn wir uns itzo nicht sehen, so geschieht es niemals: man lebt nur wenige augenblicke, ich fühle mich (es ist gemeint dem tode näher). Sturz 2, 16. aber dann g) ohne einen abhängigen casus am üblichsten in dem sinne: ein lebhaftes gefühl von sich haben, seinen werth, seine geltung vor andern in sich wahrnehmen und davon lebhaft erfüllt sein. diese bedeutung läszt sich jedoch erst aus dem 18. jh. nachweisen.
sie wacht. ist diesz wohl wunderbar zu nennen?
ein mädgen, das sich fühlt, wird selten schlafen können!
Jac. Friedr. Lamprecht die nachtigall (1744) in Rosts verm. ged. s. 102;
was du mit zittern glaubst und bald aus stolz verschmähest,
und bald, wenn du dich fühlst, vom himmel trotzig flehest.
Lessing 1, 185;
das licht des tages verlassen, ist schmerzlich: schmerzlich ist es, sich vielleicht selbst verlassen müssen, aufhören sich zu fühlen, sich sagen zu können: das bist du! das gilt dir! 2, 575;
munter erhellt sich des gestärkten
greises blick! mehr noch fühlt
sich der jüngling: er enteilt mit des rehes
leichterem sprung dem heerd.
Klopstock 1, 258 (303);
kaum begann er zu blühn, fühlte sich selber kaum,
als ihm röthe für sie
schon entglühte.
2, 58 (65);
die grazien fühlten sich selbst noch nicht genug, um Amorn ganz zu verstehen. Wieland 10, 48; die nation, welche sich damals noch fühlte. Möser 1, 381;
hier meine welt, mein all!
hier fühl ich mich.
Göthe 33, 247;
ich fühle mich. was Ihre Alba leisten,
das kann auch Karl und Karl kann mehr.
Schiller 255ᵇ;
fasz dich, Johanna. fühle dich. die unschuld
hat eine sprache, einen siegerblick,
der die verläumdung mächtig niederblitzt!
in edelm zorn erhebe dich.
479ᵇ;
wenn die männer um länder sich messen, dürfen auch die weiber sich fühlen. 174ᵇ. er fühlt sich recht. aber er fühlt sich gebrauchen wir auch in dem gesteigerten sinne: er zeigt sich übermüthig, er erhebt sich in seiner meinung über andere. das unglück hatte ihn gedemüthigt, aber nun fühlt er sich wieder.
3)
bergmännisch vom gestein: theilweise und so weit aus dem natürlichen zusammenhange gelöst sein, dasz sich diesz beim anschlagen mit einem fäustel durch den klang bemerken läszt. Gätzschmann 31. Wenckenbach 50. das gestein, die gesteinsmasse fühlt sich. schön in einer predigt vor bergleuten angewandt auf das erkennen, dasz die härte sich gelöst und in milde verwandelt hat: als aber die rathdiener sanct Pauli schutzrede und klage an ire herren gelangen lassen, fület sich das gestein in irem herzen und begint zu podern, zumal weil sie sich an römischen bürgern, die inns keysers und römischen senats handt und schutz stunden, heftig vergrieffen hatten. Mathesius Sarepta (1562) 306ᵃ. vgl. oben sp. 407.
4)
in der dritten person er, sie, es fühlt sich: wird durch das gefühl wahrgenommen, macht sich in der seele oder durch wirkung auf den körper oder den geist bemerkbar. in dieser stellung begegnet sich fühlen am frühsten. so fület sichs auch im gewissen. Luther 3, 212ᵇ; er (der knabe) wüszte nichts zu sagen, er vermag nicht über den verlust zu denken. verlust denkt sich nicht, er fühlt sich nur. Göthe 39, 200;
da fühlte sich — o dasz es ewig bliebe! —
das doppelglück der töne wie der liebe.
3, 30.
Blickt man zum schlusse auf sämmtliche bedeutungen zurück, so ist das allen gemeinsame wahrnehmen, weil aus sinnlicher oder zugleich geistiger erregung hervorgehend, kein deutliches, vielmehr haftet an ihm etwas nicht ganz gewisses, nicht ganz klares, etwas dem dunkeln verwandtes. deshalb auch scheidet fühlen sich strenge von wissen, erklären, erkennen, denken, überhaupt von allem was eine aufs gewisse, aufs deutliche gerichtete geistige thätigkeit ausdrückt: man kann sich gesund fühlen (aus dem behaglichen gefühl seines lebens urtheilen), nie aber wissen, dasz man gesund sei. Kant 1, 301; der, welcher sich gesund fühlte, nicht wuszte, dasz er krank war. 1, 302; das kind fühlt das unrecht wohl, allein weil es ein kind ist, weisz es das unrecht nicht auseinander zu setzen. Lessing 12, 579;
ich sah sie an, mein leben hieng
mit diesem blick an ihrem leben:
ich fühlt es wohl und wuszt es nicht.
Klopstock 1, 105;
diesz — was ich besser fühlen
als mir erklären kann.
Wieland 26, 158;
sollst uns dereinst in Tassos liedern zeigen,
was wir gefühlt und was nur du erkennst.
Göthe 9, 132;
dies éine fühl ich und erkenn es klar:
das leben ist der güter höchstes nicht,
der übel gröstes aber ist die schuld.
Schiller 515ᵇ;
sie fragte sich immer selbst: ist diesz auch wahr? fühlst oder denkst du wirklich, was der autor will dasz du denken und fühlen sollst? und wo nicht, liegt die schuld an dir oder an ihm? Wieland 38, 227;
bedenkt —. „bedenke nichts. sag wie dus fühlst.“
Schiller 386ᵃ;
der zweifel ists der gutes böse macht.
bedenke nicht, gewähre wie dus fühlst.
Göthe 9, 90;
ich untersuche nicht, ich fühle nur.
s. 74.
zuletzt ist die sinnverwandtschaft mit empfinden nicht unbeachtet zu lassen, die schon 3, 426 besprochen wurde. wie Klopstock fühlen und empfinden völlig gleich gebraucht, ist durch mehrere stellen belegt, aber auch bei andern finden sich beide verba ununterschieden: musz man denn diese traurige plage fühlen? nein, meine schwester irrt, es geht an, sie nicht zu empfinden. Gellert lustsp. 15; ein paar eheleute, die keine zärtlichkeit gegen einander empfunden haben, ehe sie sich verehelichten, die werden auch keine liebe gegen einander fühlen und wenn sie hundert jahre beisammen lebten. 311.
was Jakob dort gefühlt, was David hier empfunden.
Gottsched ged. 2, 611;
fühle, was diesz herz empfindet,
reiche frei mir deine hand.
Göthe 1, 82;
wenn dich zu preisen, dir zu danken sich
mein herz entfaltet, dann empfind ich erst
das reinste glück, das menschen fühlen können.
9, 143;
(er) fühlte seinen (den eignen) schmerz,
sich wieder in dem schmerz — empfand
sein schaudervolles dasein.
Klinger 5, 353.
s. auch die stelle von Schiller 201ᵃ oben unter I 3) d). findet unterscheidung statt, dann ist, zumal jetzt, nach Jacob Grimms treffender bemerkung, fühlen sinnlicher, empfinden geistiger und abstracter, was auch durch die unter fühlen, n., anzuführende stelle von Lohenstein belegt wird, so wie wenn Lessing im 3. stücke seiner hamb. dram. sagt: die empfindung ist etwas inneres, von dem wir nur nach seinen äuszern merkmalen urtheilen können. vgl. auch unter fühllos die stelle aus Gellerts lustsp. 129. in der ersten bedeutung, in der das transitive fühlen steht, ist es mit empfinden nicht synonym.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1866), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 405, Z. 76.

fühlen, n.

fühlen n.,
der inf. des vorigen verbums substantivisch. im 14. jh. steht in derselben weise das zusammengesetzte gefüelen: aber die sëlben, sô sie hër nâch mê minne gewinnent, sô haben sie lîhte niht als vil gefüelens und enpfindens. Eckhart 553, 32. einfach das fühlen findet sich erst nhd. und zwar in allen bedeutungen des transitiven fühlen.
1)
prüfendes berühren mit den fingerspitzen, prüfendes angreifen, überhaupt prüfendes berühren: mit tappen (palpando) suchen wir, was wir nicht sehen. und das ist der erste sinn, nemlich das fühlen (tactus). Comenius sprachenthür s. 97 nr. 323; das fülen ist der grund aller sinnen, tactus omnium sensuum basis et fundamentum est. Stieler 580; alle drei gelenke (der fühlhörner der groszen kothwanze) sind, wegen des fühlens, mit sehr subtilen härlein besetzt. Frisch beschreibung v. allerlei insecten (Berl. 1720) 10, 23.
2)
eine wahrnehmung durch wirkung auf die finger, eine wahrnehmung durch wirkung auf einen körpertheil oder auf den körper. in letzterem sinne: Gehasi ... legt den stab dem knaben aufs andlitz, da war aber kein stim noch fülen. 2 kön. 4, 31.
3)
empfänglichkeit für sinnliche oder geistige erregung, wahrnehmung durch sinnliche oder geistige erregung: richte und urtheile nit nach deinem fühlen, sondern nach gottes wort. Luther tischreden 260ᵇ; diese (räthe) griff i. f. gnaden mit ehrenrührigen worten harte an ... aber es war gleichwol bei ihnen wenig fühlen. Schweinichen 1, 307; ein heimliches fülen im herzen, praesagium. Stieler 580;
noch hast du nicht gewagt, ein römisch lied zu spielen,
das von gedanken strotzt, doch minder hat zum fühlen.
Lessing 1, 173;
seine küsse — paradiesisch fühlen!
Schiller 124ᵃ.
auch wie das eigentliche subst. gefühl gebraucht:
gibt auch des künstlers hand den farben geist und fühlen?
im 16. jh. selbst in dem sinne des reflexivs sich fühlen substantivisch: darum lasz dein dünkel und fühlen fahren und halte viel von diesem buch. Luther tischr. 1, 78. Zuletzt zur unterscheidung von empfinden, n., eine stelle, auf die schon vorhin bei dem verbum fühlen am schlusse hingewiesen wurde, was man nachsehe.
ich weisz nicht, ob sie sich dünkt fürs altar zu gut,
wo nicht, so hat an ihr das fühlen kein empfinden
und unser liebesöl braucht sie für kalte flut.
Lohenstein ged. 32.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1866), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 415, Z. 70.

fulen

fulen,
die noch schweiz. und elsäss. form unseres faulen. zu der bei diesem worte in der bedeutung faulenzen, pigrescere, angeführten stelle aus Keisersbergs bilger 152ᵈ zeichnet Jacob Grimm aus derselben schrift noch auf lit zuͦ fulen im bett. 152ᵇ. auch Zwingli 1, 20 hat fulen in diesem sinne: aber du siehst dieselben (die bischöfe) nach dem wort Esaie LVI blind uffseher worden sein, all unwüssend stumm hund die nit bellen mögen, geleert liederlicher dingen, fulend und schlaffend und troumend, ja troum lieber habend dann die warheit. in Toggenburg bedeutet das wort so viel als vor trägheit gähnen. Stalder 1, 358. Von diesem verbum ist schweiz. abgeleitet fülela = einen übelen, faulen geruch oder geschmack haben, anbrüchig riechen oder schmecken (Tobler 207ᵇ. Stalder a. a. o.), wovon wieder das adj. fülelig = einen faulen geruch oder geschmack habend (ebenda); fuler, m. ein faulenzer, ein schlaraffe (Tobler ebenda), woher dann fuleri, f. eine faulenzerin, aber auch eine kuh die sich gerne legt (ebenda). nhd. lautet das erste wort fäulelen (s. d.) oder fäuleln und würden die übrigen wörter fäulelig, fäuler, fäulerin zu sprechen sein.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1869), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 482, Z. 9.

fülen, füler, m.

fülen, füler, m.,
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1869), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 482, Z. 29.

füllen

füllen,
voll machen. dies der ursprüngliche begrif des wortes, welches goth. fulljan praet. fullida, ahd. fullan fulta, mhd. vüllen vulte, alts. fullian fulda, nd. fullen fuld, nnl. vullen vulde, ags. fyllan fylde, engl. fill, altfr. fella felde, altn. fylla fyldi, schwed. fylla, dän. fylde lautet und mittelst -i oder, was dasselbe ist, -j von dem adj. voll (s. d.), goth. fulls, ahd. fol, alts. und ags. ful, altfr. ful, fol, altn. fullr abgeleitet ist, also auch ahd. auf eine ursprüngliche form fullian zurückführt, deren i noch mhd. und nhd. den umlaut wirkt. das wort steht
I.
seiner bildung wie jenem grundbegriffe gemäsz zunächst transitiv, mit beigesetztem acc., und hat dann folgende bedeutungen:
1)
durch hineinthun oder hineinkommenmachen voll machen. hier bezeichnet jener acc. einen gegenstand, dessen inneres leer ist, und zwar
a)
einen behälter, ein gefäsz, ein geräth und dergleichen, mitunter auch blosz deren raum. zunächst belege, wenn der acc. gesetzt ist, ohne dasz weiteres mit einer praep. beigefügt wird: ahd.
thie man thoh, thie thâr scanktun   iʒ filu wola irkantun,
theiʒ waʒʒar lûtaraʒ was,   thô sie fultun thiu vaʒ.
O. II. 8, 42;
mhd. ie dar under füllen wir die kasten.
Walther 34, 9.
nhd. die (Rebecca) steig hin ab zum brunnen und füllet den krug. 1 Mos. 24, 16; der priester aber in Midian hatte sieben töchter, die kamen wasser zu schepffen und fülleten die rinnen, das (dasz) sie jres vaters schafe trencketen. 2 Mos. 2, 16; einen schlauch, eine flasche, einen becher füllen.
das glas gefüllt! ...
getrunken, brüder, getrunken!
Hölty (1804) 216;
haltet nur, nach schafsgebrauch,
eurem scheerer stille,
bis ich vollends fülle
meiner kisten weiten bauch.
Langbein ged. (Leipzig 1788) s. 259;
da der korb in wenig augenblicken leer war, liesz sie ihn zum zweiten und dritten mahle füllen. Wieland 38, 290. ein bett, ein küssen füllen, die federn hineinthun. aber man gebraucht ein bett füllen auch in ganz anderm sinne (s. unten). einen strohsack füllen, ihn voll stroh stopfen, frisches stroh hineinthun. einen sack füllen, gegenstände bis oben hineinthun; dagegen den sack füllen (s. unten). ein masz füllen, es voll machen. in bildlicher anwendung: dein bruder scheint nun das masz seiner schande gefüllt zu haben: ich wenigstens kenne nichts über dem, was er wirklich erreicht hat. Schiller 104ᵃ; tausendmal bat ich gott mit thränen um den tod, aber das masz meiner strafe musz noch nicht gefüllt sein. 136ᵃ. neben dem acc. aber kann auch ein dat. der person stehn:
du solt nit lang aus sein!
und füll ir auch das flaschelein!
fastnachtsp. 501, 29;
besinn dich, besinn dich, schelmendeckel, ich füll dir den ränzel, ich füll dir den seckel. Musäus volksm. (1787) 5, 166;
die christenheit trauert in sack und asche:
der soldat füllt sich nur die tasche.
Schiller 324ᵇ.
dann belege, wenn mit einer praep. weiteres beigefügt ist, gewöhnlich zur angabe dessen, womit das durch den acc. bezeichnete voll gemacht wird: ahd. thô quad in thër heilant: fullet thiu faʒ mit waʒʒarû. inti sie fultun siu unzan enti. Tat. 45, 5 (Joh. 2, 7), bei Luther Jesus sprach zu jnen: füllet die wasserkrüge mit wasser. und sie fülleten sie bis oben an. mhd.
ër hieʒ die secche alle   mit weiʒʒe fullen.
Milstäter hs. 91, 10, wofür gen. 63, 43 (bei Graff 103)
ër hieʒ die secche alle   tuon weiʒes folle.
nhd.
und Joseph thet befelh, das (dasz) man jre secke mit getreide füllet und jr geld widergebe.
1 Mos. 42, 25;
da gieng sie (Hagar) hin und füllet die flassche mit wasser und trenckt den knaben.
21, 19;
so spricht der herr, der gott Israel: es sollen alle legel mit wein gefüllet werden. so werden sie zu dir sagen: wer weis das nicht? das (dasz) man alle legel mit wein füllen sol?
Jer. 13, 12;
fülle dein horn mit öle und gehe hin.
1 Sam. 16, 1;
o, dacht er, weil ich doch sehr lange steigen musz:
so will ich, meinen durst zu stillen,
den reisesack mit solchen früchten füllen.
er asz und fand die frucht vortrefflich vom geschmack
und füllte seinen reisesack.
Gellert fabeln 2 (1751), 101 f.;
der sender gelobte den herrlichsten sold
und füllt' ihm den seckel mit lachendem gold.
Langbein neuere ged. (Tüb. 1812) 1, 160;
vier taschen füllt der held mit seinen tabaksdosen.
Dusch verm. werke 163;
wenn ich mein glas
mit bischof fülle.
Klamer Schmidt verm. ged. 1, 46;
so nehmet auch den schönsten krug,
den wir mit frischem trunk gefüllt.
Göthe 12, 56;
weinflaschen ohne zahl, mit dem besten malvasier gefüllt. Musäus (1787) 1, 196;
den becher reicht er (der edelknecht) ihm knieend dar,
und der könig der lieblichen tochter winkt,
die füllt ihn mit funkelndem wein bis zum rande.
Schiller 63ᵇ;
hoch mit erfreuendem gut füllt Amalthea das horn.
76ᵃ;
und (die mutter) füllet mit schätzen die duftenden laden.
78ᵃ;
die arme leut haben vor zeiten jre beth (betten) damit (mit der wolle des wollgrases, eriophorum polystachion) gefüllet. Adam Lonicerus kräuterb. 210ᵇ. aber das mit der praep. beigefügte kann auch die thätigkeit ausdrücken, mit der gefüllt wird:
mit unterschied, herr graf! die einen (unterthanen) füllen
mit nützlicher geschäftigkeit den beutel,
und andre wissen nur ihn brav zu leeren.
Schiller 333ᵃ.
endlich belege, wenn, wie die beifügung mit einer praep., ein gen. ausdrückt, womit das durch den acc. bezeichnete gefäsz oder behältnis gefüllt wird. dies ist eine in unserer sprache wolbegründete fügung und der gen. hat hier entschieden instrumentale kraft: alts.
hë hêt thëâ skenkëon thô   skîrëas watares
thiu fatu fullien.
Hel. 62, 6.
ahd., wo beispiele mit fullan mangeln, eins mit gefullan, das mit jenem einfachen verbum übereinstimmt:
(Jesus) hiaʒ mit willen   thiu sëhs faʒ gifullen
uuaʒares thie sînê,   thaʒ woraht ër thâr zi wîne.
O. II, 10, 3.
mhd. dâ vor in allen wîlen   gefüllet zwelef schrîn
dës aller besten goldes   daʒ inder mohte sîn,
hëten die ir magede.
Nib. 1220, 1;
dëm fult ich rôtes goldes   dën Etzelen rant.
1962, 3;
dâ das niuwe loub ê was entsprungen
dës hâstû (der winter ist angeredet) nû gevüllet dînen sac.
MSH. 3, 286ᵇ, 124, 1,
d. h. das hast du nun geraubt. vgl. den eigennamen Füllensack, aus dem sich auch für mhd. dën sac vüllen, das eigentlichden sack durch hineinthun voll machenausdrückt, die weitere bedeutunggewaltsam hinwegnehmen, raubenergibt. nhd.
als sie nunmehr die geräth im dunkelen schiffe befestigt,
stellten sie krüge dar, zum rande gefüllt des weines.
Voss Odyssee 2, 432;
legte des eingeweides dann vor und füllte des weines
einen goldenen becher.
3, 40;
aber wessen das gefäsz ist gefüllt,
davon es sprudelt und überquillt.
Schiller 325ᵃ.
zugleich mit einem dat. der person:
hastu icht guoten alten wein,
des soltu mir füllen das fläschelein.
fastnachtsp. 501, 29.
doch ist diese fügung mit dem gen., die sich von dem adj. voll auf das davon abgeleitete füllen übergetragen hat, im nhd. selten, indem man in diesem lieber mit einer praep. fügt. Als besondere ausdrücke sind anzuführen
α)
die pfeife füllen, tabak hineinthun dasz sie davon voll wird, sie stopfen:
sein wunsch wird ihm gewährt: der lange durst gestillet,
und seine pfeife wird in süszer ruh gefüllet.
Zachariä d. schnupftuch 4, 42.
aber der acc. pfeife kann auch ausgelassen werden, so dasz füllen intransitiv zu stehn scheint:
pursche fangen grillen,
aber wenn sie füllen
und die pfeifen glühn,
musz der schmerz so weit entfliehn.
β)
das bett füllen in dem sinne: machen dasz es voll ist, indem man jemand sich hineinlegen läszt. so sagt eine frau: ich habe bishero mein bett mit altem rindfleisch gefullet, ich gedenck es nunmehr mit jungem kalbfleisch zufullen. Melander jocoseria (1611) 1, nr. 325.
γ)
fülls recht in: o der durstbrünstigen kunden! wirtsknecht, der sat brennt mich hinden! lesch da! mein freund fülls recht! und krön mir den wein, ich bitt dich. Fischart Garg. 102ᵃ = (1608) M v ᵇ. was heiszt das? und ist das mit dem imperativ füll zusammengezogene es acc. oder gen., also das ganze gemeint entweder füll das glas recht, oder füll des weines recht, d. h. schenke recht wein ein? das erste scheint das richtigere zu sein und es allgemein für das glas zu stehn.
b)
ein gebäude oder einen theil desselben, überhaupt erbautes, einen keller, eine höle, eine grube, einen graben, einen gegrabenen wasserbehälter u. dgl. Auch hier wird zunächst der blosze acc. gesetzt: heuser alles guts vol, die du nicht gefüllet hast. 5 Mos. 6, 11; und als bald befalh Raguel, das (dasz) sie das grab wider fülleten, ehe es tag würde. Tob. 8, 19. die gräben füllen, fossas complere. Maaler 145ᵈ; die gruͦben füllen. 194ᶜ; einen teich füllen, ihn mit erde ausfüllen, zuwerfen. Stieler 2391. neben dem acc. mit einer praep., wieder um beizufügen, womit gefüllt wird: und (die Philister) verstopften alle brünne, die seine (Isaacs) vaters knechte gegraben hatten, zur zeit Abraham seines vaters, und fülleten sie mit erden. 1 Mos. 26, 15; seine hülen füllet er (der löwe) mit raub und seine wonung mit dem, das er zurissen hatte. Nah. 2, 13; die jrer herrn haus füllen mit rauben und trigen (d. i. geraubtem und durch trug erworbenem gut). Zeph. 1, 9; wir wöllen unser heuser mit raube füllen. spr. Sal. 1, 13; so er (gott) doch jr haus mit güter füllet. Hiob 22, 18. die scheunen mit frucht füllen; ein mit getreide gefüllter speicher.
aber sobald ihr das schif mit lebensgute gefüllet,
müszt ihr sogleich botschaft in den hohen palast mir entsenden.
Voss Odyssee 15, 445.
einen graben mit erde füllen, fossam terra complere. Steinbach 1, 521; die hohlen weege mit steinen füllen, cavitates viarum lapidibus complere. ebenda. ein mit wein gefüllter keller; die arbeiter füllten den keller der brauerei mit eis für den sommer; eine grube mit dickwurzeln füllen und dann mit stroh und erde bedecken, um dieselben als viehfutter für das frühjahr zu bewahren. mit gen. statt der beifügung mit einer praep. findet sich keine stelle, auch aus dem ahd. und dem mhd. weisz ich keine beizubringen, doch ist in diesen sicher auch hier die fügung mit gen. vorhanden gewesen.
c)
eine person, einen körpertheil der in sich aufnehmen kann, gehöre dieser einem menschen oder einem thiere an. mit bloszem acc.: einen füllen, ihn in essen oder trinken oder in beidem satt und übersatt machen. so in dem sprichwörtlichen man kann wol ein fasz füllen, so füllet man auch wol einen menschen. Henisch 1287, 8; er ist nicht zu füllen, nicht satt zu machen, ein unersättlicher frasz, exsaturari nequit, insaturabile abdomen est. Stieler 2391. blosz in speise: mhd. alsô füllet man dër rîchen liute kind in widerstrît (= um die wette), daʒ ir gar lützel alt wirt. Berthold (Pfeiffer) 433, 39, es ist vom übermäszigen einstreichen des breies die rede. nhd. das weib gedacht „jene hat sie nur einmal gespeiset — ich aber sol sie zweymal füllen“. Kirchhof wendunmut 179ᵃ. im trinken und hier besonders in dem sinne: bis zum vollwerden trinken machen, bis zur trunkenheit zu trinken geben. füllen, trunken machen. Maaler 145ᵈ. Henisch 1285, 8.
ich fülle in pisz auf den grunt
und verschwell im seinen schlunt.
fastnachtsp. 607, 23;
so sprich zu jnen, so spricht der herr: sihe, ich wil alle die in diesem lande wonen, die könige ... und alle einwoner zu Jerusalem, füllen, das (dasz) sie truncken werden sollen. Jer. 13, 13, fortsetzung der stelle Jer. 13, 12 oben sp. 497. noch schweiz. (Stalder 1, 404): warum sie (der bauer und seine frau) gefüllt wurden, davon hatten sie noch keine ahnung. J. Gotthelf schuldenbauer (1834) 35. die hand füllen, reichlich in dieselbe thun dasz sie voll ist:
truck wol das beinlein, füll die hant.
Scheit grobianus A 4ᵇ.
daher sprichwörtlich kindeshand ist bald gefüllt (s. kindeshand). Aber in besonderem biblischen ausdrucke die hand füllen, die hände füllen, dem priester oder Leviten die holen hände vom opfer, um beide zu ihren ämtern zu weihen, sie in diese einzusetzen. so in zahlreichen stellen des alten testamentes: und solt sie (die röcke, gürtel und hauben) deinem bruder Aaron sampt seinen sönen anziehen und solt sie salben und jre hende füllen und sie weihen, das (dasz) sie meine priester seien. 2 Mos. 28, 41 (vgl. cap. 29. 9. 29. 35. 3 Mos. 21, 10); zu füllen jre hende, das (dasz) sie geweihet werden. 33; ein priester, den man geweihet und des hand man gefüllet hat zum priester an seins vaters stat. 3 Mos. 16, 32; da sprach Mose (zu den Leviten): füllet heute ewre hende dem herrn, ein jglicher an seinem son und bruder, das (dasz) heute uber euch der segen gegeben werde. 2 Mos. 32, 29; denen ..., welche ihre hände fülleten und priester wurden 2 chron. 13 v. 9 (s. die stelle gleich hernach). Schuppius 78. mit dat. der person: und der man Micha ... füllet seiner söne einem die hand, das (dasz) er sein priester ward. richt. 17, 5. den balg füllen, curare pelliculam (Henisch 176, 42. 1285, 43), sich gütlich thun in essen und trinken. hier balg = bauch, leib, s. balg 2). den bauch füllen, durch essen, trinken: dasz sy allein jre beüch füllind wie ein sackpfeyff, oder, dasz sy sich spannind wie eyn sumber oder böcken. Frisius (1556) 431 und darnach bei Maaler 145ᵈ, der büch schreibt, dann bei Henisch 1285, 9; man soll den bauch gemach füllen. Henisch 1287, 10. blosz in hinsicht des trinkens:
voll brüder, knebel und weinschleuch,
die luͦgen wo man füll die beuch.
Scheit grobianus H ijᵃ.
den magen füllen, mit essen, trinken, besonders bis zur völligen sättigung oder selbst im übermasz. daher als bezeichnung eines fressers der name Füll-den-magen (s. nachher II 1) c). mit dat. der person einem den magen füllen, ihm satt zu essen geben, ihn sättigen: (meister Peter) hielt die lustigen brüder, die gute schwänke zu erzählen wuszten, zechfrei und füllte allen hungerleidern, die sich an ihn wandten und sein mitleid rege zu machen wuszten, den magen. Musäus (1787) 5, 181. den mund füllen, das maul füllen, mit essen, trinken bis zur befriedigung:
der kärner aber füllt sein maul (= asz sich satt):
wie es halt gieng mir armen gaul,
für ein wolessen er mich schlug,
vor hunger ich die haut kaum trug.
H. Sachs I (1590), 375ᶜ.
einem den mund füllen, ihn mit essen, mit trinken völlig befriedigen, dann auch so viel als ihm reichlich geben, seine wünsche befriedigen, ihn befriedigen: thu deinen mund weit auf, las mich jn füllen. ps. 81, 11. einem das maul füllen, es ihm stopfen mit speise, mit trank, dann so viel als jemandes verlangen, jemandes wünsche befriedigen, dasz er schweigt, überhaupt jemand schweigen machen. in diesem letzten sinne: zu dem fünften sprich ich, das (dasz) ich dir das maul füllen musz. Keisersb. buch der evangelien (1515) 99ᵇ. die backen füllen, mit speise, trank, im übermasz:
auch der syn backen fült also,
als ob sie stackten jm vol stro,
und mit dem essen umb sich gaff.
Brant narrensch. Z. 110ᵃ, 76.
besonders so, dasz sie sich aufs höchste ausdehnen. dies in folgender stelle, in der freilich ausfüllen steht, aber in gleichem sinne wie das einfache füllen:
nun weiter wann du iszt die speisz,
so halt dich auf ein solche weisz.
stosz (die speise) ein und füll die backen ausz,
dasz du sechst wie ein pfeifer drausz.
Scheit grobianus L 4ᵇ.
einem die backen füllen, in demselben sinne, aber auch in dem: ihm die backen mit luft aufs weiteste ausdehnen. dies in
ihr brüder! rief ein fürst der winde,
der götter haupt kehrt bei uns ein,
und alles liegt voll staub, geschwinde,
die straszen müssen sauber sein.
wohlan, lasz uns die backen füllen,
hub bruder sturmwind an zu brüllen.
Lichtwer bch. 2 nr. 21.
den hals füllen, übermäszig mit speise, mit trank, besonders mit letzterem bis zur trunkenheit:
die alt die sprach: mein son so lern,
seh hin und füll auch deinen hals.
H. Sachs I (1590) 387ᵃ.
einem den hals füllen. in demselben sinne steht den kragen füllen, den schlund füllen:
wann du jm hast erfült sein willen,
magstu dann auch dein kragen füllen.
Scheit grobianus B iijᵃ,
meinstu dasz ich dir fasten wöll?
und ewer jedem sehen zuͦ
wie er sein kragen füllen thuͦ?
C 1ᵃ;
lasz uns von unserm handel sagen,
wie jeder füllen mög den kragen
und wir mit guͦtem wein uns laben.
E 4ᵇ;
schaw zu, wie füllt die alt den kragen.
H. Sachs I (1590), 387ᵇ.
einem den kragen füllen, einem den schlund füllen:
du schult mir füllen meinen kragen,
wann das pest gehört in meinen magen,
und füll mich mit gutem wein.
fastnachtsp. 607, 30.
einen darm füllen, wurst machen, oder auch füllsel hinein thun: du pfuscher, du lump, bist, seh ich wohl, deiner kunst nicht meister, verstehst sie gar schlecht, weiszt den darm aufzublasen und ihn nicht zu füllen, machst den topf und kannst nicht drinn kochen. Musäus (1788) 2, 175. übrigens klingt die verbindung, in welcher hier der ausdruck steht, sprichwörtlich. mhd. fülle die hût (die abgezogene haut des aales) und brât in (mit dem füllsel zu einem gerichte). von guter speise 37; fülle die (abgezogene) hût dës hechtes (mit füllsel). 46. neben dem acc. noch mit einer praep., die beifügt, womit oder wovon gefüllt wird, oder auch mit damit, davon: fülle (= erfülle) uns früe mit deiner gnade, so wöllen wir rhümen und frölich sein unser leben lang. ps. 90, 14. in dem vorhin bei einen füllen sp. 498 unten angegebenen engeren sinne: zum vollwerden trinken machen, zum übermasz trinken machen, trunken machen. s. den schlusz der eben angeführten stelle fastnachtsp. 607, 30.
die von Sparta hetten ein recht,
dasz sie mit wein füllten jr knecht,
liessen jr sön sehen mit fleisz
der vollen knecht schendlich abweisz (abweis)
die füllerey mit zuverschmehen.
H. Sachs I (1590), 169ᵃ (= 1558) 229ᶜ.
von welchem (dem gras auf den dächern) der schnitter seine hand nicht füllet, noch der garbenbinder seinen arm vol. ps. 129, 7. einem die hand mit gold, mit silber, mit geld füllen, ihm diese reichlich in dieselbe thun dasz sie davon voll wird: mhd.
swër zuo mir rîtet oder gêt ...
dër fülle mit silber mir die hant
und mit golde, sô wirt ër
durch die heiligen marterer
sân zehant von mir gewërt
wës sîn herz von mir begërt.
Renner 9044.
s. oben die hand füllen. wer nicht hatte die hände mit güldinen männlein zu füllen, der muste unterliegen unnd seinem widersacher die schue putzen. Moscherosch Philander (1650) 1, 158. in dem vorhin bezeichneten besondern biblischen ausdrucke: wer da kompt seine hand zu füllen mit (dem opfer von) einem jungen farren und sieben widder, der wird priester. 2 chron. 13, 9 (s. vorhin die stelle von Schuppius). und er (der verlorne sohn) begerte seinen bauch zu füllen mit trebern, die die sew assen und niemand gab sie jm. Luc. 15, 16, s. erfüllen 1, wo die aus dieser stelle angeführten worte Luthers zu berichtigen sind; du must diesen brieff, den ich dir gebe, in deinen leib essen und deinen bauch da mit füllen. Ez. 3, 3; und werden doch jre seele davon (dem silber und gold) nicht settigen, noch jren bauch davon füllen. 7, 19; von den leuten dieser welt, welche jr teil haben in jrem leben, welchen du den bauch füllest mit deinem schatz. ps. 17, 14; er hat mich verschlungen, wie ein drache, er hat seinen bauch gefüllet mit meinem niedlichsten. Jer. 51, 34;
ob du hetst von der ersten tracht
den bauch gefült und eng gemacht,
so nimm deiner gesundtheit acht.
Scheit grobianus D 1ᵃ.
hort, rosch und weisz thu ich hie tragen,
darmit einr selten fult den magen.
fastnachtsp. 792, 15;
(Sarron) füllte den magen mit den überbleibseln von der tafel des einen und seinen beutel unbemerkt mit dem überflusz des andern. Musäus (1787) 1, 216.
so greif von ersten in die schüssel
und füll damit dein groben trüssel (die gurgel).
Scheit grobianus L iijᵃ.
einen darm mit bratwurstfüllsel füllen. er füllt därme mit sand und verkauft sie für stricke. Lessing 11, 748, vgl. darm 1.
füllt die herzen mit erfreuen.
Picander ernstscherzh. ged. (1727) s. 65;
singe den hohen choral mit Bachs ehrwürdigen tönen,
fülle mit andacht das zitternde herz!
Zachariä (1761) 385;
aber fasse dich nun, Kronions würdige tochter (Pallas),
steige hinab zum Peliden und fülle mit göttlichem leben
seinen busen, damit er vor allen sterblichen menschen
heute der glücklichste sei.
Göthe 40, 358.
der acc. kann auch die seele, den geist bezeichnen:
(die fröhlichkeit) füllt die lebensgeister
mit ungemeiner lust.
Picander ernstsch. ged. (1727) 130.
in den vier letzten stellen könnte übrigens auch erfüllen stehn.
d)
zur speise oder doch wie zur speise dienendes,
α)
in dessen leeres inneres etwas anderes als besondere speise hineingethan wird. hier ist schon mhd. füllen küchenausdruck, und das frauenzimmerlex. von Amaranthes (1715) 590 erklärt füllen heisst ausgenommene tauben, lammes- und kälberbrüste, truthähne, ausgehölerte krauthäupte mit allerhand guten füllsal von milch, semmel, eyern, petersilie, muscatenblumen u. d. g. innwendig ausstopffen und unterfüllen. mit bloszem acc. gesetzt: mhd. nim einen leufel (löffel) und fülle dën teic (der zusammengefaltet wird) und teil ëʒ. von guter speise 43. nhd. eine gans füllen, kräpfel füllen. gefüllte ayer. Henisch 1286, 34; gefult semel. Tegernseer kochbüchlein in Pfeiffers Germ. 9, 21;
(die köchin) würget zwey hüner an der stet,
füllet die und steckt sie an den spiesz.
H. Sachs II (1591). 4, 81ᶜ.
neben dem acc. mit einer praep.: porcellus trojanus, ein gebraten färlein mit vögeln gefüllet. Golius onomast. 344 (1579 sp. 342), s. färlein. eine gans mit kastanien füllen; kräpfeln mit eingemachtem füllen. auch nimmt man die grossen gesottenen erdschwämme (champignons), kehret sie um, füllet sie mit einer von fleisch oder fisch wohl gewürtzten gefülsel. küch- u. kellerdictionar. 209ᵇ;
(das vöglein) brächte mir von ihr gefüllte
speisen, nicht mit salm gefüllt,
eine feil und eine pfrieme
wäre drinnen wol verhüllt.
Herder z. sch. lit. u. k. 8, 224.
fügung mit dem gen. scheint hier nicht vorzukommen, ist aber möglich.
β)
das erst durch hineinthun von klein gehacktem oder geschnittenem zur speise wird. pasteten füllen; wurst füllen, durch füllen oder stopfen eine wurst machen: etlich stoszen die finger in das maul mit der speis als wolten sie würst füllen. Keisersberg narrensch. 50ᵃ; füll die wurst. Scheit grobianus L 4ᵇ am rande. wurst ist ein mit gehackten fleisch und untermengten gewürtz gefüllter darm. Amaranthes frauenzimmerlex. 2137.
e)
einen gegenstand, der eine flüssigkeit einsaugt dasz er von derselben voll wird. mit bloszem acc.: einen schwamm füllen. neben diesem mit einer praep. zur angabe dessen, was in das durch den acc. bezeichnete gefüllt wird: und bald lieff einer unter jnen, nam einen schwam und füllet jn mit essig und steckt jn auff ein rhor und trencket jn (Jesum am kreuze). Matth. 27, 48, vgl. Marc. 15, 36 u. Joh. 19, 29. ahd. aber wird hier wieder mit gen. gefügt, wo wir jetzt die praep. verwenden: inti sliumo (schleunig) liof ein von in, intfangana spunga (acceptam spongiam) fulta sia eʒʒihes inti sazta anân rôra inti gab imo trinkan. Tat. 208, 1. eben so im goth. nam svamm fulljands akêtis.
f)
einen nach mehreren seiten offenen beengten raum. mit bloszem acc. und auch neben diesem mit einer praep., welche beifügt, womit gefüllt wird. die lücke in der mauer ist gefüllt; er hat die lücken in dem zaune mit dornen gefüllt. auch in allgemeinerer anwendung:
wie war der blick? die stellung? mien und ton?
und hieraus füllt ich manche lücke schon.
Göckingk 2, 184.
eine fensteröfnung in der mauer mit steinen füllen.
g)
einen offenen weiten, selbst unbegrenzten raum, der im innern oder überhaupt mit oder von etwas voll wird. mit bloszem acc., bildlich: ich habe meinen vorsatz einer entgegenreise wieder aufgegeben, um dir heute noch an das herz zu stürzen und deinen himmel auszuschöpfen und meinen zu füllen. J. Paul Titan 5, 65. neben dem acc. mit einer praep.: wenn der winter das thal mit schnee füllte. Thümmel Wilh. 19;
du (gott) füllest die felder
mit weizen und klee.
Brockes 5 (1737), 115;
sie (die nachtigall) lässet tag und nacht, zu ihres schöpfers ehren,
viel tausend süsse lieder hören,
womit sie feld und wald, luft, herz und ohren füllt.
24;
es (das ros) schüttelt seinen nacken, stolz und kühn,
mit lautem wiehern füllts die aun.
Gries Tassos befr. J. 9, 75;
er (Buttler) thät sich basz hervor,
thät die welt mit seinem kriegsruhm füllen.
Schiller 324ᵃ.
in den vier letzten stellen könnte eben so gut erfüllen stehn. ahd. mit gen. statt der beifügung mit einer praep.: unde fullên sie dën himel unserrô nëfôn. Mart. Cap. 83. nhd. aber ist diese fügung erloschen. Bei diesen verbindungen aber, namentlich denen unter a) —e), bleibt es nur zu oft unbestimmt, ob der durch den acc. bezeichnete gegenstand ganz oder nur zum theil voll wird, deshalb findet sich in jenem falle zu füllen noch voll gesetzt:
ob du dann von der ersten kost
dein bauch so voll gefüllet host,
dasz er sich bläht und dehnet ausz,
dasz man wol mächt ein trummen drausz.
Scheit grobianus M jᵃ;
wil gehn mein fläschlein füllen vol
und richten mich auff die abfahrt.
H. Sachs III (1588). 1, 178ᵃ;
und sie kamen und fülleten (mit den gefangenen fischen) beide schiff vol, also, das sie suncken. Luc. 5, 7. die wege werden mit groszen steinen vollgefüllet, zugefüllt. Stieler 2391. oder es wird zu füllen eine andere, ähnliche bestimmung, wie voll, gefügt: Jhesus spricht zu jnen: füllet die wasserkrüge mit wasser. und sie fülleten sie bis oben an. Joh. 2, 7;
und diesen tummler füllte sie (Dido)
bis oben an.
Blumauer Aeneis 1, 43.
2)
einen gegenstand dadurch voll machen, dasz er von dem, das auf denselben gethan werden oder kommen soll, bedeckt wird. blosz mit acc. ohne weitere beifügung: er schrieb seine beobachtungen nieder und füllte mehrere bogen.
mein Gret, spin fluchsz und losz dir schlaunen,
fül dein spindel.
H. Sachs III (1588). 3, 5ᶜ.
mit beigesetztem voll:
bis ich zum vierdten mahl den bogen voll gefüllt.
Picander ernstscherzh. ged. (1727) 519.
neben dem acc. noch mit einer praep. zur. beifügung dessen, womit gefüllt wird: und (Josia) zubrach die seulen und ausrottet die hayne und füllet jre stete mit menschen knochen. 2 kön. 23, 14;
soll ich denn nicht ein blatt mit einem reime füllen?
Picander ernstscherzh. ged. (1727) s. 73;
der du (der herbst ist angeredet) ...
von wachteln, krammetsvögeln, lerchen uns tische, küch und keller füllst,
mit süszem wein und fettem mastvieh, mit lust so durst als hunger stillst.
Brockes 9, 391.
ein buch, eine schrift u. dgl. füllen, sie im innern bedeckt oder voll machen: (Tasso und Ariosto) füllten ihre werke mit zaubereien und gesichten. Voss Homers leben (Leipz. 1776 s. 86; meinen almanach mit so vollkommenen stücken, als möglich, zu füllen. br. 2, 97.
3)
durch hinthun einnehmen machen und so ausfüllen. neben dem acc. mit praep.: man soll nie sagen, ich füllte die wichtigen posten mit meinen verwandten. Klinger 5, 183.
4)
in etwas thun, oder in etwas kommen machen, um dieses voll zu machen. blosz mit acc.: bier, brantwein, wein, essich füllen, in fässer, krüge, flaschen. vgl. füllbuch. aber bier füllen heiszt noch besonders: neugebrautes bier aus dem gährböttich in fässer bringen. vgl. füllager. neben dem acc. zugleich mit einer praep., um namentlich beizufügen, worein, woraus, wovon gefüllt wird. so allgemein in einem der hunger überschriebenen sinngedicht:
mir ist ein gast bekant, der dringt durch freches plagen,
dasz ihn sein frommer wirth soll ausz dem hause jagen:
wann dieser es nicht thut, ist jener nimmer stille,
bisz dasz man gast und wirth in eine grube vülle.
Logau 3, 243, 93.
speise in den bauch, in den magen füllen:
und lasz dem bauch sein reohten gang,
dasz er sich ausstreck, breit und lang,
und guͦten raum hab nach seim willen,
dasz du vil speisz darein mögst füllen.
Scheit grobianus C ijᵃ.
federn in ein küssen füllen. zumeist aber von einer flüssigkeit, die durch den acc. bezeichnet wird: wein in schläuche füllen; wasser in die flasche füllen. zu Gieszen füllt man am ostersonntage vor sonnenaufgang in der Lahn stillschweigends wasser in flaschen, indem ihre öffnungen stromabwärts in dasselbe, dem man da eine besondere heilkraft zuschreibt, gehalten werden. most in das fasz füllen; mehrere masz bier aus dem fasse füllen; wein aus dem fasse füllen. dieses füllen nun geschieht bei flüssigkeiten hauptsächlich mit hilfe eines trichters, aber auch oft zugleich eines trag- oder schöpfgefäszes, mit welchem in jenen trichter oder überhaupt eingeschüttet wird. im gedanken an dieses schöpfgefäsz und das einschütten findet sich dann füllen auch in dem sinne vonschöpfenverwendet: aus einem gefäsze füllen, daraus nehmen, schöpfen, um es in ein andres zu füllen. vgl. Campe 2, 194ᵇ. fluszwasser in einen bottich füllen, in denselben schöpfen. in weiterer anwendung, indem sich zugleich der begrif des einnehmens verbindet:
ich
bins, in dem die schöpfung sich
punctet, der in alles quillt
und der alles in sich füllt!
Herder z. sch. l. u. k. 16, 146 (4, 108);
ich gut geschöpf, ich fülle
gern frohe laune, wenn ich kann.
Göckingk 1, 149.
5)
im innern vollenden, innerhalb des umrisses oder der einfassung ausfüllen. neben dem acc. mit einer praep., um beizufügen, womit das durch jenen ausgedrückte vollendet wird. ein bild mit farben füllen, es nach dem entwurfe, nach dem umrisse mit farben ausmalen, es illuminieren. so mhd. in einer schönen, von Jacob Grimm aufgezeichneten stelle: als dâ ein mâlære ein guot bilde entworfen hiete, unde daʒ dannoch niht gevüllet ist mit varwe daʒ man ëʒ wol gesëhen muge, alsô was die menscheit entworfen in dër gotheit: si was aber niht gevüllet mit dem vleische, daʒ man sî wol gesëhen und erkennen mohte. myst. 1, 398. ähnlichen sinn wird das wort auch in folgender stelle haben, in welcher es von dem wapen im schilde Roymunts, einem eine krone auf dem kopfe tragenden leoparden in blauem felde heiszt:
von lâʒûre und von golde
was ëʒ harte rîche
gefüllet meisterlîche.
Wig. 3914 (103, 10).
nhd. noch eine stickerei füllen, auf stramin, nachdem das muster gestickt ist, die leer gebliebenen stellen oder räume mit stichen von éiner farbe ausfüllen. das mädchen hat den gestickten teppich schwarz gefüllt.
6)
voll machen dasz die gesammtheit da ist, voll machen dasz nichts fehlt, vollständig machen:
viermal füllete Luna den mond mit verbundenen hörnern,
viermal löste sie wieder gemach abnehmend den vollmond.
Voss Ovid nr. 33, 28 (metamorph. 7, 530).
vgl. fülle I 1). dann: vollzählig machen, ergänzen. die fändlein füllen, in caesorum numerum supplere militares copias. Henisch 1285, 45.
spricht unterwegs, die zahl zu füllen,
zwölf paternoster noch im stillen.
Schiller 68ᵇ.
von der zeit:
wenn du stirbst und das masz der lebenstage gefüllt hast.
d. h. deine lebenstage vollzählig sind, du am ziele deines lebens bist. ähnlich steht schon ahd. fullan von der zeit ausgesagt, in der bedeutung vollenden, vollbringen: Elîsabêth wârlîhho ward gifullit zît zi bëranne, inti gibar irâ sun. Tat. 4, 9; gifultên tagon mit thiu siê heim wurbun. 12, 2. anders dagegen, als das masz der lebenstage füllen, sind die eigentlich auf biblischem ausdrucke (Luc. 6, 38) beruhenden das masz der schande füllen, das masz der strafe füllen zu fassen, s. sp. 496 unten.
7)
dadurch, dasz vollauf da ist, zufriedenstellen, gleichsam sättigen. diese bedeutung zeigt sich nur in der redensart seine augen nicht füllen können, trotzdem, dasz vollauf da ist, nicht zufriedengestellt werden können, und immer nach mehr sehen:
wer seine augen nit kan füllen,
sein geitz settigen oder stillen
und all zuviele thut begeren.
B. Waldis Esop 2, 15, 17.
heute noch sagt man im gemeinen leben von einem, der sich mehr speise nimmt als ihm aufzuessen möglich ist: er kann die augen nicht füllen, und sprichwörtlich heiszt es man füllet einem jeden ehe seinen bauch, als seine augen. Henisch 1287, 7. ferner: das herz und die augen kan niemand füllen, ohn gott allein. 1285, 58. einen andern sinn hat die augen füllen nachher unter 12).
8)
dadurch, dasz genüge gethan wird, vollständig befriedigen oder befolgen, gleichsam durch thun voll machen, zur that machen, erfüllen. ahd. ni curet wânen, thaʒ ih quâmi êwa zi lôsenne odo wîʒagon, ni quam ih zi lôsenne, ûʒouh zi fullenne. Tat. 25, 4;
folgên wir, in wara,   Moysesis lêra,
fullen wiʒʒôd sînan.
O. III, 20, 134;
gotes thëganon,
thie arabeiti thultun,   ioh sînan willon fultun.
V, 23, 192.
nhd. sie wäre mit mir glücklicher geworden, als mit ihm. o er ist nicht der mensch, die wünsche dieses herzens alle zu füllen. Göthe 16, 115. von sachen ausgesagt hat das wort überhaupt den sinn vonbefriedigen“:
ein handt voll gersten mir lieber wär (spricht der eine perle findende haushahn),
damit ich möcht den hunger stillen,
der sich nicht leszt mit perlen füllen.
B. Waldis Esop 1, 1, 30.
es ist nichts ärmers, denn der bettel, den kann man nicht füllen. Henisch 1287, 3.
was hilft dem Tzafer gold und geld!
es kan doch sein begehr nicht füllen
und weder durst noch hunger stillen.
Olearius pers. rosenth. 3, 18, vgl. begehr.
9)
bewirken voll zu machen, die ursache oder veranlassung sein voll zu machen. mit bloszem acc. in der alten bauernregel
mai kühl,
juni nasz
füllt scheuer und fasz
oder wie es in den solothurnischen dörfern Grenchen, Bettlach und Selzach lautet
der meie chüel,
der brochmonet nasz
füllt spîcher und fasz.
Schild d. groszätti 104, 47.
neben dem acc. zugleich mit einer beifügung durch eine praep.: ahd. leidege musae lêrent mih scrîben ... unde fullent sie mîniu ougen mit ërnestlîchên drânen. N. Boeth. 4. nhd. die herrlichen nuszbäume, die mich, gott weisz, immer mit dem gröszten seelenvergnügen füllten! Göthe 16, 123;
füllest wieder busch und thal
still mit nebelglanz.
1, 111, an den mond;
der du (friede) von dem himmel bist, ...
den der doppelt elend ist,
doppelt mit erquickung füllest.
109;
war es ein gott, der diese zeichen schrieb,
die mir das innere toben stillen,
das arme herz mit freuden füllen.
12, 32;
des leichnams anblick füllte mich mit grauen.
Gotter 2, 224;
kein mund, um den das lächeln schwebet
und keine brust
mit dünnem silberflor umwebet
füllt mich mich lust!
Hölty (1804) 148. Götting. musenalm. 1773 s. 31;
— ich weisz nicht, welche festlichkeit die stadt
mit fremden füllt, dasz kein karvanserai
mich aufnahm.
Schiller 583ᵇ;
wahrlich, es füllt mit wonne das herz, dem gesange zu horchen,
ahmt ein sänger, wie der (Voss ist gemeint), töne des alterthums
nach.
xen. nr. 129;
ihr (der winde) blasen füllt die luft mit staube,
mit dünsten, sand und dürrem laube.
Lichtwer 2, 21 str. 4.
in allen diesen nhd. stellen könnte eben so wol erfüllen stehn, über dessen unterscheidung von füllen s. unter der folgenden bedeutung. fleisziges spinnen füllt die kasten mit leinwand. das neue lustspiel füllte das haus. hierher gehört auch das sprichwörtliche
allzeit voll und selten wahn (leer, nüchtern)
das leeret den seckel und füllt den mann.
Henisch 1286, 65.
10)
durch hinkommen voll machen, durch hineinkommen voll machen. mit bloszem acc.: mhd.
daʒ waʒʒer flôʒ uber al,   iʒ fulte bërg unde tal,
dei gebirge dô sunchen:   dei lûte elliu ertrunchen.
Genesis 27, 28.
nhd. der stein aber, der das bilde schlug, ward ein grosser berg, das er die gantze welt füllete. Dan. 2, 35; und werden jre flügel ausbreiten, das sie dein land, o Immanuel, füllen, so weit es ist. Jes. 8, 8; die kaufleute zu Zidon, die durchs meer zogen, fülleten dich (das land). 23, 2; da bedeckt eine wolke die hütte des stifts, und die herrligkeit des herrn füllet die wonung. 2 Mos. 40, 34; meinstu, das sich jemand so heimlich verbergen könne, das ich jn nicht sehe? spricht der herr. bin ichs nicht, der himel und erden füllet, spricht der herr? Jer. 23, 24; des jars ... sahe ich den herrn sitzen auf eim hohen und erhaben stuel und sein saum füllet den tempel. Jes. 6, 1;
deiner glieder schwache kraft wird des glaubens stärke füllen.
aus ihrem (der erdbeere) saftgen cörper steiget
nicht nur ein biesam gleicher duft
und füllet die verdünnte luft.
Brockes 1 (1737), 97;
die stille, die hier überall so feld als wald bedeckt und füllt.
7, 299;
wenn todtenstille
den äther füllt.
Gotter 1, 224;
wo tanzt sie nun ein labyrinth? wo füllt
ihr lied den hain?
Chr. E. Kleist ged. (1756) 128;
der sterbenden geschrei füllt mein erschrocknes ohr.
C. F. Weisze trauersp. 1, 98;
bald brüllte sie laut, dasz ihr geschrei
ringsum die hügel und thäler füllte.
Wieland 18, 265;
verdienen nicht die götter selbst den weihrauch
der ihre tempel füllt, durch alles gute
das sie der erde thun?
26, 170;
(wenn) der hörer lärm, der bässe rauschen
die halle füllt.
Gotter 1, 154;
die ganze stadt füllt das gerüchte
am morgen gleich.
157;
ihr (Electras) ruhm füllt Griechenland.
2, 38;
er hüpft daher auf schwanken ästen,
der lenz, in blüten eingehüllt,
um den ein schwarm von leichten westen
der bäume wipfel säuselnd füllt.
Gerstenberg verm. schriften 2, 196;
trieb zum leben wird so gut
einen hirsch als dichter füllen.
Göckingk 3, 55;
hier, wie aus der traube, quillet
geist und leben, frisch und rein,
leben das den hirten füllet,
das den durst der heerde stillet.
Bürger 27ᵇ;
sie (Liane) wird nur ... von der gegenwart so gänzlich gefasset und gefüllt. J. Paul Titan 3, 26; so bald der speer der schrecklichen Minerva seine rechte füllte. Ramler (bei Campe);
ein haus, ein landgut kann der kleinen habsucht stillen,
da städt und länder kaum der groszen griffe füllen.
Hagedorn (1764) 1, 38;
diese art, den grund von unkraut rein und feucht zu erhalten, und die trauben im schatten reifen zu lassen, giebt dem maderawein jenen vortreflichen geschmack und die eigenschaft den mund recht zu füllen (corps), welche ihm so eigenthümlich ist. J. Reinh. Forsters reise um die welt (1778) 1, 20; blut, sag ich dir, wird deine ganze seele füllen. Schiller 127ᵃ;
und freud und hoheit füllete die seele.
Herder z. phil. u. gesch. ...;
was mir noch jetzt die ganze seele füllt,
es waren die gestalten jener welt ...
Göthe 9, 134 (Tasso 2, 1);
da steht mein Franklin, wie die stille
der grösze, die sein leben füllt!
Tiedge episteln 113;
und der rinder
breitgestirnte, glatte schaaren
kommen brüllend,
die gewohnten ställe füllend.
Schiller 79ᵃ;
sprichwörtlich: gesang füllet die ohren, nicht den magen. Henisch 1286, 67; schöne wort füllen den sack nicht, peculium rei non verbis augetur. 1285, 55. mit auslassung dessen, was füllt, insofern sich dieses von selbst versteht: umschlinget euch fest, ihr glücklichen, drückt eure gefüllten herzen bis zum thränenerpressen an einander. J. Paul Hesp. 1, 248. Überall könnte in diesen stellen auch erfüllen stehn, ja dieses ist selbst hier der heutigen sprache geläufiger, als das einfache füllen. genau genommen aber erscheint erfüllen meist bezeichnender, denn durch sein er- = aus (3, 693) drückt es so viel alsin allen theilen füllen, gänzlich füllenaus. dagegen würde, wenn gesagt werden soll, dasz der reichliche genusz von speise voll macht, nur in der früheren nhd. sprache für füllen auch erfüllen zulässig sein. so z. b. in folgenden stellen:
ich hab wenst und magen,
flaisch und auch würst,
als ain rechter fürst
das fült uns den leip.
fastnachtsp. 619, 2;
die speise füllet den vielfrasz. Schuppius 406. heute wäre hier erfüllen für füllen unerträglich. An diese bedeutung von füllen aber schlieszt sich eng die folgende und mischt sich selbst nicht selten mit ihr.
11)
durch darinsein oder daraufsein voll machen, dem ganzen raume nach einnehmen:
manch frommer sohn erblaszt und füllet sarg und baare.
Gottsched ged. 2, 611;
der harnisch zieht die wand (hängt an ihr),
der degen füllt die scheide (steckt in ihr).
disz fordert klugen ernst an statt der schönen grillen,
die um der jahre lenz mund, ohr und auge füllen.
793;
Krach nimmt den ganzen rest der pfeifen in die hand
und schleudert wie ein Zevs, sie krachend an die wand,
dasz der zerbrochne thon fast alle winkel füllte.
Zachariä d. renommist 1, 314;
selbst die perücke wächst, die erst ihr haupt umhüllt,
und wird zu rauhem haar, das ihren nacken füllt.
dessen verwandl. 3, 98;
suche nicht den strom zu hemmen,
der so lang sein bett nur füllt,
bis er zornig vor den dämmen
zum vertilgungsmeer entschwillt.
Bürger 45ᵃ;
und Phryne wisse wohl, wer ihr die arme füllt.
L. H. v. Nicolay verm. ged. (1778) 1, 226;
bei diesem muttergottesbild,
bei diesem Jesuskinde,
das ihre mutterarme füllt,
schwör ichs dir, o Belinde!
Hölty (1804) 41;
nur das fenster füllen
blümchen roth und weisz,
aufgeblüht aus eis.
173 (winterlied);
der hauptmann schien vor ihr zu stehen. er füllte noch das haus, er belebte noch die spaziergänge und er sollte fort, das alles sollte leer werden. Göthe 17, 129 = war überall im hause gegenwärtig, ein überall gern gesehener gesellschafter; die reichhaltigen tagebücher seiner reisen füllen allein sechs starke quartbände. G. Forster Cooks entdeckungsreise (Berl. 1787) 1, 20. der aufsatz füllte mehrere bogen. einen sitz füllen, ihn ganz einnehmen, ihn bleibend haben: Helfrich. ich will die stelle füllen (die stelle in der spielgesellschaft einnehmen), so mein undergebener leer gelassen (setzet sich an Modesti platz). ped. schulfuchs 145; bei dem erhabenen propheten, dessen sitz du füllst (= dessen nachfolger du bist). Klinger 5, 234. mit auslassung dessen, was füllt, insofern sich dieses von selbst versteht: das haus war (bei aufführung der natürlichen tochter) nicht drückend voll, aber doch gefüllt und alle logen und sitzplätze besetzt. Zelter an Göthe 1, 92; nichts ist mir — hob er endlich mit gefüllten augenhöhlen und lächelnden zügen an — weiter passiert, als dasz ich ein narr geworden. J. Paul Hesp. 2, 6, vgl. s. 7 sein gutes auge stand voll wasser.
12)
völlig für sich einnehmen. diesen sinn aber hat das wort nur in der redensart das auge füllen oder die augen füllen, welche zunächst so viel ist als die augen so einnehmen dasz sie nichts anderes sehen als das, was sie einnimmt, und zwar mit vollem wolgefallen:
also ein sönderliche gab (spricht gott zum pfauen)
ich dir im anfang geben hab,
das du geziert mit feddern bist
so herrlich, als kein vogel ist,
und machst damit ein schönes rat,
die gnad dir got gegeben hat,
und füllst die augen.   die nachtgall
erfüllt die ohrn mit jhrem schall.
Alberus (1550) s. 151, fab. 31
da man den smaragd nur seines lieblichen anblicks wegen suchte, seiner farbe wegen, welche das auge so angenehm füllet, ohne es zu sättigen. Lessing 8, 75. überhaupt das auge haften machen, es fesseln:
nicht durchlief ihr (der Pallas) blick die reihen der schiffe, der zelte,
spähete nicht im gewimmel herum des geschäftigen lagers,
meerwärts wandte die göttliche sich, der Sigeische hügel
füllt' ihr das auge, sie sah den rüstigen Peleionen.
Göthe 40, 359.
dann: durch äuszerliches, das in die augen fällt und ansehen gibt, dieselben völlig oder ungetheilt auf sich oder etwas ziehen: gott der herr hat vornemlich fürsten und herren und der lieben obrigkeit das gold und andere köstliche sachen verliehen, damit er dem gemeinen mann die augen füllen und seinen statthaltern ein majestätisches ansehen machen möchte. Scriver goldpredigten 25; der gemeine mann will die augen gern gefüllet haben. 114. im besondern wird hier die redensart gesetzt, wenn das ansehen nur ein scheinbares ist: und wenn auch mancher gleich von auszen mit seiner stolzheit und übermässigen pracherey jedermänniglichen die augen füllet, so ist er doch innerlich beängstet. Butschky kanzl. 469. endlich neigt die redensart zu dem übeln sinne: die augen durch äuszeren schein völlig auf sich ziehen, einnehmen und blenden oder teuschen. so schon mhd. oder vielmehr mitteld., wenn es heiszt dër ougen gesiht vüllen:
zumâle was sîn (des heiligen Bernhard) vlîʒ geleit
an daʒ innere gewant,
dâ mit man zu tugende lant
sal êrlîchen wandern.
die ûʒern kleit, die andern,
dâ mite man dën lûten mûʒ
durch valschen wêrltlîchen grûʒ
vullen dër ougen gesicht,
dar ûf achte ër nichtesnicht.
pass. K. 402, 1.
nhd. vgl. augenfülle, augenfüllig.
13)
mit einem besatz oder unterfutter versehen, füttern. mit bloszem acc.: mhd.
(das panël = sattelküssen war) gefüllet prîslîchen wol,
linde sam ein boumwol.
Erec 7701.
nhd. nimpt etliche hembder, zwey par hosen und den gefüllten (= gefütterten) rock. Wickram rollw. 14 (Kurz 181, 17). neben dem acc. mit praep., um beizufügen, womit oder wovon der besatz oder das unterfutter ist: mhd.
und gewin mir im bezîte
vome besten samîte
cleider diu im rëht sîn
und wol gevült mit hermelîn.
gute frau 2722;
dar zuo seit uns daʒ mære,
dër sëlbe phelle (feines seidenzeug) wære
ingrüener danne ein meiesch gras,
und da mite ër gevüllet (= gefüttert) was,
daʒ was sô rëhte wîʒ hermîn
daʒ ëʒ niht wîʒer kunde sîn.
Trist. 2548 (65, 30);
dâ stêt êin harte schœneʒ gezëlt
von samît rôt unde blâ.
mit golde ist ëʒ ëteswâ
gefüllet (= besetzt) vil meisterlîche.
Wig. 2678 (72, 14).
II.
reflexiv: sich füllen, welches folgende bedeutungen hat:
1)
im innern durch hineinthun oder hineinkommenmachen voll werden. vgl. I 1).
a)
von einem gefäsze, einem behälter, einem gerät gesagt. nur zugegossen, das glas füllt sich schon; der in den sauerbrunnen eingetauchte krug füllt sich mit sauerwasser; der eimer füllt sich, wogegen transitives füllen in
der (wassereimer) liesz sich füllen, liesz sich leeren, mir
nichts, dir nichts.
Lessing 2, 263 (Nath. 3, 2).
sie begannen, die kiste zu packen, die füllt sich bereits.
b)
von einer räumlichkeit, einem gebäude oder einem theile desselben, einem keller, einer höle, einer grube u. dgl.: bei der überaus reichen kartoffelernte füllen sich die keller.
c)
durch übermäsziges essen und trinken oder blosz übermasz im essen oder übermasz im trinken voll werden, speise und trank oder blosz eines von beiden im übermasze genieszen:gurgito, ingurgito, ich fül mich. ingurgitat se potu cibisque, er friszt und seufft sich voll“. Alberus dict. ee 4ᵃ; wer seind die, sprichst du, die der teüffel lebendig vergrebet? es seind die freszigen, die sust kein ander fröid haben, denn das sye sich tag unnd nacht füllen eben wie ein kuͦ. was ist trunckenheit anders, denn ein vergrabung der vernunfft. Keisersberg post. 4, 41ᵃ. dieses sich füllen wie eine kuh ist volksübliche redensart für sich dickvoll fressen und saufen, sich dickvoll saufen. vom bloszen saufen nachher sp. 508 einige stellen. vgl. auch kuh.
wenn ander brassen und sich füllen,
so hat er gar kein pfenning nicht.
H. Sachs III (1588). 3, 13ᶜ;
wer sich vil fült, als man offt thut,
das schadet seel, eer, leib und gut.
ausdrücklich vom übermäszigen essen wird sich füllen gesetzt in:
der über disch alleyn sich kennt
und dar uff legt arbeyt und flysz,
dasz er alleyn essz alle spysz
und er alleyn mög füllen sich
und andern nit göndt auch des glich,
die selben heisz ich Rum den hag,
Lærs kärly (leere das gefäsz), Schmirwanst, Füll den mag,
das ist eyn böser massz genosz
und würt geheissen wol eyn frosz.
Brant narrensch. Z. 110ᵃ, 67;
du hast dich gleich als gern gefullt als wir.
fastnachtsp. 788, 12;
wann du gewesen bist zu gast
und dich sehr wol gefüllet hast,
so sag dem herren nimmer danck,
das halt ich für ein guͦten schwank.
Scheit grobianus S iijᵇ.
stärker als sich füllen ist hier sich ausfüllen: er war bei den gästen und füllte sich aus;
füll dich aus mit diesem essen,
dann wird dich der teufel fressen.
am meisten aber steht sich füllen in dem engern sinne: geistiges getränke übermäszig trinken, sich toll und voll trinken: da betet er die vigilg selb viert, sitzt darnach, füllt sich bisz mitternacht dasz man in haim fuͤren muͦsz: am morgen sicht er wie ain abgestochner kalbskopf. Schade sat. u. pasqu. 2, 139, 20 f. sich füllen, sauffen, voll werden. Maaler 145ᵈ.
ich drinck mir selbs, keym andern zuͦ,
wer sich gern fült, der ist eyn kuͦ.
Brant narrensch. Z. 110ᵃ, 118;
ey halt dein maul du voller narr!
ist das dein grosse frewd, das (dasz) du
dich füllest wie ein treberkuh,
den wein unmessig in dich schüttest,
dardurch sinn und vernunft zerrüttest,
ligst ohn vernunft recht wie ein viech
gantz unsinnig frey willigklich.
H. Sachs I (1590), 168ᵇ;
ir frawen, ich hab ein weinschlauch,
alle wirtshäuser er auszschleuft,
darinn er schlemmet, friszt und seuft
und trinckt gantze und halbe zu
und füllt sich wie ein treber ku.
391ᶜ;
oder gehn zu dem wein,
sich füllen wie die schwein
die gantz wochen durchausz.
399ᶜ;
als denn sich füllen wider,
darauf sich legen nider.
ebenda.
auch mit praep., um ausdrücklich beizufügen, welches geistige getränk im übermasze genossen wird: wir wöllen uns mit dem besten wein und salben füllen. weish. Sal. 2, 7; sprichwörtlich wer sich steths mit wein füllet, der ist gleich dem, der auf dem meer einschlaft. Henisch 1287, 13.
2)
dadurch voll werden, dasz sich das, was dem innern entnommen ist, wieder ergänzt:
beide nun sehn, dasz, wie oft sie erschöpfeten, immer der mischkrug
wieder von selbst sich füllt und der wein freiwillig heranwächst.
Voss Ovid nr. 37, 130.
3)
sich zum vollwerden ergänzen, sich vermehren dasz ein vollwerden entsteht: unterdessen füllt sich die gesellschaft (= vermehrt sich die gesellschaft, dasz sie vollzählig oder dasz es voll wird). Göthe 16, 104;
dann füllt sich das bier in den krügen.
1, 228.
blumen füllen sich, wenn durch veredlung die blätter der blüte so sich vermehren, dasz diese viel stärker ist und voll erscheint. gefüllte blumen oder, wie sie im gemeinen leben heiszen, doppelte blumen (2, 1260. 1273) sind den einfachen (3, 168), d. h. den in hinsicht der zahl ihrer blütenblätter unveredelten, entgegengesetzt. ein jedes geschlecht (der grasblumen) mit seiner art unnd farben ..., gefüllt unnd nit gefüllt. Bock kräuterb. (1565) 214ᵃ; diese graszblumen seynd vieler farben ..., gefüllt unnd ungefüllt. A. Lonicerus kräuterb. 217ᵇ;
wo um besonnte lauben
gefüllte veilchen blühn.
Göthe 1, 126.
diese bedeutung von sich füllen scheint sich auch bei dem subst. fülle in folgender stelle zu zeigen oder doch wenigstens anzuklingen:
die dem Eros blüht, die rose,
sie gemischt zum Dionysos!
die mit fülle prangt, die rose.
Overbeck Anakreon nr. 5.
4)
dadurch voll werden, dasz ein hin- oder zusammenkommen stattfindet:
der ruhge bürger greift zur wehr.
die straszen füllen sich, die hallen,
und würgerbanden ziehn umher.
Schiller 80ᵃ,
und es erschien der ersehnte lehrer. es füllte das haus (des herrn) sich.
rings in den bänken standen die reihen der hörer, es standen
männer und frauen gedrängt, des gesangs und der predigt gewärtig.
Kosegarten inselfahrt 2, 159.
oft wird durch die praep. mit oder von ausdrücklich zugefügt, wer hin- oder zusammenkommt:
von allen seiten strömt
das volk herbei, der schauplatz füllet sich
mit zeugen unsres siegs.
Wieland 26, 208;
überall füllte sich jetzt der park mit menschen. E. Wagner d. reis. maler 2, 71.
5)
voll werden mit —. durch diese praep. mit wird hier das beigefügt, was in dem durch das subject ausgedrückten so entsteht dasz dieses davon voll wird:
es füllt die welt, auch bei dem frost, sich öfters mit so schönen bildern.
Brockes 7, 601;
ihre augen wollten sich mit thränen füllen. Jacob Grimm; wie ward ihm, als er den guten, ehrwürdigen alten dastehen sah, die augen mit thränen gefüllt, und die vaterarme weit gegen ihn offen haltend! J. J. Engel Lor. Stark 409; von einer unbekannten sehnsucht schwoll ihm das herz, und seine augen füllten sich den Egyptern (zigeunern) gegenüber mit heiszen thränen. E. Wagner d. reis. maler 1, 311. aber auch blosz die augen füllen sich: das erwartete ich nicht! (stöhnte das mädchen schmerzlich hervor, und ihr auge füllte sich.) so früh — so auf einmal — wollen Sie Ihre — schülerin verlassen. E. Wagner d. reis. maler 2, 42. die luft füllte sich mit staub; die vom gehn herrührende blase am fusze füllt sich mit wasser; das geschwür füllt sich mit eiter.
6)
durchdrungen und so voll werden:
so sehn wir hier mit seufzendem verlangen
und füllen uns mit leerer einsamkeit.
wir wissen nichts vor unmuth anzufangen,
als dasz wir stets bereuen unser leid.
Fleming 103;
wieder mit freuden und seufzen füllete er sich durch ihr schauen. J. Paul Titan 2, 152. in diesem sinne kann sich füllen durch ein adj. näher bestimmt sein:
wenn sich lau die lüfte füllen
um den grünumschränkten plan.
Göthe 12, 252.
Besondere anführung verdient
7)
sich füllen = durch die handlung des vollmachens (füllens) werden oder in einen zustand kommen: bei einer schlechten wirthin geht der beste wirth von der welt zu grunde. da ist kein haltens. Er (herr Specht ist angeredet) füllt da in ein löcherichtes sieb: und wenn Er Sich auch zu schanden füllte, Er bringt in Ewigkeit nichts hinein. Engel Lor. Stark 34. sich müde füllen oder, wie man auch im gemeinen leben zu sagen pflegt, sich abfüllen, sich durch füllen müde arbeiten, bis zur ermüdung füllen, so lange füllen bis man vor müdigkeit kaum mehr kann. er hat sich an dem fasse müde gefüllt, an dem fasse abgefüllt.
III.
intransitiv, doch nur scheinbar, denn der fehlende acc. läszt sich in gedanken ergänzen. es bedarf deshalb hier auch keiner angabe der bedeutungen, sondern genügt, auf die unter I hinzuweisen.
1)
a)
s. I 1) a): auf das (dasz) er unaufhörlich und ubermüdt zäpft, schöpft, gewinn, hol, trag, ketsch, biet, stell, giesz, schenck, füll. Fischart Garg. (1608) M iiijᵇ; er füllt (es ist das gebrachte glas gemeint) und reicht ihm zu. Lessing 1, 511;
(das mütterchen) herschte die gläser herbei ringsum und füllete wieder.
Voss Luise (1823) 3, 2, 124.
hier ist auch noch auf die unter α) angeführte stelle von Günther 909 zu verweisen, die sich dort bei die pfeife füllen der vollständigkeit wegen nicht trennen liesz.
b)
im übermasze speise und trank oder auch blosz eins von beiden genieszen, schwelgen. s. I 1) c) und II 1) c). dorumb die, die allein do gond schluncken schlahen, füllen, fressen und suffen, die seind kein nutz einer gemeynd. Keisersberg post. 2, 4ᵃ; die sechsten seind moraffen, die moren die tag und nacht ligen zefüllen, von einer fülle zuͦ der andern, bring mir das her, bring mir jens her, und gond umb wie ein denigerferlin, das schmacht im wol. dessen hell. lew (1517) 59ᶜ. vgl. fülle 7). besonders aber wird das wort vom übermäszigen trinken geistiger getränke, vom betrinken gebraucht: alle tabern (schenken) waren voll hudeln (huren) und buben ..., kein zucht, die nacht zu dem tag gefüllt und ie lenger nach mitternacht ie pasz schmecket in der wein. Sigm. Meisterlin (1488) in den chroniken d. deutsch. städte 3, 146, 12, vgl. s. 427ᵇ, wo Lexer füllen hier mit unrecht durchhinzufügenerklärt.
2)
s. I 4): hörst du nicht bald auf zu füllen? du füllst ja schon den ganzen tag.
3)
vollständig befriedigen:
bedürfniss, wenns an seinem angel
auch die befriedigung leicht fängt,
ist armuth, denn es ist ein mangel,
der fest an unsrer ruhe hängt.
die dinge, die den mangel stillen, —
aus welchem reichthum wir auch füllen, —
die hängen minder fest daran.
Tiedge epist. 83;
nun frage ich: hat jemand, seitdem ich an den mängeln meiner vorältern (es ist der erbdurst d. h. der durst als erbstück eines die flasche liebenden gemeint) fülle, mich aus trunkenheit einen dummen streich machen sehen? E. Wagner die reisenden maler (Leipz. 1806) 1, 107. übrigens rührt in der letzten stelle die bedeutung an die vorhin bei 1) b) am ende besonders hervorgehobene. Zum schlusse noch die zusammensetzungen, in welchen füllen zuletzt steht: abfüllen, anfüllen, auffüllen (zu dessen bedeutungen 1, 649 hinzuzufügen ist: in der schiffersprachevoll laden“. das brem. schif Louise ladet in Wampoa nach dem Canal wegen order und Singapore zum auffüllen an. Weserzeitung 1859. dasz das wort hier substantivisch steht, ändert natürlich für das verbum nichts), ausfüllen, durchfüllen, einfüllen, erfüllen, fortfüllen, herausfüllen, nachfüllen, überfüllen, umfüllen, verfüllen, vollfüllen, wegfüllen, zufüllen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1869), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 496, Z. 24.

füllen

füllen,
ein füllen gebären: können die westwind in Linsebonerlandt gurren schwängern, dasz sie füllen. Fischart Garg. 132ᵃ = (1608) Q ijᵇ. die stute hat gefüllet. abgeleitet von fül, fülle, n., wie das verbum fohlen von fohle m. (3, 1868), und also nicht füllnen, wie Heynatz in seinem antibarbarus 1, 429 als eigentliche form aufstellen möchte.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1869), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 510, Z. 10.

füllen, n.

füllen, n.
der infinitiv füllen sp. 496 ff. substantivisch: das füllen des kessels bei dampfmaschinen, das einfüllen der zum gebrauche nöthigen wassermenge in den dampfkessel vor dem gebrauche (zum unterschiede vom speisen, dem versorgen des dampfkessels mit wasser während des gebrauches). Fellmer wb. 81. das füllen der flaschen hat lange gedauert. ist das füllen der betten (mit federn) schon besorgt? in der bedeutung das schwelgen, das essen und trinken im übermasze:
hând (haben) ....
vor mir gefuͤrt ain üppigs läben
mit füllen, prassen tag und nacht.
händ jr gesundt in füllen, brassen,
so sönd jr üch jn abbruch fassen.
tragödie Johannes d. t. H iiijᵇ;
wenn wir der natur nach lebten, füllen und prassen würd bald abnemen. Scheit grobianus S iijᵃ am rande. aber auch blosz so viel als das essen im übermasze, und besonders in dem sinne das volltrinken, das betrinken. bei solchem füllen („überfressenam rande) ist schaden, schande und sünde. Mathesius Sir. (1598) 210ᵃ;
was ist nu der frasz,
der allweg gern asz?
fressen und füllen ist sein spil.
ich gib imsz, ob ers nemen wil,
speis on alle masz.
fastnachtsp. 607, 19;
herr der Entkrist,
wie gar ein guter herr du pist!
freszen und füllen ist mein spil ...
und füll mich mit gutem wein.
28.
das füllen, der wurst, fartura, farciendi actus. Henisch 1285, 15
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1869), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 510, Z. 16.

füllen, n.

füllen, n.
das junge vom pferde, esel, kamel, besonders das junge pferd bis ins vierte jahr. ahd. fulin, mhd. füln, vüln, abgeleitet mit wahrung des ursprünglichen u durch das i, dessen einwirkung mhd. dann den umlaut ü erzeugte, von goth. fula, ahd. folo, unserm nhd. fohle m. die bildung des wortes stimmt, zumal da es eine nhd. form füllein (s. d.) gibt, welche ein mhd. fülîn, vülîn voraussetzen läszt, mit dem lat. von pullus (s. fül) abgeleiteten adj. pullînus, einem jungen thiere gehörig, woraus franz. poulin, das junge vom pferde, sp. pollino, eselsfüllen. vgl. fül, füll, fülle, füllein. merkwürdig ist bei Keisersberg, der fülly schreibt, der schwache gen. füllins, während doch nirgend bei ihm ein nom. und acc. füllin begegnet: do sye dz fülly (der eselin) entbundent, do sprochent zuͦ jnen die herren des füllins, die do zuͦ gegen stundent: was machend jr do und embindent dz fülly? post. 1, 3ᵃ. Übrigens findet sich der dem ahd. gemäsze nom. füllin noch bei Henisch 1284, 39 ff. neben füllen, und Kramer in seinem niederhochd. wb. 2, 77ᵃ hat füllinn. im hennebergischen sagt man fülln, im Saterlande fullen, im Münsterlande föllen. Frommann 4, 307.
1)
das junge vom pferde, pullus equinus: die strutten tragen ire füllen eilf monat und zehen tag. Herr feldbau 134ᵇ; so das füllen zuerst dreisig monat alt wirt, so verwirft es zum ersten die fordersten zän. 135ᵃ, vgl. füllenzahn;
kein füllen junger zucht kan gute säcke tragen.
Günther 1101;
ein füllen, das die schwere bürde
des stolzen reuters nie gefühlt ...
diesz füllen lief nach allen pferden,
worauf es einen mann erblickt,
und wünschte, bald ein rosz zu werden,
das sattel, zaum und reuter schmückt.
Gellert 1, 47 (fabeln 1, 13);
uns tanzt das schlanke füllen
und gaffet übern zaun.
Voss 4, 108;
pferd und füllen trotten
nach der hutung plan
wählig hin und weiden dann.
Schmidt v. W. ged. 182.
bildlich: wir wissen wol, ein pessere stut
leit in dem dorf, haist das hurhaus,
wenn wir gezogen haben ausz
der jungen fulen mer dan vil.
fastnachtsp. 251, 10.
ein gestohlnes füllen, ein durch diebstahl erworbenes, im besondern aber ein ohne vorwissen des eigenthümers der stute erzeugtes füllen: von ungefähr kommen ihre stuten in ställe, wo sich auch hengste von fuhrleuten aufhalten, welche sie des nachts ohne ihr vorwissen mit wirkung begatten und also ihre wünsche, doch nicht in aller absicht erfüllen, weil die füllen nicht schön genug waren. man nennet dergleichen gestohlne füllen. Prizelius 162; inzwischen bin ich durch das gelte bleiben so vieler stuten und durch die beyspiele, dasz die gestohlnen füllen am besten gerathen, auf den gedanken gekommen u. s. w. 163. Ein schweiz. sprichwort lautet wenn dem füllen wohl ist, so gumpet es (s. Wander 1, 1267), und dazu stimmt die redensart wie ein füllen thun, mutwillig springen, ausgelassen springen, lascivire, exsultare. Bauer lex. 1077. auch sagt man von einem ausgelassen springenden, er sei wie ein füllen. in beziehung auf das springen rührt denn auch wol die in Nassau vorkommende redensart her ein füllen machen, den faden beim haspeln abspringen lassen, wofür aber auch einen esel machen, ein eselsohr machen gehört wird. Da das füllen eigentlich noch nicht geritten wird, so gebrauchte man früher die redensart auf seiner mutter füllen sitzen oder reiten für auf eignen füszen gehn müssen, zu fusze gehn. so mhd., wenn dem vom pferde gestochenen Keie, der zu fusze gehn muste, mit beiszendem spotte zugerufen wird:
Keie ûf sîner muoter füln
ist gesëʒʒen.
Heinrichs Trist. 2192.
nhd. derselbe (St. Peter) lief zu fusze auch,
ritt auf seiner mutter füllen.
Scheibles flieg. blätter 186.
ähnlich hört man noch bei uns aufs schusters rappen reiten (s. rappe). auch wird seiner mutter füllen für muttersöhnchen gesagt, s. fülle. Sprichwörtliche redensarten sind: in ander leut ställen ist bösz füllen ziehen. Henisch 1284, 63; aus den kletterigen füllen werden die schönsten hengst. 59; man musz zuweilen mit jungen füllen fahren. 64, wogegen bei Lehmann junge füllen, so man sie zeitlich anspanne und reitet, sind sie nicht lawrhaftig; mancher zeucht ein füllen auf im busen, die ihn selbst hernach sticht. Henisch 1284, 65, im gedanken an die schlange, wodurch das sprichwort in seiner fassung ein sonderbares ansehen gewinnt, aber es erscheint als eins mit es zog schon mancher ein füllen auf, das ihm selbst vors schienbein schlug. Simrock 2912. füllen schlagen oft ihre stuten mit fersen, kinder sind oft undankbar. Wander 1267. ein füllen soll nicht vor die mutter laufen. 1266. kleine pferde bleiben lang füllen, kleine pferde werden lange für ganz junge angesehen, dann auch so viel als kleine menschen hält man lange für jung (s. fülle).
2)
das junge vom esel, pullus asininus: zwenzig eselin mit zehen füllen. 1 Mos. 32, 15; (der könig) reitet auf einem esel und auf einem jungen füllen der eselin. Sach. 9, 9, vgl. Matth. 21, 5; balde werdet jr eine eselin finden angebunden und ein füllen bei jr. Matth. 21, 2 und nach dieser stelle schon ahd. bei O. IV, 4, 10 u. 14 thaʒ fulin. vgl. eselfüllen, eselsfüllen.
3)
das junge von einem pferdehengst und einer eselin oder von einem esel und einer pferdestute:
dasz zur geräumigen Elis ich segele, wo mir der rosse
zwölf sind, säugende stuten und lastbare füllen der mäuler
ungezähmt.
Voss Odyssee 4, 636.
4)
das junge vom kamel, pullus cameli: und dreissig seugende kamel mit jren füllen. 1 Mos. 32, 15. vgl. kamelfüllen. s. noch hengstfüllen, mutterfüllen, saugfüllen, stallfüllen, stutfüllen. Das heutige dim. lautet, wie bei fül, füll, fülle, auch hier füllchen, welches aber von fülche wol zu scheiden ist. im kärnt. bildet man ein dim. füllile n., aber nur als bezeichnung des weiblichen füllens. Lexer 100. 104. Frommann 4, 160.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1869), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 510, Z. 47.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
fuhrmännisch fuszturnier
Zitationshilfe
„fulen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/fulen>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)