Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fahren

fahren
praet.fuhr, goth. faran fôr, aber wenig gebraucht, ahd. faran fuor, mhd. varn vuor, alts. ags. faran fôr, engl. fare fared, altn. fara fôr, schw. fara for, dän. fare foer, ein weitgreifendes wort, dem gr. πορεύεσθαι, so wie führen, fôrjan, fuoran dem πορεύειν gleichstehend. schon oben stieszen wir auf die schwierigkeit far πόρος und fâra insidiae unter den hut von faran fôr zu bringen, und doch müssen sie nahe verwandt liegen, wie sich z. b. auch lat. tendere, das oft ire bedeutet, mit tendicula begegnet. man hat also zu ihrer einigung ein älteres fairan far fêrun fauran (gramm. 2, 56 nᵒ 573) = ahd. fëran far fârun foran anzunehmen, die in der sprache schwanden, aus denen aber der jüngere ablaut goth. faran fôr, ahd. faran fuor flosz und haftete. jenem fairan glich das gr. πείρω, περάω, wozu πόρος sich verhält wie zu φέρω φόρος, zu τείρω τορός, zu μείρομαι μόρος. aus fairan war entsprungen fairina facinus, dolus, ahd. firina, eine menge von partikeln suchen hier ihre wurzel, far, fair, faur, lat. per, gr. πὲρ, πέρα, περί. sollte auf höherem standpunct zwischen fairan faran und bairan, zwischen lat. parere, parare und ferre, gr. πείρειν und φέρειν gemeinschaft zulässig sein, so würde auch πέραμα, paramas, faram wiederum reichen an baram, barm (1, 1134) und lat. forma. eine lautreihe wechselt leicht ihre stufen. noch kühner, zu labialen gutturale haltend, stellt Bopp (gl. sanskr. 120ᵃ. alban. spr. s. 80) unser faran zusammen mit skr. ćar aus kar (kṛi) nach analogie von fidvôr : quatuor, vulfs : vilkas, so dasz faran, parare und ahd. karawan, altn. gera, nhd. gerben in eins flössen, aus der bedeutung des gehens die des thuns, vollbringens hervorträte, wie sie in ćar geradezu beide liegen. ohne diese etymologie erschiene unserm faran gar nichts vergleichbar im sanskrit. bedenken macht freilich ein altn. fara und gera, ahd. faran und karawan, nhd. fahren und gerben nebeneinander, beide wörter scheiden sich den buchstaben wie dem sinne nach; allein die gesetze und eintritte statthafter umstellung und verschiebung sind groszentheils noch unerforscht. haben wir doch oben gewagt ein hafjan und fahan, als gleicher wurzel entsprossen, einer und derselben sprache beizulegen, ist die urverwandtschaft des lat. vulpes und lupus, deren jedes gesondert steht, jemals verkannt worden? übergänge der bedeutung des gehens und fahrens in die des thuns und handelns bestätigen sich von vielen seiten, sie erscheinen vollkommen natürlich. das gehen ist der that beginn, aus cedere, incedere wird ein procedere, in unserer rede lassen wir auf gehen oder fahren daher oft ein ausdrückliches thun und machen folgen (geh und thu das, fahr und mache); beide werden auxiliarisch vor andere verba gestellt (gramm. 4, 96. 97), er fuhr fischen, fr. alla pêcher ist fast was er that fischen, er fischte, im ahd. faru garawen, lat. vado parare, fr. je vais faire stecken pleonasmen oder umschreibungen des futurums, was alles unter gehen genauer erörtert werden soll. in den wörtern angehen, begehen, verfahren u. a. zeigt sich unmittelbare anwendung des gehens auf die handlung offen genug und die hernach unter 11 und 12 angeführten redensarten lassen sich bald fahren ire, bald fahren agere deuten. in dem vermuteten fairan lag ein thun, in fairina facinus. als in grauer vorzeit die sprache aus einem bereits vorhandnen verbum ein neues bildete, von kṛi, kar ein ćar, von fairan ein faran entnahm, war es ihr darum zu thun, den gehalt der wurzel zu ermäszigen und weiter zu bestimmen; verlor sich nachher die eine oder andere dieser formen, so konnten von jedweder derselben einzelheiten der bedeutung auf die verbleibende fallen. Fahren und gehen ist oft gleichviel, daneben aber auch zwischen beiden ein unterschied merkbar.
1)
gehen drückt die ruhige menschliche bewegung aus, wie ja aufrechter gang unsere eigenheit ist, fahren bezeichnet gern das raschere springen oder fliegen der thiere, und weidmännisch wird diesen fährte, keine fuszspur beigelegt. in der fabel, die ihnen menschliche weise leiht, erscheinen sie auch gehend.
dër leu vert mit mir alle zît.
Iw. 5293;
ër sprach, ich wil sîn erkant
bî mîme leun, dër mit mir vert.
5497;
mîn leu vert mit mir durch daʒ jâr.
6701;
ob dër rîter hër kumt
mit tem dër leu varend ist.
7927;
ir sult den braken lâʒen, ich sihe einen bërn,
dër sol mit uns hinnen zën herbërgen varn.
Nib. 888, 3,
doch 902, 2 steht auch: dâ dër bëre gie. der hase fährt, rückt gen feld oder holz. Döbel 1, 30ᵇ; kommt her gefahren. 30ᵃ; fährt auf. Becher 68; der hase fährt oder rutschet aufs gras oder die weide, von holz zu holz. Heppe leithund 131; das kaninchen fährt nach seinem bau. Döbel 1, 31. vgl. auffahren, erschrecken; der adler fährt auf und nieder; aus den ährenfeldern fuhren lerchen. J. P. Tit. 2, 280; die schwalbe fährt, schwirrt, schneidet durch die luft;
am dach die schwalben zwitschernd fahren.
käfer fahren durch die luft;
ër (der brëme) fuor in ein hol.
a. w. 3, 183;
dô fuor diu fliege aber dar.
3, 228;
da die thier unter sie furen. weish. Sal. 17, 9. nur dem bedächtigen rind wird immer gang und schritt beigelegt, den mit ihm die menschen einhalten:
caminan para Arlançon,
al paso que andan los bueyes,
y a las vueltas que da el sol.
vgl. fahrend 2 und fährte.
2)
der mensch geht zu fusze, fährt zu wagen, karrn, nachen, schiffe, auf dem schlitten, eis, auf der eisenbahn. die mechanische vorrichtung fördert ihn schneller. wagen, kahn, boot, schif fahren, der wagen fährt, rollt über das pflaster. wallfahren bei Schiller 409ᵇ ist wallfahrten, s. 8.
3)
auch in naturerscheinungen unterscheidet sich die sanfte bewegung von der heftigen: die sonne geht auf und nieder, gât ze sëdel, die sterne gehen am himmel in ihrem kreis, der fallende stern fährt; der wind weht, geht, der sturm fährt; der wind bleset, wo er wil, und du horest sein sausen wol, aber du weist nicht von wannen er kompt und wohin er feret. Joh. 3, 8, wo es ags. heiszt: gâst oređađ þær he vile and þu gehyrst his stefne and þû nâst hvanon he cymđ, ne hvider he gæđ;
sein sausen ihr wol hört,
allein ihr wisset nicht woher,
wiszt nicht wohin er fährt.
Bürger 32ᵃ;
die wolken faren durch die ganze welt und thun was sie gott heiszt. Baruch 6, 61; also liesz der herr hagel regen (regnen), das hagel und fewr unternander furen. 2 Mos. 9, 24; sihe da rauchete ein ofen und ein fewerflamme fuhr zwischen den stücken hin. 1 Mos. 15, 17; denn fewr ist aus Hesbon gefaren. 4 Mos. 21, 28; aus seinem munde faren fackeln. Hiob 41, 10;
aus unterirdschen schlünden fahren flammen.
Schiller 350ᵇ;
der donner fährt am himmel; blitze fahren aus den wolken in die bäume;
sein blitzend schwert
fährt aus den wolken.
Uhlands Ernst 122;
hört den nordwind blasen,
hört, er pfeift und fährt.
und als der herbstwind über die flur
und über die stoppel des hafers fuhr.
Bürger 61ᵇ;
mich deuchtet es sei ein windwirbel in eine bortenwürkerbude gefahren. pol. stockf. vorr.; gerade in deinem 161⁄2 jahre, wo schon die frühlingswinde der leidenschaften über die blutwellen fahren. J. P. Tit. 1, 132.
4)
viele bewegungen, zumal lebloser dinge, geschehen rasch und für sie ist nur fahren, nicht gehen statthaft: er schlug die thür, dasz sie aus ihren angeln fuhr;
diu tür vert ûʒ den angen.
Iw. 3297;
und weisz doch das er sterben muͦsz,
wie, wenn und wie ist im nit kund,
bisz dasz die sel fert usz dem mund.
Brant 29, 20;
das schwert fuhr aus der scheide; o du schwert des herrn, wenn wilt du doch aufhören? fare doch in deine scheide und ruge und sei still! Jer. 47, 6; schwert, fare durchs land! Ez. 14, 19; so wird mein schwert aus der scheiden faren uber alles fleisch. 21, 4; und solt daselbs dem herrn ein steinern altar bawen, daruber kein eisen feret. 5 Mos. 27, 5; und traf den philister an seine stirn, das der stein in seine stirn fur. 1 Sam. 17, 49; und der spiesz fuhr in die wand. 19, 10; die axt fuhr vom stiel, fuhr ihm aus der hand.
5)
fahren an, in, auf, zu, nach, über etwas drückt schnelle, plötzliche berührungen aus: so soltu die bewme nicht verderben, das du mit exten dran ferest. 5 Mos. 20, 19; kam eine otter und fuhr Paulo an seine hand. apostelg. 28, 3; wo man allein mit der faust daran feret. Luther 3, 88ᵃ; fährt mit nerviger faust in die rauhe brust; er fuhr bäurisch mit dem löffel in die schüssel; in seine stiefeln, handschuhe fahren, sie schnell anziehen; nachts kam feuer aus, kaum hatte ich zeit in die kleider zu fahren und das haus zu verlassen;
obgleich der weisze schnee itzt thal und berge decket
und manch geschwinder flusz in einen harnisch fährt.
Gryphius 2, 311,
plötzlich gefriert, gleichsam rock, panzer anlegt, da er sonst nackt geflossen hatte, vgl. it. andare in arnese, vielleicht sich entrüstet, starrt? wie es heiszt in harnisch fahren, zürnen, in harnisch jagen, einen erzürnen; Gottlieb fuhr fluchend durch alle taschen (durchsuchte sie), der wagenschlüssel war in keiner. J. P. Tit. 1, 95; eine unlust ist es, wenn man so oft musz zu beutel fahren (in den b. greifen, zahlen). Butschky Patm. 162; die ganze gesellschaft fuhr nach den gläsern. Rabener; er fuhr ihm in die haare, zauste ihn; sie sah ihn an, fuhr auf einmal nach dem herzen (führte die hand dahin). Göthe 18, 288;
dann stürmen gleich durch alle saiten fahren (greifen).
2, 16;
mit der hand über den tisch fahren (wischen); sie halten sich bei den beiläufigen erläuterungen auf und über die hauptsache fahren (schlüpfen) sie hin. Lessing 8, 196; über die schnur fahren, hauen, greifen, das masz überschreiten; wenn man ein wenig zu viel lachet und über die schnur feret. Luther 4, 128ᵇ; so möcht man mir vielleicht übers maul faren (mir ungebührliches sagen). 4, 405ᵃ; eine sau ist darum eine sau, weil sie den majoran veracht und mit dem rüssel in alle weiche materie fährt. Weise erznarren 92. vgl.herausfahren, heftig sprechen; zankend dazwischen fahren.
6)
zumal merkwürdig ist das 'fahren aus der haut', das 'fahren in einen und aus einem', wodurch plötzliche verwandlungen (metamorphosen) bezeichnet werden: es ist um nur gleich aus der haut zu fahren, wie es sonst heiszt, um zu verzweifeln, um vor ärger, wut, zorn, aber auch freude zu bersten, pour crever de honte, de dépit;
geht auch itz ab zu unsern zeiten,
das euch auch lauft ein spule ler,
so klagt ihr sehr und ist euch schwer
und wolt nur faren aus der heut.
H. Sachs II. 4, 1ᵈ;
mancher gehet dahin zwenzig jar, hat keinen anstosz, wenn einmal ein fieber kompt, das über drei tage wehret, so wil er aus der haut faren. Luther 4, 508ᵃ; ich meinte, das weib müste aus der haut fahren. Elisab. von Orleans 223; wolte vor freuden aus der haut fahren. unw. doct. 856; Serendo wolte aus der haut fahren, dasz er zu langsam gekommen war. Salinde s. 13; vettern und basen schauen abends zu, wie ich aus der haut fahre vor elend. J. P. komet 2, 68; vater, ich fahre aus der haut. Göthe 11, 105. mhd. 'ûʒ der hiute triefen'. klage 4419 Holzm.; altfr. 'issir de sa pel':
dont Kallemainne à poi nist de sa pel.
Ogier 6688.
vgl. mythol. 904, was sich alles auf den uralten aberglauben gründet, dasz der mensch in bedrängnis oder entzückung eine andere gestalt anzunehmen vermöge. daher auch vorkommt 'man möchte eine katze werden vor ungedult, oder eine geisz, ein dachmarder!' Hebel in einem br. bei Friedr. Becker s. 124. mhd.
der ubel âtem (der böse geist)
fuor in die nateren,
daʒ ër dar inne sich ferhâle.
Diut. 3, 49;
denn es waren viel teufel in in gefaren (untê unhulþôns managôs galiþun in ina). Luc. 8, 30; da furen die teufel aus von den menschen und furen in die sew (usgaggandans þan suns þai unhulþans af þamma mann galiþun in þô sveina). 8, 33, vgl. Marc. 5, 12. 13;
fuhren meine ahnen ohne scheu
einst in der Gergesener säu,
so kann ja wol mit haut und haaren
mein bruder in einn professor fahren.
Rost der teufel an herrn Gottsched, in Schmids anthologie 1, 217.
noch in anderm, aber ähnlichem sinne:
der geist, durch den ein Cato grosz geworden,
fährt in kein band und ruht auf keinem orden.
Hagedorn 1, 12.
7)
weiter noch fahren neben praepositionen,
a)
'nun, brüder, ist es zeit, brecht auf, es ist vier uhr!'
so sprach von Torf, als er von seinem stuhle fuhr.
Zachariä renommist 1, 16,
plötzlich taumelnd aufstand.
b)
die gesellschaft fuhr erschreckt auseinander. Göthe 19, 38; oft fuhr sie bei dem säuseln der blätter bebend aus ihrem nachsinnen. Klinger 5, 325. erschrecken ist auffahren, aufspringen. ebenso zusammenfahren.
c)
versuchte Amando, ob er nicht durch ihren sinn fahren könte. Weise kl. leute 155, ihr durch den sinn fahren, in die quere kommen, widersprechen; dem wahnwitzigen darf man nicht durch den sinn fahren, damit er nicht rasend werde. Leisewitz Jul. v. Tar. s. 24;
unerträglich
fährt es mir durch alle glieder.
Göthe 2, 28;
ich fahr ihnen alle tag durch den sinn, sag ihnen die bittersten wahrheiten. 8, 146. 42, 197; dem hauptmann fuhr das durch die seele, denn er sah einen reinlich gezeichneten plan auf diese weise verunstaltet. 17, 87; was mir bei diesen worten durch die seele fuhr, denke jeder. 23, 191; mir fuhr wie ein blitz durch die seele. 24, 335; als mir ein anderer und, wie mich däuchte, sehr glücklicher gedanke durch den geist fuhr. 25, 351; es fuhr mir durch den kopf, dasz es vielleicht unschicklich sei, den guten kindern solche fratzen zu erzählen. 26, 6; es fuhr mir durch mark und bein;
cujus animam dolentem,
contristatam et gementem
pertransivit gladius,
hier haben wir die bedeutung von πείρειν durchbohren, durchdringen.
d)
sie rannten hin und wieder
und stieszen einander an,
das fuhr mir in die glieder,
dasz ich den frost gewann.
Göthe 3, 201;
das fuhr dem wolf in die glieder und schreckt ihn.
40, 53;
der tact ist das einzige, was ich von der musik höre, da fährts einem so recht in die beine. 14, 93; in alle glieder ist es mir gefahren, ich werde krank.
e)
denn er feret uber mich mit ungestüme und macht mir der wunden vil. Hiob 9, 17; und des schwerts blitzen wird mit schrecken uber in faren. 20, 25; wer aber drüber feret und gebeut oder verbeut. Luther 3, 54ᵃ;
als ich des ruhms gedachte,
dacht ich auch, Herman, dich,
das schrecken deines todes
fuhr eiskalt über mich.
Kretschmans werke 1, 134.
f)
wenn man einzeln am laufenden tage etwas ins publicum bringt, was den leuten vor die köpfe fährt und womit sie nicht zu gebaren wissen. Göthe an Zelter 515.
8)
fahren, proficisci, peregre abire, über land, durch die länder fahren, reisen, wallen, wallfahrten, πορεύεσθαι. dies gr. wort aber gibt Ulfilas nicht durch faran, sondern gaggan, galeiþan, vratôn, wie er überhaupt faran ziemlich selten braucht. ahd. ist faran allerwärts proficisci, pergere, permeare. das alte reiselied beginnt:
in gotes namen vare wir.
GA. 2, 474;
von gots gepoten faren wir.
Schwarzenberg 152, 2ᵇ;
in gottes namen faren wir. kluge weise reden 1ᵃ; er fart gen Venedig, gen Antorf, gen Leon, darafter uberal und lugt, was er ze schaffen hab und vergiszt dabei leib und seel. Keisersberg brösaml. 67ᵇ; itz so müssen wir zu Baden farn, jetz zu den heiligen, jetzt auf die kirwen, jetz in den wald, da wir lust suchen. pred. über das narrensch. 133ᵇ; sie faren narren hinweg und kummen noch vil gröszer narren herwider. 134ᵇ; Ahab aber fur und zoch gen Iesreel. 1 kön. 18, 45; zeuch hinauf gen Ramoth in Gilead und far glückselig. 22, 12; und fur tag und nacht, das er ja bald hinkeme. 2 Macc. 9, 4; do aber im die Jüden nachstelleten, als er in Syrien wolt faren. apostelg. 20, 3; Martin ist mit 80 welschen bogenschützen über die Rüsz gefaren, die paner und das schützenfändli sind heim gefaren. Bullinger 3, 187; aus dem land fahren müssen, verbannt werden. hierher gehört das fahren der armen leute, der bettler, der schüler, wozu unter fahrend stellen folgen, vgl. auch landfahrer, seefahrer, meerfahrer. heute wird doch reisen diesem fahren vorgezogen.
9)
fahren, cedere, excedere vita, sterben, abfahren, hinfahren, von hinnen fahren, heimfahren, zu gott, zu den vätern, zum groszen heer fahren, zum alten haufen faren. Maaler 131ᵈ, aus, von der welt fahren. ahd. gifuor, obiit, er ist an die lange, an die letzte fahrt. vgl. skr. prêta = praita, qui abiit, exiit, periit, der dahin gieng (so dasz lat. peritus eigentlich verfahren, fortgefahren bedeutend hernach nur im sinne von erfahren, kundig gilt). es steht aber auch bloszes 'fahren' und die gefahrnen sind die heimgegangnen, dahingefahrnen, die todten. mhd.
ich wil nu teilen ê ich var.
Walther 60, 34.
got gëbe dir, frowe (Welt), guote naht,
ich wil ze herbërge varn.
101, 22;
nhd. ein edelman der het ein narren, der war im lieb, dem machet er ein hübschen lidern kolben und sprach zu im, narr, disen kolben gib niemand, er sei denn närrischer, denn du bist. der narr sprach, ja. nun es begab sich auf ein zeit, das der edelman krank ward, der arzt kam alle tag zu im und besahe in, und wenn er denn von im gieng, so fragt in die fraw und der knecht, wie im sein junker gfiel, so sprach er denn 'er wird faren, er bleibet nicht'. der narr stund darbei und hort die wort, die der arzt zu der frawen und zu den knechten redet, und wenn er denn höret sagen 'der junker wird faren, er bleibet nicht', so lief der narr in den stall zu den pferden, und luget ob man die pferd auch sattelt, und zum reiswagen, und besicht ob man in auch rüstet und aufmutzet. da er darzu kam, da sah er nichts. und wenn denn morgens der arzt widerumb vom junkern gieng, da fragten in des junkern knecht aber und sein hausfraw, wie es umb in ein gestalt hette und wie er im gefiele? der arzt sagt zu den knechten und der frawen 'habt sorg zu im, er wirt nit bleiben, er wirt faren'. der narr lief aber umb und luget, aber er fand kein rüstung, und gieng selber zu dem herrn und fragt in, 'herr, sie sprechen, du wölst faren, du bliebest nit, wie lang wiltu ausbleiben, éin jar?' 'o lenger, lieber gesell'. 'zehen jar?' 'o lenger, ich weisz nicht wie lang'. 'nun sihe ich kein zurüstung in dem hof, saget der narr, darumb wil ich dir mein kolben geben, wenn du bist viel närrischer denn ich. denn solt ich so lang aussein, ich wolte etwas dorthin schicken, darmit ich zu leben het und nicht mangel litte. darumb so hab dir mein kolben, er gehört dir von rechtswegen zu'. der edelmann nam die wort auf und bessert sich und macht sein testament und seelgerecht (l. seelgeräte) und rüstet sich zu 'faren', das er ein kind ward der ewigen freud. schimpf u. ernst 1555, 198. 1550, 40. 1522, 45. danach ein, weisz nicht, ob älterer oder späterer meistergesang, wo es heiszt.
er pleibet nicht, den tag wirt er noch faren,
der doctor det heut sagen
'du würst (würdest) faren, du plibest nicht.
meisterl. 145 bl. 23;
bleibt es demnach fest gestellt,
auf der welt
minder wirt als gast zu heiszen,
ei so laszt uns, weil es währt,
eh man fährt,
unsrer lust befleiszen.
meistens geleitet eine partikel oder ein nomen: indem die jung frawe sich zuͦ irem ende komen sahe, mit senfter stimm ir letstes wort sprach 'stet mit got, ich far dohin' (2, 687. 688), ire augen sich zuͦ theten, alle sinn und vernunft bei ir verschwunden, also aus disem elenden leben schied. Steinhöwel dec. 256, 14; der mensch feret hin. prediger Sal. 12, 5;
das braune mädel das erfuhr,
vergiengen ihr die sinnen,
sie lacht und weint und bett und schwur,
so fuhr die seel von hinnen.
Göthe 1, 181. 10, 249;
und also ist der grosze held
von dieser welt gefahren.
Paul Gerhard 26, 24;
und du solt faren zu deinen vetern mit frieden. 1 Mos. 15, 15. allerhäufigst aber zur hölle (ursprünglich zur unterwelt, ins todtenreich) und in den himmel fahren. das descendit ad inferna im christlichen glaubensbekenntnis wurde erst verdeutscht steig (nidar steig) zi helliu, hernach zi hello fuor, hin ze helle vuor; gestorben und zu der hellen gefaren. Keisersberg im trostspiegel BB 3ᵇ; hinunter in die helle wird er faren. Hiob 17, 16; auf das nicht ich gleich werde denen, die in die helle faren. ps. 28, 1; der tod übereile sie und müssen lebendig in die helle faren. 55, 16; ein mensch der am blut einer seelen unrecht thut, der wird nicht erhalten, ob er auch in die helle füre. spr. Sal. 28, 17; das du dich verunreinigst unter den todten? das du unter die gerechnet bist, die in die helle faren? Baruch 3, 11; es ist dir besser das du ein kröpel zum leben eingehest, denn das zu zwo hende habest und farest in die helle (goth. galeiþan in gaiainnan). Marc. 9, 43; du wilt nit zu got, du wilt in die hell faren. sch. u. ernst 1555, 199. ebenso im glaubensbekenntnis ascendit ad coelos erst: steig (ûf steig) zi himilom, dann fuor zi himile, fuhr gen himmel; und Elia fur also im wetter gen himmel. 2 kön. 2, 11; füre ich in himel, so bistu da. ps. 139, 8; wer ist gen himel gefaren und hat sie geholet? Baruch 3, 29; und da die engel gen himel furen (goth. galiþun in himin). Luc. 2, 15; und niemand fehret gen himel, denn der vom himel ernider komen ist. Joh. 3, 13; der gen himel gefaren ist. Hebr. 4, 14. ähnlich sind in den abgrund, in die grube fahren.
10)
zu berg, zu thal fahren, aufwärts, abwärts, auf und nieder: zu berg, in den schacht fahren, steigen;
wir suln in recken wîse varn ze tal den Rîn.
Nib. 338, 9;
diʒ vleisc intfînc diu ërda,
dir geist vuor ûp ci bërga.
Anno 768.
doch hiesz es auch ze bërge gân. die hirten mit der herde fahren ins gebirge, auf die weide, in die alp, auf die alpen (alpfahrt, Stalder 1, 351 bezeugt 'fahren' als technischen ausdruck der Schweizerhirten);
wir fahren zu berg, wir kommen wieder,
wann der kukuk ruft, wann erwachen die lieder.
Schiller 516ᵇ;
zu berge ziehn die herden,
fuhr erst der schnee zu thal.
Uhland ged. 470;
der bauer fährt aufs feld, auf den acker, zu acker, gen acker, in acker, mit pflug oder egge zur feldarbeit; do er auch vormals mit stuͦten gen acker gefaren was. Steinhöwel dec. 261, 16; der bauer fährt ins heu. den schlag der kohlmeise im frühjahr legt man aus, als redete sie den bauer an:
spitz die schar (pflugschar),
in acker fahr!
zu walde, zu holze fahren kann nun heiszen zur lust in wald, wie in der vorhin sp. 1251 angezognen stelle aus Keisersbergs narrenschif 133ᵇ, mag aber noch andern sinn gehabt haben:
waʒ huotes dû dâse,
ubele hornblâse,
du soldes billecher da ze holz varen,
dan die megede hie bewaren.
keiserchr. 12201,
als holzfrau, waldfrau, zauberin dich im walde umtreiben, hin in den wald verschwinden. Steinhöwel dec. 65, 10 am schlusz einer erzählung, wo er die worte et i tre masnadieri andarono a dar de' calci a rovajo (lieszen ihre fersen in die luft hängen, d. i. wurden aufgehängt) nicht genau faszte, setzt dafür passend: 'die drei rauber gen holze furen, süllen noch wider komen', sie verloren sich im wald, kehrten nimmer wieder, d. h. wurden hingerichtet. der eigentliche sinn der zeile
Phol ende Wôdan vuorun zi holza
entgeht uns leicht, sie mahnt an das aus dem holze fahren des eddischen Völundarliedes:
era sâ nû hŷrr er or holti ferr.
11)
gern steht fahren im imperativ: ahd. far satanas! vulg. vade satanas, ὕπαγε ὀπίσω μου, ags. gang þu sceocca on bäc! bei Luther heb dich weg von mir satan! Matth. 4, 10. zumal im geleit eines adverbs: fahr wol! vale:
ich scheide, fahre wol! dies leben dient mir nicht.
Hagedorn 1, 27;
fahr wol (d. i. fort mit dir, ich mag dich nicht) o beifall der kenner!
Wieland 4, 4;
fahre wol, du blume und zierde aller feenritter! 12, 26;
fahre wol! 'leb wol!'
Göthe 10, 272,
was nach der sprache heiszen sollte fahr wol und lebe wol!;
fahret wol, ihr freuden dieser sonne,
gegen schwarzen moder umgetauscht!
fahre wol, du rosenzeit voll wonne,
die so oft das mädchen lustberauscht!
fahret wol, ihr goldgewebten träume,
paradieseskinder, phantasien!
Schiller 5ᵃ;
liebe fahre wol, warst so klug, so fromm, verschämt,
mir lieber noch als eine tochter, liebe, fahre wol!
Schubart vaterlandschronik s. 206;
so fahrt denn wol, ihr götterflügel und ihr mächtige eingebungen, fahret wol! ich dank euch ab. Klingers th. 2, 206. mhd.
zieht iuch sëlbe und vart ein wênic schône!
Neidhart s. 149;
ei vare al schône (schonend)!
pass. K. 189, 50. 588, 90;
var schôn! so sprach her Weldereich.
Ecke 292;
nhd. was ist das? far schon (behutsam, nicht so rasch), lieber gesell! de fide concub. 100, 15;
so spricht sie zu mir, 'narr, far schon,
erschreck mich nit, ich pin noch jung!'
Haupt 8, 515;
fart schon, fart schon! lieber rottengeist! Luther 3, 50ᵇ; far schon, Mose, weist du auch mit wem du redest. 8, 55ᵃ; box angst, herr cardinal, fart schon! Schade sat. u. pasq. 2, 252; ei junker, fart schon! 3, 102;
drumb thuͦt gmach und faret schon!
H. Sachs I, 478ᶜ.
in gleichem sinn, fahr hübsch, hübschlich, fahr sittiglich, fahr gemach: fahrt hübschlich, ir gesellen! bienenk. 45ᵇ; far gemach, das du nit felest (fehlest)! Keisersberg omeis 19ᵃ;
der könig Agamemnon sprach
'mein freund Ulysses, fahr gemach!'
Spreng Il. 313ᵃ;
Patrocle, fahr gemach, halt still!
383ᵇ (χάζεο διογενὲς Πατρόκλεις. Il. 16, 707).
und faret nicht hoch her, καὶ μὴ μετεωρίζεσθε.
Luc. 12, 29.
12)
so gesellen sich dieselben adverbia überhaupt. wol fahren heiszt prospere procedere, succedere, übel fahren parum succedere: dabei der orden und die lande wol weren gefaren. Schütz beschr. v. Preuszen 146; wir sind wol damit gefahren; weiter wüste ich nichts und wünsche diesem werke gut zu fahren. Göthe an Schiller 222;
so fährt der wol, der seine seele fragt.
Göthe 57, 81;
auf dringende vorstellung jedoch und einige winke des boten, dasz man mit mir nicht übel fahre. 30, 220; bis ihr mann ... den baron herausforderte und heute verwundete, doch ist der obrist, wie ich höre, noch schlimmer dabei gefahren (weggekommen). 20, 17; sie sprang mit ihren preisen und zeugnissen in den zimmern herum und schüttelte sie auch Ottilien vor dem gesicht. 'du bist heute schlecht gefahren', rief sie aus. 17, 62; an und für sich hätte der gute Bastian schon gut genug fahren können. J. P. Hesp. 3, 63 (87); der staat kann hierbei sehr übel fahren. Kant 1, 261; ich glaube, wenn anders das frauenzimmer eine gute wirtin ist, dasz sie nicht übel mit ihr fahren sollen. Leipz. avant. 1, 166; mit dem neuen bedienten sind wir übel gefahren (schlecht angekommen). warum sollte nicht schon ahd. gesagt werden scôno faran, lepide, belle agere? mhd.
nein, ir müget wol schôner varn!
heute heiszt es schön thun, gemach thun, nicht mehr schön, gemach fahren: ich gib dir antwurt, das du gemach solt faren, nit so frevel sein in deiner rede. Keisersb. omeis 19ᵃ; darumb findet man oft, das unser text höher feret, denn der ebreisch, doch in gleicher meinung. Luther 1, 98ᵇ; das were zu hoch gefaren und nach endechristischer hoffart. 5, 87ᵇ; widerumb ist das auch gewis, das herzog George und ewre verreter und mitverfolger viel, viel zu hoch faren. 6, 12ᵃ; wenn sie hoch komen, denken sie nach gut und eer, wie sie reich werden, hoch her faren und den kindern grosz gut erben. Luthers vorr. zu Menius a 2ᵃ. vgl. hochfahrend, hoffart. roh fahren, hart fahren:
dasz bisher mein herr schweher hat
zu hart gefahren gegen eim rat.
Ayrer 58ᵃ.
wenn du allzu gelinde fährest, so werden dich deine unterthanen verspotten. pers. baumg. 1, 5; und was war den blutdürstigen unseligen tyrannen zu Costnitz not, das sie mit dem toden, verbranten Johan Hus so greulich, unmenschlich furen (verfuhren, handelten)? Luther 1, 344ᵃ; du werdest nicht mit mir so schrecklich fahren. Ringwald evang. L 7ᵃ; es ist besser, man halte herzog Georgen, das er herrisch mit solchem eide fare. Luther 6, 8ᵃ;
ei sprech ich, war mir gott geneigt,
da wir noch feinde waren,
so wird er ja, der kein recht beugt,
nicht feindlich mit mir fahren
anjetzo, da ich ihm versühnt.
P. Gerhard 23, 15;
denn die furcht gottes leret klüglich faren in allem handel. Sir. 19, 18; und sol ein könig regieren, der klüglich fare. Luther 3, 425ᵃ; ich wil itzt dem friede zu gut seuberlich faren mit dem splitterrichter. 6, 20ᵃ; bedeutet, dasz man mit groben leuten säuberlich fahren musz. Alberus Esop s. ix; obwol Bolislaf sonst gar säuberlich mit ihnen fuhr. Micrälius 2, 191; bitte doch säuberlich mit dem knaben zu fahren. Wieland bei Merk 1, 87; doch da wir einmal mit ihm säuberlich fahren sollen. 1, 117; und gedachte, das sein weib gegen im untrewlich führe. buch d. liebe 273, 2;
kummer, der das mark verzehret,
raub, der hab und gut verheret,
grausamkeit, die unrecht fehret (nicht kehret),
sind die frucht, die krieg gewehret.
Logau 1, 107, 49;
menschen sind als teufel ärger, weil der teufel nirgend schwur,
denn er weisz, dasz er ein lügner und betrieglich immer fuhr.
2, 26, 96;
in diesen beschwerlichkeiten fuhren (verfuhren) die jungen herzogen so gescheide, dasz sie den städten erlassung des halben zolles zu Wolgast willigeten. Micrälius 3, 520; wie sicher würden sie gefahren sein, wenn ihre arbeit vor den richterstuhl solcher gelehrten wäre gebracht worden. Winkelmann 1, 65; noch erbärmlicher fährt der leser und noch behaglicher der schreiber. J. P. bücherschau 2, 8. es kann auch die praep. an mit dem superlativ stehen: die besten menschen würden gerade am schlimmsten dabei gefahren sein. Wieland 8, 224;
und wer dabei am schlimmsten fähret,
ist doch zuletzt der schach.
10, 316;
ich bin freilich unter meinen geschwistern am besten dabei gefahren. Göthe 20, 168; wie denn der künstler, der sich treu an die natur halte, am besten fahren werde. 30, 228; die richter fahren am vernünftigsten, die u. s. w. J. P. teufelsp. 1, 62. ebenso darf, ohne ein solches adv., bloszes fahren gesetzt sein, oder die partikel also, wie daneben: wie er feret mit allen menschen, die er angreift. Luther 4, 22ᵃ; also feret gott mit allen seinen gleubigen. 4, 78ᵃ; ich hab mit euch gefaren, wie ein vater mit seinem kind. 4, 489ᵇ; meinst du ich wisse nicht, wie du und deine gesellen mit mir gefahren habt? Ayrer proc. 1, 6 p. 124;
ir herren, nun sie sehen hier,
wie sie gefahren sein.
wenn der philosoph ihn eine zeitlang nach seinem eintritt in die welt fragte, wie er gefahren? Klinger 11, 41. noch häufiger finden sich praeposition und subst., vorzugsweise mit: mhd.
hœret waʒ ich zuo der buoʒe tuo,
daʒ ich mit zouber niht envar.
MS. 1, 73ᵇ;
nhd. noch sind viel hoffertiger heiligen, die mit irer gerechtigkeit faren und wollen ie für sich selber priester sein. Luther 1, 95ᵇ; Carlstad helt und feret mit dem brot und wein des herrn, als were es schlecht brot und wein. 3, 76ᵃ; kurz und umb so mit selen faren, als wer er ir gott. 3, 53ᵇ; das sie selbs on ordenung drein fallen und nicht mit ordentlicher gewalt faren. 3, 39ᵇ; musz ich hie die weltliche oberkeit unterrichten, wie sie hierin mit gutem gewissen faren sollen. 3, 124ᵇ; vorhin wolten sie mit dem schwert faren und als christliche brüder für das evangelium streiten. 3, 144ᵇ; und gottes wort gibt dir nicht freiheit, das du farest mit gottes namen und creatur wie du selbs wilt. 6, 284ᵃ; diese gottlose verächter und mutwillige freveler, die mit gewalt furen. Mathesius 10ᵇ; man fehret mit gewalt. Neander syll. loc. 244ᵇ; und ermaneten mit rechte und nicht mit gewalt zu fahren. Schütz Preuszen 142;
wenn er so mit dem donner fährt,
dasz alles praszt und krachet.
Lobwasser ps. 68,
was deutlich auf den am himmel fahrenden donnerwagen geht; eine solche gesellschaft, wenn sie mit ernst und wahrheit fährt, ist sehr respectabel. Claudius 4, 33; ein mensch, der glauben und vertrauen zu sich und seiner sache hat, fährt mit vollherzigkeit und sicherheit. 7, 178. zuweilen auch nach und in: in solchen sachen haben sie nicht gefahren nach menschen dünken. Luther 4, 153ᵇ; ir gebt für, ir woltet nach dem göttlichen recht faren und handeln. 3, 116ᵃ; wenn denn solche leut zum regiment kommen in der gemeine, die können freundlich und wol regieren, faren nit allweg nach irem bedunken. kluge weise reden 1565, 151ᵇ. 1570, 161ᵃ; wer in der schrift faren wil und wol auslegen. Luther 4, 172ᵇ.
13)
fahren lassen, was man hält loslassen, mittere, emittere, dimittere, wie gehen lassen, fallen lassen u. s. w. die hand läszt den sper, den sie schwingt, fahren, den gefangnen vogel, den sie faszt, fahren, fliegen; er liesz ihre hand, die er ergriffen hatte, wieder fahren, den zweig, den er herangezogen hatte, wieder fahren; und es war ein jüngling, der folgete im nach, der war mit linwat bekleidet auf der bloszen haut und die jünglinge griffen in. er aber liesz den linwat faren und floh blosz von inen (goth. iþ is bileiþands þamma leina naqaþs gaþlauh faura im). Marc. 14, 52; bis das er hende und füsze faren lasse, an im selbs verzweivele. Luther 1, 66ᵃ; nach einigem zaudern nahm er ihre hand. erschreckt von der kälte, liesz er sie sogleich wieder fahren. Göthe 20, 281. natürlich wird aber oft nur entlassen, aufgeben, hingeben, dahingeben gemeint, ohne den gedanken an eine leibliche haft: herr, nu lessest du deinen diener im friede faren. Luc. 2, 29;
gott leszt seine diener fahren, aber doch im friede,
herren lassen diener fahren, wann sie ihrer müde.
Logau 2, 210, 96;
darümb ich sie ganz hab la farn,
mein weibnemen wil ich lenger sparn.
fastn. 703, 23;
ich wollte ihnen ein schönes, junges frauenzimmer mit einem rittergute anbieten, wenn sie Julchen wollten fahren lassen. Gellert 1, 217;
lasz fahren dahin, lasz fahren.
Schiller 330ᵇ;
wenn sie damit den jungen mann erlangt,
so läszt sie ihn nicht wieder fahren.
Göthe 12, 215;
was lässest du das schöne mädchen fahren,
das dir zum tanz so lieblich sang?
12, 217;
meine heiterkeit war zurückgekehrt. ich hätte sie (meine geliebte) um alles in der welt nicht fahren lassen. 23, 85; denn du lessest in (den menschen) faren (vulg. emittes eum). Hiob 14, 20; und nu sage ich euch, lasset ab von diesen menschen und lasset sie faren. apostelg. 5, 38; lasset sie (die pharisäer) faren, sie sind blind und blinde leiter (ahd. lâʒet sie, sie sint blintê inti blintêrô leitidon). Matth. 15, 14. eigenthümlich ist: lasz dein brot über das wasser faren, so wirst du es finden auf lange zeit. pred. Sal. 11, 1, vulg. mitte panem tuum super transeuntes aquas, LXX ἀπόστειλον τὸν ἄρτον σου ἐπὶ πρόσωπον τοῦ ὕδατος, theile es freigebig mit den armen, gib es hin. Keisersberg sagt öfter in seinen predigen: das lasz ich jetz faren, das lasse ich jetzt vorbei, davon will ich nicht reden, z. b. has im pf. Bb 3ᵈ. sch. der pen. 120ᵃ (so wie auch das lasz ich hangen, fallen); um deren menschen willen soll man kein gut faren lassen. narrensch. 151ᵃ;
ich habs mit worten nit verplümt
und unversunnen heraus lan farn.
fastn. 260, 6;
süllen wir ims umbsunst varn lan (ungestraft hingehn l.),
das muosz mir immer wesen leit.
415, 22;
laszt fahren hin das allzu flüchtige!
Göthe 3, 76;
was ich fest zu halten wünschte, musz ich fahren lassen. 20, 285; manches was der aufbewahrung wol werth gewesen wäre, gleichgültig dahin fahren zu lassen. 60, 297; denn sie hat des herrn wort verachtet und sein gebot lassen faren. 4 Mos. 15, 31; wir haben uns umbgekeret und dein gebot lassen faren. Esra 9, 14; und wird den bund faren lassen, den ich mit im gemacht habe. 5 Mos. 31, 16; darumb schicke ich dir ein geschenke, silber und gold, das du faren lassest den bund, den du mit Baesa hast. 1 kön. 15, 19; mein kind, beware die gebot deines vaters und lasz nicht faren das gesetz deiner mutter. spr. Sal. 6, 20; höret die zucht und werdet weise und lasset sie nicht faren. 8, 33; gedenke an das ende und lasz die feindschaft faren. Sir. 28, 6; und lieszen also irer veter sitten faren. 2 Macc. 4, 15; ob er (Henoch) auch widerkomen werde, wie man bisher gesagt hat, lasz ich faren, ich gleub es nicht. Luther 4, 43ᵇ; rede ihr doch zu, dasz sie ihren eigensinn fahren läszt. Gellert 3, 10; den anschlag fahren lassen. Kant 9, 16; alle hofnung fahren lassen, ihr entsagen; sie liesz die gedanken hin und her fahren (spielen). pol. stockf. 71; sie müssen hier vorurtheile fahren lassen. J. P. Nepomukkirche 130. einen fahren lassen, oben sp. 134, 13ᵇ.
14)
fahren, in allen bisher behandelten fällen, war immer intransitiv, und kommt auch selten in transitiver bedeutung vor, für welche eigentlich ein anderes verbum besteht, führen = fahren machen, mit dem ablaut gebildet, wie legen, wenden = liegen, winden machen.
a)
fahren, vehere, im wagen fortbringen: wer wil uns in den himel faren? 5 Mos. 30, 12; das korn, heu in die scheune fahren; der kutscher hat uns rasch gefahren. wenn es heiszt jemand fahren lassen, bleibt zweideutig, ob vehere oder vehi gemeint ist: er wird sich nicht weigern seine holde Clarisse auf die hochzeit fahren zu lassen. Thümmel Wilhelmine 49.
b)
im nachen, schiffe: wer wil uns uber das meer faren? 5 Mos. 30, 13; der fährmann fuhr eine menge unsichtbarer zwerge über das wasser.
c)
den wagen fahren, currum agere: wer, welcher kutscher fährt?; hab ich nicht gefahren wie extrapost? Göthe 10, 129; je fahre, galgenvogel, fahre und schmeisz da ehrlicher leute kinder um! Schlampampe krankheit 24.
d)
den acker fahren, pflügen: der acker ist wol gefahren und rein von unkraut. Pestalozzi 10, 166.
e)
refl. der wagen fährt sich gut, schlecht; Charon ruft aus:
allein an leuten eurer art,
die stolze polyhistorn waren,
hab ich mich schon bald lahm gefahren.
Gellert 1, 217.
dem transitiv gebührt im praet. haben, dem intr. sein, die unter 12 angezognen stellen lehren aber, dasz auch ersterem sein gegeben wird. viel intransitiva werden durch zusammensetzung transitiv, z. b. gehen, fliegen, springen in angehen, begehen, erfliegen, bespringen. ebenso fahren in anfahren, befahren, durchfahren, einfahren, vorzüglich aber in erfahren (sp. 788). intransitiv bleiben abfahren, auffahren, entfahren, herfahren, hinfahren, mitfahren, nachfahren, verfahren, vorfahren, zufahren, deren transitiva mittelst führen zu bilden sind.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1861), Bd. III (1862), Sp. 1247, Z. 72.

fahren

fahren,
intendere, insidiari. goth. weder ein fêran fêraida, noch fêrjan fêrida, wol aber fêrja insidiator. ahd. fârên fârêta, mhd. vâren vârte; alts. fâran fârda, mnl. varen vaerde; ags. færan færde, âfæran âfærde, engl. fear feared; den nord. sprachen mangelnd. die bedeutung ist dehnbar und schwankend. legt man nachstellen zum grunde, so kann dies in übelm, aber auch in gutem sinne für nach etwas streben, begehren genommen werden, namentlich ahd. desiderare, optare ausdrücken. den satz cujus vero causa quid expetitur, id maxime videtur optari gibt N. Bth. 160 târ umbe dingoliches kegërôt wirt, tës fârêt man darana in houbet; und gleich darauf veluti si salutis causa quispiam velit equitare, non tam equitandi motum desiderat, quam salutis effectum: also dër ne fârêt tër umbe gesundeda rîtet, wio ër sih rîtendo erwekkê, nube daʒ ër gesundero wërdê. N. verbindet mit der bedeutung insidiari den dat. der person: demo fârêt ër. ps. 10, 8; fârêton sie mir. 56, 7, aber den gen. der sache: fârêton mînes lîbes. 53, 5; andere haben überall den gen. der person und sache: fârêta sîn, insidiabatur illi. T. 79, 2;
sie fârênt thînes fërahes.
O. III. 23, 31;
thaʒ fîant io zi wâre mîn wergin ni gifârê.
V. 3, 4.
auch mhd. begegnet nur der gen., in den folgenden belegen wird sich leicht der ungünstige oder günstige sinn von selbst ergeben:
dër unser vîantlîche vâret.
Haupt 8, 155;
si vârten mîn genôte,
vrô unde spâte.
Kelle spec. eccl. 147, 39;
ër enwil deheiner lûne vâren.
Walther 35, 12;
swër mîner milte vâren
vergëbene wil, dër sûmet sich.
Parz. 142, 25;
dune solt sîn sus niht vâren.
353, 16;
wolt man der bürge vâren.
658, 23;
daʒ du iht vârest mîn.
Gudr. 363, 2;
daʒ man dër (boten) dâ ervârte, daʒ was im grimme leit.
619, 2;
si kunden wunden vâren (heilen).
785, 4;
beginnet sîn ieman vâren, sô hëlfet im, guote reken, danne.
1113, 4;
manc hunt vil wol gebâret,
dër doch dër liute vâret.
Freidank 138, 10;
done wolde ër ir niht vâren.
Wigal. 219, 16,
si begunden dër orse vâren.
Eracl. 4800;
doch kan si wol mannes hërzen vâren.
MS. 1, 60ᵇ;
und ich niender dës envârte,
daʒ ir êren missezæme.
2, 159ᵇ;
dër rëhtes kunde vâren
und ungerihte stôrte.
tr. kr. 2584;
und mit einander vâren
begunden kampfes alzehant.
9971;
wëll an iuch minne rîchsen
und iuwer langer vâren.
21979;
daʒ si dîn wolten vâren
mit unkiusches hërzen gir.
schmiede 1180;
wan si niht wolden vâren
hovelîcher dinge.
Engelh. 4682;
ir magetuomes vâren
gar minneclich ër wolde.
Frib. Trist. 750;
eins winkels vâren.
MSH. 3, 5ᵃ;
ich führte daʒ ër vâre
wie ër gewërbe mînen schaden.
minnelehre 1264;
si lêret rëht gebâren
und wërder minne vâren.
Docen misc. 2, 179;
daʒ sie vil unverdroʒʒen der ungefüegen râche wolten vâren.
Albr. Tit. 3828, 2;
si schiuhent ouch deheine arbeit ... noch vârent (begehren) gemaches. myst. 1, 311, 27. nhd. beispiele gewährt vorzüglich Keisersberg: nun das erst stuck, dadurch du magst frieden erlangen, ist foren (= fâren) fremdes willens (thun was ein anderer will), das ein mensch lug in allen dingen bereit sein, das er sich fleisz und thue eines andern willen, fore fremds willens mer dan seines eigen willens. sieben schwert bb 6ᵇ; der einen andren mönschen vast lieb hat, den haltet er in eren, er foret seins willens. parad. der sele 1ᵃ; der mönsch hat mich lieb, der mir (dat., wie ahd. bei N.) meines willens foret und geflissen ist zuͦ tuͦnd, was ich gern hab. 1ᵇ; si wöllent gott in sich richten, in lieb haben, sines willens foren umb ires nutzes willen. 2ᵇ; als wie? hast du einen mönschen lieb, du fliszest dich sines willen ze foren. 5ᵈ; soll er bereitet sein seines willens ze foren. 16ᶜ; derselbig emsig flisz, gott dem herrn in allen dingen wöllen gefallen, seines willens foren, ingebirt clare erleuchtung. 16ᵈ; also jungen leuten schwatz gestatten, ir stolzheit und üppigkeit übersehen, ires willens foren. 51ᶜ; fleisz dich seines willens ze foren als ferr du iemer macht. 55ᵈ; er soll sein nit vergessen, seines willens foren. 56ᵇ; begert er allein damit seines willen ze foren. 62ᵃ und noch oft. foren der gedult (der g. sich beflieszen). schif der pen. 76ᵃ;
ich will kein flisz noch arbeit sparen
sins willens ewig(lich) zfaren.
trag. Joh. N 5;
item tät ein richter nit umfrag, oder wurd erteilt, das es nit tagzeit wäre zu richten, so wäre die busz der drei schilling niemand verfallen, ob ein richter iemands faren wölt (sie von jemand begehrte). weisth. 1, 274 (a. 1432); doch wa es ungeferlicherweise beschehe (dasz eine arbeit ungehaltig wäre), so soll niemand am feinhalt umb ein quintlein gefart (gefährdet) sein. goldschmiedordnung von 1563 in Mone zeitschr. 3, 162. allmälich erlischt uns aber dies fahren gleich dem subst. fahr und an ihre stelle tritt gefährden, gefahr. Luther hat das wort in der bibel nicht, in einigen stellen seiner briefe könnte es haften: wo ir strenges rechts woltet faren, möchte vil unglücks daraus komen. 6, 531; jederman schreiet, wolan, so wöllen wir keine gute werk thun und faren flugs des holzwegs. 4, 457, falls der sinn ist den holzweg aufzusuchen, vielleicht aber wird faren ire gemeint mit adverbialisch zugefügtem gen., vgl. zu holze faren (sp. 1253). uns verbleibt heute fast nur die zusammensetzung willfahren, morem gerere, nach Keisersbergs schreibweise willforen: in sollichem wöllen den obren willforen, das wer nit recht. parad. d. sele 17ᵇ, was nicht auf faran, sondern fârên zurückgeht, und willfährig morigerus auf mhd. willeværic, wofür Luther Matth. 5, 25 wilfertig, als stamme es von fahren (ire). in der Schweiz dauert fahren, gefahren = vâren bis auf den heutigen tag. Maaler 128ᶜ hat faaren, auf ein ding faaren collimare, der zeit faaren, der rächten zeit faaren, warnemmen, consulere tempori, seiner eeren faaren, velificare honori suo, er faaret der gelägenheit mit dem künig ze reden, imminet occasioni alloquendi regem; Stalder 1, 351 gibt gfahren, gfohren, gefährden, Tobler 219ᵇ gfohra und 'i gfohr mi nüd' ich nehms nicht so genau, theile nicht die gefahr. 'nicht gfahren mögen' bei Alb. v. Rütte s. 29 vielleicht unrichtig erklärt. Schmeller 1, 551 nur gefären, gefärden, färden, kein einfaches faren. ich bin nicht gefaret, sine periculo sum. Stieler 402. die bedeutung des ags. færan, âfæran terrere entfaltet sich leicht, da die begriffe gefahr und furcht einander nahe liegen, das engl. fear ist sowol terrere als timere, metuere, vgl. mhd. erværen, nhd. erfähren (oben sp. 791); nnl. ist varen veraltet, Kilian führt es noch für fürchten (vreezen) auf und Halma schrieb: dat zal mij geweldig varen, verdrieszen, ärgern.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1861), Bd. III (1862), Sp. 1256, Z. 67.

furren

furren,
was furchen (s. d.), furchen ziehen. schweiz., s. Stalder 1, 405. von furre (s. d.), furche. s. auch fürrlen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 789, Z. 39.

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Zitationshilfe
„furren“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/furren>.

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