Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)
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- suchen, vb.
- sucht, adj.
- 1sucht, f.
- 2sucht, f.
- 3sucht, f.
- 4sucht, m.
- 1suchten, süchten, vb.
- 2suchten, süchten, vb.
- 1suchten, süchten, vb.
- 2suchten, süchten, vb.
suchen, vb.
suchen, vb.,
in allen germanischen sprachen bezeugt: got. sokjan, ags. sēcan, as. sokian, an. soekja, afr. sēka,
sēza, ahd. suohhan. aus idg. sprachen steht am nächsten lat. sāgio spüre, air. saigim gehe einer sache nach, suche; zur weiteren verwandtschaft vgl. 2, 449. der umlaut des stammvokals erscheint im nd., er wird im md. verzeichnet von oberhess. wb. 827; henneb. id. 248; Thüringen 240; Vogtland 425 und auf kolonialem boden bei deutsche mundarten des ungrischen berglandes 225.
neben eigentlichem suchen 'einer sache nachspüren, sich bemühen, sie aufzufinden' (dann auch 'jemanden aufsuchen, ihn bedrohen, angreifen') steht eine reich bezeugte bedeutungsgruppe mehr unsinnlicher art: 'erstreben, trachten nach', s. u. 5. der gebrauch von suchen in der rechtssprache (s. u. 7) ist nicht zu trennen von den composita besuchen, ersuchen, s. deutsches rechtswb. u. schweiz. id. 7, 220; 229.
1)
'sich bemühen, etwas zu finden', das object folgt im acc. oder ist mit um, nach angeschlossen.
a)
als sinnlicher vorgang, meist handelt es sich um einen concreten gegenstand, dessen örtliche lage ungewisz ist.
α)
allgemein: see diin muoter enti bruoder stantant uze suohhent dih Monseer fragmente 7, 23 Hench; allero giwelih thie bitit inphahit inti thie suohhit findit Tatian 40, 5;
in gleicher verwendung auch 30, 31; 34, 23; item 1⁄2 m vor das vortrunkene silber weder zu suchen Marienburger treszlerbuch 548 Joachim; do der abt und die münche vernamen, daz sie nicht wider zuͦ im selbes kame, in an griffen, den pulsz suchten, aber nit funden dekamerone 220 Keller; die czwei jungen rechlein ... ir speise in dem walde suchten dekamerone 93 Keller; (die bienen), die der uszern farben nit acht habent, sunder suochent sie die süssikait des honigs Äsop 4 lit. ver.; den wäg mit den henden suchen iter caecum explorare dict. 518ᵇ; den andern theil der adern such mit einer nadel und zeuch in herfür artzneybuch (1595) 211; wann ... ein rosz einen vollen fetten kopf hat, so suche eine qverhand unter das auge, da fühle hinein, da liegt es in der haut wie ein finger dicke roszartzney (1618) 18; umb herberg suchen gesichte Philanders 1 (1650) 31; (das) instrument wird gebraucht, wenn ein rosz ein unsaubern hals und die würme drinnen hat, so sol man sie damit suchen, auch solche gewisz in dem halse finden wird pferdezucht (1658) 158; vom einzäumen und satteln, davon suche auch droben im 9. capitel ebda 27, dazu vgl. sursum trahere soke nov. gloss. 356ᵇ; unser suchen nach ihr ganz vergeblich ware Octavia (1677) 1, 333; fand sich zuletzt, freilich nach unermüdetem suchen und anklopfen, noch irgendeine gutmüthige seele s. schr. 1, 205; mich lüsts um einen häring (sucht um geld im sack) samml. v. schauspielen (haush. n. d. mode) 6, 66; und hiernächst hat mir der verzweifelte Guido de Columna so viel suchens (in der bibliothek) gemacht 18, 208 L.-M.; vor den häusern nach dir suchend herumbetteln 5, 162; Abdias zündete sich nichts an, sondern suchte nach der wange des weibes, kniete nieder und küsste sie zum abschiede s. w. 3, 39; hätte man das überschreiten der sächsischen grenze um vierzehn tage verschoben, so würden wir heute ... die schlachtfelder des krieges auf der landkarte von Schlesien zu suchen haben ges. schr. 1, 29; vergebens hatte Mozart unter der groszen menge italiänischer operntexte nach einem brauchbaren gesucht Mozart 4, 193.
häufige verbindungen: mhd. herberge, furt suchen, s. mhd. wb. 2, 2, 9, dort auch das häufige weg suchen, das namentlich uneigentlich begegnet (s.b β), ebenso übertragen: soll das nicht seine (des teufels) letzte verstörung sein, so mus er und wirt ein ander schlupfloch suchen Luther
15, 128 W.; das die propheten alda an der saal raum und loch suchten, ihren geist und gift auszubreiten 18, 96; wie sucht frau Hulda lucken und löcher? 18, 205.
ein nebensinn 'zu erwerben, sich zu verschaffen trachten' tritt hinzu, während der gedanke an die örtliche unbestimmtheit zurücktritt:
bist du ledig, such kein eefrowen deutsche schr. 1, 133; treibet einen die noth, solche dienste ausserhalb zu suchen insomnis cura 44 ndr.; mancher ... kirchendienst vergeblich suchen muss schr. (1663) )( 2ᵇ; meine häuszlichen umstände nöthigen (mich), mir eine gehülfin zu suchen 2, 11 L.-M.; personen, die ein amt, eine anstellung suchen 25, 52 W. heute allgemein einen gesellen, einen lehrling, ein hausmädchen suchen, eine stellung suchen.
sus begunder suochende gân
und sach ein schœne palas stân
Iwein 6425;
dô wart ûz den schrînen gesuochet guot gewant
Nibelungenlied 275, 1 L.,
ich will mir suchen ein andern herrn
lit. ver.;
21, 10 β)
der sinnliche vorgang des suchens ist in seiner art näher ersichtlich:
ihre wünsche in ihren augen suchend 45, 70 W.; ihre blicke spielten umher, sie schien etwas mit den augen zu suchen s. w. 3, 279; (er sperrte) die augen weit auf und suchte mit denselben rings auf dem platze ein haus, wie einer, der aus einem schweren traume erwacht 4, 22; als ich suchend die nun ganz verdunkelte gasse hinunterblickte triumpfgasse (1902) 2; er richtete seinen unsicher suchenden blick auf den doctor 2, 46; oft sasz er stundenlang, mit stieren blicken den boden suchend s. w. 44.
in anderen fällen tritt eine bewegungsvorstellung stärker hervor: die krippe laufft dem ochsen nicht nach, der ochs musz die krippen suchen der Teutschen weissheit (1604) 2, q 7ᵃ; wie Cato sagt, das hauss suche nit das land noch das land das hauss feldbau (1579) 31; ebenso natürlich und nothwendig als dasz der frosch das wasser sucht 21, 478 W.;
die weitere entwicklung führte dann zur bedeutung 'hingehen und aufsuchen', s. u. 3.
sinen blic
wirfet er lieblich nach dir,
suchende ob sine gir
si da dime lebne bi
Daniel 8246;
und zischend, mit geschwelltem kamm
die eidechs sucht den hohlen stamm
w. 2, 17;
γ)
anwendungsbereiche besonderer art. in der bergwerkssprache 'erz schürfen': wo ein man ercz suchen wil, das mag her thun mit rechte (14. jh.) Freiberger urkundenbuch 2, 268; die wil der suchenthalp do ist Diesselmuter bergweistum (1377), s. zeitschr. für bergrecht 13, 74; allermeniglich, so umb berürten Dachsberg ... von perchwercksarbeit, suchens und erpauens willen sich einlegen (1522) baier. bergr. 185. bergwerk suchen: (wir verleihen) allen denen ..., so in diss bergwerk gangen sind und noch gan wurdent ... das gebirg und bergwerk in der grafschaft Salgans gelegen ..., also dasz si solichs nach bergwerksrecht suchen, buwen, nutzen und nieszen sollen und mögen (1521) nach 7, 214; diese kunst den berckleuten, die bergwerck suchen, ... sehr dienstlich beschreibung (1580) 1ᵃ. als 'aufspüren, fahnden nach, verfolgen', s. sucher:
in hat auch der Machmet gepoten, das sie die christen und alle, die wider sein glauben sein, suchaten pei tag und pei nacht reiseb. 92 lit. ver.; ouch hant si (des bischofs dienstmannen) daz recht, ... swa ieman in ir hus entrinnet, den sol nieman sœchen (13. jh.) bei 7, 215.
als 'beute suchen, plündern': dann die reutter, die in dasz landt waren gelegt, thätten nit dann voglen und suechen
Basler chron. 7, 303, s. o. such. in der jägersprache: il queste bien er (der hund) sucht wohl nomencl. (1652) 185; wie man hasen suchen sol haushaltung in vorwerken 215 Ermisch-Wuttke; such! verloren! (stehende wendung, um den hund auf die spur zu schicken) jägerpractica (1754) 1, 109; 7, 213.
suͦchin er (Saul) in (David) da gebot
weltchron. 24482;
und taten ir mit warheit kunt
wie man si suͦchte uf den lip
15896;
δ)
formelhafte redewendungen: (etwas sucht) seines gleichen hat nicht seines gleichen, ist unerreicht: ich hab einen hund, der seines gleichen sucht w. 1 (1809) 143; an zähheit sucht es (das israelitische volk) seines gleichen 24, 248 W.;
in dem lebendigen, echt dramatischen ... sucht dieses recitativ seines gleichen Mozart 4, 620.
die formel etwas zu suchen haben entstammt anscheinend der rechtssprache, s. u. 7 b.
mundartlich begegnet ein unpersönlicher gebrauch, dessen sinnlicher ausgangspunkt nicht mehr ersichtlich ist: es sucht in einem, im bauch vom leichten schmerz beim bauchgrimmen, nach genusz eines abführmittels 7, 213; 2, 323; lothr. 511; weiterhin der magen sucht knurrt schwäb. 5, 1946; s het mi schon lang gesuecht von den ersten leichten anfängen der krankheit 2, 323.
bist du der (mörder) auch,
so suchst du deines gleichen
G.;
13, 83 ε)
suchen im sprichwort: man sagt: wer das erste mal gen Rom gaht, der sucht einen schalck, zum andern mal find er ihn, zum dritten bringt er ihn mit erausz 6, 437 W. suchen mus mans doch zuletzt do es ist sprichw. (1577) e e 1ᵃ; wenn der feind im hausz ist, musz man nicht ihn draussen suchen flor. pol. (1662) 1, 218. es suͦcht offt einer, das er vor lang funden hat sprichw. (1548) 103ᵃ; es sucht offt einer ein pferd und sitzet oben darauff der Teutschen weisheit (1604) 2, D d 1ᵇ. so sucht selten einer den andern hinder dem ofen, der nit zuvor auch dahinden gestanden ist Sarepta (1571) 153ᵇ; es sucht keiner den andern im sack, er sei denn zuvor selber drinn gesteckt flor. pol. (1662) 1, 50; vom vergeblichen und unnötigen suchen: suͦchst ein knopf (als sprichwort ist) an der bintzen ob sant Peter zu Rom sei gewesen (1524) a 3ᵇ, s. teil 5, 1472; aquam e pumice postulas du suͦchest würst im hundsstall adag. (1545) v 7ᵇ; den fünften zipfel am sack suchen Garg. 242 ndr.; im meer wasser suchen sprichw. (1545) 1, 49; er hat ... Moses grab gesucht flor. pol. (1662) 2, 798.
b)
unsinnlich als geistige tätigkeit.
α)
durch nachdenken erkenntnisse, gedanken, auch ihre ausdrucksform, zu gewinnen suchen:
hier in anlehnung an die vorlage (s.γ), jedoch selbständiger:
darumb darfstu nicht lange süchen und nach allen sunden trachten 15, 489 W.;
philosophen, das ist, leute, die deutliche begriffe suchen 5, 17 S.; (ich) habe keine worte, keine gedanken, dir zu sagen, was geschah, und nie will ich darnach suchen w. 4, 99; verstehen sie das gleich auf den augenblick oder müssen sie den verstand erst durch gegeneinanderhaltung der sätze suchen ges. schr. 2, 329; zuerst suche ich, woher es komme, dasz man so gerne in gesellschaft läuft einsamkeit 1, 7; wie der bearbeiter ... leichtere übergänge sucht, ... überall verständlicher ...
zu werden strebt s. w. 1, 174; so sollen wir doch nicht verschmähen, die technischen regeln ... zu suchen und verständig zu gebrauchen technik des dramas, ges. w. 14, 5; (er) suchte schreibend erst die gedanken musik. charakterk. 1, 307;
in allgemeinerer bedeutung: wer sucht, wird zweifeln im Athenäum 1, 2, 77; häufig: die warheit suchen cercare, ricercare la verità dict. 2 (1702) 1032ᶜ;
deutlich übertragen: darumb suͦche es von innan in dem grunde und lo din uzlouffen und din uzsuͦchen sin pred. 14, 25 Vetter; wenn sie in sich blickte und suchte, war es in ihrem geiste leer 21, 45 W.; von allen fehlern und untugenden seiner zöglinge muss der erzieher den grund in sich selbst suchen ameisenbüchlein (1806) 17. die örtliche angabe zeigt, dasz hier der sinnliche gebrauch ins unsinnliche übertragen ist. gleiches gilt von den folgenden belegen: es ist lächerlich, den wahren geschmack ... in Frankreich zu suchen recensionen 88 lit. denkm.; Griechenland ist die schule aller schönen künste gewesen; hier musz man also den ursprung der dramatischen poesi suchen einl. (1758) 2, 285;
und man findet sie (die auflösungen der rätsel) nicht, eben weil man zu tief suchte 12, 187 S.; diese gestalt der kunstschönheit, diesz bild der liebe suchte er (Winckelmann) allenthalben, wollte sie auch im bloszen abglanz sehen 3, 70 S.; wenn sich Deutschland gar nicht mehr gleichet, so ist der grund davon in dem anbau desselben ... zu suchen gesch. der Deutschen 1, 3; will man ... von einer solchen abbildung gebrauch machen, so soll man in der wirklichkeit eine annähernde gestalt suchen 49, 235 W.; wir suchen überall das unbedingte und finden nur dinge im Athenäum 1, 1, 70.
als selbständiges part. präs.: (Lavater) ist ... unter den suchenden des achtzehnten jahrhunderts, wie ich diejenigen nennen möchte, welche den spuren der verlohrnen wahrheit unermüdet nachgingen, nebst Lessing der vortrefflichsten und der merkwürdigsten einer gesch. der lit. 2, 293; in der mannigfaltigkeit dieser pläne spiegelte sich der wandel der kunstempfindungen eines suchenden jahrhunderts 19. jh. (1894) 5, 405; noch mehr als ausdruck des unsicheren tastens: es (das leben Rodins) wird eine kindheit gehabt haben, irgendeine, eine kindheit in armut, dunkel, suchend und ungewisz Rodin (1928) 8. diese belege reichen bereits in die gruppe 'trachten, streben, sich sehnen nach' hinein, s. u. 5.
suahtun io innan thiu urkundi luggu,
thaz sie nan thoh mit luginon mohtin thar biredinon
(quaerebant falsum testimonium Matth. 26, 59) IV 19, 24,
nû sint die cardinal sô karc
daz si ungerne fliesen.
die begunden suochen unde kiesen,
mit wiu si wurden gewert
8313;
wer überlegt, der sucht
bewegungsgründe, nicht zu dürfen
L.-M.;
3, 72 ein sinn
wird nur von dem gefunden, der ihn sucht
kakadu (1899) 56.
wenn ihr im suchen euch trennt, wird erst die wahrheit erkannt
W.;
5, 231 wie oftmals suchen wir von eines reiches fall
und mächtger thronen sturz, die ursach überall
poet. schr. 1, 89;
β)
formelhafte verbindungen; z. t. handelt es sich um die umsetzung einer auch in concretem sinne üblichen verbindung ins geistige, so bei dem häufigen einen weg suchen: wär auch, dasz ... ainer den andern truegen und ungleich weeg suechen wollte (1423) baier. bergr. 26ᵃ; alsz nun dise brief ... verfertiget waren, hat oft gemeldter abt weg gesuͦchet, dieselben dem herzog anzuzeigen und verkunden chron. v. Kaisheim 220 lit. ver.; im fürsatz wäg zu suchen, wie er Othonem ... verrahten ... möchte Schweizerchron. (1606) 749. und sonst: ambages agere vil auszzüg suͦchen dict. (1556) 65ᵃ; colligere causas eine entschuldigung suchen 246ᵇ; drümb bleiben sie nicht bei dem text, suchen ausflüchte 20, 569 W.; vgl. 16, 2; 16, 56; 26, 396; verstanden si wol, das er ursach suchet chronik v. Kaisheim 183 lit. ver.; suchet der teufel andere mittel anfang u. ende der welt (1580) a 3ᵇ; du
suchst eine ausrede 24, 45 W. mit subjectswechsel: (die überquellende lebenslust), die nach ausdruck sucht und ihn bald findet gesch. des tanzes 1; dies gefühl, das in seinem herzen nach worten suchte Michelangelo 1, 97; reflexiv: grosze gedanken ... suchen sich ihren ausdruck die Günderode 1, 14; wider jemanden etwas suchen: man halt sich auch freuntlich mit den nachbarn, such nichts wider sie feldbau (1579) 37.
γ)
wie die voraufgehenden belege zeigen, hat sich suchen im laufe der sprache nicht zu einem selbständigen ausdruck einer bestimmten geistigen tätigkeit entwickeln können. auffallend sind deshalb frühe lexikalische angaben: loicus ein lerer der suchenden kunst 335ᵇ; vgl. damit: logicus ein kunst suchender meister nov. gloss. 238ᵇ; intellectus balderkennend selkraft, racio suochend selkraft vocabul. optimus 13ᵇ Wackernagel.
abseits stehen auch die vielen ahd. belege, in denen suchen lat. quaerere wiedergibt ('fragen stellen, sich mit jemandem befragen'). es ist unwahrscheinlich, dasz es sich hier um lebendigen sprachgebrauch handelt: manage sint sohhenti in huuelihheru ziti gotes sunu kaboran uurti querunt multi quando sit dei filius genitus Monseer fragmente 33, 28 Hench, vgl. ebda 34, 27; aliunde quicquam querere non detur occasio allasuuanan eouueht suahchan min si kikeban frist bei kl. ahd. denkm. 244, 7 (Benedictinerregel); mittiu sie sprachun inti mit in suohtun dum fabularentur et secum quaererent Tatian 224, 2; gisah her thie buochera suochente mit in scribas conquirentes cum illis 91, 6; fon thiu suohet ir nu untar iu uuantih quad de hoc queritis inter vos quia dixi 174, 3, ebenso ags.: of đisse gê sœcas bitwih iow de hoc quaeritis inter vos suppl. 700ᵇ; so noch erste deutsche bibel 1, 403.
c)
bei jemandem, hinter jemandem etwas suchen u. ä. in dieser verbindung geht suchen in die bedeutung 'vermuten, erwarten' über. es handelt sich dabei meist um ein unbegründetes erwarten oder nichterwarten: wer verstand bei einem amanten suchet, der suchet gold in der chymisten schmeltzkolben ostländ. lorbeerhayn (1657) 23; er hätte in dieser sandichten fläche keine wasserkunst gesucht Arminius (1689) 103ᵇ; wenn ich hinter einem paar glasthüren, wodurch ein seidner vorhang leuchtet, ein putzzimmer suche und ein ganz andres gemach dahinter treffe w. 5, 215; diese (die phantasie) nimmt dieselben so wie sie ihr in dem cörperlichen und sichtbaren kleide vor augen gestellet erscheinen und sucht kein tieferes geheimnisz darunter als was sie siehet und empfindet abh. v. d. wunderbaren 42; überhaupt musz man die (orthographie) beim sächsischen frauenzimmer nicht suchen IV 1, 112 W.; dasz man da wunder sucht, wo ... alles ganz natürlich vor sich geht br. an Welcker 62; beweglichkeit ... der rede, die man bei einem Westfalen nicht suchen sollte s. w. 1, 115; viele der besten seiner leistungen finden wir, wo man sie nicht suchen sollte — im drama ges. schr. 5, 39; gern in der irrealen form: ein junger professor ..., in dessen unscheinbarer gestalt ... niemand heldenmuth oder kühnheit gesucht hätte s. w. 2, 9; hatte ich doch in dem trocknen vogel die schelmerei nicht gesucht deutsche schaubühne 5, 120. üblich wurde etwas hinter jemandem suchen: der pfarrer zuo sant Martin ... bewärt sin schlussred mit vil gschriften so grüntlich und wol, daz ich mich syn verwundret; hett es ouch nit hinder im gesuocht (1525) bei 7, 212; ei, wer solt das hinder dem bauren gesucht haben adag. (1545) v 7 β; (er) öffnete den verborgenen schatz, welcher von gold ... viel reicher war, als man hinter den bauren hätte suchen mögen Simplic. 17 ndr.; s. a. 7, 212.
2)
untersuchen, erforschen, prüfen. nicht die örtliche lage, sondern der zustand oder das wesen eines dinges wird festgestellt.
a)
discucienda ze suchenna sint (subtiliter itaque ab arguente discutienda sunt opera protervorum) ahd. gl. 2, 200, 43. vgl. nec rimamini ne sokiad 2, 581, 38 und ags.: hit is smealîce and yeornlice tô sêcanne sunt subtiliter occulta perscrutanda suppl. 700ᵇ; probandi zi suohhanne ahd. gl. 2, 298, 16; rimare suchen, erforschen 498ᵇ; inquirere er-, herforschen, suchen 300ᵃ; perlustrare suchin 428ᵃ.
b)
probasti nos deus, igne nos examinasti sicut igne examinatur argentum kesuahtoos unsih ... fuire unsih ersuahtos soso fuire ist ersuahhit silbar kl. ahd. denkmäler 214, 16 Steinmeyer; we den anderen wundet met echachtenden wapenen, de wunden sal men soken und pröven Dortmunder statuten 80 Frensdorff; da oder da ist geschriben; so wollend wir dasselbig suchen, ob dem also syg dtsche schr. 1, 130; item man sucht und beschaut auch saltz und harnasch, wann man hette daz vor gepoten städtechron. 2, 333; dasz die (wasserseher) täglich in wehrender arbeit die wasser suchen, dieselben fleiszig vermachen ..., einer den andern, wie er das wasser befunden, vermelden ... sollen (1616) bei baier. bergrecht 497; es mögen andere, deren geist alles genauer suchen wil, dasjenige, was ihnen gewisse bewehrte gründe, so sie erforschet, weisen, lehren rechtschreibung (1666) xᵇ; für das richterliche untersuchen:
thun sie nicht dazu, das solcher mord gesucht und gestrafft werde 23, 408 W. bei personalem object 'auf die probe stellen, versuchen':
die kunigin Sabaa ... kam in zesuͦchen (var. versuͦchen) ... in verborgen geleichsamen erste deutsche bibel 5, 286;
thas suach er mit then forahtun uuaz mennisgon io uuorahton
V 20, 8;
do si des gelegen wârn
unz an den funften tac,
der kunic dô der liste phlac,
daz er suochte den herzogen,
ob im getorsten nâch zogen
von Osterrîch die frechen
reimchr. 71066;
ach arger trieger Sathanas
billich so treist du gottes hasz,
den du suchst in frasz, hoffart, gydt
der doch verstundt dein valsch und nydt
der ewigen wiszheit betbüchlin (1518) 94ᵃ.
c)
genau suchen scharf untersuchen, prüfen, vgl. teil 4, 1, 2, 3352: perquisite mit fleyssiger nachfrag und erforschung, gnaw gesuͦcht (1556) 989ᵃ; wo er (der pharisäer) solche grobe knoten hette gewirkt, würde sie das euangelion haben antzeigt, weil es ihn so genau sucht, das es auch sein purpurkleid und essen antzeigt 10, 3, 178 W.; wann sie ewern ernst sehen, so werden sie fro sein, das ihr unter sie kumet wie Saul unter die propheten, wie wol wann sie daz recht genaw süchen wolten ..., so würden sie (die katholiken) euch nicht bald annehmen, sondern ubel mit euch umbgehen widder Jörg Witzeln mammelucken (1539) l 4ᵇ; meist 'scharf verhören': wenn der teufel, als er uns genach sucht, sprechen wirt: wo hast das in der schrieft gelesen? 10, 3, 43 W.; wo man im (dem beklagten) so genow suchen wölt (1527/9) bei 7, 213; dort auch das adj. genausüchig (1529) (zu) genau nachforschend und entsprechendes genausüchigkeit (1691) ebda 7, 234. — es genau suchen, vgl. heutiges es genau nehmen: sucht es nicht so genau mit ihm (dem meier), das er nicht vieleicht ursach zu klagen bekomme feldbau (1579) 39; mehr als 'ahnden, strafen': darum schleuszet sie ihrer blindheit nach hieraus, gott hab ihm zu viel gethan, er sei gar zu gestreng und suche es zu genau tischr. 2, 83 Förstemann-B.
d)
versuchen, die probe machen: mich zwingt armuͦt, das ich hie umbgang und suͦch, ob mich got beraten wölt Fortunat 35 ndr.; öfter als technischer versuch: also wirdet die zirckellini ... geteilt, ... wer es will geneuer haben, der such es demonstratione underweysung (1525) e 4ᶜ; wie nun die ... krummen mauren ... in den oberen grund eingeteilt sollen werden, das suͦch man durch disen
... weg ders. underricht (1527) a 3ᵃ; in den folgenden figuren süche, wie du die löcher auf den schweitzerpfeifen ... greifen solt musica deudsch 24 Eitner. 'feststellen': und (sollen) nach dem trucknen wieder wägen, damit sie den abgang der nässe wieder suchen speculum (1698) 22.
3)
suchen als verb der bewegung: 'aufsuchen', seit frühester zeit bezeugt, auch auszerdeutsch, s. mhd. wb. 2, 9; 2, 1321; 4, 284; 4, 284 und wb. zum Heliand 489; angl.-sax. dict. 854; suppl. 700.
a)
allgemein, zu vergleichen sind auch die belege unter heimsuchen, gesuchen und mhd. wb. 2, 2, 9: invisere sohhen, sohken, soohen ahd. gl. 1, 178, 23; ofto suochet frequentate 2, 761, 23; vgl. frequentantem oft sēcende anglosaxon. voc. 2, 34, 18; frequentare stedeklich suchin 247ᵃ; visere suchen 623ᵃ:
so mag unser einer ... wol dannan riten, unser friund suchen und in (den Zürchern) ze friund gewinnen (1352) bei 7, 214; die da ain eelich muͦter Lucrecie was und die Lucrecia oft suͦcht und noch ofter von ir haimant ward gesuͦchet und besechen translationen 43 Keller; es ist ouch alle unsre tag unser will ... gewesen, daz ir uns mit üwer früntlicher zuokunft suochtind, als daz hüt beschechen ist (1487) bei 7, 214;
er solt mich kranchen suchen und den rechten weg leren, mich spissen und in minen notten trosten bei ein oberrheinischer revolutionär 121;
etliche hebammen auch, die solches (abtreiben) wehren solten, lassen sich umb geschänck und gaben willen auch also suchen und uberlaufen hebammenbuch (1580) 41;
ein land, einen ort aufsuchen: nen Dithmarscher noch kopman, de dat land to Dithmarschen sœcken will edder hefft socht, schall nenen tollen geven (1341) bei monumenta 3, 1758; Petrus zœhte (adiit) Romam (1473) bei 4, 284; de nummande bedreigan kan, de soke de wostenie sprichw. nr. 561; diese ursach, frembde land zu suchen buch der liebe (1587) 152ᵇ; mit adv. zusatz: alle de yenne, de myt erer veylen have de stad van Bremen soken to und af (1488) bei ungedr. urk. 78; (pfähle in der Eider) dar op de schepe to unde aff sokende stoten (1480) bei Dithmars. urkundenb. 83. im niederdeutschen ging die entwicklung am weitesten. suchen wurde intr. verb der bewegung ('kommen, gehen'): de cœplude, de to Bremen unde darvan soket (1387) bei ungedr. urkunden 198; hebben menighen man vordreven de tho us sochte Mecklenburgisches urkundenb. (1395) nr. 12745; dat nymant in unse böme unde lantwere sœke mit waghenen (1418) Lübecker urkdb. 6, 55; to Schonen soken unde komen 9, 856.
meistar, quadun, hugi thes: si farent thines ferehes
mit selb steinonne; nu suachist sie afur thanne?
(et iterum vadis illuc)
III 23, 32;
gefangen was ich hertenklich,
da suchtent ir mich tugenlich
schausp. des mittelalters 1, 286;
da Peter ihr krankheit vernam,
er suchts daheim und klagt sie sehr
history Peter Lewen 455 Schade;
ich wil mein freundt suchen zu hausz
lit. ver.;
6, 155 wenn du von mir ziehst
so suche meinen schwager, könig Heimer,
vielleicht blüht dort ein heitrer augenblick
held des nordens (1810) 1, 71.
b)
häufigere verbindungen in der älteren sprache: ih mina chirichun so nesuahda duruhc mammendi mines lichamen ... sose got habet geboden Reichenauer beichte (9./10. jh.) bei kl. ahd. denkm. 332, 11; vgl. ebda 330, 10 (Mainzer beichte); dia chirihhun suahhan in die kirche gehen; dia pfarrkirchen suechen, haimsuechen bei 2, 215. als 'wallfahrten':
he globete sin grab zu suchene leben des hl. Ludwig 80, 30 Rückert; sin grab alle jâr suchen mit einem phunde wachs 86, 6; ich bin willens den tempel gottes zum heiligen grab zu suchen hertzog Aymont (1535) l 5ᵃ; die pilgerin die das heilge lant suͦhtent ... beschirmen städtechron. 9, 563; er hat sin wonung bi ainem trüwen man, mit welches rat und anzaigen er das münster sant Petter und Pals sucht Reichenauer chron. 6 lit. ver.; die heiden von allen landen suͦchent disen Machemet städtechron. 9, 534; vil edler leut ausz teutschen landen kamen gen Rhom, sant Peter und sant Paulum zu suchen schimpf u. ernst 72 lit. ver.; 'an den hof gehen':
besonders häufig vom besuch einer öffentlichen zusammenkunft; vgl. auch die belege bei altfries. wb. 1003; 4, 285; 7, 214:
iewelk cristen man is sent plichtich zu sûchene drîes ime jâre, sint her zu sînen jâren komen is; ... vrîheit diu is aver drîer hande: scepenbâre die der bischoppe seint sûchen solen, plechhaften der dûmprôveste, lantsêten der erceprîstere Sachsenspiegel 19 Eckhardt; swer daz ehaft taidinck niht suochet, so geit er einen ohsen, der 60 D wert ist weist. 6, 117; und mussen auch alle lantsidel, die do siczen in dem obgenanten dorfe, solichen sibenden süchen von des closters wegen 6, 11; (er sei so krank,) daz he daz dinc noch kein dinc (gerichtsverhandlung) gesuchen muge (c. 1400) urkundenbuch von Freiberg 3, 30. den tag (eines tages) suchen, s. a. unter gesuchen und mhd. wb. 2, 2, 9ᵇ: der sinnebote muz ouch sweren also, daz der man, so suchtesich si, daz he daz dinc noch kein dinc gesuchen muge urkundenb. v. Freiberg 3, 30; (der klägerin wurde) ein früntlicher tag für min herrn custor zum grossen münster gesetzt, dahin sy ouch kam und den tag suochte (1451) bei 7, 214, ebda weitere belege; es wurden vil tag gesucht von fürsten und stetten städtechron. 4, 124; denselben tag wolt marggraff Albrecht nit suchen und schreib den tag wider ab städtechron. 2, 140; (den) landtag suͦchen (1514) bei schwäb. 5, 1946; öfter bezeugt auch in der verwendung mercatus concelebrare die gemeinen marckt suchen, auf die marckt oder mässen ziehen dict. (1556) 276ᵇ; daz die uwern unszn mercket nicht suchin wollint (14. jh.) bei 870; (wir) gebieten üch allen unsern getruwen undertanen ..., daz ir dieselben zwen jarmerkt suochent und üebent (1363) bei 7, 214, ebda weitere belege; das ouch ieglicher derselben jarmerkte und alle die lute, die dorzu und davon ziehen und die suchen, alle die gnade, freiheit, recht, fride, geleite, schirme, redliche gewonheit, ordnung und herkomen haben ... sollen (1417) stadtrecht von Neuenburg am Rhein 51 Merk; do ne wolden die coplude dar nicht wedder buwen, umme dat de markete dar weren vorboten to sokende van deme hertogen bei Bremer gesch.-quellen 61. wun und waid, waid und waszer suechen (das vieh) auf die (gemein-)weide treiben 2, 215; den blumen suchen vieh auf die weide treiben ebda; do man die almend suoch(t), zalt man 1 lb 8 β (1377) bei 7, 214; item süllent die, so unsers guotes pflegent ... unz ze disen pfingsten ünser almende suchen und von disshin also jerlichs (15. jh.) ebda; da sich schäfere ... mit denen ... heerden widerüm in die ... auen begeben, die gewöhnliche weide zu suchen forts. d. Pegnitzschäferey (1645) 4. formelhafter: si hetten ettliche güetter ussert irem zwing und bann liggen, daruf sy weid suochten ...,
getruwten, das sy als nachpuren den weidgang wie von alters har zuosammen suchen solten (1555) ebda 217.
ir ... liezet iuch bevillen
der reise zuo der selben zît,
der ir dem rîch gebunden sît
sînen hof ze suochen
reimchron. 14805 Seemüller;
der furste ouch hoves dicke plac,
daz in die herren suͦchten
Elisabeth 145 Rieger;
pharrær und prelâten
die des sint gebunden,
daz si z'allen stunden
in Salzburgære bistum
suln suochen daz concilium
reimchron. 28105;
c)
verbindungen, die bis in die gegenwart reichen:
sahe ich mich gezwungen das bette zu suchen Felsenburg 6, 21;
ihn übernahm der gram, er muszte das bett suchen gesch. v. Dänemark 1, 322; sein lager suchen s. w. 5, 1, 85; ich ging noch sehr lange ... herum und suchte erst, als schon alle laternen brannten, meine stube ders. 1, 61;
die welt, das weite, das freie suchen: ir solten wandern und die welt suchen und euch uben in ritterspiele Magelone 4 Bolte; bleibe du hier, ich suche die weite welt 2, 389 G.; er wollte das freie suchen, fand sich aber gefangen 24, 158 W.; üblich: Silia für den ankommenden sich schämend, das weite suchte Octavia 2, 1195;
älter luft suchen: wie der theter nit meer inhanden, sonder luft gesucht heige (1632) bei 7, 213; dann auch: derenhalben ich die flucht gesucht Odyssea (1537) 56ᵇ; einsichten aber, ruhige überlegungen, sie verschmähen die mauern einer hauptstadt und suchen das freie land 17, 26 S., doch nähern sich in diese letzten belege suchen als streben (s. u. 5) mit einem örtlichen ziel.
da sucht ein jeder sein schlafbett
und sich darein verbergen thet
Ilias (1610) 1, 1ᵇ;
(mein nachbar) sucht stets mit tages anbruch erst die lagerstatt
s. w. 6, 364;
und er sucht sein dunkles haus
G.;
1, 144 die mit worten tapfer sind
und kommts zur that, das weite schimpflich suchen
G.
12, 251 d)
eine unbestimmtere bewegungsvorstellung konnte sich öfter mit suchen verbinden, sie steckt z. b. auch in den mhd. formeln: den sant, die erde suochen (auch im Heliand 4852); die vüeze suochen stürzen, sich (bittend) niederwerfen, noch frühnhd.: ich such deine füss buch der liebe (1587) 87ᵇ, und begegnet auch bei sachlichem subject: den grund suchen absinken:
dises stuck hailt nicht so gählingen, suecht aber den grund roszartznei (1599) 268; vielleicht hierhin: dasz es ein flieszendes sälblin und nit dick werde, damit es desto besser einschlieffen und suechen könde 261. das herz suchen: das das wort 'keret euch zu mir' tief gehe und das hertze suche 23, 507 W.; unter einflusz von nachsuchen: das es im in trüwen leid were und nach zum herzen suochte (1583) bei 7, 214; so macht du des enphunden han, daz minu liden vil naher suͦchent und tiefer gant ... denne ellu angenomnu liden 249 Bihlmeyer.
in dem gestreuss haubtguet, gewin,
das suecht den grund und swam ich zue dem reiffen (ufer)
Schatz;
64, 32 4)
'bedrohen, herausfordern, angreifen', eigentlich 'jemanden in feindlicher absicht aufsuchen'. der besondere nebensinn, der allein diese gruppe von der voraufgehenden trennt, ist häufig erst aus dem zusammenhang zu ersehen. die bedeutung begegnet auch im ags. und an.; vgl. die einschlägigen wb. und 4, 285. in heutigen mundarten begegnet einen suchen jd. reizen; (es) suchen streit hervorrufen, worin die sonst ausgestorbene bedeutung noch nachklingen mag, s. 7, 213; 2, 323; Lothr. 511.
a)
von öffentlicher fehde:
ieclich man mûz mit helfe weren stete, burge unde lant ... wider herren unde mage unde manne, die sie gewaldeclichen suchen Sachsenspiegel 3, art. 78, § 5 Weiske-Hildebrand;
ind begerde gevolchnisse to done ... syne vyande to schedigen ind to soyken (1446) bei 4, 285; (die Walliser haben) mit ir macht die vyend gesuocht und einen mannlichen angriff getan (1476) bei 7, 215; da wurdestu ja nicht faul sein, sondern deinen feind suchen und im kein fride lassen 34, 2, 388 W.; die strafe ward aufgezogen, bis da das stündlin kam, an wilchem die Römer das garaus mit ihnen spieleten und sie auf einmal daheim sucheten 52, 427 W.; wan die weil man teg sucht, die zeit mocht ieder teil den andern suchen und beschedigen städtechron. 2, 131; dannethin er sich anhub ze rüsten und des fürnemens was den küng ze suchen schr. 1, 351 Götz.; den feind im läger oder in der schanz suchen inferre praelium in castra Maaler nach 7, 215; wolt aber der bezzerunge mit gewalt iemen wider sin und wolte die stet daruber suchen Augsburg. stadtbuch 123 M.; auch hat könig Florenz den könig ausz Franckreich oft daheim gesucht, desgleichen der könig aus Frankreich den könig Florentzen widerumb buch der liebe (1587) 31, vgl. heimsuchen u. die belege unten; er (der könig) wolte ... lieber ... den feind auszerhalb landes suchen als daheim und zu hause seiner warten schwedischer krieg (1648) 21; mit dem swert suchen:
die teutschen herren ... haben disz land mit dem schwerdt gesuͦcht weltb. (1534) 55ᵇ; vom angriff im gerichtlichen zweikampf: so sal der vorderer ienen suchen mit drin howen, alse recht ist; zwene howe sal he howen uber sime schilde, umme sin houbt in der luft; mit deme dritten slage sal he zu ieme kumen also nahe, daz he treffe sinen schilt oder sin swert oder den man selbe. wenne daz also geschit, so hat he in rechte gesuchet. suchet he in also nicht so verbuzit he sechzig schillinge unde muz in anderweide suchen also lange, biz daz di sigewarten bekennen, daz he in rechte gesuchet habe (dann beginnt der kampf) das Freiberger stadtrecht 165. im nd. ging die verselbständigung am weitesten und gestattete auch präpositionale ergänzungen:
weret, dat iemant ... uns angrepe, beschedigede edder uppe unser welken sokende worde Göttinger urk. 2, 247 bei 4, 285; de krich warde lengh wen en half iar, dat de heren uppe de stede unde de stede wedder uppe de heren vientliken sochten Schiller-
4, 285; do de meren quemen dat de vyende to em (könig Harold) sochten ebda; he wolde soken over de Elve in dat Luneborgher lant uppe sine viande Lübecker chr. 2, 169 Grautoff; und beschermden dat overelvesche land, dat de hertoch nicht mer wenn eins darin sochte städtechron. 7, 296.
dem herzogen chom ze mære,
daz in die Romære
suochten mit so getanem her
kaiserchronik 6978 Edw. Schröder;
Liudgast und Liudgêr die wellnt iuch suochen inz lant
Nibelungenlied 142, 4 L.; vgl. 164, 3;
ez ist bezzer daz wir die
vinde suchen dan uns sie
Ludwigs kreuzfahrt 7154 Naumann;
mit sturme suchten sie die statt
tegelich mit starkem her
ebda 1382;
dâ derhalben an den stat
sich leget ein alsô grôzez her,
weder ûf lant noch in dem mer
gesach ich rotte nie gevarn
mit alsus krefteclîchen scharn.
wellents uns hie suochen mit ir kraft,
helft mir, ich gib in rîterschaft
Parz. 663, 29;
wir geben in noch strîtes vil
und bringenz ûz ir freuden zil.
man und mâge sult ir manen,
und suocht die stat mit zwein vanen.
wir mugen an der lîten
wol ze orse zuo zin rîten:
die porten suochen wir ze fuoz
205, 4; 7;
ob ez (das land) suoche ein vremdes her
daz manz iht vinde âne wer
Alexander 2325 Toischer;
da di heristin in der werilte
suohtin sich mit suertin
Annolied 454 Rödiger;
wolde wer sochen in dit lant,
dem wolde ich brengen wedergelt
Crane 4801;
ich gaf im sô die wederkêre
daz her des sint nî môt gewan
noch nî sôchen ûf mich began
ebda 1925; weitere belege, s. ebda anm. zu 1862;
b)
in der rechtssprache begegnet suchen häufiger in bestimmungen zum schutz des einzelnen und seines besitzes vor bedrohung, herausforderung und angriff: und ist das ain haimsuechi, der den andern vrävellichen über die swelle alde in das hus jaget alde suochet alde der an sine türe vrävellichen bozt, wirfet und stozet quelle von 1291 bei 7, 228; swer den andern in sime huse freventlich suchet (1293) Alsatia diplomatica 2, 96; suchet ein man den herren oder der herre den man unverclaget vor sinen mannen nah rechte, her tut wider sinen truwen Sachsensp. 3, art. 78, 8 Weiske-Hildebrandt; welicher den andern an sinen werken ... mit gewapneter hand verdachtlich suochet (1457) quelle bei 7, 215; were ouch, das ein ussburger einen indern ... als vil anreizte und suochte daz er von siner eren wegen nit möcht entberen, er müeste sich weren (15. jh.) ebda; welcher den andern zu hus oder zu hof oder an seinem werk suochte frefentlich, der verfalt dem land umb 5 pfd pfennig ebda; item wer den andern suchet in sinem huse ader hoffreide, beschirmet der sich ader sin gut, der brichet des friden nit Wormser recht 43 Kohler; unde wirt er da heime gesuochet, man sol im büezen, wan er wirt darinne ist Deutschenspiegel 191, 5 Eckhardt-Hübner; dasz ainer den andern nicht soll nachgehen, nicht allein demselben an dem leben zusuechen sondern auch mit andern waffen in geringsten ... alsz da sein armbrust, stahlgeschüz ... auf das dorf oder der herrschaft grunt anzutasten, zu suechen, vill weniger zu schlahen. ob aber ainer ainen suechte oder nachgienge ... (1614) österr. weist. 8, 645; weitere belege bei 7, 214.
c)
auszerhalb dieser beiden anwendungsbereiche kann suchen auch eigene bedeutungen entwickeln: so gar hässig hat er (dr. Eck) uns gesucht (durch schmähungen) br. 1, 317 de Wette;
selbständiger hervor tritt die bedeutung 'bedrücken, heimsuchen, strafen':
'bin ich allein ein sünder und ist menlich gereht, daz du din ruͦten an mir armen also uͤbest ...?' er sprach: 'nein, es ist noh nit gnuͦg. du must ze grunde in allen dingen gesuͦchet werden, sol dir recht beschehen' deutsche schr. 56 Bihlmeyer; se hebben unse armen lude woldichliken ghesocht und ghesocht laten (1396) braunschweig.-lüneb. urkundenb. 8, 150 Ludendorff; dise zwe länder werden hort gesucht, also dasz ein groszer raub an vieh und rossen quellen zur gesch. d. st. Kronstadt 5, 422. gewöhnlich tritt das adv. heim, daheim hinzu, s. das so entstandene heimsuchen:
er sucht daheim die missethat der väter uber die kinder J. Jonas bei 52, 427 Erl.; das got, nit allein mit gegenwertiger jetziger widerwertigkeit, sonder auch mit andern leiblichen warnungen in daheim gesuͦchet hat reden 54 lit. ver.; ungewöhnlich:
jemandem genau suchen: ob doch yemant sei, dem der schmerz so gnaw suoche als mir nach 7, 213, s. auch genau suchen oben 2 c; an dieses wieder
anschlieszend: so bin ich die ewig wiszheit und weisz bas, was din allerbestes ist, so magst du es enpfunden han, das mein liden vil nahe suͦchet der ewigen wiszheit betbüchlin (1518) 31ᵃ. dann gesteigert: wer einmal derogleichen (die verächtliche behandlung) ungeahndet liesse, reitzete noch geringere ihm es noch näher zu suchen Arminius 2 (1689) 642ᵇ.
wer syn vatter, muoter ladt
und sie enteret hie uf erden
oder sunst sie suͦcht mit gferden
die dich so sur ermanet handt
mühle 438 Bebermeyer;
nicht suche,
herre, an mir den unvlat,
damitte dich dicke hat
irzurnet mine torheit
Daniel 2376;
got suohte si heime mit herige vil chleine(me)
genesis 137, 16;
krieg ist die allerschärfste zucht,
womit uns got zu hause sucht
Eitner;
136 5)
suchen etwas zu erreichen, zu gewinnen trachten. ziel ist nicht mehr ein örtliches auffinden oder ein aufsuchen, wie im voraufgehenden, sondern die erfüllung eines wunsches, die verwirklichung einer absicht, eines planes. neben nominalem und pronominalem object erscheint seit frühneuhd. zeit der infinitiv, seltener ein abhängiger satz, s. g.
a)
seit frühester zeit reichlich bezeugt. die bedeutung schwankt zwischen streben, begehren, wünschen und bewusztem beabsichtigen und planen: expetunt sochent ahd. gl. 2, 146, 9; thee dea uuizzacheit suochant (qui divinationes expetunt) 2, 99, 52; quid quisistis unaz sohtut, quesivimus (quod nobis necesse fuit) sohtum (daz uns durft uuas) 3, 12, 40; expetiverunt kasuoctun, kasohtum, gisuohton 2, 101, 15 (in: qui semel in clero deputati sunt aut monachorum vitam expetiverunt); repetit suohchit ahd. gl. 2, 228, 25 (in: humana mens ... ad superiora colligitur, quia illud repetit unde descendit); haec enim omnia gentes inquirunt thisu allu suohhent thiota Tatian 38, 6; alle dise ding suchent die leut erste deutsche bibel 1, 25, doch Luther: nach solchem allem trachten die heiden;
ich suohta daz noch ze leibo uuas, suohta follunga minero tago ze diu daz ih Abrahe gelicho irsterben muosi 2, 610, 24 P.; also daz der mensch enhein dinch minne noch wollust sücke noch haige st. Georgener prediger 210, 27 (var.) Riederer; ein ding waz im do ein pinliches liden, daz er nieman hate, ... der dasselb suͦchti in derselben wise, als im geruͦfet waz deutsche schr. 10 Bihlmeyer; der mensch sol von natur lieber suœchen sein selbs geistliche volkommenhait tewtsche theologei 13 R.; alles, das ich mit so grosser arbeit, in meinem harten und schwären wanderen ... gesucht und erworben hab opera 1, 411 Böcking; er hatts aber williglich than, nichts ihm selb drinnen gefurcht noch gesucht (nullo vel adactus metu vel spe illectus) 10, 1, 1, 365 W.; Carlstad (hat) einen wunderlichen kopf, der imer was sonderlichs sucht 18, 179; nu hab ich mit alle meinem schreiben nicht mehr gesucht, auch noch nichts suche, an bapst und allen meinen feinden, denn solch bekenntnis, das ir ding erkennet würde ungegründ in der schrift ders. 1 (Jena 1555) 443ᵃ; den hoichwisen dusser werlt, de gesmuckede rede söken restitution 4 ndr.; wan das volk sucht allein gelt schimpf u. ernst 21 lit. ver.;
was sucht anders Martinus Luther wann ain lutere raine dargebung ewangelischer lere 1, 4 ndr.; unter disem allem stehet das hertz auf das kirchengut, das sie suͦchen und zu sich sapplen erinnerung (1567) 92;
ein jegliche kunst, die da mehr suchet, die ist falsch opera (1616) 2, 72 H.; wer vergengliches suchet ... jedermanns jammerklage (1621) a 1ᵃ; die kunst wäre mir ohne mein suchen und nachtrachten zugestanden 4, 688 Keller;
wer ein bösen tag hat gehabt, der musz ein gute nacht suchen flor. pol. (1662) 2, 938; obgleich ... solcher hauptzweck nicht genugsam beobachtet noch gesucht
wird deutsche schr. 1, 422; bei ihm auch ein ganz vereinzelter absoluter gebrauch: Frankreich wird allein einer suchenden monarchie verdacht 1, 202 (d. i. ausdehnung seiner macht); denn nicht das haben, sondern das suchen des reichthums verboten ist Nicodemus quaerens 2 (1719) 69; folglich ist es etwas gutes an sich selbst, das man bei gelegenheit zu suchen hätte w. 3, 446; bald suchten sie die verurtheilung oder lossprechung einer angeklagten person 8, 29 L.-M.; wir, die wir seine (gottes) diener sind, suchen nicht euer haab und gut, sondern das heil eurer seelen gesch. d. Deutschen 1 (1778) 580;
ältere verhältnisse sind zerstoben und neue mag man nicht mehr im getümmel suchen IV 28, 63 W.; edle junge gemüther, die mehr als eine blosze sinnliche liebe suchen vertheidigung des herrn Wieland 30 lit.-denkm.; wer aber ohne sein suchen in diese bekanntschaft (mit der geisterwelt) kommt, der bete s. schr. 6, 456; (der glaube) rettet noch den vom verderben, der, von begierden verführt, von dem stätigen suchen nach dem höchsten abirrt ges. schr. 5, 226; es fehlt unsrer zeit ..., so sehr sie die natur sucht, eben der sinn für natur schr. 4, 58; die bursen (an den universitäten) lösten sich auf, die grade wurden nicht mehr gesucht s. w. 1, 182; (Östreich) hat die preuszische allianz statt der Würzburger gesucht ged. u. erinn. 2, 19; gegensätze ... schienen mehr gesucht als vermieden zu sein ges. w. I 5, 19.
bei sachlichem subject erhält suchen sinnlichere bedeutungsfärbung:
die wassermasse des stroms sucht nach ausgleichung des niveaus durch die stromscheidung erdk. 1, 85.
die weite der anwendungsmöglichkeit von suchen als 'streben' zeigt eine gegenüberstellung der grenzfälle. dabei zeigen sich ansätze zu eigenen bedeutungsentwicklungen: etwas bestimmtes erwerben wollen: si habes novam tunicam da veterem alteri, das du es nicht als genaug zu dir suchst 25, 445 W., oder gar: dat se (in der ehe) kinder soken und anders nicht restitution 4 ndr.; als 'bewuszt planen, beabsichtigen': zu erkunden ..., ob auch etwas wider e. cfl. g. ader derselben bruder des Luthers ader anders halben gesucht wurde berichte 453; was suchst du damit, dasz du dem Theophan dieses sagst 2, 69 L.-M.; als 'wünschen, begehren': appetunt lustont ahd. gl. 2, 330, 66; dan sulch anbeter suchet der vater 2, 81 W.; vereinzelt auch dann, wenn das wollen in die tat umgesetzt wird: welicher pfaltzgraf ... das, was ihm die recht genommen, mit gewalt suechen wollen ehrenkränzel (1678) 183; ob er (der durchzug durch ein fremdes land) auf den versagungsfall könte und solte mit rechtmäsziger gewalt gesucht werden vollk. soldat (1726) 84; die märsche und durchzüge durch eines andern potentaten land werden, so viel nur immer möglich, zurückegehalten und nicht eher gesucht, als bisz es die unumgängliche noth erfordert 211. selbständige bedeutung erlangte nur suchen als 'bitten, fordern', s. u. 6.
er spráh zi then, es rúahtun, thie sinan douf suahtun
I 23, 35;
scono si iz (das gewand) gifuagta so druhtin selbo suahta
IV 29, 30;
aber ain weiser höher sucht
acht nicht der schal, sonder der frucht
bibl. hist. 276 Kurz;
was wir suchen, gwind ein krebsgang
Keller;
1590 der menschen uppigkeit sucht purpur, gold und seiden
sat. ged. 58 ndr.;
ich bitt euch alle, sagt, was die verdienen,
die meinen tod mit teufels ränken suchen
Shakespeare 9, 114;
hier siehst du, wie die fluth stets neue grenzen sucht
belust. 1, 130;
b)
feste verbindungen mit inconcreten. auf sie ist suchen als 'streben' im gegenwärtigen sprachgebrauch fast ganz eingeengt: ruhe suchen Monseer fragmente 7, 12 Hench; friden kleine ahd. sprachdenkm. 193, 22 Steinmeyer; trost Otfrid I 16, 6; für das mhd. vgl. gnade, helfe, hulde, rat suchen (an einen) mhd. wb. 2, 2, 9ᵃ; kurtzwyl bei Steinhausen privatbr. 1, 69; aplas zu sandt Benedicten Marienburger treszlerb. 242 Joachim; recht (1462) bei Fischer schwäb. 5, 1946, s. u. 7 c; gelücke Arigo decamerone 340; narung 130; nucz Diefenbach s. v. procurare; ere adder wirdikeit Alsfelder passionsspiel 54 Grein; gesellschaft zu jemandem Fortunatus 143 ndr.; lob bi den menschen Zwingli
deutsche schr. 1, 274; den gemainen nuz Knebel chron. v. Kaisheim 153 lit. ver.; das wolgefallen der hailigen J. Strausz christenl. unterricht (1523) a 3ᵃ; zahlreiche der heute noch üblichen verbindungen bei Luther: trost 26, 217 W.; zuflucht bei jem. 18, 261; hülf und radt 18, 236 W.; freundschaft mit jem. 20, 415 W.; das seine 19, 358 W. (vgl. friaþwa ... ni sokeiþ sein ain 1. Kor. 13, 5; suachit thas sinaz Otfrid III 16, 19); fürwicz 29, 5 W.; genies 34, 2, 318 W.; mutwillen an etwas 18, 320 W.; jemandes verderben B. Ringwald hdb. a 11ᵃ; hülf Alberus dict. 92ᵃ; gunst oder rhum 7ᵇ; ruhm oder grossen nahmen G. v. Berlichingen lebensbeschr. 4; ursach (gelegenheit) S. Franck chron. Germ. (1538) 22ᵇ; brot (not sucht brot) sprichw. (1541) 2, 45ᵇ; dienst Barth. Krüger Hans Clawert 27 ndr.; fröud Frisius 1098ᵇ; krieg und streit buch der liebe (1587) 120ᵇ; gelegenheit (d. i. händel) Fronsperger kriegsb. 1 (1578) 111ᵃ; gewinn Nigrinus v. zäub. (1592) 122; heil mit fersengelt Stumpf Schweizerchron. 163ᵃ; rache (1626) Staub-Tobler 7, 213; des vaterlandes wolfahrt Neumark palmb. (1668) 178; jemandes kundschaft Bucholtz Herkuliskus (1665) 23; freundschaft bei jem. Ziegler asiatische Banise (1689) 280; vergebung Kramer dict. 2 (1702) 1032ᶜ; der compagnie bestes v. Fleming vollk. soldat (1726) 152; sein brod U. Bräcker s. schr. 1, 221; zeitvertreib Zimmermann einsamkeit 1, 6; streit an jemanden J. J. Bodmer crit. poet. schr. 1, 41; händel an jemanden Göthe IV 12, 335 W.; gerechtigkeit Schiller 5, 344 G.; das ziel 13, 313; jemandes nähere bekanntschaft und rath Göthe 23, 68 W.; zerstreuung Bettine d. Günderode 1, 6; händel mit jem. Bismarck ged. u. erinn. 2, 102 volksausg.; fühlung bei jem. 2, 241; deckung 1, 97; seinen unterhalt O. Jahn Mozart 4, 275. in erweiterter bedeutung: frieden suchen den frieden herstellen Staub-Tobler 1, 1307 (quelle von 1501).
aus der sprache der bibel stammt altes die seele suchen, schon im Tatian 11, 1: qui querebant animam meam die mina sela suchton Notker 2, 138 Piper; die predig ... warnet uns vor drien vinden die unser sel suchen Tauler 12, 20 Vetter; wann sy seint dot, die do suchent (querebant) die sele des kindes erste deutsche bibel 1, 11; vgl. ags. sāwle sēcan Bosworth-Toller 854; anderen ausgang hat dagegen mundartliches d'seel suchen im sinne von 'jemanden umbringen' (scherzhaft): mit eineme sone scharfen messer könnte mer einem schon d'seel suchen Martin-Lienhart 2, 323.
c)
eine präpositionale verbindung tritt näher bestimmend hinzu: in (bei, an, unter) einer betätigung etwas suchen:
nicht uber menschen, sonder uber sew und hunde sollten soliche leute regiren, die nicht mehr denn ihren nutz oder ehre im regiment suchen 15, 36 W.; daneben: das einer sein lust und freude daran suche, das es nur den leuten übel gehe 34, 2, 394; in dieser reformacion niemmandt sich selbs suchen ... soll (1538) 870; (er hat) seinen vorteil zur flucht gesucht Schweizerchron. 343ᵇ; daz ain solh hochfertig mensch ... darin sein aigene ere und hochfart suoecht theologey 70 Reithm.; zeitvertreib in leibesübungen gesuchet polit. redner (1677) 35; der feind würde ... seinen vortheil darunter suchen vollk. soldat (1726) 263; im duelliren seine revenge suchen erznarren 21 ndr.; die in der rauhigkeit des ausdrucks eine schönheit suchen crit. dichtkunst 7; sein glück in dem wohle der andern suchen 17, 179 W.; der mensch sucht in der betäubung seinen trost schr. für u. an s. l. Deutschen 1, 438; darin sucht Luther seinen vornehmsten ruhm, dasz ... s. w. 2, 313; (die) glück im wechselvolles leben suchten ges. schr. 4, 10; wie 'gesucht': hier ist eine blume, dort eine schleife ... angebracht, und zuweilen suchet sie hierinnen eine kleine unregelmäszigkeit w. 5, 193.
wer setzt sin lust uff zyttlich guͦt
und darinn suͦcht sin freyd vnd muͦt
narrenschiff 6 Z.;
d)
suchen in religiöser sprache. auch hier überwiegen feste verbindungen: gottes helfa suochen 2, 50, 9 P.; genada sina II 12, 75; das er sin ruͦw allein in dir suͦcht der ewigen wiszheit betbüchlin (1518) 4ᵃ; sehend wir nit jetz in menschlichen erfindungen mer trosts dann bi got gesuͦcht freiheit der speisen 17 ndr.; in got die vergebung der sunden zu suchen beichtpüchlin (1523) a 2ᵇ; bei im gedeien des bergwerks suchen Sarepta 1571, vorr. 2ᵇ. — das reich gottes suchen: az erist suahhat rihhi cotes ..., reht sinaz (quaerite regnum dei) kl. ahd. denkmäler 201, 36 Steinmeyer. gott suchen: suahhanti cotan requirens deum ebda 212, 31; got ... allein such und lieb hab bilgersch. (1512) b 2ᵃ; ich kam nie leer zurück, wenn ich unter druck und noth gott gesucht hatte 22, 305 W.; ein so wahres bedürfnis der gott suchenden seele s. w. 1, 198. gern in der mystik: dis inwendig suchen von grunde 164, 4 Vetter; ein innerlich suchen 164, 9; ein verborgen suchen 350, 21; weitere belege im register; der (himmlische bräutigam) nun mehr gahr nahe ist allen denen, die ihn mit ernst aus hertzlicher liebe suchen klageschreiben (1658) 439.
e)
tritt zu suchen im sinne von 'zu gewinnen, zu erwerben trachten' eine concretere ortsangabe, so rücken die belege in die nähe der sinnlichen ausgangsbedeutung (s. 1): alte leut müssen ire sterke suͦchen in der kanten, in weichen betten und hinder dem ofen adag. (1545) B bᵇ; in einem baumgarten, in wölchem er die hertzogin oft kurtzweil suͦchen wuszt 1, 11 Bolte; unter allen elementen ist die erd dem menschen am anmütigsten, dieweil er ... entlich sein ruhe darin suchet feldbau (1579) 24; damit die leut ir kraft in der schüssel und schalen suchten Sarepta (1571) 10ᵃ; und er sein brod musst in der erden suchen 7ᵇ; der mensch suchet auch sein heilung in kräutern op. (1616) 2, 326 Huser; mein bessere fortun in der welt zu suchen 2, 331 Keller;
(gezwungen,) ihr heil in Obernubien zu suchen erdk. 1, 584.
der knappe karges brot in klüften sucht
W.;
2, 141 f)
reflexives sich suchen 'zu einander hinstreben' zeigt gleichfalls sinnlichen bedeutungsgehalt, es verbindet sich damit leicht eine mehr oder minder fühlbare bewegungsvorstellung: die groben selen suchen sich so wie die feinen Sophiens reise 1 (1770) 202; sie entzweien und suchen sich wieder II 6, 10 W.;
seit alter zeit beruhte die römische oekonomie auf den beiden ewig sich suchenden und ewig hadernden factoren, der bäuerlichen und der geldwirtschaft röm. gesch. 2, 75. verbunden mit finden: gleich sucht sich, gleich findt sich sprichw. (1541) 2, 60ᵇ; Ewald und Lina traten in eine neue welt, in der sie nur sich suchten, nur sich fanden pros. vers. 5, 185; mit selbständiger bedeutung: sihe, wie sucht sichs, helffe, was da helffen kan, eine lüge mus allemal sieben ander luͦgen haben 18, 209 W., vergleichbar: de hebbt sich söcht sie passen gut zusammen schlesw.-holst. wb. 4, 707.
die laulichten lüfte ...
sich fliehend und suchend
2, 41;
lasset ewige harmonien
bald sich suchen, bald sich fliehen
und zuletzt vermählen
4, 291;
g)
mit abhängigem infinitiv oder abhängigem satz. der infinitiv ist heute allgemein üblich, doch erst in frühnhd. zeit als sprachläufig zu erweisen. ahd. gibt es noch keinen beweisenden beleg. die häufigen bezeugungen im Tatian (9, 2; 54, 2; 79, 12; 88, 6; 101, 2; 104, 1; 104, 9 usw.) gehen auf übertragung des lat. quaerere mit nachfolgendem infinitiv zurück, gleiches gilt von anderen ahd. belegen: ahd. gl. 2, 657, 54 (ni souchi ne quere doceri); Monseer fragmente 14, 6; 15, 1; auch mhd. kaum bezeugt:
auch die ersten frühnhd. belege sind von der fremdsprachlichen vorlage beeinfluszt: wann es ist kunftig, das Herodes suͦcht das kint es ze verliesen (quaerat puerum ad perdendum eum) erste deutsche bibel 1, 11; aber ich wil geburlicher disz sachen fürkomen und suͦchen mich selbs mit gifte ze ertöten translationen 30, 23; vgl. 31, 2; (ihr frauen) mit grossem fleisze und künsten suchet (die schönheit) ze mern (cercate d'accrescere) Decamerone 105; dieselbig kilch ... sucht nit zitlich eer, grosz land und lut under sich ze drucken deutsche schriften 1, 140; hat e. c. g. nit gehört, das begert und gesuͦcht würt, mich gefangen gen Rom ze schicken 1, 384 B.; doch suoech ich nit ze gefallen oder ze schmaicken den lewten teutsche theologei 6 R.;
diese krankheit ... sucht sich widerumb in mir zu erneuwern Amadis 1, 104 lit. ver.; da er doch vornehmlich sucht, ein herr über ihrer mutter ducaten zu werden 2, 340 Keller; das volck suchen an sich zu bringen dict. 2 (1702) 1207ᵃ; wir haben durch die untersuchung unserer eigenen kräften und unserer schwäche uns den weg zu der kenntnis anderer gesucht zu brechen chron. der gesellsch. der mahler 17 Vetter; eine nichtswürdige verstoszene, die durch kleine kunstgriffe die schande von sich abzuwehren sucht 2, 325 L.-M.; (er) suchte sich die abwesenheit meines gemahls zu nutze zu machen w. 4, 209; ich wills künftig suchen allein tragen zu lernen IV 3, 71 W.; institutionen, die sich zu beseitigen und auszuschlieszen suchen s. w. 1, 4; man hat gesucht, eine präcisere fassung ... zu finden ges. schr. 7, 103; scharen von bettelkindern ... suchten durch die fenster einen blick zu gewinnen w. 1, 15; suche immer zu nützen, suche nie dich unentberlich zu machen 1, 34.
mit abhängigem satz:
ist alles sein suchen, das er der T. gunst ... müge hindern Terenz 83 Fischer; der mit gott nit einsz ist, der hebt an, sucht und sorget, wie er doch wolle gnugthun 6, 207 W.; suchten sie, wie si sich mochten verbergen Odyssea (1537) 24ᵇ; (sie) suchen, wie sie uns hinrichten insomnis cura 26 ndr.; suchen sie, dasz jedesmal, so oft es gesungen wird, von irgend einem wohlgelaunten manne, eine neue strophe eingeschaltet ... wird IV 21, 205 W.;
daz er si nu verschalden
ir rehtes nit ensuhte
Elisabeth 5883;
(der Türke) dein untherton mit mörden, rauben
tyrannisch zu verderben sucht
lit. ver.; vgl. 1, 227;
1, 219 suahton fon then liutin thaz sie in nigin
IV 6, 40;
und jede dieser bösen feen
sucht, wie sie mich umspinne
ges. schr. 2, 416.
6)
bitten, ersuchen, verlangen, fordern. auch hier handelt es sich um ein bemühen, etwas zu erreichen, nur wird die absicht einem anderen (höhergestellten) gegenüber mündlich (schriftlich) geäuszert.
a)
bitten, erbitten, ersuchen (von [an] jemanden etwas suchen; jemanden um etwas suchen; etwas suchen): et ideo si qua requirenda sunt a priore pidiu ibu huuelihhiu ze suahhanne sint fona heririn kl. ahd. denkm. 209, 9 Steinmeyer;
anscheinend formelhaft:
der das almusen offenlich suchet (1480); ebenso solte (er) den vater ... nicht mit klugen geschliffen worten gelockt und gesucht haben umb ein jawort 8 (Jena 1568)
379ᵇ; sondern still geschwiegen, damit er ... mercke, was wir hiemit suchen und begern Sarepta (1575) 45ᵃ; des Moysis suchen und begehren processus juris (1600) 270; obwol ... ümb einen stillstand der waffen gesuchet ward altes Pommerland (1640) 5, 243; dasz sein könig ... auf ihr (der stadt) flehentliches suchen und bitten darzu bewogen ... worden schwed. krieg 1, 14; der kaiser bedankte sich, dasz er auf sein suchen nach Rom gekommen Octavia 1, 10; der heilige Servulus (hat) zu Rom ... unter einem schupfen ... gelegen und von den vorbeigehenden ein almosen gesucht 1 (1649) 703; demnach aber dasselbe (gedicht) ... zu unterschiedenen malen bei mir gesucht und begehrt palmb. (1668) 330; auf höfliches suchen und erbitten 1, 186 Boxb.; suchen betteln 2, 323; oft als 'werben':
wenn er in seinem suchen glücklich ist 2, 31 L.-M.
die seit frühmittelhochdeutscher zeit übliche verbindung etwas an jemanden suchen bleibt bis in die klassische zeit hinein gebräuchlich, vgl. die belege im mhd. wb. 2, 2, 9, bei schweiz. 7, 217:
denn ich solchs an e. f. g. nicht lehrens- oder meisternsweise suche br. 3, 546 de Wette; als nun der könig an die fürstin gnade hat gesuchet buch der liebe (1587) 269; was vor ein wiederwertiges begehren suchet ihr an mir schausp. engl. comödianten 86; derowegen (ist) an mich von christlichen gottseeligen und lehrbegierigen personen ... gesucht worden, (die) predigten ... zu publicieren catechismusmilch (1657) 1, x 3ᵇ; wenn es ein handwerckspursch, ein studentenlaquei oder bauerskerl an mir gesucht hätte, ich wäre der zeit es nimmermehr eingegangen jungfer Robinson 88;
und dasz, wer was an ihn zu suchen habe, es diesen abend noch thun könne 36, 25 W.; den herzog brauche ich nicht zu erwarten, weil ich nichts an ihn zu suchen habe 1, 160 G.
vor allem gehört suchen in diesem sinne dem brief- und cancleistil an: ifg. ... würden solches bei der röm. kais. maj. zu suchen nicht unterlassen denkw. 161 Ö.; die lehen unterthenigst zu suchen und die lehenspflicht wirklichen in eigner persohn zu thun (1572) nach 870; ihre kayserl. mayestet werde sie, dasz sie deroselben wie sie sonsten gerne wolten, in diesem ihren suchen (um Türkenhilfe) dieszmahl nicht entgegengehen können, allergnädigst vor entschuldigt halten dissertatio 246; so suecht und begehret auch der von Minckwitz noch täglich eine vorbesserung seines deputats acta publica (1618) 1, 36; ich will dise lehen wiedereinst unterthenigst gemuthet und gesuchet haben (1641) nach 870; (die obrigkeit), welche die abstellung und bestrafung bei dem commandirenden officier zu suchen vollk. soldat (1726) 255; den obersten Illo hatte er ... überredet, in Wien den grafentitel zu suchen und ihm dabei seine kräftigste fürsprache zugesagt 8, 334 G.; so glauben wir keine fehlbitte zu thun, wann wir ... um beilegung des gesuchten characters unterthänigst ansuchen IV 30, 58 W.
gern als subst. infinitiv, heutigem gesuch entsprechend, vgl. 'da dann in kanzleien auch das suchen für gesuch gebraucht wird' 4 (1780) 874: on weither appellation und suchens peinl. gerichtsordn. Karls V. 13 K.; und dicz mein suechen nicht in ungnaden gegen mir vormerkhen (1567) bei 870; das übrige
ihr suchen betreffend schwed. krieg (1648) 1, 219; so gelanget an ... herrn als des verstorbenen getreuen freunde unser inniges suchen, er wolle den abend bevor sich hieher verfügen teutscher secretarius 2, 28; wendete deshalben sein suchen in einem andern schreiben mit aller höflichkeit von mir ab Octavia (1677) 2, 440; dasz i. hochfl. durchl. so gnädig erscheinen und auf mein unterthänigstes demütigstes suchen das gegenwärtige hochzeitfest ... bestrahlen wollen polit. redner (1677) 755; deszwegen wollen mir monsieur vergeben, dasz ich für diszmal ihrem gefälligen suchen musz entgegen sein art zu schreiben (1718) 119; versehe mich geneigter willfahrung in ansehen mein suchen denen rechten gemäsz ged. u. erinn. (1720) 2, 142.
do si des kunigs ernst gefrieschen,
sie suochten unde ieschen,
ob in der kunic wold erlæben
20835;
ouch will ich iu vil gern
darumbe dienen, swa irz suocht
2267; ebenso 4360;
sie möcht ...
dem konig sein suchen erwehrn
Keller;
1963 swie man es doch von êrst began
an der Beier herren suochen
reimchron. 2145;
ich musz dir nur gestehen, das ich im
begriffe war —
(Nathan:) doch nicht, das nehmliche
an mich zu suchen
L.-M.;
3, 96 b)
'eine forderung stellen', besonders ausgebildet in der rechtssprache (s. 7 a), jedoch deuten auf einen frühen allgemeinen gebrauch as. soken (te us) abfordern, s. Sehrt wb. zum Heliand und die zahlreichen ahd. glossierungen: ad requirendum zi sohhene ahd. gl. 1, 235, 36; expetierit suachit 1, 278, 31 (subiacebit damno quantum maritus mulieris expetierit et orbitri indicaverint); exigatis suachet 1, 473, 14 (usurasne singuli a fratribus vestris exigitis); exactor, qui res exigit suachit 1, 509, 2; exigant gisuohhant 2, 266, 30 (ut districte tunc a nobis exigant hoc quod nos modo invisibilis conditor aequanimiter partat); exigitur gisuohit 2, 281, 26 (pecunia ... a vobis cum usura exigitur); exigere gisuochan 2, 295, 19 (a memetipso exigere volo); tumbo, in therra naht thina sela suochent fon thir stulte, hac nocte animam tuam repetunt a te Tatian 105, 3; und such es (das geliehene) von dem elenden und von dem frembden (a peregrino et advena exiges) erste deutsche bibel 4, 182; 3, 149, 16; wer meine wort nicht hören wird, ... von dem will ichs suchen 24, 11 W.; dan gottis ere das erst, letzt, hochst ist, das wir im geben kunnen und er auch nichts meher sucht und fordert 2, 94.
als sachlich fordern, notwendig machen:
si autem necessitas loci aut paupertas exigerit armida suachit Benedictinerregel § 48, s. kl. ahd. denkm. 254, 22; den dise artznei süchet (querit) vor allen dingen ein leren buch Murner, s. opera 5, 421 Böcking.
eigun sie iz bithenkit thaz sillaba in ni wenkit,
sies alles wio ni ruachent ni so thie fuazi suachent
(wie die versfüsze es erfordern)
I 1, 24;
thes selben pades suazi suachit reine fuazi
I 18, 35;
7)
suchen in der rechtssprache, vgl. auch oben 4 b.
a)
beanspruchen, fordern auf grund eines rechtstitels, s. a. recht suchen unter c, und vgl. die zahlreichen belege bei 7, 216: enthebt marggraf Ludwig das closter sanct Mariaberg von ainer malzeit, so ain landtfirst in Tyrol daselbsten zu suechen gehabt gesch. der landeshauptl. 58; der überschusz von einem traidzehend, so sie bei etlichen häusern auf denen feldern zu suechen haben (1627) öst. weist. 10, 76; dasz man sich bei solcher bezahlungk billich erholen sollen und nue mehr bei den herrn fürsten und ständen nichts zu suchen sein würde acta publica 1, 42. den anspruch geltend machen, auch durch die tat: item, ob ainer dem andern nimbt sein acker, so soll ainer, desz dasz trait ist, sein acker und trait suechen und mag dasz nemben vor sant Georgen tag mit dem pflueg; verweilt er sich aber, so mag ers suechen und nemben nach sant Geörgen tag und mag dasz nach frumber leüt rath nemben mit dem knopf (in garben) österr. weisth. 8, 107 (a. d. j. 1469); dasz si alsdan ... verzicht nemen für all ansprach ..., daz si ir vordrung und ansprach ... suchen sollen oder mugen österr. weist. 6, 231; wer darzue gerechtigkait oder ansprach vermaint ze haben und ist im gericht wonhaft, der soll daz in jarsfrist melden und suechen österr. weist. 1, 216; dasz ain probst zum Creutz deren ding nie kaines befuͦgt und seine vorfaren zum Creutz nie gesuͦcht städtechron. 32, 319. vom anspruch auf schadenersatz: das wür dann unsere erben gegen irem leib und gueth unnd iren erben unnser schaden
suechen sollen und mügen nach allen unnsern wolgefallen landeshauptleute von Tirol 46; wurd aber iemant von söllichen inleuten oder dinstpoten beswärt oder gefrävelt, das sol man mit gerichtshilf datz denselben inleuten oder dinstpoten suechen nach dem und seu verhandelt haben und recht ist österr. weist. 1, 287; alles unheil und verderbliches wesen sollte bei den säumigen ständen an dero habe, gut und vermögen zu suchen und sich daran der nothleidende stand oder mitglied zu erholen berechtigt und befugt sein (1621) acta publica 128; seine schulden suchen debita consectari dict. (1556) 306ᵃ: meine freunde haben mir gerathen, es (das geliehene geld) gerichtlich zu suchen w. 3, 353. (den) bluemen suechen für verfallenen gültenzins das pfandrecht auf den blumen geltend machen 7, 216; ähnlich pfand suchen 5, 1139; alle die orth, alwo ... zuvor kein bluembhesuech oder nuzung gesuecht worden österr. weist. 6, 459. an jem. etwas suchen an ihn eine forderung stellen: es will auch keiner der gewesenen handelsconsorten wegen der im nahmen beider geschehenen verrichtung an dem andern etwas suchen massen sie einander wechselweise auch diszfalls lossprechen neue briefe (1723) 409.
b)
die formelhafte verbindung etwas zu suchen haben, die vorwiegend uneigentlich verwendet wird, geht anscheinend auf den rechtssprachlichen gebrauch zurück, s. die belege zu eingang von a: ich frage mit aller bescheidenheit ..., was sie vor diesem hause zu suchen haben 2, 153 L.-M.; er erhielt aber die stolze antwort, dasz er nichts bei ihm zu suchen habe England u. Italien (1785) I 1, 28; was ... der nahme senior vor des doctor Lessens nahmen zu suchen hat, verstehe ich nicht nachlasz 32; geh nun, Trin, sagte sie, ... was hast du nun noch hier zu suchen 1, 73; seltener: um einzusehen, dasz für sie in der welt nichts zu suchen ges. schr. 4, 5. zu vergleichen ist auch die gegenformel: (an einem orte) nichts verloren haben.
c)
vor gericht klage erheben (jemanden suchen ihn gerichtlich belangen; etwas suchen wegen einer angelegenheit klage erheben), vgl. besuchen und ersuchen im deutschen rechtswb. und bei 7, 220; 229: arcessire soahhen, suahchan, sohan ahd. gl. 1, 32, 4; mnd. soken edder vorderen; soken edder vorvolgen (öfter in mittelalterl. urk. aus Hannover), s. 4, 285: geschegen aber icht bruche uf demselben der stat gute von ir eigen inwonern, das sullen sie vor uns, unsern voiten ader amptleuthen suchen (1432) urkundenb. der stadt Freiberg 1, 147; in welchem jar Appenzell von kaiser Fridrichen gefreit ward, für kein frömbde gericht schuldig sein um des rechten willen ze keren, sonder man al landleut vor irem stab suͦchen und daselbs sich rechtens vergnüegen laszen sölte 2, 223; sy söllend denselben ... darumbe suchen, es were nit billig, das andere dessen sölten entgelten (1553) bei 7, 216; das er die statt nieman anders sölle suchen dan for unseren heren burgermeister und räte der stat Zürich (1559) ebda; 12. april wurde ich und herr Georgius Matthiae zum herrn richter geschicket, dasz wir vorläufig anzeigen sollten, dasz das capitul diese injurie suchen würde (1765) quellen zur gesch. der stadt Kronstadt 4, 377; unde bidde den voghet, dat he ine veleghe (schützen) vor unrechter ghewalt ...; weigherde ime des de voghet, he soke dat an deme rade bei 4, 285; unde mosten enne daer nicht mit rechte umme soeken münster. chron. 1, 271 Ficker; min herren söllen (ihn) suoche, da er gsessen sige (1567) bei 7, 215. im schweizerischen ist jemanden für, um etwas suchen noch heute gebräuchlich im sinne von 'ihn wegen etwas gerichtlich belangen'.
d)
die formel recht suchen rechtlichen anspruch erheben: dücht aber sin erben recht darzu zu han, daz sollen si suchen vor geistlichem gericht (1418) bei gesch. Württembergs unter den grafen (1768) 5, beil. 96; der soll ... inner jaresfrist nach seiner meldung sein recht suchen, anders hat er sein rechten verloren (1494) österr.
weist. 6, 229; item, das perkrecht scholl man suechen zu weingarten (15. jh.) ebda 11, 331. einen rechtsentscheid suchen: darumb sol ainer wider den anderen ain freuntleich recht suechen und sol im das der richter ... widervaren lassen (15. jh.) österr. weist. 6, 18; die soltend mit dem rechten procedieren und das recht suͦchen über hertzog Fridrichen Constanzer concil 95 lit. ver.; und hette dehein teil an dem andern útzit zu sprechen, der solt recht darumb suchen nach sinem inhalt Berner chron. 5; allgemeiner: damit ein jeder ... sein richter und recht zu suchen und zu finden wisse kriegsb. 1 (1578) a 3ᵇ; allwo jedweder sein recht auf das kürtzeste suchen kann ged. u. erinn. (1720) 2, 162. vom gerichtsstand: unser gnedigister herr laszt verpieten, das niemant frembte recht suech, ain jeder den andern vor seinem richter fürneme, wie recht ist österr. weist. 2, 72; bei synonymen: an deme (dem stellvertreter des berchmesters) scal me dat gerichte soken gelec alse an dem berchmester Goslarer bergr. § 131 nach 4, 285; iederzeit ein idweder den compactaten nach die justitz zue suchen vorwiesen worden acta publica (1618) 1, 44.
8)
das part. prät. gesucht in selbständiger verwendung, s. gesucht teil 4, 2, 1, 4285; 'geschätzt, begehrt':
einen groszen vertrieb gesuchter waaren 25, 108 W.; das geliebte, gesuchte, angebetete geschöpf 21, 46; Mozart war nie ein gesuchter ... musiklehrer Mozart 3, 192; ne gesuechter doktor ein gesuchter, tüchtiger arzt 2, 323. weit gesucht fern liegend, weither geholt: das ist eben weit gnug gesuchet (dasz der papst weltlichen besitz brauche, um sich zu schützen) reden 231 lit. ver.; das ist gar weit gesucht questo è un ricercare da ben lontano 2 (1702) 1033ᵃ;
deram weitesten gesuchte witz hatte allemal den vorzug bei ihr w. 3, 487; zuvörderst ist Hamlet blond — das heisz ich weit gesucht ..., woher schlieszen sie das? 22, 175 W.; daneben steht einfaches gesucht: nun es aber so oft fürfället, kan man nit anders achten dann dasz ein gesucht ding und mit fleisz oder vorsätziglich geschehen anticalvinismus (1595) 102; einen krieg wider sie anzufahen und zu führen unter einem gesuchten schein neue chron. (1590) 73; man verfället auf gesuchte schwürigkeiten deutsche schr. 2, 101; unter den gesuchtesten vorwänden ges. schr. 2, 66. gewöhnlich ganz objectiv als 'gewählt, geziert, gespreizt, unnatürlich', gern vom sprachlichen ausdruck: eine armuth, nicht der sprache, sondern des redenden, ... eine gesuchte eitelkeit anm. gelehrsamkeit 8, 888; auf einen kunstrichter, der in meinen sinngedichten ängstlich gesuchten witz sieht verm. schr. 2, 247; dasz das gleichnisz gesucht ist, das räume ich ihnen ein schr. (1758) 26; ich habe von haus aus einen eigenen komischen styl; aber er ist weder gesucht noch geborgt Montaignes ged. u. meinungen 2, 208; bei einer gesuchten, kostbaren, schwülstigen sprache kann niemals empfindung sein 10, 31 L.-M.; seine modulationen und harmonien sind oft ängstlich gesucht ästhetik der tonkunst 234; nachher war sie still, sprach wenig und in etwas gesuchten ausdrücken br. an L. Schücking 156; mit etwas gesuchter einfachheit gekleidet freiwild 33. daneben, wenn auch selten, in positivem sinne: um ... ein gesuchtes wort zu brauchen w. 9, 8; dasz meine schönheit so unterscheidend sei, dasz selbst die gesuchteste vermummung sie nicht verstellen könnte 1, 235; ich wünschte, dasz unsere dramatischen dichter auch in solchen kleinigkeiten ein wenig gesuchterer und auf den ton der groszen welt aufmerksamer sein wollten 9, 218.
die traditionsformel gesucht und ungesucht ist der lat. formel quaesita et inquisita u. ä. nachgebildet und seit mitte des 12. jhs. bezeugt, vgl. schwäb. 3, 569; 2, 1321; 7, 217; teil 4, 1, 2, 4285 und zur zwillingsformel teil 11, 3, 26; zur bedeutung: zu welcher dienst haben wir auch geben den übrigen tail gemeltes walts ... mit allen ausz- und eingang, mit allem, unz so gesuecht oder aber zu suechen wäre (16. jh.) österr. weist. 6, 51; s. auch die formel besucht und unbesucht teil 11, 1, 372; 2, 215; rechtsalterthümer 43; 7, 231; rechtswörterbuch 2, 206.
du bist gesucht und werth bei jedem, der dich kennt
ged. (1745) 368;
nur licht und wahrheit her!
ein weit gesuchter reim gefället ohngefähr
ged. (1744) d 5;
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 834, Z. 73.
sucht, adj.
sucht, adj.,
krank, nur im mnd. belegt, vgl. 4, 458. vielleicht gehört aber auch die luxemburgische wendung suᵉcht em eppes sin 'lust zu etwas haben'
wb. d. lux. ma. (1906) 433 hierher, wo dann sucht die (¹sucht III entsprechende) bedeutung 'begierig' hätte.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 895, Z. 73.
1sucht, f.
¹sucht, f.,
morbus, passio, cupiditas.
herkunft und form.
das wort ist ein gemeingerm. i-fem. (got. sauhts, nur im pl. belegt, vgl. W. Schulze kl. schriften 546; an. sótt; ags. suht, einmal in der jg. genesis belegt und aus dem as. übernommen wie nordhumbr. ridesoht aus an. riđusótt; afries. secht, daneben sechte, siochte; mnl. sucht, socht, zocht, daneben sochte) und hat nach übereinstimmendem ausweis der germ. dialekte die ursprungsbedeutung 'krankheit'. grammatisch stellt es sich als verbalsubstantiv mit (idg.) ti-suffix zu got. siukan 'krank sein'. dagegen ist die idg. verwandtschaft
noch nicht mit sicherheit bestimmt und die bedeutungsvorgeschichte des wortes daher noch nicht geklärt. vgl. siech teil 10, 1, 838. die dort vertretene zusammenstellung mit schwach wird noch von Scheftelowitz Bezzenbergers beitr. z. kde d. idg. spr. 28, 707 (mit anknüpfung an armen. k ͑akem 'löse auf') und in unhaltbarer weise von Wood mod. lang. not. 25, 74 (mit anknüpfung an aind. svajás 'eine art schlange', svájatē 'umschlingt') verteidigt, bei Walde-Pokorny 2, 473 aber mit recht abgelehnt. Zupitza germ. gutt. 165 vergleicht lit. saugùs 'behutsam', saugóju, saugóti 'etwas in acht nehmen, behüten, bewahren'; danach wäre für die idg. wurzel seug-, sug- die grundbedeutung 'bekümmert' in doppeltem sinne, als 'traurig, gekränkt, krank' und als 'besorgt um etwas' anzusetzen (so Walde-Pokorny 2, 472). das ist im hinblick auf den späteren historischen befund und auf verwandte wortentwicklungen wenig wahrscheinlich. vielleicht hat Löwe dt. et. wb.² 146 (aufgenommen bei Kluge et. wb.¹¹ 563 und Holthausen altengl. et. wb. 290) recht, der siech zu armen. hiucanim 'sieche hin' stellt.
die lautform des dt. wortes bleibt im allg. fest. im einzelnen finden sich doch, bes. dialektisch, eine reihe von abweichungen. in glossen des 8.-14. jh. ist mehr als zwanzigmal suth, -suth, zweimal -soth bezeugt. die häufigkeit der fälle und die tatsache, dasz auf einem teil des schwäb. gebiets noch heute sūt, sūᵉt gesprochen wird (Fischer 5, 1947), läszt vermuten, dasz es sich um mehr als eine graphische variante handelt, vgl. auch Schatz ahd. gr. § 246. auch der vocal in -soth hat analoga. im ahd. ist noch -soht, -socth, -soͮth, stets im 2. compositionsglied, belegt, s. Schatz ahd. gr. § 17. Veldeke hat socht. dieselbe form findet sich heute in Toggenburg (Wiget 39) und Niederhessen (Hofmann 236). auf Helgoland ist -soch(t) üblich (Siebs² 284), in den dt. sprachinseln der venetianischen Alpen -sof (Schmeller-Bergmann cimbr. wb. 172). andere formen des vocals sind: ū (Schwaben, z. t. auch Elsasz); uᵉ (Luxemburg, spurenweise auch Schwaben); ü (Ostfriesland). nordfries. sjucht, sjocht hat mit sucht nichts zu tun, sondern beruht auf afries. siohte ˂ *siukida. — der auslautende dental verklingt gelegentlich. schon ahd. begegnet mehrmals -suh und -souch, im 15. jh. vereinzelt such; heute gilt in Schleswig-Holstein diese aussprache durchweg (Mensing 4, 927); helgoländisches soch(t) und cimbrisches -sof vergleicht sich (s. o.). — auch der anlaut variiert, allerdings selten. eine Augsburger quelle des 16. jh. bietet einmal schucht oder sucht (chr. d. dt. städte 33, 454) — vgl. schuche im urkdb. d. st. Freiberg i. S. 1, 60 Ermisch —; dazu stellt sich nassauisch schucht (Kehrein 1, 369). etwas häufiger ist vermischung mit zucht. schon im 15. jh. begegnet einmal diese schreibung für sucht (Diefenbach gl. 367ᶜ). auf einem teil des schweiz., des lothring. und des elsäss. gebietes flieszt heute sucht über die artikelverbindung d'sucht mit zucht zusammen (Staub-Tobler 7, 274; Follmann 511; Frommanns dt. maa. 6, 10; Andresen volksetymol.⁷ 368).
neben sucht erscheint in älterer sprache des öfteren die form suchte. sie taucht im 12. jh. in der kaiserchronik auf und kommt obd. bis gegen ende des 16. jh. vor (j. Titurel, voc. ex quo, Basler quellen). ende des 13. jh. setzen md. belege ein, die dann zahlenmäszig das übergewicht erlangen (im passional regelmäszig suchte, häufig auch in md. vocabularien, ebenso in oberhess. und bes. in rhein. quellen bis gegen 1500; in letzteren auch suchde). den beschlusz macht Kilian 1605. es handelt sich allem anschein nach um eine compromiszbildung aus sucht und mhd. siuchede, sûchede, mnd. sûkede, sûkte, nhd. seuchte (s. teil 10, 1, 699): aus den beiden bedeutungsgleichen wörtern bildet sich ein neues, indem das eine seinen stammvocal, das andere seinen auslaut durchsetzt. da suchte schlieszlich wieder mit sucht zusammenfällt, wird es im folgenden trennungslos mitbehandelt.
der formgerechte plural von sucht heiszt ahd. as. suhti, mhd. sühte, obd. seit dem späteren mittelalter sücht. diese form hält sich in der Schweiz stellenweise bis ins 16. jh.; ja vereinzelt noch 1645, s. Staub-Tobler 7, 274. der daneben vom 12.-16. jh. gelegentlich auftretende pl. suhte (kaiserchronik,
passional, Hesler), sucht (Joh. Agricola, Bertesius) gehört z. t. der oben behandelten zweisilbigen secundärform des sg. zu, z. t. ist die bezeichnung des umlauts graphisch unterblieben. seit dem beginn des 16. jh. aber kommt ein nach den schwachen n-stämmen analogisch gebildeter pl. suchten auf, der die ältere bildung rasch verdrängt und im 16. und 17. jh. bes. auf alem. boden reich bezeugt ist. seltener findet sich daneben süchten (letzter beleg bei Joh. Müller 1665), eine compromiszbildung aus sücht und suchten. J. v. Watt gebraucht einmal suchten und süchten dicht nebeneinander (dt. hist. schr. 3, 146 Götzinger); die auflagen der Zürcher bibel wechseln ab (z. b. deut. 7, 15: 1530 und 1548 süchten, 1531 suchten). seit dem späteren 17. jh. ist suchten bis ins 19. jh. alleinherrschend. indessen kommt der pl. doch wesentlich nur mehr für die grundbedeutung 'krankheit' in anwendung. zwar verzeichnet Nemnich 1801 auch suchten 'passiones'; Campe 1810 läszt auch suchten der seele zu; und E. M. Arndt verwendet den pl. noch in diesem sinn. aber Adelung (vers. e. gramm.-krit. wb. 4, 875) hatte festgestellt, dasz sucht als 'begierde' ohne pl. sei. erst in neuester zeit erscheint wieder der echte pl. süchte (bei G. Falke, H. Stehr, W. Schäfer, H. Grimm), nunmehr für die geistige bedeutung des wortes, und ist in dieser function für unser heutiges sprachgefühl verbindlich. — in den mundarten der gegenwart ist der pl. meist ungebräuchlich. gelegentlich kommt noch die alte form sücht vor (so bair., vgl. Schmeller-Fr. 2, 220); sonst suchten (vereinzelt in der Schweiz, auch in Mecklenburg und Lübeck); nordfries. sjuchten, sjochten.
bedeutung und gebrauch.
I.
'körperliche krankheit'.
nach anfänglich breitester herrschaft verliert das wort in seinem ursprungssinn 'körperliche krankheit' immer mehr an geltungsraum und bedeutungsfülle, bis es (als simplex) aus der schriftsprache fast gänzlich schwindet. in ältester zeit gemeinsamer besitz des ganzen dt. sprachgebiets, wird sucht auf nd. boden seit beginn der mnd. zeit beinahe vollständig durch sûke, sûkede verdrängt; in den nd. maa. taucht es stellenweise, meist in alten magischen formeln (A 3), wieder auf. im md. bereich hält sich das wort zwar länger, doch büszt es seit dem späteren mittelalter an umfang der anwendungen und sinngebiete ein (vgl. etwa B 4 b). seine eigentliche domäne sind die obd. sprachlandschaften; noch die heutigen maa. weisen es aus. im ganzen wahrt sucht bis zum 16. jh. über seine zahlreichen synonyme die oberhand, wiewohl es von anfang an auch verbindungen mit ihnen eingehen kann. (so erscheint suht bei Tatian und Otfrid öfters in verbindung mit ummaht oder swero.) seit beginn des 16. jh. wird der fall häufiger, dasz sucht durch ein hinzutretendes synonym (plage, siechtag, vor allem krankheit) gekräftigt und gestützt werden musz. von den lexikographen ist Faber (thes., 1587) der erste, bei dem sucht in den sippen 'morbus, febris, pestis' fehlt. im 17. jh. setzt der entschiedene rückzug ein. in der 2. hälfte des 18. jh. ist sucht als krankheitsbezeichnung schriftsprachlich veraltet, im 19. jh. erloschen. krankheit, seuche und siechtum teilen sich in das erbe. lediglich in einigen verbindungen wie chronische sucht und gelbe sucht hält sich der begriff ein paar jahre länger, in fallende sucht sogar bis in die neueste zeit. dazu kommt die neuaufnahme des wortes in einer bestimmten medizinwissenschaftlichen sonderbedeutung (B 3 d). wo sucht sonst (als simplex oder in anderen verbindungen) im späteren 19. jh. auftritt, liegt archaisierende sprachgebung (Scheffel, Fr. W. Weber) oder intuitive- erfühlung des ursinns (Nietzsche) vor. anders in den mundarten, bes. den obd.: sie hegen das wort in teilweise reicher begriffsverzweigung weiter. und auf dem ganzen sprachgebiet einschlieszlich der schriftsprache lebt der alte sinn von sucht in einer reihe von zusammensetzungen (bleich-, gelb-, fallsucht u. s. w.) fort.
A.
die dämonistische grundfarbe.
seiner herkunft und bildung nach ist sucht ein sachwort (s. B 1), aber in der entwicklungsgeschichtlich frühesten
schicht seines auftretens erscheint es als zeichen für eine lebendige wesenheit. die krankheiten des körpers wurden ursprünglich (und werden im volksglauben bis heute) als etwas gewaltsam von auszen her eindringendes, als eingriff, ja als erscheinungsform dämonischer mächte, in biblischer denkweise als besessenheitsphänomene empfunden und persönlich aufgefaszt. von dieser anschauung wird nicht nur der gattungsbegriffliche grundsinn (B 1), sondern auch die älteste gruppe der sonderbedeutungen (wie 'fieber' B 3 b und 'seuche' B 4 b) und verbindungen (wie fallende sucht C 3 a α) ergriffen und gefärbt. das äuszert sich in der satzstructur, in bestimmten redensarten (s. A 2) und bis in die jüngste zeit in magischen formeln des volkes (s. A 3). eine reihe von zeugnissen sind mythol.⁴ 2, 965-966 und 3, 336-339 gesammelt.
1)
einige ältere belege für die auffassung der sucht als einer wirkung feindlicher geister oder für ihre dämonistische personification:
(obtulerunt ei multos daemonia habentes ... et omnes male habentes curavit Matth. 8, 16);
voll durchgeführte verlebendigung: also leo fermulita suht alliu miniu bein (quasi leo sic contrivit [sc. gott] omnia ossa mea Jes. 38, 13) 2, 611 Piper; auch mhd. ähnliches:
in vielen weiteren belegen der folgenden abschnitte lassen syntaktische fügung und verbwahl noch etwas durchschimmern von der dämonistischen grundanschauung; und selbst wo in jüngeren quellen an reale sinnerfüllung nicht mehr gedacht ist, spiegelt doch die sprache zuweilen die alte vorstellung wieder. die sucht 'stöszt an, fällt an, überfällt, überläuft, packt, greift an, überwältigt den menschen' (mythol.⁴ 2, 965). erst wo passivische wendungen auftreten, hat sich die natürliche deutung der krankheiten auch sprachlich durchgesetzt.
losde af theru lefhedi liudi manage,
af sulicun suhtiun, so than allaro suuaroston
an firiho barnun fiund biuurpun
Heliand 1215 Sievers;
thie siechun quamun alle tho zemo abande;
firdreib er al thio suhti joh iro ummahti
Erdm.
3, 14, 56 thaz sie (die jünger) diufal fluhtin in armilichen suhtin
ebda 3, 14, 87;
die tievel sie vertrîbent,
die sühte niht belîbent
Laubacher Barlaam 4796;
2)
bes. in den zahlreichen fluch- und verwünschungsformeln der älteren sprache lebt die dämonistische auffassung kräftig fort: man hielt auch domalen (zur zeit des Sempacher krieges) sachen für zuoreden, die man jetziger zyt nitt darfür hallt noch straft, alls da die allten etwan einem ein sucht oder krankheit gewünscht oder einen lug oder trutzwort (um 1600) R. Cysat collectanea bei 7, 271. die sucht-formeln bilden nur eine gruppe neben anderen, in denen bestimmte, namentlich benannte krankheiten berufen werden (z. b. die drüss gehe dich an! du sollst die kränke kriegen! dasz euch pock schent! dasz dich der ritten schütt! vgl. u. a. sprichw.-lex. 4, 956). immer handelt es sich in der grundvorstellung darum, dem gegner durch einen magischen beschwörungsact den krankheitsdämon auf den hals zu ziehen. welche krankheit der verwünschende jeweils meint, das läszt sich vielfach gar nicht ausmachen; auch liegt der nachdruck weniger auf der inhaltlichen bestimmung als auf dem pathos des fluches als solchen: wem nun die sucht gefluͦcht wirt, der mag diser (vorgenannten) sucht eyne verstehen, welche er wille 750 sprichw. (1534) nr. 532; vgl. auch:
gelegentlich begegnen umfassende wendungen: hin zallen sühten! 2, 746 Seemüller;
nur ab und an deutet der zusammenhang auf eine näher zu fassende sucht, etwa auf den aussatz, öfter auf das fieber. folgende sprachlichen typen lassen sich aufweisen:
drob der bettler erzürnet war
und aller bettler plag mir flucht
und wünscht mir die und jhene sucht
lit. ver.;
17, 341 dasz dich denn müssen alle sucht!
Frischlins phasma act 2, sc. 2;
a)
sinnlich ausmalende verwünschungen:
bes. deutlich zeigt den dämonistischen grundcharakter der formel die folgende stelle, wo die sucht (hier im sinne von 'aussatz', s. B 3 a) als tiergestaltiger kobold aufgefaszt erscheint:
(vgl. dazu Seemüllers anm. s. 314 und 700).
des var diu suht in iuwer ôren!
minnesinger 3, 438ᵃ v. d. Hagen;
diu suht an iuwern lôsen kragen!
wolf u. geisz bei Reinh. fuchs 302;
ganck, haff de soucht in dynem nacken!
Karlmeinet 3, 18 Keller;
sô dich diu suht benasche,
daz dir hût und hâr abgê!
Seemüller
1, 1202 b)
formeln, in deren verbalvorgang voller oder allmählich schwächerwerdend ein dämonisches handeln zum ausdruck kommt; die sucht erstöszt, erschlägt, schütte(l)t, besteht, geht an, waltet; z. b.: dasz in die sucht erstosze! tischreden 294ᵇ Aurifaber; dasz dich die sucht erschlage! pastorale (1566) 499;
die sucht gehe yhn an 750 sprichw. (1534) nr. 532; vgl. ferner sprichw.-lex. 4, 956;
herzog Georg (von Sachsen) ... stemmte die hände in die seite; kopfschüttelnd rief er seinen fluch aus: 'das walt die sucht' (1867) 1, 284 (zum j. 1519).
ach das dichs alte falbel schütt,
die sucht, das fieber und der ritt
H. Pfriem 30 ndr.;
... ê bestê in diu suht,
dan daz er immer sîne zuht
an mich gelege mêr
frauenzucht 443 bei erz. u. schwänke;
der vatter sprach: das dich die sucht
muͤsse huͤt bestan
Laszbergs liedersaal 1, 538;
meine alte, must sie die sucht bestohn
H. Pfriem 43 ndr.;
das walt das falbel und die sucht
H. Pfriem 77 ndr.;
c)
elliptische formeln: dasz dich die sucht! sprichw. u. sinnreden (1840) 583 (aus volksmund); vgl. ferner die belege aus Helbling und oben unter A 2 und den beleg aus 'wolf und geisz' unter A 2 a.
3)
bis in die gegenwart hinein hat sich die alte krankheitsdämonologie im volksaberglauben lebendig erhalten; und merkwürdigerweise hat sich der terminus sucht gerade auf nd. boden, wo er sonst frühzeitig zurücktrat, in magischen bannungsformeln fest behauptet. freilich dürfte er hier bereits als abstrahierende zusammenfassung der sucht-composita zu verstehen sein; denn wo einzel-suchten benannt werden, treten sie immer in solcher form auf. auch ihre zahl ist fixiert: es gibt 7 bzw. 77 oder 9 bzw. 99 suchten; vgl. über diese zahlenmagie zs. f. vgl. sprachf. 13, 128 ff.; die myst. neunzahl bei den Deutschen, abh. d. Berl. ak. d. wiss. 1897; 715 f.; zs. d. ver. f. volkskde 8, 59 f.; sagen, märchen u. gebräuche aus Mecklenburg 2, 116 -118. die suchten sind dämonische wesen und werden vermittels eines festen rituals besprochen.
a)
beschwörungsformeln:
('dieser spruch musz des morgens vor sonnenaufgang vor einem fremden apfelbaume gesprochen werden');
(bleichsucht, bisweilen auch gelbsucht ist gemeint);
vgl. schlesw.-holst. wb. 2, 240. (für suchten kann auch eine specielle bezeichnung eingesetzt werden: de gelsucht, lidsucht, gelenksucht, bleeksucht.)
fruchtbom, ik klag di,
de suchten de plagt mi;
de erste vagel, de öber min hus flüggt,
de nimmt de swindsucht mit ünner sin flücht
die heimat (Kiel) 19, 207 (aus der Lübecker gegend);
appelbom, ik klaͦg di,
mine 77sterlei sücht de plaͦgt mi;
jeden vaͦgel, de über mi flüggt,
bitt ik üm min un dine sücht
zs. d. ver. f. volkskde 8, 59 (aus der Ruppiner gegend)
die sücht und die wid
die liegen beid in strit;
die wid die gewann,
die sücht und die verschwand
zs. d. ver. f. volkskde 8, 60 (aus der Ruppiner gegend)
fruchtbom, ik klag di,
de suchten de plagt mi;
de fruchtbom gewinnt,
de suchten verswinnt
die heimat (Kiel) 19, 207 (aus der Lübecker gegend);
b)
ein anderes ritual hat sich in Pommern und Mecklenburg ausgebildet (auch im Havelland ist es bezeugt): die suchtenprobe und das suchtenbrechen (s. sp. 895). durch die erstere wird festgestellt, von wieviel suchten der kranke befallen ist; sind sie ermittelt, dann werden sie durch magische handlungen gebrochen, d. h. ausgetrieben. vgl. suchten breken 'durch sympathie die krankheit heilen' Mecklenb. 89ᵃ. meist sind es in Mecklenburg auszehrung und andere schleichende krankheiten, die so beschworen werden. beschreibungen des vorgangs, der im einzelnen varianten aufweist, s. bei sagen, märchen u. gebräuche aus Mecklenburg 2, 116 f.; am urquell 3, 236-238; abh. d. Berl. ak. d. wiss. 1897, 24 f.; Wuttke dt. volksabergl. d. gegenw.³ 232 und 358. der vollziehende spruch lautet z. b.: ik brek N. N. de suchten im namen gottes des vaters, des sohnes und des hl. geistes am urquell a. a. o. (aus Mecklenburg). auch tierkrankheiten können gebrochen werden; die entsprechende formel lautet in Fehrbellin:
sucht, sucht, du böse,
wie du gekommen in dreien tagen,
so komm und erlöse
in drei (oder dreimal drei) tagen.
dazu verhelfe gott usw. amen
zs. d. ver. f. volkskde 8, 390 f.
B.
sucht als autonomer begriff.
1)
sucht ist seiner grundbedeutung nach ein concreter gattungsbegriff und dient als generelle bezeichnung für jede krankheit des menschlichen körpers, die mit deutlichen symptomen in erscheinung tritt und nicht auf mechanische ursachen (verletzung oder verwundung) zurückgeht.
a)
so schon in den frühesten glossaren (seit dem 8. jh.) und lexikographisch bis ins 17., in ausläufern bis ins 18. jh. festgehalten. in glossaren des 8.-13. jh. erscheint suht, suth als übersetzung von morbus, languor, molestia, querelae, vgl. ahd. gll. 1, 14; 64/65; 211. 2, 223; 227; 247. 4, 369. in glossaren des 15. jh.: morbus sucht, suchte, zucht, sycht gl. 367ᶜ. diese linie geht bis zu vollst. dt. wb. (1734). schon im 16. jh. wird sucht stellenweise von krankheit an die zweite stelle gedrängt: morbus kranckheit, sucht, siechtag (1556) 836ᵇ; morbus ein kranckheit, sucht XI ling. (1598) 911ᵇ; bei (1587), (1608) und (1686) wird morbus nicht mehr durch sucht glossiert. in der folgezeit wird das wort von den lexikographen mehr aus den zusammensetzungen abstrahiert, als dasz es noch als eigenform lebendig empfunden würde: sucht (simplex non adeo usitata) morbus dt. wb. (1725) 377; 'sucht ... kunte vor alters allein stehen ...; aber man findet es jezt meistens hinten an, als geelsucht ...' teutsch-lat. wb. (1741) 2, 266ᵃ; vgl. auch bibl. medicus (1743) 493 f. seit Adelung ('die sucht, ein wort, welches ehedem eine jede krankheit bedeutet, sie sey von welcher art sie wolle ... im hd. ist es in dieser weitern bedeutung veraltet, indem es sich nur noch in einigen zusammensetzungen und nahmen einzelner krankheiten erhalten hat ...' vers. e. gramm.-krit. wb. 4, 875) gilt in den dt. wbb. einfaches sucht im sinne von 'morbus' schriftsprachlich als überlebt — wie das bis auf wenige ausnahmen auch dem literarischen befund entspricht.
b)
als gattungsbegriff, der nach der absicht des sprechenden die verschiedenen möglichkeiten näherer bestimmung
offen läszt, erscheint sucht in indefiniten fügungen aller art: ther heilant ... heilta iogiuuelihha suht inti iogiuuelihha ummaht in themo folke Tatian 22, 1; (wer als erster in den teich Bethsaida stieg) heil uuas von so uuelichero suhti uuns bihabet ebda 88, 1;
wo die lung einem schwirt oder andere sucht ann iro hat, sol man bibergeyle im in die nasen röuchen Gesners thierbuch (1563) 26ᵇ; der gebrauch setzt sich bis ins 18. jh. hinein unverändert fort: ein neuerer genius hat den einfall, für jede sucht einen arzt zu bestellen, um jede gründlich zu erforschen (1779) 1, 194; sprichwörtlich: were der sucht bei zeyt sprüchw. (1541) 2, 39ᵇ.
dehein suht ist sô getân,
und wirt diu salbe gestrichen dran,
sine müeze deste semfter sîn
Wigalois 10372 Kapteyn;
c)
im gleichen sinne faszt der plural alle oder mehrere einzelkrankheiten allgemeinbegrifflich zusammen:
(Jesus) heilta manage fon suhtin inti fon sueren inti fon ubilen geiston Tatian 64, 2; gleichfalls sehr häufig und wandellos durchstehend:
der tod ertötet in tausenterlay weisz die elenden menschen, mit frost, mit hitz ... und sunst mit manicherlay gebrechen und suchten spiegel der sitten (1511) k 5ᵃ; schon im 16. jh. wird dieser pl. öfters nicht mehr als mehrzahl des simplex sucht, sondern als zusammenfassung der mit -sucht componierten krankheitsbezeichnungen empfunden: es seind vil sucht, die schwindsucht ..., die geelsucht ..., die geltsucht, die weynsucht, die biersucht 750 sprichw. (1534) nr. 532; letzlich greifft sie gern die wassersucht ... an, sampt andern gefehrlichen süchten, welche sie gar hinrichten artzneybuch (1588) 539ᵇ; wo der pl. von sucht seit dem 18. jh. in der angegebenen bedeutung noch erscheint, da hat er stets diese engere function: ich gebrauchte stahl, china, kräutersäfte ..., je nachdem ich die schwindsucht, die wassersucht, die gelbsucht oder irgend eine von den hundert suchten befürchtete (1779) 1, 194; bei den tanzproben hätte ich die schwind- und gallsucht und alle möglichen suchten an den hals bekommen lebenserinnerungen 2, 119 Benezé; es steht nur bey ihm, unter allen suchten und seuchen nach belieben zu wählen, denn er findet, wenn er will, die zeichen und zufälle von allen an sich medizin. parömien (1806) 133; in neuerer zeit nur gelegentlich in mundartlicher dichtung: a kunnt alli krankaten hailn, warns aft auswenigö schäden oder inwenigö fieber und suchten aus ewigen dicht. (1884) 4, 31.
... quad that siu uuari mid suhtiun bifangen
Heliand 2988 Sievers;
man sit da (bei der hl. Cordula in Köln) noch gnade vinden,
wat suchden den minschen anegeit
buch v. d. st. Köln 385 chr. d. dt. st.;
d)
ebenso kann aber (singularisches) sucht auch auf eine bestimmte krankheit hinweisen, mag sie nun im vorhergehenden genannt sein bzw. aus dem zusammenhang sich ergeben oder nicht: (die blutflüssige spürte) thaz siu heil uuas fon theru suhti Tatian 60, 4;
bereits mit functioneller schwächung des begriffs: als er wider haim kam, begraif in ain grosse sucht ainer unleidlichen kranckhait bayer. chr. 45 Spiller;
die kinder mit solcher sucht (fallsucht) beladen, sol man gar ordenlich mit speisz und tranck halten, die warm unnd trucken sind hebammenbuch (1580) 239;
ironisch-bildlich (sucht als 'frauenkrankheit', d. h. erotische unbefriedigtheit, die als krankheit vorgetäuscht wird):
... tho sie ina (Lazarus) fan themu grabe sahun
sidon gesunden, thene the er suht farnam
Heliand 4111 Sievers;
sô enhœret anders niht dar zuo
niuwan der maget herzebluot:
daz wære vür iuwer suht guot
a. Heinrich 232 Paul;
(Petrus) sprach mit schonen worten sus
zu der gihtigen maget:
wiltu die suchte han verjaget,
so la dir werden nu bekant
passional 199, 43 Hahn;
nicht gar ein lange zeit vergieng,
das der held durch zufällig ding
fiel in ein vast schwere krankheit.
solchs was dem Unfalo nit leid,
merkt, das die sucht täglich zunam,
darum er zu dem helden kam
Teuerdank 157 Gödeke;
weil aber d' sucht (ein eitriges geschwür im leib, apostem) überhand genommen,
muszt man mit scharfen mittlen kommen
dreiszigj. krieg 94;
zapffenkraut, so viel genug, macht von dieser sucht genesen
sinnged. 298 lit. ver.
2)
von der basis 1 b aus tritt gelegentlich eine erweiterung des bedeutungsraumes ein, indem der bezug auf concrete krankheitsbilder hinter dem allgemeinen vorstellungsinhalt körperlichen übelbefindens zurücktritt, das sachwort sich einer zustandsbezeichnung nähert. sucht rückt dann in die stelle eines negativen gegenbegriffes zu gesundheit ein und umschreibt den zustand des krankseins schlechthin. in der regel steht es in diesem sinne ohne artikel:
du irrefsest mih mit suhte unde chicchest mih mit keniste 2, 612 Piper; des dinc also stet unde gewant ist, daz he zu dinge nicht wil noch enmac, ab in lichte irrete suchte oder unbederbekeit oder manicherleie sache urkdb. d. st. Freiberg i. S. 3, 150 Ermisch; personificiert: dann werden im zwen knecht zuͦgedingt, der heiszet einr schmertz, der ander sucht buch d. beispiele 19 lit. ver.; als auch die sucht unnd kranckheit desz menschlichen verweszlichen leibs im wenigsten nichts gegen der fälschung und verlust der aller kostbarlichsten seelen zu schätzen grewel der verwüstung (1610) a 6ᵇ;
in feinfühliger neubelebung des alten sinnes aus dem abstracten compositum heraus: herrschsucht: doch wer hiesze es sucht, wenn das hohe hinab nach macht gelüstet! wahrlich, nichts sieches und süchtiges ist an solchem gelüsten und niedersteigen! 6 (1896) 278.
suht joh suero manager (thes giwuagun wir er),
ni bristit thoh in thes thiu min ...
Erdm.;
5, 23, 151 dünckts iemand fremde, dasz ich in der angst verschwinde,
dasz theurer mittel fleisz und werther kräuter macht,
dasz weiser ärtzte kunst mir noch nicht wider bracht,
was sucht und angst verzehrt?
lyr. ged. 62 lit. ver.;
3)
anderseits, auf der linie 1 d, erfährt das wort eine begriffliche verengung, indem es für bestimmte (häufiger auftretende) einzelkrankheiten oder krankheitsgruppen prägnant wird.
a)
zufrühest für 'auszehrung, schwindsucht' (s. u. schweinende, schwindende, auch abnehmende sucht); in glossen des 9.-13. jh.: tabes suht ahd. gll. 1, 466. 2, 766. 3, 262; tabitudo suht ebda 1, 577; 587; im vergleich: daz leid uuas mir so harto ana, daz iz mih in suhte uuis sleuuen (tabescere) teta 2, 535 Piper. vereinzelt im 11./12. jh. für 'tobsucht' (s. u. taube, tobende, wütende, rasende, törichte sucht): rabies suth ahd. gll. 3, 507. gelegentlich mhd. für 'aussatz' (s. u. aussätzige sucht):
vgl. ferner den beleg aus oben unter A 2 a. landschaftlich auch für die weibliche periode (s. u. natürliche sucht): so ein frau ir sucht zu wenig oder zu vil hat artzneybuch (1488), bei 2, 219; die buggel ist gut den frauwen zu ihr sucht, die da heiszt menstrum (18. jh.) bei 7, 271.
Lazarus dicit ad Mariam:
hore Maria, dorch dine zuht,
ich wene wol, ich hab die suht,
von der ich liden groze not
schausp. d. mittelalters 1, 91 Mone;
b)
am häufigsten in älterer sprache für fieberhafte erkrankungen, auch geradezu für 'fieber'; eine klare und durchgehende abgrenzung des anwendungsgebietes gegenüber den synonymen ritte und fieber ist nicht erkennbar, trotz mythol.⁴ 2, 966 (s. auch C 2: heisze, hitzige, hitzende, brennende, aber auch kalte und frierende sucht):
daz (gekochtes veilchen) pringt den siechen slâf in hitzigem siehtum, sam die süht sint und sämleich siehtüem buch d. natur 425 Pfeiffer; der mund ward ime als turr von innen und ussnan als einem siechen, der an einer suht lit 47 Bihlmeyer; in obd. und md. vocabularien des 15. jh.: febris suchte, ritte vel suht, rit vel sucht gl. 228ᶜ; nov. gl. 169ᵇ; febris continua suht voc. opt. 36, 76 Wackernagel; acuta (febris violentior 1, 67ᶜ) sucht gl. 11ᵇ; 636ᶜ; vgl. auch dess. nov. gl. 7ᵇ; febricitare die sucht haben dess. gl. 228ᵇ. seit dem 16. jh. scheint sucht in dieser bedeutung nur noch in einigen maa. fortzuleben, da aber bis in die gegenwart: in Graubünden ist sucht 'hitziges fieber', nach älterer angabe auch 'nervenfieber', vgl. 7, 271; in einzelnen gegenden des Elsasz umschreibt die sucht (nicht wie sonst d'sucht) die 'influenza', vgl. 2, 326.
ich wâne, dat sî (die minne) starker sî
dan die socht oft dat fiever
Eneide 9855 Behaghel;
c)
in den lebenden mundarten treibt sucht noch darüber hinaus einige sonderbedeutungen; so nassauisch schucht in gleichem sinne wie kränk 'fallsucht, epilepsie' 1, 369; tirolisch sucht 'entzündung an einer stelle des körpers, wie z. b. in den augen' 727; s. auch 2, 219; im Bernerland 'gliedersucht, rheumatismus' 7, 271.
d)
in neuester zeit hat die medizinische fachsprache das wort wiederaufgenommen, um ihm einen früher unbekannten und offensichtlich aus der bedeutung III abgeleiteten, specifischen inhalt zu geben: 'hörigkeit gegenüber rausch- und betäubungsgiften' (morphinismus, kokainismus u. s. w.). dies ist die einzige verwendung, in der alleinstehendes sucht als krankheitsname schriftsprachlich heute noch lebt: es handelt sich ... um stark wirkende ... mittel, die zudem die unangenehme eigenschaft haben, bei länger dauerndem gebrauch ... zur gewöhnung und zur sucht zu führen dt. zukunft v. 22. 4. 1934, s. 18; (ein arzt sagt:) ich frage gar nicht nach der dauer der sucht, nach der stärke und der menge des morphins bergsegen (1928) 25.
4)
endlich kann sucht sich auf gewisse krankheitstypen einschränken.
a)
als grundlage für die unter b folgende bedeutung ist sucht 'ansteckende krankheit' anzusetzen. freilich erscheint in den belegen schon von frühester zeit an dieser allgemeine grundsinn durch die specifische anwendung b mehr oder weniger überdeckt. (das erklärt sich zum guten teil medizingeschichtlich: ansteckungskrankheiten nahmen bei den hygienischen und therapeutischen verhältnissen älterer zeit sehr leicht seuchencharakter an; so flossen auch die begriffe ineinander.) erst in den wörterbüchern des 18. jh. hebt man aus älterem und dialektischem gebrauch gelegentlich den allgemeinen sinn heraus: sucht ansteckende krankheit niderhochteutsch dict. (1719) 2, 210ᵃ; 'bes. brauchte man es, wie seuche, ehedem von ansteckenden, gefährlichen krankheiten' vers. e. gramm.-krit. wb. 4, 875; ähnlich 4, 745; vgl. auch vers. e. baier. u. oberpfälz. id. 75 und dt. provinzialwb. 1, 2, 181.
b)
indem das weitere bestimmungselement der epidemischen verbreitung in den begriff a eindringt und beherrschend wird, nimmt sucht die bedeutung 'seuche' an. sie dürfte von allen bedeutungen des wortes bis ins 17. jh. die geläufigste sein — freilich nicht in gleichmäsziger räumlicher verteilung. zuerst auf nd. boden, seit dem spätmittelalter auch md. beginnt sucht im angegebenen sinne vor seuche zurückzuweichen; seit dem anfang des 16. jh. erscheint es so gut wie nur in obd. texten; dort aber herrscht es mit ausschlieszlichkeit
— bis seit dem 18. jh. in der schriftsprache das nd.-md. seuche auch auf obd. gebiet sich durchsetzt. nur die maa. bewahren noch etwas von dem alten bild; ja in ihnen zeigt sich spurenweise sucht für 'seuche' selbst da erhalten, wo die literarische überlieferung es seit dem mittelalter bereits aufgegeben hat. (vgl. für die wortgeographischen verhältnisse auch den artikel seuche, teil 10, 1, 696, ferner die unten citierten ausführungen von Kluge.)
α)
belege seit dem 9. jh.: labes lues suth vel quicquid nocet ahd. gll. 4, 229; inti sint thanne suhti inti hungara inti erdbibunga Tatian 145, 5 (et erunt pestilentiae et fames Matth. 24, 7 und Luc. 21, 11; vgl. zu dieser stelle auch Heliand 4327 und 4, 7, 12);
wo Luther seuche hat, ändert die Zürcher bibel zumeist in sucht, vgl. von Luther bis Lessing 82; z. b.: (Jesus) gab inen macht über die unsaubren geyst, daz sy die selbigen ausztribind und heiletind allerley sucht und allerley kranckheyt Zürcher bibel (1531) Matth. 10, 1 (Luther: allerley seuche und allerley kranckheit); ein sucht kam under die knecht, die nam vil dahin Schweizer chr. (1606) 24ᵇ;
dasz böse dämpf auszgangen von der erden und pestilenz und suchten verursachen (1647) bei 7, 271; auch in bildlicher verwendung: sie solten solche priester, die da weiber hetten, ... fliehen als ein sucht und gifft papist. inquisition (1589) 390; oder in sprichwörtlichem gebrauch:
im 18. jh. verschwindet sucht in der vorliegenden bedeutung aus der schriftsprache; wo es später noch auftritt, da schon unter mundartlichen einflusz, z. b. bei einem Solothurner volksdichter: die mutter spürt halt das feuchte winterwetter und die herrschende sucht (1898) bei 7, 271. die obd. dialekte bewahren die bedeutung als eine der gewöhnlichsten des wortes bis heute, vgl. für die Schweiz 2, 417 und 7, 271, für das Elsasz 2, 326, für Lothringen 511, für Schwaben 5, 1947, für Bayern 75 und 2, 219, für Vorarlberg Frommanns dt. maa. 4, 1. aber vereinzelt findet sich sucht 'seuche, epidemie' (neben der allgemeineren bedeutung 'krankheit') auch md., vgl. henneberg. id. 249; ja selbst im friesischen (und zwar als simplex allein in diesem sinn), vgl. nordfries. 113 und Sölring spraak 185.
alles des uf der erde
wahsunt unde lebentich werde,
dem [ne] werre hitze noch vrost,
schor noch dehein suht
genesis 113, 36 Diemer;
wie sucht von vieler art und manches schädlichs thier
die juden übergieng
(1690) 4, 299;
zuspaht und umbsunst ist die flucht,
wan man behaftet mit der sucht
Fischer;
1, 162 β)
dasz sucht vor allem zur bezeichnung der am häufigsten und furchtbarsten auftretenden seuche, der pestepidemie, diente, darauf weisen schon glossenbelege des 10.-13. jh.: pestis suht ahd. gll. 1, 630. 3, 254; pestilentiae suhti ebda 2, 266. dasz es sich indessen (trotz 395ᵃ: die sucht pestis, und trotz vers. e. gramm.-krit. wb. 4, 875: 'daher die pest noch jetzt im gemeinen leben einiger gegenden die sucht genannt wird') nicht um einen festen bedeutungsübergang, sondern nur um eine anwendung handelt, zeigt gl. 431ᶜ: pestilentia eyn suchte; das zeigen auch die literarischen belege:
(im j. 1356) qwam daz zweite grosz sterben, also daz di lude an allen enden in duschen landen storben mit groszen haufen an der selben suchte, als si sturben in dem ersten sterben limb. chr. cap. 44 Wysz; dann söliche sucht und kranckheit wuͤtet domals lange jar gem. eydgnosschafft chr. (1548) 147ᵃ;
vergleichsweise: jha mehr dann dise sucht ist Luther, weil die pestilentz nur den leib, er aber ... viler tausent seelen dem teuffel in den rachen gesteckt antipapist. eins u. hundert (1567) 1, 147ᵃ.
noch was die vorbenante sucht (der gehe tot)
alda zu Rome stark genuc
passional 199, 82 Köpke;
dieweil du woltest wissen gern,
warumb doch Phæbus thu beschweren
das gantz geläger mit der sucht
Ilias (1610) 3ᵃ;
γ)
andere anwendungen; pockenepidemie:
influenza- oder grippeepidemie: auff dis jar (1510) im maien erhuͦb sich ain sucht an fil örten ... im Bairland ..., dasz den leitten wee ward im habt, auch ain huͦsten, gantz seltzeklich chr. d. dt. städte 23, 466; diphtherie: demnach kam ein unerkante sucht, genämt die brune, under der eidgnossen knecht im veld Berner chr. 4, 225; im elsässischen dialekt u. a. für grassierenden husten, vgl. 2, 326; im schwäbischen bes. für influenzaartige erkrankungen epidemischer natur mit starkem schnupfen und katarrh, vgl. 5, 1947; im bairischen 'eine vorübergehende, sich zu gleicher zeit mehreren individuen mittheilende, krankhafte erscheinung, wie z. b. augenentzündung, halsweh, schnupfen, katarrh und dergl.', vgl. 2, 219.
suht chom grozze undir sie,
ja gesahet ir nie
so manegen siechen man
von den blateren vreissam
exodus 142, 27 Diemer;
c)
in Graubünden bezeichnet sucht alle schwer heilbaren leiden, vgl. 7, 271; in Pommern und Mecklenburg alle schleichenden krankheiten, vgl. Wuttke dt. volksabergl. d. gegenw.³ 358. umgekehrt werden im bayrischen Schwaben leichte erkrankungen, unpäszlichkeiten als sucht benannt: 'selbst erkrankungen, so lange mit ihnen kein höheres schmerzgefühl verbunden ist, werden nicht beachtet, es ist eben nur ein übergängle, eine sucht.' Bavaria (landes- u. volkskde d. kgr. Bayern) 2, 2 (1863) 888; vgl. auch 5, 1947.
5)
sucht als krankheitsbezeichnung kann auch auf den tierischen körper bezogen werden; freilich gehören die zeugnisse zumeist den sondersprachen und dialekten an.
a)
allgemein, krankheit als natürliche todesursache (im gegensatz zur erlegung oder schlachtung): morticinium os (aas) von suchte gl. 368ᶜ.
b)
als gattungsbegriff, der verschiedene einzelkrankheiten zusammenfaszt oder eine bestimmte krankheit generell umschreibt: die streng ... verwendet sich in die sucht, die die Walchen die manvel haisset von falken, pferden u. hunden 72 lit. ver.; er kondt sy (die habichte) auch abrichten und von iren siechtagen oder süchten entledigen Gesners thierbuch (1563) 127ᵃ; artzney und bäder, die suchten der hunde, so von kalten undauigen flüssen herkommen, zu vertreiben vollk. teutsche jäger (1719) 191.
c)
mit betonung des seuchencharakters: sucht gemeine plag; allerley kranckheit so gmeinlich über leut und vych auszgadt (1561) 395ᵃ; dann es war ein sucht under die rosz kommen Aemilii u. Ferroni historien (1572) 1, 110; sucht im sinne von 'tierseuche' noch heute im kanton Freiburg üblich, vgl. 7, 273; aus der ma. nimmt gelegentlich auch neuere dichtung das wort wieder auf: wallfahren? warum? ist eine sucht in deinem stall? hustest du blut aus dem magen? der teufel wildert (1933) 7.
d)
prägnante gebrauchsweisen.
α)
'starrkrampf oder lähmung der pferde', schon ahd. (9. jh.): consparsio suht, de robore dicitur ahd. gll. 2, 249 (vgl. Germ. 8, 13 und zur bedeutung von robur Vegetius, art. vet. 3, 24, auch nov. gl. 110ᵃ). erst im heutigen Schweizerdeutsch findet sich sucht in prägnantem sinn als pferdekrankheit, wahrscheinlich 'lähmung', wiederum belegt, vgl. Bärndütsch 3, 147.
β)
'maul- und klauenseuche des rindviehs': zuo verhüetung der sucht solle man in allen ställen mit wachholderholz ... einen starken rauch machen (1792 Thurgau) bei
7, 273; so auch heute noch in einigen maa. der Schweiz, vgl. a. a. o.; ebenso in einem bezirk des Elsasz, vgl. 2, 326. auch 'lungenseuche beim rindvieh': wen die lungenfäuli oder sucht in einem ohrt grasiert, so ist ein gutes mitel für das gesunde vieh (19. jh., kanton Zürich) bei 7, 273. bei kühen und ziegen in Graubünden und Glarus eine krankheit, die sich durch anschwellung des euters, abnahme und verschlechterung der milch, steifheit des körpers, trübung der augen u. a. äuszert, auch gälti genannt, vgl. beschr. d. schweiz. alpen- u. landwirtsch. 1 (1802); ill. lehrb. f. d. ges. schweiz. alpwirtsch. (1898); 2, 417; 5, 846 und 7, 273.
γ)
eine schweinekrankheit: 'der flug (in Graubünden die sucht) ist eine krankheit unter den schweinen, die sich vorzüglich unter diesen tieren in Bern und Schaffhausen zeigt; in ersterer gegend heiszt sie auch das schwarze. wahrscheinlich ist sie das, was Bechstein das verfangen nennt, wobei ihnen die ohren kalt werden und die freszlust sich verliert' neue alpina 2 (1827) bei 1, 1180; vgl. auch ebda 7, 273. im Aargau und Thurgau soviel wie rotlauf, eine bei schweinen auftretende krankheit mit rotem hautausschlag, vgl. 3, 1119 und 7, 273.
δ)
'hundestaupe', allg. im schwäbischen (auf junge hunde bezogen), vgl. 5, 1947, s. auch Meyers gr. konv.-lex.⁶ 19, 166 und 701. ferner ein bei jungen hunden und katzen, auch kälbern, im wachstumsstadium auftretender magen- und darmkatarrh (epizootische diarrhoe), vgl. für die Schweiz (wo das wort in dieser bedeutung sehr verbreitet ist) 7, 273 und Aargauer wb. 265; ferner Straszb. 107; Handschuhsheim 70; auch die unbestimmt gehaltene angabe von 2, 219 gehört wohl hierher; s. auch 701. nach dem schweizerischen volksglauben musz jeder hund diese krankheit als notwendige entwicklungskrise durchmachen, um dann aber auch gegen weitere anfälligkeiten gefestigt zu sein; diese vorstellung wird zuweilen auf menschen übertragen; die redensart är het d'sucht no nid g'haa bedeutet dann: 'er hat noch keinen kater gehabt, ist noch nicht trinkfest', vgl. Bärndütsch 5, 462.
6)
ganz vereinzelt wird sogar die erkrankung einer pflanze als sucht bezeichnet: die weinreben bekommen bisweilen eine solche sucht, dasz sie die trauben fallen lassen, ihre blätter weisz, gelb und dürre und ihre stöcke weich und schlapp werden allg. lex. d. künste u. wiss. (1748) 1371ᵇ.
7)
feste verbale verbindungen, vorwiegend der älteren sprache angehörend, vielfach redensartlich gebraucht.
a)
den begriff 'krank sein' (verstärkt: schwer krank darnieder liegen) umschreiben folgende wendungen: an der (einer) sucht liegen, s. hs.liches arzneibuch des 12. jh. (cit. im mhd. wb.); Ulrich v. Türheim Willehalm (cit. bei Lexer);
— in sucht (in der sucht, in süchten) liegen (niederliegen), s. Lohengrin 3073 Rückert; buch der natur 393 Pfeiffer; passional 98, 74 Hahn; in beteuerungsformel:
— die sucht haben, in beteuerungsformel:
— in (an) der (derselben) sucht krank liegen begegnet häufig — ebenso wie das gleichbedeutende in dem (demselben, diesem) spital krank liegen (sein) — in übertragener redensartlicher verwendung und geht auf eine lat. formel (in eodem valetudinario iacere, z. b. bei Seneca) zurück: ich bin auch in der sucht kranck gelegen Seb. Franck sprichw.
(1541) 84ᵃ; weitere angaben bei sprichw.-lex. 4, 956; varianten vgl. ferner bei proverb. copia 3 (1604) 52; sprichw. (1837) 417; sprichw. u. sinnreden (1840) 583. der sinn ist: 'ich leide selber an diesem fehler, habe keine berechtigung, mich zu überheben' oder abgeschwächt (unter löschung des moralischen bezugs) 'ich bin in gleicher lage'. — mit (groszen) suchten arbeiten 'todkrank sein, in den letzten zügen liegen', s. C. v. Heisterbach, dial. mirac. 322 Drescher.
... o wee,
dasz ich min kind ye hab gsee;
wär ich darfür an einer sucht
glägen, da ich gbar dise frucht
spyl v. Abraham (1562) bei 7, 271.
ich læg lieber in der suht,
dann ich iuch sol sehen an
weltchr. 22980 Strauch.
ich hiet vil lieber di suht,
dann ich sîn süll vor iu verjehen
weltchr., anhang 2, 1354 Strauch.
b)
den begriff 'krank werden' drücken folgende verbindungen aus: sich in (in die, in eine) sucht legen 'sich aufs krankenbett legen', s. passional 297, 58 Köpke; häufiger wiederum in beteuerungsformeln:
ähnlich gesamtabenteuer 2, 606;
— in eine sucht fallen 'plötzlich erkranken', s. Ludwigs kreuzfahrt 178 Naumann; passional 157, 77 Hahn; C. v. Heisterbach, dial. mirac. 333 Drescher.
ich hiet mich ê geleit in ein suht,
ê ich dhein unzuht
hiet an ihtiu begân
weltchr. 27113 Strauch;
ich legte mich ê in die suht, ...
ê ich iu arges umb ein hâr
iemer iht gespræche
wolf u. geisz, bei Reinh. fuchs 302.
c)
eine sucht legen 'sich krank stellen': als antwerte wir em, wir welden, das her die weyle eyne sucht lege acten d. ständetage Preuszens unter d. dt. orden 3, 447 Töppen.
d)
die sucht ausliegen 'genesen, (wieder) gesund werden':
dô si ir suht het ûz gelegen,
do gediente si vil wol ir solt
gute frau 1942 Sommer (zs. f. dt. altert. 2, 449).
e)
der begriff 'gesund sein (bleiben)' kann durch negative constructionen mit sucht ausgedrückt werden:
(hier bezieht sich sucht ausnahmsweise einmal auf eine verwundung);
bildlich:
dîn wunden die sint sühte vrî (sind geheilt)
Eckenlied bei 226 (cit. bei )
ezz wir diser reinen fruht,
wir sîn gar frî vor der suht (bleiben gesund)
weltchr. 606 Strauch;
weil abgeschiedenheit sich niemand macht gemein,
so musz sie ohne sucht (makellos) und eine jungfrau sein
cherub. wandersm. 46 ndr.
f)
ebenso der begriff 'gesund machen':
hei maicht uch suchten ane
buch v. d. st. Köln 460 chr. d. dt. st.
8)
eine scheinbar weitabliegende bedeutung findet sich in zwei glossenbelegen des 8./9. bzw. 11. jh.: aer corruptus luft giuemmit suht ahd. gll. 1, 272 (zu deut. 28, 22); tempestas suht ebda 2, 641 (zu Vergil, georg. 3, 479). in beiden fällen (vgl. auch 701 und über das synonym luft giwemmit ebda 378) ist sucht soviel wie 'seuchenträchtige, miasmenhaltige witterung oder luft'. der zusammenhang mit bedeutung 4 b ('seuche') ist klar, die art der bedeutungsentwicklung aber undurchsichtig. gegen die annahme, dasz es sich um ungenauigkeiten oder miszverständnisse der glossatoren handele, spricht ein (sonst ganz isoliertes) zeugnis aus dem neueren mansfeldischen: sucht heiszt dort 'dunst, schwüle' ( 110). das sieht ganz nach einem blassen ausläufer der in den ahd. belegen zutagetretenden sinnabzweigung aus.
9)
ebenfalls aus bedeutung 4 b ('seuche') scheint sich eine im schweizerischen vereinzelt belegte gebrauchsweise abzuleiten: aber in etlichen unseren gruͦben ... ist ein andere verderbliche sucht, nemblich die bergmenlin, die sehr greuwlichen sähen Agricolas bergwerckbuch (1621) 180. hier ist sucht 'ein weit verbreiteter übelstand' zwar nicht mehr körperlicher, aber noch durchaus concreter natur. (insofern ist die übertragung anderer art als in II.) — nicht unmittelbar anzuschlieszen, aber vielleicht ähnlich entwickelt (freilich mehr aus der primären bedeutung 1 'krankheit') sind gewisse, aus der lebenden ma. und ma.lich gefärbter redeweise bezeugte wendungen, in denen sucht den sinn von 'plage' vertritt; schweizerisch: es ist eine sucht
um dich, du quälst stets jemanden 7, 274; schwäbisch: mit dem menscheⁿ hat maⁿ eⁱⁿᵉ sucht 5, 1947. auch elsässisch sucht im sinne von 'unangenehme sache' klingt an: s isᵗ e fatali sucht ... u. ä. 2, 326. man mag redensarten neuerer umgangssprache vergleichen, wie es ist die pest! möglich ist aber auch vermischung mit zucht (das im Elsasz ohnehin mit sucht durcheinandergeht, vgl. o. 'herkunft und form').
C.
sucht mit (stehendem) adjectiv-attribut, für menschen- und viehkrankheiten.
1)
die krankheit wird nach ihrem grad oder ihrer form, nach ihrem auftreten oder verlauf durch ein mehr oder weniger allgemeines epitheton charakterisiert. überwiegend dient dieses epitheton dazu, die epidemische natur des fraglichen leidens verstärkend herauszustellen.
a)
das epitheton bringt die schwere und tücke, das quälende und schreckenerregende der krankheit zum ausdruck.
α)
schwere sucht hat die allg. grundbedeutung 'schwere, gefährliche und langwierige krankheit'; daher öfters der pl. in zusammenfassender function, schon früh:
auf seuchen bezogen: auch pestilenz und süchten schwer (folgen auf ein erdbeben) (1620) bei 7, 272; auch der sg. umgreift eine krankheitsform: mit einer schweren sucht behaftet seyn esser' attinto d'un gravissimo male teutsch-ital. dict. 2, 1036ᶜ; speciell eine epidemische: unde de krygeslüde van wegen der langen belegeringen unde schwaren sucht noch matt unde möde weren chr. v. Lyfflandt (1584) in scr. rer. Livon. 2, 141; im sinne des vorletzten belegs nimmt noch Fr. W. Weber archaisierend die wendung auf (allerdings insofern unter miszverstehen des alten sprachgebrauchs, als er mit sucht die folgen einer verwundung meint):
seiner function als gattungsbegriff entsprechend kann schwere sucht im einzelnen auf verschiedene krankheiten (bzw. seuchen) hinweisen, so auf die lepra:
oder die pest:
bildlich erscheint schwere sucht im religiös-moralischen bereich, um die allg. menschliche sündhaftigkeit oder einzelne laster zu vereindringlichen: du ... solt dick und gern geen in das spital diser welt, da warzuͦnemen wie diszer und der arm sünder ligend in der schwären sucht irer sünden predigen teutsch (1508) 32ᵈ;
im erotischen bereich steht es für 'liebeskrankheit':
that sie mostin helean halte endi blinde,
liudeo lefhedi, legarbed manag,
suara suhti
Heliand 1843 Sievers;
wars durch fromme kraft des guten,
wars durch dunkle macht des bösen,
dasz nach mondelangem ringen
ich von schwerer sucht genesen?
Dreizehnlinden¹³⁶ (1907) 289.
dû soltest dich von êrst gewert
hân dirre sühte swære
Engelhard 5853 Haupt-J.;
Calchas die ursach bald entdeckt,
warumb gott Phœbus hett erweckt
die schwere sucht
Ilias (1610) 1ᵃ.
trunckenheit, du schwere sucht,
zu zorn bringst manchen und unzucht
d. Teutschen weiszheit (1604) 2, T t 7ᵃ;
... die röthe, dieses blicken,
der schweisz, das hertzenweh, disz auff und nieder schicken
der säufftzer zeiget ja, dasz ihre beste frucht
ein wahres stücke sey der rechten schweren sucht
(1690) 1, 59.
β)
böse sucht stellt sich als jüngere variante nach grundbedeutung und anwendungen dicht daneben; pluralischer gebrauch ist häufig und zielt meist auf schwere seuchen: der herr wirt ... die bösen suchten der Egypter ... keine über dich füeren Zürcher bibel (1531) Deut. 7, 15; ähnlich dann auch singularisch (hier in der regel als krankheit des individuums):
noch im 19. jh. in archaisierender sprache:
oder in volksmäsziger redeweise:
wie schwere sucht wird auch böse sucht gelegentlich auf bestimmte krankheiten specialisiert, etwa auf die pest:
auf die epilepsie:
auf die maul- und klauenseuche beim rindvieh: dasz keinem kein vehe ab oder under gang der bösen sucht (18. jh.) bei 7, 273. auch die leichtigkeit des übergangs in bildliche gebrauchsweisen hat böse sucht mit schwere sucht gemeinsam. es kann gefährliche gährungserscheinungen des öffentlichen lebens ausdrücken, die sich seuchenartig fortpflanzen, z. b. eine verschwörung oder meuterei: als nun diese ding in dem griechischen heer gehandelt, und diese böse sucht weiter umb sich gefressen, ist dieses alles ... dem hauptmann Aristides angezeigt worden Plutarchus (1580) 159ᵃ; religiös-moralisch genommen, geht es auf die sündige menschennatur im allg. oder auf einzelne laster: die böse sucht von der erbsünd schiff der penitentz (1514) 24ᵃ;
es ist ein sondere böse sucht und unart an uns menschen, dasz ... (um 1600) bei schwäb. 5, 1947; mit deutlicher färbung nach III hinüber: so ward ich von jener bösen sucht befallen, die uns verleitet, aus der quälerei der geliebten eine unterhaltung zu schaffen 27, 111 W. (in befallen steckt noch die krankheitsvorstellung, verleitet weist schon auf sucht als trieb); im erotischen sinnbezirk verbildlicht böse sucht als 'liebeskrankheit' (hier deutlich abwertend) den zustand blinder, verzehrender leidenschaft:
und möcht mich etwann maszen
vil manche böse sucht,
die sunst stäts auff mir blyb
lied d. 16. jh. bei schwankb. 656 lit. ver.;
saft den süpplein ihrer küche,
herzarznei für böse sucht,
dunkeln locken wohlgerüche
zog sie (die Römerin) aus der edeln frucht (krokus)
gaudeamus (1868) 161;
seht diese wurzel hier! sie heilet alle wunden ...
sie ist ein hauptrecept für jede böse sucht
volksschauspiele in Bayern u. Öst.-Ung. 281 Hartmann.
Apollo schosz in schneller eyl
under die Griechen tödlich pfeyl,
darvon ein grosze menig starb
und an der bösen sucht verdarb
Ilias (1610) 9ᵃ;
... und man meynt,
ob (dasz wohl) heil ihr (der wiesel) blut die böse sucht
ird. vergnügen 6 (1739) 238;
und het man noch der tugent acht,
vil menschen wurden frum gemacht,
von den wir haben selten zucht,
der ligen vil in beszer sucht (sündenleben)
trostspruch 45 ndr.;
dann liebe ist ein böse sucht,
da durch der mensch wirdt so verrucht,
das er nit acht ehr oder schandt
bei griech. dramen in dt. bearb. 2, 293 lit. ver.
γ)
leidige sucht heiszt ganz überwiegend 'seuche, epidemie' und meint in den dahingehörigen belegen immer die pest: disere leidige sucht und grausambes sterben (16. jh.) bei 7, 272; es sind anno 1635 an der leidigen sucht in die 150 ... personen in gott selig entschlaffen (1637) ebda; und ist ... der engere auszschusz zum öfftern zusammen kommen, nemblich ... anno 1635 ... zu Botzen wegen eingeriszner laidigen sucht unnd der nothwendigen sterbhuetswachten des tirol. adlers ehrenkräntzel (1678) 221; dann mitten in gedachten monat Julii risse ein die laidige sucht mercks Wien (1680) 11; vgl. noch: die leidige sucht, die pest the sickness, the plague, the pestilence, the pest (Ludwig) teutsch-engl. lex. (1716) 1922. ganz vereinzelt, im Grödnertal, wird leidige sucht zur bezeichnung der epilepsie gebraucht ( tirol. 727). leidige sucht als pest auch in bildlicher verwendung: dahero sahe ich augenscheinlich, in was erbare gesellschafft die leidige sucht der hurerey zu leiten pfleget (d. i. Joh. Beer) teutsche winternächte (1682) 629.
δ)
giftige, vergiftete sucht 'bösartige seuche'; fast immer ist die pest gemeint: wa ain person mit diser giftigen sucht befleckt (ist) chr. d. dt. städte 33, 221 (zum j. 1563);
pestilenz und giftige suchten (1672) bei 7, 272; verstärkend oder verdeutlichend können noch weitere von den adjectiven hinzutreten, die mit sucht in fester verbindung stehen; unter bes. hervorhebung des epidemischen charakters (vgl. u. gemeine sucht): pestis eyn gemeyn gifftig plag oder sucht dict. latinogerm. (1537) 179ᵇ; unter bes. hervorhebung des contagiösen charakters (vgl. u. erbliche sucht): sei gleich pestilenz ein erbliche vergifte sucht (1564) bei 7, 272; unter bes. hervorhebung des bösartigen charakters (vgl. o. schwere sucht), bildlich: zu letzt dar auff zu fuglichen remedien widder diese schwere gifftige sucht (Luthers lehre) zu procedieren Wormser reichsacht (1521) bei 15, 267 W. —bittere sucht in gleicher bedeutung, aber nur gelegentlich vorkommend: vor hunger söllend sy verschweynen und verzert werden vom feber unnd vonn bittern süchten Zürcher bibel (1531) Deut. 32, 24 ( 1523 /28 von bittern seuchen, 1545 jehem tod).
gar ein vergiffte sucht und plag
under die Griechen er (Phöbus) in clag
darkommen liesz; vil volckes starb
und schnell desz gähen todts verdarb
Ilias (1610) 1ᵇ;
ε)
grimme sucht erscheint gelegentlich im 17. jh. als eine jener zeittypischen wendungen, die einen festen pathetischen ausdruckswert mit unbestimmt schillerndem sachinhalt verbinden; um den allg. bedeutungskern 'krankheit' oder auch 'seuche' legt sich eine atmosphäre von erbarmungslosigkeit und schrecken, um die es dem dichter wesentlich zu tun ist (das gilt bes. für Gryphius):
erschrick nicht, wann die schwartze pest
im finstern schon wird schleichen,
und grimme sucht sich spüren leszt
bey mittagzeit ingleichen
psalmen);
(1690) 3, 175 (ich schmachte fern von dir in schmertzen ohne zahl
und winsle voll von weh in diesem thränensaal,
indem die grimme sucht den körper gantz zustöret
lyr. ged. 30 lit. ver.
b)
das epitheton weist auf den tödlichen ausgang des leidens. tödliche sucht 'todbringende seuche', insbes. 'pest': het synd ouch in dem jar veele hellig gebirnt (plötzlich gestorben) an eyn todliche sucht die men pestilenzie nœmet 'mscr. aus d. 13. jh.' bei altdt. hist.-dipl. wb. 80. —sterbende sucht 'pestepidemie': pestilentia eyn suchte, sterbende suchte gl. 431ᶜ.
c)
das epitheton hebt alter (bzw. neuheit) oder dauer der krankheit hervor. alte sucht 'chronische krankheit': veternum (i. e. morbus antiquus) alt sucht gl. 616ᶜ; daneben alte suche, alde syecte; vgl. auch 701. — lange sucht dasselbe: cronica (passio) die lang suͦcht gl. 640ᵇ. —chronische sucht dasselbe, bildlich: darum ist das übel (gemeint sind politische verhältnisse), das mehr im charakter einer chronischen sucht schleichend die kräfte untergräbt, nicht minder zerrüttend als jene acuten entzündungen hl. allianz (1822) 52. —neue sucht begegnet vereinzelt als bezeichnung des volkes für eine plötzlich auftretende, bis dahin unbekannte epidemie, so 1438 in Köln: (bittprocessionen werden abgehalten) want it alle cristenheit durch starf welsch ind duitsch ind ouch in heidenschaf allet mit der nuiwer suchden ende ouch mit gelicher rasender suchden chr. d. dt. städte 13, 180 (nach 920 handelt es sich um 'eine fieberhafte seuche mit gespensterfurchtdelirien'); 'die grippe-epidemie im winter 1889/90 nannte das volk d'neu sucht' Straszb. 107. — über die neue sucht des Paracelsus vgl. u. auswerfende sucht.
d)
das epitheton bezeichnet die übertragungs- und ansteckungsfähigkeit des leidens. befleckliche sucht 'ansteckende krankheit': contagium beflechkleich sucht nov. gl. 110ᵇ; daneben bevlecte suycte; vgl. auch 702. —anerbende, erbliche sucht meint zunächst allg. dasselbe (während die bedeutung 'angeborenes, ererbtes leiden' dem verbreiteteren erbsucht zufällt): contagio, contagia, contagium anerben sucht oder suchtunge
gl. 145ᶜ. des weiteren umschreibt erbliche sucht dann auch einzelne contagiöse, seuchencharakter tragende krankheiten, wie die pest: der erschröcklichen erblichen sucht oder pest slg. d. württ. gesetze 4, 343 (zum j. 1567); oder die syphilis, vgl. Häser lehrb. d. gesch. d. med.² 2, 250 und 703. —anhangende sucht dasselbe ('die sich gewissermaszen an die kleider anhängt und so verschleppt wird' 701): contagio, contagia, contagiosus (morbus) anhangende sucht gl. 145ᶜ und 146ᵃ; nov. gl. 110ᵇ; daneben nd. ænhanghende siecte. —ansteckende sucht dasselbe: mal contagioso, contagio ansteckende sucht teutsch-ital. dict. 2, 1036ᶜ; mit genauerer bestimmung als epidemie (pestepidemie): es hat dise ansteckende pestilenzische sucht gedauert etliche jar (16. jh.) bei 7, 272; bildlich für 'klatschsucht': da ich ... erfahre, dasz auch diese (frau), sonst schon ein engel im gewande der sterblichkeit ..., ein raub dieser ansteckenden sucht geworden ist (1842) 5, 94. —contagiose sucht 'durch ansteckung sich ausbreitende epidemie': doch sölle sich solches (die festgesetzte ärztetaxe) nicht in pestilenzialischen und contagiosen süchten verstehen, sondern von allein ordinari krankheiten (1645) bei 7, 272.
e)
das epitheton betont die verbreitung der krankheit. gemeine sucht (neben gemeiner tod, gemeines sterben) allg. 'epidemie': epidemia gemeyne sucht gl. 204ᵃ; disz herpsts ist ein gemeine sucht von pfnüsel und huosten das ganz land ... durgangen, man nampts das hüenerwee J. Haller (1550/73) bei 7, 272; im bes. 'pest': pestis, pestilentia gemeyne sucht dict. latinogerm. (1537) 488ᵃ; bildlich, um weitverbreitete moralische miszstände zu bezeichnen: es ist aber ein allte gemeine sucht unkeuͦscheit der frawen dt. schr. 1, 11 Herrmann; es ist eine gemeine sucht an den meisten häfen, das man betrüglich mit einander umgehe hd. kanzelley (1659) 395. —grassierende sucht 'epidemie', im bes. pestepidemie: als die grassierende sucht ... eingerissen, haben (die einwohner) sich ein zeitlang anderst wohin begeben etwas für alle (1699) 1, 244; mit ausdrücklicher hervorhebung des pestcharakters: (die grenze gesperrt) aus ursachen grassierender pestilenzischer sucht in unsern landen (1588) bei 7, 272.
f)
das epitheton unterstreicht die raschheit des umsichgreifens der seuche. gähe, gählinge sucht allg. 'epidemische seuche, die sich rasch verbreitet und zu alsbaldigem tode führt': dasz so ein harte gähe sucht uf der strasz under si (die söldner im Novarazug) komen, dasz von 12000 kum der dritteil überbliben Anshelm Berner chr., bei 7, 272; im bes. 'pest' (neben verbreiteterem gäher tod), vgl. v. d. 12 zeychen natur (1530) 59, nach 705. —geschwinde sucht mit der gleichen allgemeinbedeutung: wann geschwinde suchten und krankheiten einreiszen soltend Boszhart Winterthurer chr. (1529 ff.) bei 7, 272; unde alse men meynede disse geschwinde sucht allein Lyfflandt gedrapen hadde chr. v. Lyfflandt (1584) in scr. rer. Livon. 2, 140; in scherzhafter bildlichkeit für 'geilheit, ungehemmte sexualität':
— geschwinde fliegende sucht vgl. unter fliegende sucht. — schnelle sucht dasselbe: tho dersülvigen tydt ... hefft sick solck eine unerhörede schnelle sucht unde kranckheit erstlick in Revel ... erhaven, dat binnen korten tyden ein untellich volck daranne gestorven ys chr. v. Lyfflandt (1584) in scr. rer. Livon. 2, 140; (gott danken) für die abgenommen schnellen suchten und sterbensläuff (1644) bei 7, 272; vgl. auch snelle suche pestilentia nov. gl. 290ᵃ. —fliegende sucht dasselbe: unde dat erer vele ... kranck legen, beyde am hunger unde an der flegenden sucht Rüssow chr. v. Lyfflandt
(1584) in scr. rer. Livon. 2, 140; auch pleonastisch: tho dersülvigen tydt was ock de geschwinde flegende sucht ynt leger gekamen ebda 2, 141. —hinreiszende sucht mal épidémique vollst. dt. u. frz. wb. 2, 2 (1784) 1338ᵇ.
der war nun alt und wol betagt,
jedoch wardt er so sehr geplagt
von einem fehl, der im anklebt,
darinn er all sein tag gelebt,
welchs man nennt die geschwinde sucht,
davon herkompt die menschlich frucht
Esopus 1, 291 Kurz.
2)
die krankheit wird durch angabe der sie begleitenden abnormen körpertemperaturen klassificiert.
a)
das epitheton enthält den begriff 'hitze'. heisze, hitzige, hitzende sucht bezeichnet fieberkrankheiten verschiedener herkunft, aber anscheinend immer (z. b. gegenüber ritte, ritten, s. teil 8, 1051) schwereren (infectiösen) charakters, mit hohen temperaturen und von längerer dauer; pluralischer, zusammenfassender gebrauch scheint zu überwiegen: der ist behuot vor haizen sühten, die ze latein febres haizent buch d. natur 130 Pfeiffer; dar umb ist ez (sc. himelprôt) guot in hitzigen sühten, die dâ koment von der colera ebda 91; der selb stain behüett seinen tragaer vor der âdersuht ... und vor dem dritägleichen riten und vor der hitzigen suht ebda 466; de rose ... is guͦt ... weder de heten sucht mnd. arzneibuch (14./15. jh.) im nd. jb. 15, 132; ist das bluot brun und schwarz, daz bezeichnet hitzende sucht und grint und kratzen (1474) bei 7, 272; (das heilwasser) dienet allen kalten und feuchten kranckheiten und schadet den hitzigen und trucknen süchten cosmogr. (1550) 406; welche grosze hitz haben ihn heyszen suchten, die stoszen köl und legen ihn auff, so gibet er ihnen wunderbarliche ruwe feldbaw (1551) 156ᵇ. noch im 19. jh. in leicht mundartlich (oberbairisch) gefärbtem heimatschrifttum, als 'fieberepidemie': die sind gestorben ..., wie selbigesmal die hitzige sucht grassiert hat in der ganzen gegend der holzgraf, in der gartenlaube 1861, 482ᵃ. —brennende sucht 'fieber': vor hunger söllend sy verschweinen und verzeert werden von brennender sucht und von bitterem gift Zürcher bibel (1548) Deut. 32, 24 (Luther hat fiber, ebenso die Zürcher bibel von 1531 feber). —verbrannte sucht (hierher gehörig?), s. hortus sanitatis (1507), nach 717, mit nicht ganz klarer bedeutung; 'die sucht oder krankheit infolge von zuviel verbrannter galle, die als hitzige galle sich (nach humoralpathologischer lehre) im körper ansammeln sollte' ( a. a. o.).
b)
das epitheton enthält den begriff 'kälte'. kalte sucht erstens 'jede mit kältegefühl oder schüttelfrost beginnende krankheit, namentlich das wechselfieber oder kalte fieber' ( 708): febris dy kalte sucht, kalde sucht gl. 228ᶜ; ders., mlat.-hd.-böhm. wb. 121;
zweitens erscheint es als umbildung aus sonstigem kalt(e) seich(e), zum vb. seichen 'mingere' gehörig, mit der weiteren bedeutung 'harnwinde' und der engeren 'tripper': stranguria, stranguinea dy kald sucht nov. gl. 349ᵇ (vgl. auch 708). —frierende sucht 'fieberhafte erkrankung, die mit schüttelfrost beginnt' ( 704): febricitari die friesend sucht vocab. theut. (1482) i 3.
sie giebt ihr starcke säfft und wurzeln zum erwarmen,
auch blumen von kamill, und was für kräuter sein,
und treibt die kalte sucht durch heisze sachen ein
dt. ged. 23 Fischer;
3)
die krankheit wird nach ihren specifischen symptomen, nach ihrer besonderen natur oder ihrer herkunft durch ein epitheton prägnant bestimmt. die meisten dieser epitheta sind mit dem subst. sucht begrifflich so fest zusammengewachsen, dasz die wortverbindung früher oder später in composition übergeht. beide ausdrucksweisen sind dann nebeneinander im gebrauch, bis sich in neuerer sprache (soweit sie das wort überhaupt bewahrt) die compositionsform durchsetzt.
a)
das epitheton bezeichnet das für die betr. krankheit charakteristische symptom; bes. häufig hat es in dieser gruppe die form eines part. präs., vgl. Germ. 2, 377 f.
α)
fallende sucht hebt sich durch alter, verbreitung und häufigkeit der bezeugung und durch beharrliche lebensdauer aus der ganzen reihe heraus. abgesehen von B 3 d, hat hier allein das simplex sucht als krankheitsname bis in die gegenwart
auch schriftsprachlich sich erhalten (Pauls behauptung, dt. wb.³ 530, 'dagegen noch allgemein fallende sucht', ist freilich doch etwas zu weit gegriffen). ferner ist das verhältnis zum compositum fallsucht hier umgekehrt wie sonst in entsprechenden fällen: fallende sucht ist nicht nur weit früher bezeugt, sondern auch bis in neuere zeit hinein gebräuchlicher. die bedeutung 'epilepsie' ist durch die ganze entwicklung hindurch sehr fest geblieben (wenn man in rechnung stellt, dasz hin und wieder in älterer zeit epileptiforme zustände wie die eklampsie u. ä. miteinbegriffen worden sein mögen, vgl. 704). über die participialform fallend, an der (umständl. lehrgeb. 2, 14) erfolglos anstosz nahm, vgl. Germ. 2, 377 f. dort wird auch auf die dämonistische grundlage verwiesen, die in diesem typus bes. deutlich ist und noch formal lange nachwirkt (wenn es von der fallenden sucht heiszt, dasz sie niederwirft, angreift, ergreift, ereilt). ein schönes zeugnis aus dem 13. jh.: sô dû wellest dem menschen helfen der vallunden suht, sô nim einen niwen riemen hirzînen, sô in diu suht grüeze, unde bint im den umbe den hals zwei dt. arzneibücher 44 Pfeiffer. vgl. auch den ahd. segen contra caducum morbum, wo der beschwörende den (deutsch nicht benannten) krankheitsgeist anredet: also tuon (d. h. ferstoze) ih dih unreiner athmo kl. ahd. sprachdenkm. 381 Steinmeyer; s. auch 703 f. (ebda 761 über das königsübel, morbus regius, als welches u. a. auch die fallende sucht des öfteren erscheint). aus der fülle von synonymen ist vieles bei onomatologia medica (1755) 601 zusammengestellt, ferner mythol.⁴ 2, 968 und 3, 339; dazu s. teil 3, 1286 (wo auch für fallende sucht bereits einige belege gegeben sind). der älteste beleg ist as.: caducum morbum vallandia suht kl. as. sprachdenkm. 107, 5 Wadstein; auf hd. boden scheint die verbindung — sicherlich ein überlieferungszufall — erst im 12./13. jh. bezeugt zu sein: epilemsia (l. epilepsia) vallendiu suht (in andern hss.: vallindiu, vallendiu suth, valentê suht) ahd. gll. 3, 170; im 12. jh. setzen auch literarische belege ein:
des kämels hirn ... hailt die vallenden sucht buch d. natur 124 Pfeiffer; Valentin der hett die valenden sucht summerteil der heyligen leben (1472) 139ᵇ; verschiedentlich in vocabularien des 15. jh., für epilepsia, frenesis, larvatio gl. 204ᵇ; 247ᵃ; 319ᵇ; in der medicinischen literatur des 16. jh. ist fallende sucht (vorwiegend auf westdt. und süddt. boden) ein fester terminus: welcher sein bluͦt lasszt am ... 3. idus Junii, der gewint die fallenden sucht oder elephantiam, ist ein species der maltzey feldtbuͦch d. wundartzney (1526) 20ᵇ; von ursprung epilepsiae, der fallenden sucht, dardurch der mensch seiner vernunfft und sinnen beraubt wird opera 1 (1616) *4ᶜ (inhaltsverz.) Huser; auch in nichtmedicinischem schrifttum findet sich fallende sucht als krankheitsbezeichnung in gleichbleibender bedeutung bis zum ende der klassischen zeit, und zwar annähernd auf dem ganzen sprachgebiet bezeugt: etliche ... zeigen ertichte brieffe, als ob sie ... mit der fallenden sucht oder andern gebrechen beladen seyen theatr. diabol. (1569) 398ᵃ; ellendshorn ... ist gut für die fallende sucht gesichte 2 (1650) 328;
oft, wenn die fallende sucht ihn ergriff, vermeinte er, den engel zu hören (1810) 2, 55; einer truppe blinder musikanten, die von der fallenden sucht ergriffen werden 45, 204 W.; Julius Cäsar hatte die fallende sucht (1824) 3, 7; im späteren 19. jh. tritt fallende sucht in der schriftsprache zurück; wo es in moderner sprache noch erscheint, ist ihm ein leise archaischer klang zu eigen: er sah, was jedem andern verborgen war ..., wuszte ein mittel gegen die fallende sucht Cl. Viebig das
schlafende heer (1904) 1, 226. dagegen lebt die alte krankheitsbezeichnung in einer reihe von dialekten fort. — uneigentliche gebrauchsweisen sind recht selten; ein ironisches quiproquo: einige halten sie (die 'krankheit' der eitlen ruhmsucht) ... für einen art der fallenden sucht (1777) 2, 234; volle metaphorik nur in mhd. didaxe vereinzelt: diz wort (Jesu) heilet an unz den betterise und vallende sucht der ubelen trakeite hl. regel f. e. vollk. leben 37 Priebsch. — auch als tierkrankheit kommt fallende sucht 'epilepsie' gelegentlich vor: man schreibt, der spatz sol mit der fallenden sucht behafft werden, vonn wegen des bilsam kraut samen, welchen er frisset Plinius (1565) 464. — ganz singulär und schriftsprachlich nicht bezeugt ist die bedeutung 'lungenschwindsucht', die nach nordwestböhm. 89 follndə sucht manchmal neben der hauptbedeutung 'epilepsie' in der lebenden ma. des nordwestlichen Böhmen angenommen hat. (fallen hat hier wohl ähnlichen sinn gewonnen wie abnehmen und schwinden in den entsprechenden verbindungen, s. u.)
... die herren guote ...,
die diu vallunde suht warf nider
obd. Servatius 1572 in der zs. f. dt. altert. 5, 124;
aller meist die heten die vallenden suht,
die heten zuo ime grôze fluht
st. Ulrichs leben 1092 Schmeller;
und jedwedes übel war hier, ... erstickende flüsse
und die fallende sucht
(1763) 9, 178;
β)
hinfallende sucht in gleicher bedeutung, aber begrenzterer verbreitung: vielmehr setzt er im buch von der hinfallenden sucht ausztrücklich einen solchen schluszspruch von zäuberern (1592) 92; Hippocrates nennet die eheliche beywohnung eine art der hinfallenden sucht secretarius (1656) 1, T t t 4ᵃ; überdis schlug noch die hinfallende sucht zu Arminius (1689) 2, 93ᵇ; (der adlerstein) ist gut zu der hinfallenden sucht (18. jh.) bei 7, 273; bildlich: ich bejammerte die hinfallende sucht und seucht des gebrechlich hin und her waltzenden menschen künstl. unordnung (1670) 3, 46. — wiederfällige sucht gleichbedeutend, aber nur vereinzelt: recidibilis (i. morbus cadens) widerfallige sucht gl. 486ᶜ. — stürzende sucht desgleichen (s. teil 10, 4, 711): das dieser Mahometh sei ... mit der stürtzenden sucht oder fallenden siechtagen ... befallen und geplagt gewesen v. geringen herkommen Mahomets (1593) 231; vgl. auch 4, 416: stortende suke, stortende sieckte.
γ)
taube, tobende sucht (beide attribute, etymologisch eng verwandt und etwa gleichzeitig mit sucht in verbindung tretend, stehen auch bedeutungsmäszig im hier behandelten begriffsraum gleich und flieszen endlich im compositum tobsucht zusammen) bezeichnet alle arten von delirien und wutzuständen (vgl. 716). allg., gesteigerter erregungszustand (auch rein psychischer natur, wie im folgenden beispiel), wutanfall, tobsucht:
rabies tobende such, dobende sucht gl. 482ᵃ; im bes., acutes delirium, phrenitis bei entzündlichen gehirnkrankheiten: frenesis (i. apostema cerebri ex calore, rabies etc.) dabende sucht gl. 247ᵃ; aber auch krankheitsbilder mit gegenteiligen symptomen können gemeint sein, schwere betäubungszustände, sopor febrilis: licargia (l. lethargia) tobende sucht ...; wer sy hat, der ist jemerleich mit czugetan augen also ab er slafe Macer de herbis, bei gl. 325ᵃ; chronische geisteskrankheit, wahnsinn, manie:
mania dobende sucht, hirnwutikeit gl. 642ᵇ; von ursprung maniae, der tobenden sucht, welche allein der vernunfft, aber nicht desz sinnes beraubet opera 1 (1616) *4ᵈ (inhaltsverz.) Huser; taubesucht in diesem sinne noch bei hausapotheke (1645) 105. schon sehr früh, im 13. jh., begegnen pleonastische bildungen wie tobewütende sucht:
und, bildlich verwendet in religiös-moralischer didaxe, wütende tobende sucht: diz wort (Jesu) heilet an unz di wuͦtende dobende sucht dez unreinen zornez hl. regel f. e. vollk. leben 35 Priebsch (s. auch u. wütende sucht). — rasende sucht 'febrile tobsucht', vgl. das unter neue sucht C 1 c gegebene citat über die Kölner epidemie von 1438, ferner 713 und 920, auch gesch. d. volksseuchen 184; daneben rasendes fieber. —törichte sucht 'phrenesie, durch eine entzündliche gehirnerkrankung verursachtes delirium': frenesis (i. apostema cerebri ex calore, rabies) dorechtige sucht gl. 247ᵃ. — wütende sucht 'deliriöses leiden', entweder entzündliche gehirnerkrankung, phrenitis: von der wüttenden sucht frenesis genant. frenesis ist ein hitzig geschwer in dem heütlin des fordern teil des hirns erwachszen spiegel d. artzney (1532) 134ᵃ; oder chronische geisteskrankheit, manie: von der taubsucht mania genant. die taubsucht oder wütend sucht ist nit anders dann ein unreine matery der vordern cellen des hirns mit beraubung der einbildenden krafft ebda 76ᵇ.
er (Achilles) tet in sîner touben suht
alsam ein löuwe freissam
Troj. 28486 Keller;
mit tober suht uberladen
ist ie sit ir geslehte
der sœlden hort 2952 Adrian;
das Saule wurde sa zehant
ein unrehter geist irchant,
der in vil offte mit unzuht
in tobewuͦtende suht
wiste und virkerte
weltchr. 23850 Ehrismann;
δ)
schweinende, schwindende sucht (vor und neben häufigerem schwindsucht) 'auszehrung, schwindsucht, tuberculose': menschen, die die swindenden suht habent, diu ze latein tysis (phthisis) haizt buch d. natur 464 Pfeiffer; ethica (l. hectica) swinde (aus swinende) suͦchte gl. 211ᵇ; tabes der schwynend siechtag oder die schwynend sucht, der ettick dict. (1556) 1285ᵃ; (dieses wasser) vertreibt die malzey, schweinendsucht, schlag u. s. w. (1608) bei 7, 273; auch als krankheit des hausviehs, die sog. 'perlsucht' der schweine und rinder: tabem gregi afferre prästen under das vych bringen, als schweynend sucht, ettick etc. dict. (1556) 57ᵇ; vgl. zum ganzen auch 715. —abnehmende sucht dasselbe: ethica (l. hectica) abnemen die sucht gl. 211ᵇ.
ε)
durchspitzige sucht 'variola, blattern, spitzpocken, die papulöse beulen setzen' (Höfler 703): der erste siechtag ist ein durchspitzige suchte, als mit den büllen loufft (14. jh.) bei P. Ochs gesch. d. st. Basel 2, 452. —keuchende sucht (neben keuchsucht, vgl. keichsucht, teil 5, 439) 'asthma': orthomea (i. e. orthopnoea) die keukinde sucht bei Schmeller-Fr. 1, 1223. —schlafende sucht steht im 15.-17. jh. neben dem etwa gleichzeitig aufkommenden, aber häufigeren und bis heute lebendigen schlafsucht in gleicher bedeutung (vgl. Höfler 714): letargia schlaffende sucht Diefenbach gl. 325ᵃ, vgl. auch nov. gl. 232ᵇ; im bes. febrile schlafsucht, subeth, morbus sive somnus subethicus: subeth schlofende sucht Gersdorff feldtbuͦch d. wundartzney (1526) 100ᵃ; die nicht febrile schlafsucht, 'schlafkrankheit': veternus die schlaaffendsucht, ist ein kranckheit, da einen stäts schlaaffert, kumpt ausz müsziggon Frisius dict. (1556) 1372ᵃ; vgl. auch Hulsius dict. teutsch-ital. (1618) 2, 225ᵃ s. v. letargo. gelegentlich kommt auch schläfrige sucht vor: schläfferiche sucht frz. endormissement, ital. addormenzamento, stupore de membri Hulsius-Ravellus (1616) 316ᵃ. —grimmende sucht 'leibgrimmen, kolik': colica, colica passio die grymmende suͦcht Diefenbach gl. 640ᵃ. —reisende sucht: alva (?) die rysende sucht Diefenbach gl. 637ᵃ (zu mhd. rîsen 'fallen'). da die nächstliegende deutung 'fallende sucht' an alva keine stütze zu haben scheint, so wird vielleicht an 'durchfall, diarrhöe' zu denken sein (in diesem sinne steht alvus bei Columella 6, 7, 2), mit weniger wahrscheinlichkeit (wie Höfler 714 will) an 'leprösen haarschwund' (alphus 'lepra nervorum Virchow', arab. albaros; dazu vgl. mhd. ûz rîsen vom ausfallen des haares). —faulende sucht 'gesichtskrebs' (noli me tangere, rührmichnichtan, nach alter volksanschauung durch giftigen tierharn verursacht): noli me tangere (i. morbus in facie ex mictura glirium, vina muris vel gliris) fulende sucht (daneben irrtümlich auch vallende sucht) Diefenbach gl. 382ᵇ; vgl. auch Höfler 704. —wässerige sucht gleichbedeutend mit wassersucht: flegma, phlegma wasserecht sucht Diefenbach gl. 239ᵇ. — schweiszende sucht soviel wie das üblichere englischer schweisz, auch schweiszsucht und englische sucht (s. d.)
'sudor anglicus epidemicus': das grusame wesen der sweyszenden sucht im stift von Münster (1529) bei Höfler 920. —auswerfende sucht 'dysenterie' vertritt bei Paracelsus älteres aussucht; er prägt den terminus neue auswerfende sucht, um die 'mercurielle dysenterie' als folge übertriebener quecksilberbehandlung der syphilis zu bezeichnen: von der newen auszwerffenden sucht. ein jegliche erkaltung des leibs, die da zufällt ausz der kälten des Mercurii (quecksilbers) oder ausz kälte der abstinentz, dieselben erkälten das blut, das es in aller seiner substantz ein rotz wirdt, der für und für zu auszwerffen dringt Paracelsus chirurg. bücher (1618) 181; vgl. auch Höfler 701.
b)
das epitheton beschreibt den bei gewissen krankheiten auftretenden farbwandel der haut oder der ausscheidungen.
α)
gelbe sucht, nächst fallende sucht die älteste und verbreitetste dieser festen verbindungen, tritt etwa gleichzeitig mit gelbsucht in spätahd. zeit auf (soweit die belege einen schlusz gestatten, s. u.), steht dann gleichberechtigt und gleichbedeutend neben dem compositum, um ihm in neuerer sprache allmählich zu weichen. Adelung und Campe verzeichnen sie noch neben gelbsucht aus lebendigem gebrauch; für übertragene (redensartliche) verwendung finden sich noch darüber hinaus belege. gelbe sucht geht wie gelbsucht auf 'jede mit gelblicher hautverfärbung einhergehende krankheit, bei der gallenfarbstoff im blute zirculiert' ( 705), vor allem den icterus catarrhalis (morbus regius), sodann den hepatogenen oder resorptionsicterus bei leberleiden und die mit gelblicher haut- und schleimhautverfärbung verbundenen biliösen krankheiten ( 705 f.): lanugo (entstellt aus aurugo) i. elephantinus morbus gelewasuht (10. jh.) ahd. gll. 3, 516; regius morbus, aurugo gelewesuth (12./14. jh.) ebda 3, 53; 171; 223; 255; 481 (trotz der durchgehenden ineinsschreibung wird es sich in diesen fällen um die adj.-subst.-verbindung handeln, nicht — wie compositionsfuge 331 anzunehmen scheint — um das compositum, dessen lautgerechte form allein in gelo-, gela-, gele-, gelsuht vorliegt); ictericia gele sucht gl. 283ᶜ; flava die gelbe sucht cornucopiae (1732) 474ᵃ;
(eine auf Plinius 30, 94 zurückführende meinung); Sophie ist ihre gelbe sucht los ( 1776) br. von u. an Bürger 1, 269 Strodtmann; als des k(önigs) m(ajestät) von Ruszland zurückkamen, waren dieselben ... an der gelben sucht krank (proceszacten d. kämmerers Ritz 1798) kl. journal 1934, nr. 22, 12ᵇ; auch als viehkrankheit: wenn ein rosz die gelbe sucht hat, soll man es daran erkennen roszartzney (1618) 124; die ader an der brust dienet vor die gelbe sucht zulassen pferde- u. viehzucht (1658) 156; als wahrspruch eines mitglieds der fruchtbringenden gesellschaft (des abthuenden): die gelbe sucht neuspr. palmbaum (1668) 283; im 18. und 19. jh. begegnet gelbe sucht des öfteren (z. t. in correspondenz mit schwarze sucht) in redensartlicher verwendung, um die wirkung eines starken ärgers, eines kränkenden begegnisses drastisch-übertreibend zu kennzeichnen; noch mit deutlicher hervorkehrung der bildgrundlagen: die medici hätten jetzo gar nichts zu thun, wenn sie nicht das frauenzimmer zu curieren hätten, welche aus verdrusz, dasz ich ihnen meine gegenliebe versagte, an der gelben sucht kranck liegen (Stranitzky) ollapatrida 148 Wiener ndr.; sie ist so ärgerlich — ich dürfte nur alle tage einmal mehr in die schenke laufen; in acht tagen hätte sie die gelbe sucht, in vierzehn tagen die schwarze und in drey wochen wäre sie todt kom. opern 2 (1777) 241; etwas freier, abgeschliffener: der ... kerl ... macht uns bald allen die gelbe sucht dt. schaubühne (1741) 3, 78;
bes. in der formel sich die gelbe sucht (an den hals) ärgern: möchte ... sich die gelbe sucht an den hals ärgern menschenhasz act 4, sc. 5; ich habe mir fest vorgenommen, mir an all dem schimpf unsrer zeit weder die gelbe noch an meiner frau die schwarze sucht zu ärgern Fr. Arndt bei schr. f. u. an s. l. Deutschen (1845) 1, 137; in anderer richtung liegt die wortspielerische vermischung des medicinischen terminus gelbe sucht mit sucht 'cupiditas' (s. unter III), wobei der aus aurugo herauszulesende doppelsinn (aurum) pate steht: viele haben die gelbe sucht nach golde anfangsgründe z. teutschen poesie (1724) 637.
das wasser (harn) zeiget mir nit fel,
ir hondt ein sucht, die nent man gel
narrenbeschw. 275 ndr.;
der grüne kefer saugt so an sich böses blutt,
die taube zeucht an sich der giftgen feber flecken,
und für die gelbe sucht sind die goldammern gutt
geistl. gedancken (o. j.) 69
ich krieg noch heut die gelbe sucht
dram. werke (1828) 7, 255;
β)
rote sucht (neben verbreiteterem und bedeutungsmäszig weiterreichendem rotsucht, vgl. 714). 1) krankheiten mit rotem exanthem. a) masern: morbilli, bothor arab. die masern, die rothe sucht; ist eine eigene krankheit, die oft auch epidemisch ist, mit allerley fiebrischen zufällen ...; es äuszert sich dabey auch viele hize und kopfweh und husten, hauptsächlich aber bestehet sie in rothen fleken über die ganze haut onomatologia medica (1755) 1021; im schwäbischen verbreitet, vgl. 5, 1947; b) scharlach: im schwäbischen verbreitet (erster beleg Ulm 1757: württ. jbb. 1913, 333), vgl. Fischer ebda; c) asphyktische hautröte oder dermatitis, erythema, hautfratte bei neugeborenen ( 714), vereinzelt, vgl. die schrift von Gregor Horst kurtze nothwendige bericht, erstens von den urschlechten oder kindsblattern wie auch masern, röteln, rotesucht oder kindsflecken, zum andern von der roten ruhr ... (Gieszen 1624). 2) blutharnen bei tieren, umgebildet aus rote seiche (neben rotes wasser und rotharnen), vgl. universallex. d. thierarzneikunde 2 (1843) 246.
γ)
schwarze sucht 'cholera': rezept, die gelbe und schwartze sucht zu vertreiben der vollk. teutsche soldat (1726) 334; die schwarze sucht le trousse-galant, sorte de maladie périlleuse qui fait mourir promptement, et qu'on appelle ordinairement coleramorbus nouv. dict. 2 (1784) 746; bildlich:
eine andere bildliche verwendungsweise, sich die (gelbe bzw.) schwarze sucht ärgern, ist aus Chr. F. Weisze und Fr. Arndt unter gelbe sucht belegt. ganz vereinzelt steht schwarze sucht für die 'pest': wie sie so emsig arbeiteten, hatten die pestheiligen auch wieder ein einsehen und geboten der schwarzen sucht abermals stillstand volkssagen, bräuche u. meinungen aus Tirol (1897) 198 (historische volkssage zur pest v. 1636).
das misztraun ist die schwarze sucht der seele
E. Schmidt;
1, 36 δ)
weisze sucht vereinzelt neben weiszes gesücht und häufigerem weiszer flusz 'fluor albus, weiszflusz' (frauenkrankheit): es befinden sich auch bey dem caffeetranck wohl die weibspersonen, bey der von verstopffter monatreinigung herrührenden weiszen sucht thes. sanitatis 3 (1728) 363. —bleiche sucht ganz vereinzelt neben bleichsucht 'chlorosis, oligocythämie der sich entwickelnden mädchen' ( 702): chlorosis, febris amatoria jungfernkranckheit, liebesfieber, bleiche sucht thes. sanitatis 1 (1712) 201 (im übrigen hat auch er bleichsucht).
c)
das epitheton enthält in adjectivischer form den (sonst selbständig als subst. auftretenden) üblichen namen der krankheit. aussätzige sucht 'aussatz, lepra' (das übliche ist ahd. mhd. misal-, miselsuht):
lepra eyn uzsetzige sucht gl. 324ᶜ; bereits ahd. in ähnlicher verbindung: morbo elephantino uuhsazin (l. uuzsazin) suhti ahd. gll. 4, 330; vgl. auch 701. — gichtige sucht 'gicht':
—pestilenzische, pestilenzialische sucht 'pest, pestepidemie': da pestilenzische sücht umbgiengen (1580) bei 7, 272; darumb ob mich der todt bekümmern wirt mit pestilentzischer sucht, wöllest solchs gedultiglich tragen buch der liebe (1587) 117ᶜ; doch sölle sich solches (die festgesetzte ärztetaxe) nicht in pestilenzialischen und contagiosen süchten verstehen, sondern von allein ordinari krankheiten (1645) bei 7, 272; dasz die ganze eidgenossenschaft von dem sanitätstribunal zu Mailand wegen verdachts 'der pestilenzialischen sucht' in bando genommen worden ist eidgenöss. abschied v. 1731 ebda. —melancholische sucht 'krankheit der melancholie, schwermut' (?):
si was leidec unde swach
an der uzsetzigen sucht
passional 118, 19 Köpke;
do saz ein sicher an dem wege,
den die gichtige sucht
an siner aderen unzucht
verlemte sere unde tet im we
passional 218, 47 Hahn.
... die Africaner leuten
die melancholisch sucht fast tag und nacht thut reiten
dt. Dädalus (1675) 1, 66.
d)
das epitheton gibt land oder ort an, wo die krankheit (seuche) zuerst auftrat oder von wo sie eingeschleppt wurde. wälsche sucht meint offenbar eine schwere, bösartige grippeepidemie: (zum j. 881) so warend ouch vergangner jaren wunderbarlich suchten von den kriegsleuten ausz Langbarden und Westfrankreich in Teutschland bracht worden, die man die weltschen süchten hiesz ... sobald man den huͦsten überkam, so was es geschechen, und sturbend die leut gänd und ständ und sitzend gächlich an dem huͦsten dt. hist. schr. 3, 146 Götzinger; ähnlich gemeiner eydgnosschafft chr. (1548) 225ᵃ (dort heiszt es welschsucht). verwandte verbindungen mit wälsch, aber auf die syphilis gehend, s. teil 13, 1347. — neapolitanische sucht 'syphilis' (morbus neapolitanus, weil die syphilis erstmals in epidemischer form unter dem heer Karls VIII. von Frankreich vor Neapel 1494/95 aufgetreten zu sein scheint; durch die Franzosen drang die seuche nach Deutschland, daher das weit verbreitetere morbus gallicus, Franzosen; vgl. auch die verbindungen mit wälsch, teil 13, 1347): jener signor, der nicht durch Neapolis wolt reiszen, ausz sorg, es stosz in die neapolitanisch sucht an, das ist, er erb die rittermäsigen Frantzosen Garg. 5 ndr.; so fertiget auch Franckreich die meisten peregrinanten mit keinen andern künsten ab, als dasz sie ausz eigener erfahrung die stuffen der Frantzosen oder neapolitanischen sucht erzehlen können Pathmos (1677) 28. —englische, engländische sucht 'englischer schweisz, sudor anglicus epidemicus' (eine seit 1486 bekannt gewordene krankheit, vgl. 703 und chr. d. seuchen 2, 77): welche (krankheit) von den gemeinen leuten die schweiszsucht oder die engellendische sucht ... genandt worden mansfeld. chronica (1572) 431ᵇ. —ungarische sucht, sonst ungarisches fieber, eine gefährliche seuche (lues pannonica, febris hungarica) von nicht ganz geklärtem charakter, um die mitte des 16. jh. aus Ungarn eingeschleppt; die merkmale deuten bald auf eine choleraartige, bald auf eine ruhrartige krankheit, bald auf petechialtyphus oder beulenpest; wahrscheinlich traten auch begriffsvermischungen ein, vgl. 144 f. und B. Conradinus febris miscellanea Ungarica θηριωδης. kurtzer unterricht, wie ein jheder sein hausz in diesen gefehrlichen leuffen des maligne epidemialischen fiebers, die ungerisch sucht genant ... halten und regieren soll (Straszburg 1574).
e)
das epitheton sagt über die (physiologische oder moralische) ursache der krankheit aus. natürliche sucht 'die weibliche periode': hortus sanitatis (1507), vgl. 713. —venerische sucht 'syphilis': (es sollen in dem spital) keine erbliche krankheiten und abscheuliche sücht, als da sind die pestilenz, der ussatz, die venerische sucht oder französische krankheit u. dgl. zu kurieren kommen (1645) bei 7, 273; nach 717 auch 1588 und 1748 belegt. —geile sucht dasselbe: auch krankheiten könnten etwas wirken (zur verminderung der menschenzahl), z. e. die blattern und die geile sucht, die aus Asien und America nach Europa gekommen ... diese (die geile sucht) ... ist erst 1493 in der belagerung vor Neapolis unter den Franzosen entstanden; und ob gleich wenige daran sterben, so machet sie doch unzähliche personen
beyder geschlechter unfruchtbar (Gottsched) d. neueste aus d. anmuthigen gelehrsamkeit 6, 187.
f)
das epitheton umschreibt euphemistisch oder (in anderer stimmungslage) scherzhaft-verhüllend. selige sucht (daneben häufiger das selig, selige) 'schlagflusz, apoplexie': der stein (jaspis) ist ôch gut wider die saligen suht (12. jh.) clm. 536, f. 82 bei 2, 252; vgl. auch mythol.⁴ 2, 966. —hänfene sucht analogische bildung, ironisch für den galgentod:
thu auff ein hänffen rosz herreiten.
drauff ritt mein vatter auch vor zeiten.
auch so ist mir ein bruder gstorben,
an diser hänffen sucht verdorben
Götze.
21, 52 D.
sucht mit substantiv-attribut: eine andere, aber weit weniger geläufige möglichkeit, bestimmte krankheiten zu präcisieren, darin bestehend, dasz sucht bestimmungssubstantiva in abhängigem genitiv oder präpositionaler verknüpfung an sich zieht.
1)
mit genitivattribut.
a)
das attribut bezeichnet das betroffene organ: von des herzen siehtagen, der dâ haizt des herzen suht, und haizt ze latein cardiaca buch d. natur 27 Pfeiffer; ez ist auch guot für des ingewaides suht, wer daz öl mit flaisch izt ebda 326.
b)
das attribut bezeichnet die natur der krankheit oder ihr hervorstechendstes symptom oder gibt ihren gebräuchlichen namen an (in letzterem fall steht sucht pleonastisch): letargia sucht der vergessenheit gl. 325ᵃ (wohl 'gedächtnisschwund'; bei lethargia kam dem lexikographen offenbar lethe in den sinn; vgl. siehtum der vergezzenheit bei buch d. natur 367 und 405 Pfeiffer); (kranke) die mit der unreinen sucht der Frantzosen ('syphilis') beflecket und darvon erfüllet sind practica d. wundartzney (1563), citiert bei gesch. d. chirurgie 3, 260; thom lesten hefft de meister van wegen der sucht des blodtganges (der epidemisch auftretenden roten ruhr), de under dat krygesvolck gekamen was, wedderümme thorügge in Lyfflandt tehen möten chr. v. Lyfflandt (1584) in scr. rer. Livon. 2, 33; mit substantiviertem infinitiv: sucht des schwerlichen harnens ('harnröhrenverengung, harnwinde' u. dgl.) anatomi (1541) 31ᵃ; weil ... etliche mit der sucht des prechens ('pest') haimbgesucht und thails auch hingenommen worden chr. d. dt. städte 33, 221 (zum j. 1563).
c)
das attribut bezeichnet die dauer der krankheit: ephimera, ephemera eins tages sucht gl. 205ᶜ und nov. gl. 153ᵇ (daneben tagsucht, eins tages ritte) 'eintägiges fieber'.
2)
mit präpositionalem attribut (reine gelegenheitsbildungen): aquosa süht von vil wasser ('wassersucht') nov. gl. 30ᵇ (14. jh.); noli me tangere sucht von der roten saichung, sucht von raczen gl. 382ᵇ und nov. gl. 265ᵃ (gemeint sind fressende schäden, bes. epithelkarzinome im gesicht, ferner lymphangitis und phlegmone, vom volk der einwirkung von — rotem, giftigem — mäuse- oder ratten-, frosch- oder krötenharn zugeschrieben, vgl. 527 und oben faulende sucht).
II.
'sittliche, seelische, geistige krankheit'.
die in I gezeichnete bedeutungslinie wird von anfang an und über die ganze dauer der entwicklung hin von einer zweiten (wiewohl schwächeren) begleitet, auf welcher der krankheitsbegriff sucht ins geistige gewendet erscheint. (hierher gehören bereits die verschiedentlichen bildlichen anwendungen der in I C behandelten termini.) zur erklärung ist nicht nur auf den beziehungstrieb des mittelalterlichen denkens zu verweisen, das princip der analogia entis, sondern auch auf die ältere passionenlehre, die vielfach geistige vorgänge und zustände auf körperliche zurückführt bzw. als solche ausdeutet. es handelt sich freilich nicht um einen stricten bedeutungsübergang, sondern um eine immer wiederholte, usuell gewordene bedeutungsübertragung. dieser übertragungscharakter ist in den frühesten belegen ganz offenbar, später mildert er sich zuweilen bis ins kaum merkliche;
doch zeigt sich in der verbwahl (heilen, genesen u. s. w.) und in der sonstigen sprachlichen umgebung das gefühl für herkunft und grundsinn dauernd lebendig. obwohl es sich also nicht um einen autonomen bedeutungsbereich handelt, musz er doch im zusammenhang vergegenwärtigt werden, weil er die (bisher wenig beachtete) brücke zwischen I und III, die natürliche grundlage für die letzte sinnentfaltung des wortes bildet. denn wie sucht im hier behandelten sinn aus der urbedeutung I unmittelbar hervorgeht, so führt es schlieszlich in einigen anwendungen (z. b. B 1 c β) ganz nahe an III heran. — auch einige composita (sehnsucht, eifersucht, trunksucht u. a.) wurzeln in dieser schicht.
herkunft und übertragungsvorgang sind greifbar deutlich, wo sucht noch anceps steht (in physischem und sittlichem sinn, als 'krankheit' und 'sünde'):
sit dem male das got hat gegeben das wort, das stein und krut macht habent vil grosse süchte ze vertribende: wele macht wenent ir denne das der lebende gottes sun habe alle süchte der selen ze vertribende ...? predigten 237/38 Vetter.
tho riht unsih thiu redina, thaz wir uns warten thanana,
thaz suht ni derre uns mera then lidin joh thera sela
Erdm.;
3, 5, 6 A.
der geistige sinn wird durch ein inhaltlich ergänzendes attribut festgestellt.
1)
durch ein substantivisches attribut im genitiv, das den unkörperlichen charakter der sucht definiert; es fungiert als eigentlicher bedeutungsträger und drängt — a posteriori gesehen — das bestimmungswort sucht in die rolle eines pleonastischen füllsels (vgl. I D 1 b).
a)
sucht nimmt religiös-ethische färbung an; im sinne von 'sittliche verderbtheit':
ähnlich, aber aus der sehweise weltlich-höfischer ethik:
speciell als 'laster':
dise sucht desz thierischen zuͦsauffens myndert das heyl der seel büchl. v. zutrinken 7 ndr.
gireino uns thia githanka, wir birun thine scalka,
mit ginadono ginuhti fon suntono suhti
Erdm.;
2, 24, 22 der mueze minnen minneklich,
des er lop gewinne,
also daz er sünden suht
nie mer werde vuht (l. vruht?)
in MSH. 2, 371ᵃ;
jô wîs ich von êren frühte kargen man
zuo der schanden sühte
lieder 19, 19 Schröder;
so entwichet si und waget
ir lop, ir ere und ir zucht
und leget sich in der schanden sucht,
dar uz ein wip unsanfte erstet
kl. mhd. erz., fabeln u. lehrged. 3, 110 Rosenhagen;
lebt er in geilheit und unzucht,
ist er behafft mit geitzes sucht
gürtel d. lebens (1564) 3ᵃ;
b)
sucht geht auf seelische leiderfahrungen; im sinne von 'qual':
mit leides sühte bevangen Willehalm 123ᵃ Pfälzer hs.
mîn herze muoz die jâmers suht
ân freude erzenîe tragen
Willehalm 60, 22 Lachmann;
c)
sucht bezieht sich auf das liebeserlebnis; im sinne von 'verwirrende oder verzehrende leidenschaft, seelische verstörung' (s. u. A 3 a und B 2 b):
(Dido) verstrickt war mit der liebe sucht
Äneis (1610) 64ᵇ;
vor war ich recht besessen
mit liebes last und sucht
blumenf. 15 ndr.
2)
durch ein substantivisches attribut im genitiv, das den sitz der geistig verstandenen sucht bestimmt (vgl. I D 1 a); sucht des herzens als umschreibung der liebespein:
metonymisch:
in einem ganz späten beleg noch einmal eine ähnliche wendung, aber jetzt mit dem sinne 'seelischer schmerz' (als mütterliche, nicht erotische empfindung):
eine andere, ähnliche verbindung, um 'kummer, sorge' auszudrücken:
wer kan wenden sendes herzen suht
wan ir wiplich zuht?
in MSH. 1, 357ᵃ;
(Parzival) er wîbes ougen süeze
unt dâ bî wîbes herzen suht
Parzival 4, 21 Lachmann;
ich klagte ihr des mutterherzens sucht,
und mächtig rührtest du dich mir im schoosz
(1852) 6, 125;
lâ varen dîner gedanke suht
Willehalm 202ᵇ Pfälzer hs.
3)
durch ein adjectivisches attribut, das die sucht ihrer specifischen natur nach prägnant bezeichnet; es handelt sich hier um (meistens dem augenblick entsprungene) verbindungen, die in gewollter, z. t. ironischer anlehnung an die entsprechenden medicinischen begriffstypen gebildet sind (vgl. I C).
a)
zur kennzeichnung eines abnormen seelenzustands dient sehnende sucht 'liebespein' (s. o. A 1 c und u. B 2 b, ferner den bildlichen gebrauch von schwere sucht I C 1 a α und böse sucht I C 1 a β):
später mit anderer (paradox-antithetischer) formulierung, aber in gleichem sinne süsze sucht:
doch begegnet süsze sucht auch in der bedeutung 'spielleidenschaft':
ich junge, und tuot si daz,
und wirt mir gernden siechen seneder sühte baz
Lachmann;
54, 36 ir senen was sô minneclich,
daz maneges herzen senendiu suht
von jâmer dulte freuden fluht
durch ir zweier senden gruoz
g. Gerhard 4829 Haupt;
ich weis nicht, wie ich doch von dieser tohrheit kose,
und was die süsze sucht noch endlich aus mier macht
dt. Helikon 3 (1656) 185;
die hier die edle zeit verschwendet
und, so zu sagen, recht verspielt,
wenn ihre hand die charten hielt, ...
empfinden noch die süsze sucht,
wenn auch der geist bereits die flucht
aus seines körpers burg genommen
poet. betrachtungen (1750) 2, 45.
b)
auf charakterfehler gehen verbindungen wie faule sucht, ironisch für 'faulkrankheit, arbeitsscheu': allerley loses faules gesindlein, so wol mannes- als weibespersonen ..., so entweder landreumig ... oder mit der faulen sucht beladen sind und nicht arbeiten wollen zwey nützl. tractätlein (1664) 3ᵃ, cit. bei gaunerthum 1, 32; ob vereinzeltes faule sucht als schimpfwort hierher zu stellen ist, bleibt zweifelhaft (es würde dann ein ähnlicher grammatischer functionsübergang vorliegen wie in langes laster, langes elend u. ä.): (magd zu Sarah, die ihr faulheit vorgeworfen hat:) du fule sucht, was klapperist? Tobias (1619) bei 7, 274 (die an entstellung aus zucht 'vagina' oder aus mhd. zuht 'junges, kind' denken). — ferner stolze sucht 'hochmut':
macht dich deine wissenschaft
mit der stolzen sucht behaft
dichter. versuchgabe (1678) 122.
c)
'geistige verblendung' im allg. sinne umschreibt blinde sucht:
auf eine bestimmte zeitmode, der Griechenschwärmerei, zielt der nach dem typus wälsche sucht ironisierend gebildete ausdruck griechische sucht: er gestand mir, dasz der andere ein ehrlicher Münchner gewesen sei, den er abgerichtet und kostümiert habe, weil nun einmal die leute die griechische sucht hätten (1890) 2, 181.
diesz ist der götz allein, vor welchem alle welt,
aus einer blinden sucht, abgöttisch niederfällt
poet. betrachtungen (1750) 3, 140;
d)
ohne abwertenden sinn ist lachende sucht, nach dem typus fallende sucht gebildet, um (mit einem leichten klang von schalkhaftigkeit) die lebenshaltung des 'lachenden philosophen',
die εὐθυμία Demokrits, zu charakterisieren: ich habe mit viel antheil in den werken des Hippokrates den untergeschobenen briefwechsel über die lachende sucht des Demokrits gelesen 2, 199 Roth.
B.
der geistige sinn ergibt sich aus dem vorstellungszusammenhang.
1)
sucht im religiös-sittlichen bereich.
a)
in anknüpfung an den unter I B 2 behandelten grundsinn umschreibt sucht den zustand der sündhaftigkeit, dem der mensch durch handlungen oder einflüsse anheimfällt, oder auch die erbsünde als stigma alles kreatürlichen (vgl. auch bildlichen gebrauch von schwere sucht I C 1 a α und böse sucht I C 1 a β): menniskon muot stozent sie (die skenicae i. theatrales meretriculae, die musen des theaters) in dia suht 1, 12 Piper;
ja es geschicht underwilen ..., das usz sölichen haltungen der uszerlichen dingen ein sucht erwachszt, die ein tod und verderbnisz ist der rechten frommkeit Erasmus, ep. z. Timotheo (1521) fff 3ᵃ; auf die sündige anlage des menschen zielend:
oder auf die erbsünde im specifisch theologischen sinn:
die gottferne und selbstische lässigkeit weltlicher naturen treffend, mit bes. kräftiger betonung der medicinischen vorstellungsgrundlagen:
swer sînen lîp zieret vil,
ob er dan niht rehte wil,
diu suht diu innerthalben ist,
diu sleht her ûz in kurzer vrist
welscher gast 895 Rückert;
du menschenkind, gehorche nicht
der sucht in deinem krancken blut,
so dich zur sünden reitzen thut
lauter warheit (1598) 158;
du (Jesus) hast herumb geeilt
und unsre sucht geheilt
hl. seelenlust 163 ndr.;
wann willst du, armer mensch, von dieser sucht genesen,
von dem gewohnheitsstaar, von diesem seelengift?
ird. vergnügen (1721) 4, 325.
b)
von der bedeutung I B 4 b ausgehend bezieht sich sucht auf weitergreifende verderbnisse im religiösen leben oder der öffentlichen moral (gewissermaszen erkrankungen des corpus Christianum); auf unglauben und häresie: pestem suht. diu inzechinit ungaloupa vel ander upil in cristani ahd. gll. 2, 101; 115 (10./11. jh.); die weil itzt viel irrung einfallen mit der widdertauff, so will von notten sein, dorein ein vleiszig uffsehen zu haben, domit die sucht weiter nit einreisze (1531) bei täuferbewegung 154; auf rechtsfrevel: unrechter gewalt ist gar ain arge sucht bayer. chr. 186 Spiller.
c)
insbes. steht sucht, von seiner gattungsbegrifflichen function I B 1 aus, für 'sündliche eigenschaft, laster, charakterdefect, üble gewohnheit' (vgl. auch bildlichen gebrauch von schwere sucht I C 1 a α und böse sucht I C 1 a β) — principiell in verurteilendem sinn, doch mit starken gradunterschieden: von geistlicher verdammung bis zu leise tadelnder feststellung durchläuft der urteilsgehalt des wortes alle tonlagen.
α)
verdammenswerte charaktereigenschaft, laster; mit bestimmter beziehung: hochmuͦtikait ist ... ain verborgne sucht spiegel d. sitten (1511) a 8ᵃ; die geilheit etc. ist eine sucht, la lussuria è come un mal pestifero e contaggioso teutsch-ital. dict. 2 (1702) 1036ᶜ (im ital. come tritt der übertragungscharakter noch deutlich zutage); bis des östlichen welthandels zunehmende üppigkeit jene unnatürliche sucht (jünglingsliebe) allgemach auch dem helden des alterthums ... gemäsz achtete antisymb. (1824) 2, 450; indefinit und zusammenfassend:
welche süchten so man inen nach gibt Polybius (1574) 61 (gemeint sind moralische krankheiten, grausamkeit
und bosheit, die vorher mit physischen in parallele gesetzt waren); noch ganz bildhaft empfunden: es sind ... in der welt vier seuchen oder suchten, die nicht allein unersättlich, sondern auch fast unheilsam; wer an denselben kranck ligt, der ligt warhafftig in schwerer kranckheit, als da ist die geltsucht ..., die ehrsucht, die lustsucht, die gunstsucht catechismusmilch 1 (1657) 169; die irdischen und elementarischen geister, deren name stolz ehrsucht eitelkeit habsucht, kurz deren name alle suchten ohne unterschied sind schr. f. u. an s. l. Deutschen (1845) 2, 343.
ja, zu Lykurgens zeit, als noch die fremden sitten
der Spartiaten herz durch keine sucht bestritten,
war diesz gesetz gerecht
dt. schaubühne 6, 219;
β)
krankhafte leidenschaft, passion (schon ganz nahe an III heranführend, aber doch noch principiell als eigenschaftswort empfunden): darum billich wider dise schandliche sucht (die spielwut) ein feuriger eifer ab allen canzlen erzeiget wirt (1688) bei 7, 274; der ruin vieler edlen familien, die durch diese sucht (das hazardspiel) in die äuszerste armuth gestürzt worden, machte dieses verbot nothwendig England u. Italien (1785) 2, 13; das kegeln (kartenspielen, spazierengehen) ist bei ihm eine wahre sucht beitr. z. e. henneberg. id. (1881) 249; ironisch:
in der Schweiz noch heute formelhaft: 's ist eⁿ ganzi (oder eⁿ wari oder zu-n-ereⁿ wareⁿ) sucht wordeⁿ (bi-n-em) 7, 274. im 18. jh. übersetzt sucht manchmal geradezu den moralphilosophischen begriff passion: sucht malatia ..., it. passione teutsch-ital. dict. 2 (1702) 1036ᶜ; suchten passiones lex. nosol. polygl. (1801) 17ᵃ; vgl. die, aus den sucht-composita geschöpfte, Kantische definition: die neigung, durch welche die vernunft verhindert wird, sie, in ansehung einer gewissen wahl, mit der summe aller neigungen zu vergleichen, ist die leidenschaft (passio animi). man sieht leicht ein, dasz leidenschaften ... der freiheit den gröszten abbruch thun, und wenn der affect ein rausch ist, die leidenschaft eine krankheit sei ... man benennt die leidenschaft mit dem worte sucht (ehrsucht, rachsucht, herrschsucht u. dgl.) 10, 294 Hartenstein.
allein der kaiser war nicht wie wir andern dichter;
das reimen war bey ihm noch keine sucht
fabellese (1783) 2, 539;
γ)
abgeschwächt: üble gewohnheit; in dialektischen redensarten: das ist(-mer) doch eⁿ verdammti sucht (das lügeⁿ) 7, 274; das isᵗ e verdammti sucht mit dem lang macheⁿ (das lange ausbleiben ist verwünscht) 2, 326.
2)
sucht im geistig-seelischen bereich.
a)
im sinne von 'geistige verirrung, verwirrung, verblendung', auch von 'geistige modekrankheit' kann sucht mannigfache schattierungen annehmen.
α)
es charakterisiert abwege des tätigen menschengeistes (z. t. noch mit ethischer wertung); die alchemistische leidenschaft:
die zauberei (praestigia): dasz mannspersonen mehrentheils weniger mit dieser sucht behafftet sind Blockesberges verrichtung (1668) 130; die intellektualistische klügelsucht:
vil fallen schwär in dise suͦcht,
den doch dar usz gat wenig fruͦcht
narrenschiff 98 Zarncke;
du grübelst in der schrifft, und meinst mit klügeley
zu finden gottes sohn: ach mache dich doch frey
von diser sucht, und komm in stall ihn selbst zu küssen:
so wirstu bald der krafft desz wehrten kinds genieszen
cherub. wandersm. 64 ndr.
β)
oder modische entartungen der urteils- und willensbildung:
'verstiegene prätension': es eröffnet sich zu dieser unserer zeit ... unter geringen leuten eine sucht, in deren die patienten, wann sie daran kranck ligen ..., gleich rittermäszige
herren und adeliche personen ... seyn wollen 1, 25 lit. ver.
man wolte gold und sammet tragen,
die einfalt samt der tugend golte nicht.
die sucht hält nu die jungfern auch gefangen,
darum werd ich vorbey gegangen.
man liebt die runzelhaut, den husten und die gicht
geh. Venus 149 ndr.;
γ)
oder verwirrungen der vorstellungsbilder; 'wahnvorstellung':
'unklare phantastik': ich war fast immer sehr heiter, als ich dies buch (Lovell) schrieb, nur gefiel ich mir noch in der verwirrung. etwas von dieser sucht wird mir gewisz immer anhängen bleiben Tieck an nachgel. schr. u. briefw. 1, 342 Tieck-Raumer; dichterisches bedeutungsspiel mit sucht 'verwirrung' und suchen:
ein mucker ...
trug einen seltnen wahn in seinem kopf herum, ...
bis ein berühmter arzt ihn ...
... von seiner sucht befreyt
poet. versuche (1812) 1, 108;
Stiason: ich suche ewig sie, sie fliehet mich!
Primislaus: o wunderbare sucht, verkehrte flucht!
sie sucht dich nur allein, und fliehet dich!
(1852) 6, 200.
b)
häufiger wird die liebesempfindung, der zustand des liebenden oder das gesamtphänomen der liebe selbst als sucht bezeichnet (s. auch A 1 c und A 3 a, ferner bildlichen gebrauch von schwere sucht I C 1 a α und böse sucht I C 1 a β); das ist im sinne von 'verstörung oder zerrüttung des seelischen organismus' gemeint und hat meist stilistischen formelwert, geht aber letzten endes zurück auf die alte anschauung von der liebe als (körperlich-geistiger) krankheit, vgl. u. a. arch. f. kulturgesch. 3, 66 ff.:
und sy auch gern weste, wie es umb eüwer sucht wer geschaffen (gemeint ist Tristrants liebeskrankheit) Tristrant u. Isalde (volksbuch) 51 lit. ver.; denn die liebe ist ein sucht Amadis 1, 164 lit. ver.;
Juno ..., so bald sie die arme (Dido) von solcher sucht befangen sah 245 Bohtz; noch in einem späten bedeutungsspiel wird der zweite bestandteil des wortes eifersucht auf seinen grundsinn zurückgeführt:
ewr zarter mynne rost
hatt gefüget, das ich prynn
in herzen und in synn ...
ja, ich kan wol für die sucht,
sprach sy ...
liederb. d. Hätzlerin 135 Haltaus;
sagts nun öffentlich und frei,
liebe sei
eine sucht, die an kan stecken!
dt. ged. 1, 317 lit. ver.;
weil dein betragen mich verdrosz,
rätst du auf eifersucht? — ei, schwerlich!
's ist weder, kind, mein eifer grosz
noch meine sucht gefährlich
Sauer (Cotta).
1, 149 III.
'(krankhaft übersteigerter) trieb'.
aus den unter II behandelten übertragenen gebrauchsweisen (vor allem den entfaltetsten, B 1 c, auch B 2 a) entwickelt sich bruchlos, ja mit flieszenden übergängen, die heute fast allein geltende bedeutung von sucht als 'krankhaft übersteigerter trieb', indem in dem bedeutungscomplex des wortes das willensmoment und die daraus folgende zielbestimmtheit beherrschend wird. die grenze gegen II liegt formal gesehen da, wo das bewusztsein übertragenen sprechens dem empfinden eines abgegrenzten eigensinnes weicht; gehaltlich gesehen da, wo ein geistiger zustand oder eine geistige eigenschaft nicht mehr als seiendes (als substanz), sondern als bewegendes (als tendenz) erscheint, das seine sinnerfüllung nun nicht mehr in sich selber findet, sondern auf ein bewegungsziel weist. auch composita der zweiten stufe wie sehnsucht und trunksucht, ja selbst solche der grundstufe wie schlafsucht, tobsucht, mondsucht, in denen -sucht als ein tendieren zu etwas hin empfunden werden konnte (vgl. Paul dt. wb.³ 530), haben an der ausbildung der neuen bedeutung mitgeholfen. sie tritt zuerst wiederum in zusammensetzungen hervor, in einer dritten schicht von composita, wie sie im 16. jh. einsetzen (geld-, lust-, zanksucht), im 17. jh. fortgedeihen (ehr-, ruhm-, gewinn-, rach-, tadelsucht) und bis in die gegenwart hinein lebenskräftig weiterwuchern. seit dem 17. jh. nimmt auch das simplex sucht den sinn von 'cupiditas' an, zunächst in formalen auflösungen von composita (A 1 a), dann auch selbständig.
endgültig consolidiert wird der stand der entwicklung, als der alte ursprung des wortes durch volksetymologische (die zielbewegung verstärkende) anknüpfung an suchen verdunkelt wird, aus der die gebrauchsweise sucht nach etwas hervorgeht. die ersten lexikographen, die sucht mit suchen verbinden, sind vollst. dt. wb. (1734) 2, 766 (sucht inquisitio, desiderium) und (1737) 1644 (sucht ... studium quaerendi, a suchen quaerere); vgl. auch Andresen volksetymol.⁷ 371. nichtsdestoweniger klingt vielfach im ganzen des ausdrucksgefüges, bes. in der verbwahl, die grundbedeutung 'krankheit' noch immer an. und auch gehaltlich verbleibt dem wort überwiegend das bestimmungsmoment des krankhaften. im ganzen verrücken sich die bedeutungsconturen seit dem 17. jh. nicht mehr ernstlich (vielleicht von der jüngsten entwicklung abgesehen); nur wertungsgehalt und individuelle tonlage sind gleitend, und formal-grammatisch sondern sich verschiedene möglichkeiten. als element der schriftsprache ist das wort überall zu haus; aber auch mundartlich findet es sich vielfach, nicht nur im süden (Schweiz, Schwaben, Tirol) und westen (Pfalz, Rheinland), sondern auch in Friesland und Niedersachsen.
A.
sucht mit abhängigem logischem object.
1)
die formalen typen. (sie constituieren keine bedeutungsunterschiede; vielfach sind sie ohne sinnwandel auswechselbar.)
a)
durch zerlegung von composita, in denen -sucht bereits die bedeutung 'nimia cupiditas' hat, in eine hypotaktische substantivverbindung constituiert sich erstmalig der neue sinn auch für das simplex; doch bleibt dieser typus bis in die gegenwart sprachmöglich. structurell unterscheiden sich diese verbindungen von den äuszerlich gleichartigen in II A 1 und II A 2 dadurch, dasz der abhängige genitiv nicht die natur oder den sitz der sucht als geistiger krankheit, sondern das ziel der sucht als geistigen triebs bezeichnet.
α)
aus ehrsucht:
aus lustsucht:
aus effectsucht: eine sucht des effects Gerhards archäol. ztg. 1, 179; vgl. ferner den beleg aus 2 h (aus abenteuersucht).
wenn einsten ...
mein geist ist übern flusz gefahren,
wor uns der ehre sucht nicht rührt
geh. Venus 27 ndr.;
der ehren heisze sucht verlescht uns durch entzünden
sinnged. 180 lit. ver.;
der ehre rege sucht schwoll in den herzen auf
Hirzel;
135 der die stachelnde sucht der ehren
von sich warf und die eitle lust
Gödeke;
14, 117 zu früher lüste sucht,
wut sich zu schmücken wie ein weib, entweihen
Thuiskons heldenzucht
lieder Sineds (1772) 265;
β)
die beschriebene ausdrucksweise findet dann auch — ohne dasz bestimmte composita vorschweben — weitergreifende analogische anwendung: dessen kleine seele an der sucht der kleinigkeiten siechet gelehrtenrepublik (1774) 413; dasz demselben (dem zeitalter Homers) nichts fremder sey als eine sucht des lächerlichen 3, 204 Suphan; diese abenteurer, diese reinen vertreter der sucht des handelns jb. d. Grillparzerges. 4, 6/7; weitere belege finden sich bis in die neueste zeit, wenn auch seltener.
b)
von den präpositionalen verbindungen ist die mit zu relativ die älteste; ihr hauptvorkommen gehört dem 17. und 18. jh. an; das drängen der begierde auf ein bestimmtes ziel hin findet in ihr dichten ausdruck: kein sucht zu allen lastern sey gefährlicher dann ehrgeitz florileg. polit. (1662) 4, 93;
vgl. auch die von Stalder aufgezeichnete schweizerische redensart: 's ist jezt rechti sucht derzue (eine allgemeine begierde danach) 7, 274; gelegentlich scheint
ebenfalls noch, wie häufiger in 1 a α, ein compositum als sprachliches urbild durch: die geschichte ..., die ... dich mit der tollen sucht zum grosen mann ansteckte 2, 123 Gödeke (aus groszmannssucht).
dasz die wilde sucht zum kriegen
künftig noch viel schärfer glüht
poet. betrachtungen (1750) 4, 455;
c)
die heute gebräuchlichste präpositionale verbindung ist die mit nach, die der anknüpfung an suchen ihr dasein verdankt (vgl. o.); auch hier sind manchmal die entsprechenden composita anstoszgebend; von einem formal und gehaltlich merkwürdig isolierten Böhme-beleg abgesehen (vgl. A 2 h), setzen die zeugnisse mitte des 18. jh. ein: aber die sucht nach ruhm unterdrückte die empfindung des schönen nicht (1765) 3, 80; an dieser sucht nach fremden mustern gesch. d. dt. dicht. (1853) 3, 366; die sucht nach dem abnormen familie Barchwitz (1902) 116; mundartlich in der wendung eine sucht nach etwas haben, z. b. in Tirol ( 727), im Nordharz ( 190); vgl. auch ostfries. 3, 359.
d)
vereinzelt mundartlich auch sucht für etwas: by de Friezen nimt de sucht for 't frjemde ta friesch wb. 3, 235.
e)
am häufigsten von allen vorkommenden gebrauchsweisen ist die verbindung von sucht mit abhängigem infinitivsatz; die functionelle angleichung an die verwandten wörter trieb, begierde, verlangen, die schon in dem typus sucht nach etwas vollzogen war, wird durch die aufnahme dieser syntaktischen figur vollständig gemacht; die belege setzen in der ersten hälfte des 18. jh. ein (Brockes s. A 2 i) und ziehen sich in gleichmäsziger dichte bis in die gegenwart: man musz die sucht, solche neue wörter zu machen, nicht zu hoch treiben dt. sprachkunst (1748) 346; am ende ists wohl nur die sucht sich auszuzeichnen (1827) 2, 55; die sucht, viel zu genieszen und wenig zu thuen dt. arbeit (1861) 255; im schweizerdeutschen sind wendungen dieser art volksläufig: er hett die wüesti sucht, all nacht im wirtshus z'hocke Basler ma. 284; vgl. ferner Aargauer wb. 265 und 7, 274. im ostfriesischen findet sich mit leichter abweichung: sücht, um na hus to kamen 3, 359.
f)
ganz vereinzelt ist sucht mit anschlieszendem dasz-satz:
einen weiteren beleg aus vgl. unter A 2 h.
einig zu sein ist göttlich und gut. warum ist die sucht denn,
dasz nur einer und eines nur sei?
Litzmann;
1, 154 2)
die anwendungen und bedeutungsschattierungen. (sie sind auszer correlation mit den formalen kategorien; vielmehr überschneiden sie sich mit ihnen; auch spiegeln sie keine chronologische entwicklung, sondern nur wechselnde möglichkeiten; sie sind daher in rein logischer abfolge zu behandeln.)
a)
ein den ganzen menschen ergreifender und beherrschender trieb, der ihn sein denken und handeln auf die erreichung bestimmter realer wunschziele monomanisch concentrieren läszt; durch dauer, stärke und unersättlichkeit erscheint dieser trieb als krankhafte ausartung des willenslebens und darum als ethisch verwerflich. machthunger: despoten voll sucht, seelen zu fesseln oden 2, 142 Muncker-Pawel; es wäre nur gerecht ..., wenn sie bedeutend verkleinert würden, damit sie die sucht los würden, Europa zu knechten briefw. u. tagebuch 2, 356 Nerrlich; herrschsucht: ein papst, der aus irdischer sucht zur weltherrschaft die unterthanen gegen kayser, könige und fürsten ... empörte (1809) 3, 18; ganz umgewandelt hat die liebe mein kind; keine spur mehr von ihrer sonstigen sucht zu befehlen, zu herrschen erz. schr. (1861) 6, 57; mit betonung des übermaszes: die sucht des zuvielregierens schadet der freiheit eben so viel als dem wohlstande (1872) 10, 22; vgl. auch:
— auf carriere gerichteter ehrgeiz: eine so unsittliche mischung von verschlagenheit, feigheit, ... falscher devotion und sucht emporzukommen (1867) 1, 328; die sucht, gröszer zu werden Gervinus gesch. d. dt. dicht.
(1853) 3, 400; diese sucht, ein groszer mann zu seyn umgang m. menschen (1796) 1, 134; geltungstrieb:
die sucht, zu glänzen und zu scheinen, war ihm leider nicht fremd geblieben 5, 125 Hempel; ich ... halte die sucht, sich ... hervorzuthun, für pedanterey Lucian (1788) 4, 398; die sucht, sich anbeten zu lassen einsamkeit (1784) 1, 351; ruhmsucht: über die sucht nach einer unsterblichkeit, die keine ist ..., verlieren sie die, welche sie haben könnten reden über d. religion (1879) 132. — — gefallsucht: die eitelkeit, d. h. die kindliche sucht, durchs äuszerliche zu gefallen gesch. s. lebens (1790) 1, 145; ein äuszerst schwacher mensch, aber dabei auch der eitelkeit und der sucht, frauenzimmern gefallen zu wollen, ergeben bilderbuch (1849) 305; unter herausarbeitung der extrembedeutung von sucht: die lust zu gefallen ist ja etwas ganz anderes als die sucht zu gefallen (1875) 10, 75. — besitzgier: die zerstörende sucht nach eitlem gut 2, 87 Hempel; profitgier:
wie weit treibt Filipps sohn die tolle sucht zu siegen?
suppl. 1 (1797) 341 Göschen.
du (ländliche einsamkeit) verjagst aus meiner brust
alle sucht nach rang und ehre
verm. ged. (1785) 2, 9;
durst nach flitterputz und gold,
eitelkeit und sucht, zu glänzen,
weichen, wo das spinnrad rollt
kom. u. humorist. dichtungen (1802) 374;
das, was die bande zweyter ehe flicht,
ist schnöde sucht nach vortheil, liebe nicht
Shakespeare (1797) 3, 250.
b)
ein in der menschlichen natur begründetes, aber krankhaft übersteigertes, stachelndes verlangen nach bestimmten reizen und erlebnissen, das wenn nicht ethisch abgewertet, so doch vom vernunftstandpunkt aus miszbilligt wird. neuerungssucht: unaufhörlich haschte sein sinn nach neuen eindrücken, neuen genüssen. dieser sucht nach neuheit muszte man täglich neue nahrung reichen 9, 179 Gödeke; die sucht, immer etwas neues haben und ein ... gutes stück oder oper nur einmal, höchstens zweimal sehen zu wollen, ... ist ein wahrer verderb des theaters gespräche 5, 165 W. v. Biedermann; eine sucht nach neuerungen ist erwacht gesch. d. franz. revol. (1845) 191; ähnlich: sucht nach veränderung (1828) 20, 19; vgl. auch: ich rede hier nicht von der sucht der meisten dienstboten, alle jahre weiter zu ziehen (1855) 2, 123. — sensationsgier: die sucht nach dem abenteuerlichen hat ... in England viel liebhaberei für spukgeschichten ... hervorgebracht Schlegels Europa 2, 23; ich habe mich ein paarmal, aus neugier, langer weile, sucht zum seltsamen, verleiten lassen, ein solches weib (eine wahrsagerin) zu besuchen (1828) 12, 397; es ist gewisz nicht die sucht nach dem ungewöhnlichen tagebücher 2, 366 Werner; verwandt: die ganze jüngste generation mit ihren raffinements und ihrer sucht nach piquantheit vorgebildet ebda 1, 389; mit dieser sucht, sich zu amüsiren Jean Paul 7/10, 293 Hempel; wundersucht: jener ... sucht nach dem wunderbaren ..., welche der menschlichen natur eingeprägt scheint kraft u. stoff (1856) 34. — hang zum träumen: sie schienen fast geheilt von der verderblichen sucht, sich ... an den strand des meeres zu setzen und die rauschenden wogen nach den ... räthseln des lebens zu fragen (1877) 2, 3.
c)
eine grell hervortretende charakterliche neigung, die als fehler, unart oder zumindest als aufdringliche eigenheit empfunden wird: auch wird ihnen allgemein verschlagenheit, falschheit und sucht zu argwohn schuld gegeben völkerkde (1874) 368; uns feen selbst schont ihre sucht zu spotten nicht mehr 1, 3 Sauer-Glossy; nur liebe zur kunst läszt ... einen wunsch aussprechen, nicht etwa sucht zu tadeln 14, 24 Sauer; nichts liegt mir ferner als die sucht zu moralisieren briefw. u. tagebücher 1, 364 Assing; die sucht zu bessern läszt meist das gute nicht reifen sprichw. (1837) 42; eine ausschweifende sucht, alles zu beurtheilen, was in der gelehrten welt vorgeht d. neueste a. d. anm. gelehrsamkeit (1751) 3, 86; auch: die sucht zu beten 40 jahre (1843) 1, 26.
d)
eine geistige überspanntheit oder verranntheit, soweit sie sich extrem-triebmäszig äuszert; die kritikerhaltung des sprechenden ist auch hier voraussetzung des wortgebrauchs. nachahmungstrieb:
die erinnerung an die zeit, wo wir auf dem wege waren, eine ächte einheimische kunst zu bekommen, wenn ungünstige umstände und die sucht des fremden es nicht verhindert hätten, macht mich immer recht wehmüthig im Athenäum 2, 75; es ist merkwürdig, wie auch in der deutschen jagdsprache die sucht, das fremde nachzuahmen, sich nicht verleugnen konnte gaunertum 3, 106 anm. 2; umgekehrt originalitätssucht: die falsche sucht, original seyn zu wollen IV 2², 31 W. — falscher ehrgeiz nach geistigen betätigungen:
von jeher ist die philosophie, oder vielmehr die sucht zu philosophieren, wenn sie mode ward, der sprache am gefährlichsten gewesen 2, 322 Tieck; auch: diese gottverfluchte ... sucht, politik zu treiben erz. schr. (1861) 23, 219. — ein zur manie gewordenes denk- oder auffassungsprincip: aber dies (die christliche weltdeutung) wird keinesweges ausarten in eine der erforschung der natürlichen dinge widerstrebende sucht, in einzelnen ereignissen einzelne abzwekkungen derselben auf das reich gottes zu finden (1834) I 4, 522; die sucht aber, nur allgemeine gesetze zu finden, läszt zu diesem ende wesentliche unterschiede weg (1832) 7¹, 300; hierbei ist nicht die kleinliche sucht rege, unsterbliche thaten aus erbärmlichen anlässen abzuleiten 18, 152 Hempel.
jedoch, was kunst und fleisz vergeblich unternamen,
gelang der heiszen sucht, den groszen nachzuahmen
ged. (1743) 51;
wenn die sucht, gelehrt sein zu wollen, zunimmt im gleichen grade,
dann schenke Zeus dem nächsten geschlecht seine gnade
theatral. quodlibet (1820) 5, 9;
e)
abgeschwächt, eine aus dünkel oder gelehrtenhafter verschrobenheit erwachsene, marottenhafte vorliebe, die man belächelt: was Juvenal von der närrischen sucht seiner zeiten, griechisch zu reden, beiszend saget d. neueste a. d. anm. gelehrsamkeit 9, 737; die ... sucht, jede alte ... münze ... aufzutreiben allg. dt. bibl. 25/36 anh. 3096; (der dilettantismus) artet meistens ... in die sucht aus zusammenzuraffen 47, 302 W.; Quintilian selbst redet in der angezogenen stelle gegen die sucht, κακοφατα zu finden, offenbar 3, 287 Suphan; ein drittes gebrechen ist die sucht, den ursprung der meisten wörter aus dem lateinischen drehen zu wollen kl. schr. 4, 151; zu so unbesonnenen erklärungen kann noch jeden tag die gewöhnliche sucht, namen anzubringen, ... den ausleger verleiten alte denkm. (1849) 1, 65; etwas anders: viele von diesen schwärmern waren die ersten anbauer von Neu-England, diese trieben die sucht zu den nahmen des alten testaments noch weiter verm. schr. (1800) 4, 422.
f)
in der sprache der künstlerischen und wissenschaftlichen kritik bestimmte stilistische, darstellerische, methodische tendenzen, die als übertrieben und ungesund empfunden werden: willkürliche combinationslust und sucht nach paradoxien ... haben ihn wiederholt auf irrwege geführt kl. schr. 1, 136; sie hätten ... die würde ... der sucht nach verzierungen geopfert Winckelmann (1866) 2¹, 351; aus dieser anerkennung nun aber ist eine sucht nach idealischer darstellung hervorgegangen (1832) 10¹, 206; eine sucht, die sachen mysteriös darzustellen (1877) 3, 162; die absichtlichkeit des erzählers, seine sucht, dem leser etwas zu beweisen Scherer litgesch.⁷ 169; ihr habt eurer sucht nach experimenten oft den zügel schieszen lassen (1875) 15, 11.
g)
während in den bisher beschriebenen anwendungen die sucht mehr oder weniger ausgesprochen als typisches und dauerndes merkmal ihres trägers erschien, kann sie (seltener) auch einen zeitweise oder unter bestimmten bedingungen
manisch werdenden hang zu gewissen tätigkeiten bedeuten: jetzt hat die leidige sucht, gedichte und kleine modebücher zu lesen, ... die schwerfällige art zu studiren ... ganz aus der mode gebracht Seb. Nothanker (1773) 1, 118; da die leute (die indischen weiber) eine förmliche sucht hatten, unser englisches verbot zu übertreten und einander bei lebendigem leibe zu braten zu ehren der gattentreue, so muszten wir stets auf den beinen sein, um dergleichen zu hintertreiben (1889) 4, 62; oder schlieszlich ein aus einer concreten situation geborenes und auf specielle augenblicksziele gerichtetes, überstarkes bestreben: des feldherrn ruhm- und geldsucht erregte eine dritte sucht, den krieg so lange als möglich zu führen 23, 35 Suphan; die sucht, die mächtigsten männer und den hof anzugreifen was ich erlebte (1840) 2, 257; eine jede (von den tanten) hatte die krampfhafte sucht, etwas mit dem baby anzustellen säugling (1911) 15; ganz abgeblaszt: ich bin durch die sucht, weit kürzer als Meyer zu seyn, ... im anfange allzustark getrieben worden verm. werke (1768) 3, 213.
h)
gelegentlich wird sucht aber auch in wertfreiem sinne verwendet, um einen zwar gesteigerten, aber berechtigten oder begreiflichen trieb oder ein starkes verlangen gleicher art rein sachlich festzustellen. ein in der menschlichen natur liegender trieb, der als gegebenheit hinzunehmen ist: der liebesgeist, die sucht zum küssen (Gerstenberg) schlesw. litbr. 200 lit.-denkm.; am ende siegt ewig nur die sucht der selbsterhaltung mein kampf (1933) 148; ähnlich: eben so folgerecht ... ist auch die sucht, dasz ein mann von talent nicht allein sein werk bewundert, sondern auch seine person geliebt, verehrt haben will IV 20, 27 W. — ein individueller trieb, der aus innerem persönlichkeitsgesetz kommt und als solcher jenseits des urteils steht: freilich ist wohl in meiner sucht nach der fremde zu viel widerwille gegen die gewohnte umgebung (1828) 4, 10;
(aus abenteuersucht); in seinem Trojanerkriege verräth sich schon seine kritische sucht nach wahrheit in den verbesserungen, die er in der erzählung bereits aus klassischen schriftstellern eintrug gesch. d. dt. dicht. (1853) 2, 56; gleich in seiner frühesten kindheit, sobald nur der lerntrieb in ihm (Jean Paul) geweckt war, begann die sucht in ihm, bücher und buchstaben zu schreiben ebda 5, 204. — ein heftiges, sehnsüchtiges verlangen, das auf ein ethisch einwandfreies ziel gerichtet ist: ich habe jezt eine rechte sucht, immer an dich zu schreiben in br. von u. an Bürger 1, 380 Strodtmann; auch 4, 745 verzeichnet diese gebrauchsweise von sucht (für sehnsucht) als möglich, mit dem beispiel: ich habe eine grosze sucht danach. — ganz isoliert ist ein sehr früher beleg von sucht als wertfreiem metaphysischem terminus im sinne von 'urtrieb, urwille' des weltgrundes zum werden — wohl eine specifisch Böhmesche eigenwilligkeit: der ungrund ist ein ewig nichts, und machet aber einen ewigen anfang, als eine sucht; dan das nichts ist eine sucht nach etwas: und da doch auch nichts ist, das etwas gebe; sondern die sucht ist selber das geben dessen, das doch auch nichts ist als blosz eine begehrende sucht gründl. bericht v. ird. u. himml. mysterio (1676) 1.
seefahrend heil und sucht des abenteuers
reiszt dich ...
aus unseren augen auf das fernste meer
das neue reich 20
i)
vereinzelt begegnet sogar sucht als 'trieb' oder 'verlangen' mit positiver wertung; ein sittlich bejahrter drang der menschlichen natur:
frommes, inbrünstiges verlangen:
vgl. auch desselben autors:
von reinigkeit d. dt. spr. (1795) 429 als neuschöpfung des 18. jh. verzeichnet.
musz ausgerottet sein die väterliche sucht,
die uns ist eingepflantzt zu unsrer eignen frucht?
(1690) 3, 324;
ach mögte doch, wenn wir so süsze schönheit sehen,
bey uns erst eine lust, dann eine sucht entstehen,
denjenigen, wodurch sich feld und wald beblühmen,
in stiller anmut stets zu rümen!
ird. vergnügen (1721) 2, 14;
zeig äuszerlich der innern andacht sucht,
B.
alleinstehendes sucht.
1)
in abkürzender redeweise oder in rein begrifflicher verwendung begegnet sucht — bei gleichbleibender bedeutung — auch ohne ergänzendes object, das aber unausgesprochen gegenwärtig ist.
a)
sucht als 'krankhafter oder ausschweifender trieb' weist deiktisch auf ein bereits ausgesagtes ziel zurück, dessen wiederholte nennung erspart wird: die verwägenheit gewisser schriftsteller ..., die ohne alle noth unerhörte wörter bilden ... was zeigen diese durch ihre sucht (neue wörter zu bilden) anders, als entweder ihre unwissenheit ... oder ihren lächerlichen hochmuth beob. über d. gebr. u. misbr. dt. wörter (1758) 62; entsprechend: sie wollen doch immer so viel spekuliren! diese sucht mögen sie wohl aus dem leidigen brandenburgischen lande mitgebracht haben Seb. Nothanker (1773) 2, 237; du weiszt, dasz ich von jugend auf gern etwas neues sah und hörte ... diese unselige sucht macht mich jetzt unglücklich (1828) 5, 123.
b)
begriffen, die wie neigung, trieb ein gesundes, maszvolles streben oder wie lust, begeisterung ein tadelfreies interesse ausdrücken, wird sucht als steigerung ins extrem gegenübergestellt, um übermasz und krankhafte ausartung zu kennzeichnen; auch hier ist das ergänzende object hinzuzudenken: die neigung zum spielen ist bey ihm zu einer sucht (zu spielen) geworden vers. e. gramm.-krit. wb. 4 (1780) 875; entsprechend: dann wäre dieser gesunde trieb nie in eine krankhafte sucht ausgeartet (1840) 2, 114; als ... die lust am disputiren sich immer mehr entwickelt hatte und ... fast zur sucht gestiegen war 1, 87 Grisebach; die begeisterung für die reine lehre wurde zu einer krankhaften sucht Michelangelo (1890) 2, 216.
2)
in der Göthezeit bahnt sich eine neue absolute gebrauchsweise von sucht an, die dann in der gegenwart, bes. in der dichtung des 20. jh., zu ausgeprägterer geltung kommt; charakteristisch ist, dasz sucht die eindeutige und einsträngige zielrichtung verliert, umfassender, z. t. unbestimmt wird und schlieszlich in die bedeutung 'sehnsucht, unruhiges drängen des blutes' übergeht; aus einem moralischen wertbegriff wird es ein wort der beschreibenden seelenkunde.
a)
übergang von bedeutung A 2 her, aber schon mit der umgreifenden gebärde, 'schweifender drang':
vgl. auch Mephistos bedeutungsspiel mit mondsucht und sucht als faustischem tatentrieb:
so war auch ich von aller phantasie,
von jeder sucht, von jedem falschen triebe,
mit einem blick in deinen blick geheilt
W.;
10, 140 der du dem mond um so viel näher schwebtest,
dich zog wohl deine sucht dahin?
ebda 15¹, 250.
b)
unstillbares sehnen:
ganz ziellos, als reine innere schwingung empfunden: und er errötete und merkte, dasz er in seiner unruhigen sucht und einsamkeit die eigene seele ... fast in scham gebracht hätte volk ohne raum 1, 281.
geweiht bleibt ewig, wer gott einmal schaut;
nie füllt sein thun die bodenlose sucht
im Athenäum 3, 166;
c)
der plural wird bevorzugt; suchten, süchte im sinne von 'sehnsüchte; wogende, formlose triebe; drängende wünsche und begierden, die voll geheimer drohung, aber rational nicht zerlegbar sind': träumereien, die um dieses alter in unbestimmten suchten und sehnsuchten spielen (1892) 1, 58; so tauchte das spiel mit den fernen, das nach meiner schwester tode in mir erwacht war, wieder auf. denn die süchte des menschen wandeln sich, aber sie sterben nicht H. Stehr drei nächte (1909²) 115;
aber in blinkenden nächten ..., von sorgen und süchten umlauert, risz seine (Mozarts) seele die sterne vom himmel 13 bücher d. dt. seele (1925) 322; nur gelegentlich erscheint der bedeutungsraum wieder eingeschränkt und damit conturiert: menschen ..., in denen alle sinnlichen süchte mächtig waren dt. gegenref. u. dt. barock (1935) 105.
wohin soll ich vor der glut,
vor den wilden fremden süchten
als zu deinen füszen flüchten:
du verstehst, und du bist gut
(1912) 1, 17;
IV.
zusammensetzungen mit sucht- (suchten-) sind immer nur in beschränktem gebrauch gewesen; meist handelt es sich um gelegenheitsbildungen; ein chronologischer überblick sei gegeben.
A.
mit sucht-. in ahd. zeit nur schwache ansätze; wohl eine augenblicksbildung nach dem lat.: et in cathedra pestilentie non sedit noh an demo suhtstuole nesaz 2, 3 Piper (ps. 1, 1); die erörterungen krankheitsnamenbuch 698 und 700 sind gegenstandslos. — weiter ist im ahd. einige male die zusammensetzung mit dem adjectivsuffix -luomi ( nomin. stammbildungslehre § 246, vgl. ahd. kilomo 'frequenter', ags. gelome dass.) suhtluomi belegt: pestilentem (ventum) suhtluomen ahd. gll. 1, 634; corruptus (aer) suthluomiu, suhtlvmiv ebda 1, 437; suhtlumiv ebda 1, 819; dazu weitergebildet suhtlumigir ebda 1, 437 und das -ī-abstractum suhtluomi: der uf demo stuole dere suhtluome (in cathedra pestilentiae) nihne saz Windberger ps. 1, 1 1, 1473. — ob hinter dem folgenden späten und isolierten beleg gleichfalls suhtlüeme steckt oder, wie 2, 1292 meint, eine bildung mit lam, leme, ist dunkel: besunder auch der auttem und die füsz des habichs und des falcken und ains yeglichen vederspils sind suchtläm und vergifftig v. d. falken, pferden u. hunden 38 lit. ver. — überwiegend aus mnd. quellen bezeugt ist suchtbett, n., 'krankenbett', auch 'sterbebett': nein man noch nein vrowe moghen nicht vorgheven in erme suchtbedde an der erven lof urkdb. v. Hildesheim 1, 280 Döbner (um 1300); weitere belege bei 4, 458 f.; ein versprengter und später obd. beleg: sonst wirdt dich die kurtzweil ins suchtbeth legen grewel d. verwüstung (1610) 908; als 4, 745 das wort, ausdrücklich als nd., verzeichnete (suchtbette siechbette, krankenbette), war es im lebendigen gebrauch wohl schon erloschen. wie alt die verbindung aber ist, zeigt ein Heliand-beleg, wo sie bereits ganz in übertragenem sinne, für 'krankheit', erscheint:
neben suchtbett steht seuchbett (mnd. suk-, sukebedde, vom 13.-15. jh. belegt). — seit dem späteren mittelalter öfters vereinzelte gelegenheitsbildungen: (unsere irdische menschlichkeit) daz ist ungæbe, ein misthaven ..., ein ursprinc alles unvlâtes, der ze allen steten ûz diuzet ein suhtbrunne ('verpesteter brunnen'); ûzen ein gemâltiu horlade, innen ein vûler schanthort in dt. mystiker 1, 320 Pfeiffer; etlich kranckhait seinn, so des krancken zuͦethuͦn und leiblich yebung bedürffen on ander materi, als podagra oder dergleichen suchtsiechthumb ('chronische krankheit', vgl.süchte-, suchtensiech unter B) theologey 413 Reithmeyer. aus vocabularen suchtträger, -bringer, -nehmer: pestifer suchtdreger gl. 431ᵇ; pestiferus suchtebrenger ebda; morbigena suchtnemer ebda 367ᶜ (alles 15. jh.). im 17. jh. begegnen die letzten verbindungen dieser art: denen sucht-, unglück- unnd todt krämern grewel d. verwüstung (1610) 663; die menschen mit zwölff fürnehmber darinn vergrabner sucht- und mordstucken abzuwürgen ebda 677; leben wir mit dem alten Adam in dieser äuszeren verderbten suchtwelt ('sündenwelt', wobei die übertragene bedeutung ¹sucht II B 1 a zugrunde liegt) (1620) 4, 98. — später nur noch compositionen, die eine bestimmte medicinische sonderbedeutung vertreten, aber auch vereinzelt oder local begrenzt: in dem
anno 1771 grassierte unter den menschen die ruhr und das suchtfieber ('fieberepidemie'), so dasz viele menschen daran haben sterben müssen tageb. d. fam. (1869) bei 1, 637; mit dem ... der ländliche viehdoktor den suchtkranken ('an der staupe leidenden', vgl. ¹sucht I B 5 d δ) haushund oder das räudige schaf beschwört (1907) 2, 237. als wort der jägersprache ist, bes. in Württemberg, suchtgebisz, n., gebräuchlich: 'wenn ein hund schlechte schwarzbraune zähne hat, so nennt man das suchtgebisz' zs. f. dt. wortforsch. 9, 61. zu ¹sucht I B 3 d gehörig: unterschiede in der gewöhnungs- und suchtgefahr für die einzelnen mittel (schlafmittel) dt. zukunft v. 22. 4. 1934, s. 18. — schlieszlich suchtkraut, n., als volkstümlicher name für mehrere pflanzen. 1) galega officinalis (meist geisz- oder pockenraute genannt), vgl. Chomel öconom.-physical. lex. 4 (1751) 794; wbb. d. naturgesch. 584; botan. hdb. 2 (1808) 386; wb. dt. pflanzennamen (1833) 122; Pritzel-Jessen² (1882) 157; 2) sideritis, stachys (sonst ziest oder gliedkraut), vgl. Chomel a. a. o. 1157; bes. stachys arvensis (ackerandorn), vgl. Adelung gramm.-krit. wb.² 4, 496 und sonst; 3) hieracium (habichtskraut), pilosella, vgl. a. a. o. 142; Arends volkstüml. namen d. arzneimittel¹¹ (1930) 258.
... thena the err dod fornam,
an suhtbeddeon sualt
Heliand 2219 Sievers;
B.
mit suchten-. aus älterer zeit suchtensiech (s. suchtsiechtum unter A und süchtesiech, adj.: der sinnebote muz ouch sweren also daz der man so suchte sich si daz he daz dinc noch kein dinc gesuchen muge [um 1400] urkdb. v. Freiberg i. S. 3, 30), heute noch nd. dialektwort, 'von krankheit befallen' (im gegensatz zu 'verwundet' oder 'verletzt'), 'bettlägerig', vgl. 4, 459 s. v. suchtensêk; vers. e. brem.-ndsächs. wb. 4 (1770) 1087 und 6 (1869) 352 s. v. suchtenseek; 4, 745 nimmt suchtensiech mit der kennzeichnung 'nd.' und der bedeutung 'auf eine langwierige art krank, bettlägerig' auf. — in volksmäsziger sprache ferner suchtenpulver, n., rhizoma curcumae pulverisatae (gestoszene gelbwurz, ingwer) Arends volkstüml. namen d. arzneimittel¹¹ 258. — gelehrtenbildungen (der compositionsform nach) sind wohl suchtenprobe, f., und suchtenbrechen, subst. inf., s. oben ¹sucht I A 3 b und die dort angegebene volkskundliche literatur. ähnlich suchtentopf, m., schüssel, die in Mecklenburg beim suchtenbrechen verwendung findet; sie ist mit wasser gefüllt, in das neun holzstäbchen geworfen werden, an denen dann die magische handlung vor sich geht, vgl. in: am urquell 3, 237.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 858, Z. 64.
2sucht, f.
²sucht, f.,
'suche', zum vb. suchen, ein willkürlicher ansatz von R. Wagner, vielleicht durch grenzfälle des gebrauchs von ¹sucht wie die verse (s. dort II B 2 a γ) mitveranlaszt:
(d. h. er hat sich aufgemacht, um neue kräuter zu suchen); in der gegenwart 13, 40ᵃ wird diese stelle glossiert.
herr, Gawan weilte nicht.
da seines krautes kraft,
wie schwer ers auch errungen,
doch seine hoffnung trog,
hat er auf neue sucht sich fortgeschwungen
Golther
10, 327 Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 895, Z. 47.
3sucht, f.
³sucht, f.,
zum vb. saugen (vgl. sog 2 e, teil 10, 1, 1405), bei der ostpreuszischen küstenbevölkerung gebräuchlich, um den an manchen stellen des Ostseestrandes bes. starken (und selbst gefährlichen) rückstrom der brandung, bedingt durch plötzlichen absturz des meergrunds, oder aber das gleichfalls stellenweise sehr tückische, durch die heftige strömung bewirkte gleiten des seesandes zu kennzeichnen: die see hat heute grosze sucht (sie saugt, zieht) preusz. wb. 2, 387ᵃ; vgl. ferner westl. Samland 1 (1922) 383; 409 und dess. kurische nehrung (1924) 58; ebenso: Pillau einst und jetzt (festschrift 1925) 68; auch Kluge et. wb.¹¹ 605.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 895, Z. 59.
4sucht, m.
⁴sucht, m.,
dialektisch (nd. und mfr.) für mhd. sûft, nhd. seufzer, s. d.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 895, Z. 71.
1suchten, süchten, vb.
¹suchten, süchten, vb.,
denominativum zu ¹sucht. 1) suchten krank sein (vgl. ¹sucht I), allg.: suͦchten ist krancken, süchtig sein 750 sprichw. (1534) nr. 532; suchten languere (1605) 540; languere, aegrotare (1737) 1644; der älteste beleg ist das compositum ritesuchten febricitare, 'fieberkrank sein': und dô Jhêsus quam in Pêtri hûs, dô sach her sîne swiger ligende und ritesuchtinde evangelienbuch (1343) Matth. 8, 14 Bechstein. mundartlich begegnet suchten im bairischen, in der bedeutung 'siechen': ə ̃ suchtə ̃ds lebm 'dauerndes siechtum' 2, 220; ähnlich im schwäbischen, 'an einer chronischen krankheit leiden' 5, 1947; häufiger heiszt es dort aber (entsprechend dem schwäbischen sondersinn von ¹sucht, vgl. I B 4 c) 'kränkeln, unwohl sein'; so schon im 16. jh.: die alten nenneten solche suchten fieber, da eins on entzündung, geschwere, wildes fewers, schmertzens und (kurtz zusagen) on einige fürneme kranckheit eins sonderlichen glides doch suchtete Wirsung artzneybuch bei a. a. o.; und so dialektisch auch heute noch, vgl. a. a. o. 2) suchten mundartlich auch von wunden: 'schwären, eitern' Thüringer sprachsch. 240 (Südharz); 'helle feuchtigkeit absondern' Nordharzer wb. 190. 3) ob suchten in dem geistigen sinne von ¹sucht III jemals sprachüblich gewesen ist, bleibt zweifelhaft; 4, 745 verzeichnet recht undeutlich und ohne belege: suchten eine sucht haben, sucht empfinden (Th. Heinsius und Joh. Hübner schreiben es ebenso nach); dagegen kommt süchten als substantivierter inf. in verbindung mit sehnen in der bedeutung 'drängendes verlangen' zweimal bei einem Schweizer autor des frühen 18. jh. vor: der hl. geist löschet das ungeduldige süchten und sehnen der seelen (1718) bei 7, 289 (dort wird der doppelausdruck wohl mit recht als eine art auflösung von sehnsucht gedeutet). 4) ganz vereinzelt begegnet einmal transitives süchten 'krank machen', und zwar auf geistiges übertragen (vgl. ¹sucht II), 'mit sünde beflecken': und weil es denn die göttliche fürsichtigkeit hatte zuvorhin erkandt, dasz der teufel den menschen süchten würde und in frembde lust einführen (1620) 2, 103.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 896, Z. 29.
2suchten, süchten, vb.
²suchten, süchten, vb.,
nd. und mfr. dialektwort für mhd. sûften, siuften, nhd. seufzen, s. d. und ⁴sucht; die älteren wbb. werfen es z. t. mit ¹suchten zusammen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 896, Z. 69.
1suchten, süchten, vb.
¹suchten, süchten, vb.,
denominativum zu ¹sucht. 1) suchten krank sein (vgl. ¹sucht I), allg.: suͦchten ist krancken, süchtig sein 750 sprichw. (1534) nr. 532; suchten languere (1605) 540; languere, aegrotare (1737) 1644; der älteste beleg ist das compositum ritesuchten febricitare, 'fieberkrank sein': und dô Jhêsus quam in Pêtri hûs, dô sach her sîne swiger ligende und ritesuchtinde evangelienbuch (1343) Matth. 8, 14 Bechstein. mundartlich begegnet suchten im bairischen, in der bedeutung 'siechen': ə ̃ suchtə ̃ds lebm 'dauerndes siechtum' 2, 220; ähnlich im schwäbischen, 'an einer chronischen krankheit leiden' 5, 1947; häufiger heiszt es dort aber (entsprechend dem schwäbischen sondersinn von ¹sucht, vgl. I B 4 c) 'kränkeln, unwohl sein'; so schon im 16. jh.: die alten nenneten solche suchten fieber, da eins on entzündung, geschwere, wildes fewers, schmertzens und (kurtz zusagen) on einige fürneme kranckheit eins sonderlichen glides doch suchtete Wirsung artzneybuch bei a. a. o.; und so dialektisch auch heute noch, vgl. a. a. o. 2) suchten mundartlich auch von wunden: 'schwären, eitern' Thüringer sprachsch. 240 (Südharz); 'helle feuchtigkeit absondern' Nordharzer wb. 190. 3) ob suchten in dem geistigen sinne von ¹sucht III jemals sprachüblich gewesen ist, bleibt zweifelhaft; 4, 745 verzeichnet recht undeutlich und ohne belege: suchten eine sucht haben, sucht empfinden (Th. Heinsius und Joh. Hübner schreiben es ebenso nach); dagegen kommt süchten als substantivierter inf. in verbindung mit sehnen in der bedeutung 'drängendes verlangen' zweimal bei einem Schweizer autor des frühen 18. jh. vor: der hl. geist löschet das ungeduldige süchten und sehnen der seelen (1718) bei 7, 289 (dort wird der doppelausdruck wohl mit recht als eine art auflösung von sehnsucht gedeutet). 4) ganz vereinzelt begegnet einmal transitives süchten 'krank machen', und zwar auf geistiges übertragen (vgl. ¹sucht II), 'mit sünde beflecken': und weil es denn die göttliche fürsichtigkeit hatte zuvorhin erkandt, dasz der teufel den menschen süchten würde und in frembde lust einführen (1620) 2, 103.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 896, Z. 29.
2suchten, süchten, vb.
²suchten, süchten, vb.,
nd. und mfr. dialektwort für mhd. sûften, siuften, nhd. seufzen, s. d. und ⁴sucht; die älteren wbb. werfen es z. t. mit ¹suchten zusammen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1936), Bd. X,IV (1942), Sp. 896, Z. 69.
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- störblase, f.
- störbrand, m.
- störbude, f.
- störbündel, n.
- störchel, n.
- störcheln, verb.
- störchin, f.
- störchisch, adj., adv.
- störchlein, n.
- störchlich, adj., (adv.)
- störchling, m.
- störe, f.
- störe, m.
- störebrod, m.
- störefer, m.
- störefreud, m.
- störefried, m.
- störeglück, m.
- störei, n.
- störeisen, n.
- störeln, verb.
- störeln, verb.
- stören, verb.
- 2stören, verb.
- 3stören, verb.
- störenfeind, m.
- störenfried, m.
- störenfriedisch, adj.
- störente, f.
- 1störer, m.
- 2störer, m.
- störerei, f.
- störerin, f.
- störfahrt, f.
- störfalle, f.
- störfang, m.
- störfisch, m.
- störfischer, m.
- störfleisch, n.
- störfäszchen, n.
- störgang, m.
- störgarn, n.
- störgen, verb.
- störger, m.
- störgerbude, f.
- störgerei, f.
- störgericht, n.
- störhakel, m.
- 1störhaken, m.
- 2störhaken, m.
- störhamen, m.
- störhandel, m.
- störharpune, f.
- störhaus, n.
- störhausen, m.
- störhölzchen, n.
- störicht, adj.
- störig, adj.
- störigkeit, f.
- störingswurz, f.
- störisch, adj.
- störjagd, f.
- störkochen, n.
- störkopf, m.
- störkrabbe, f.
- 1störl, m.
- 2störl, m.
- störlamm, n.
- störleib, m.
- störleich, m.
- störlein, n.
- störlen, verb.
- störler, m.
- störlet, m.
- störlich, adj.
- störlichkeit, f.
- störling, m.
- störlung, f.
- störlöffel, m.
- störmarkt, m.
- störnetz, n.
- störnis, f.
- störpastete, f.
- störpfanne, f.
- störr, n.(?), m.
- störreiszer, m.
- störrel, m.
- 1störren, verb.
- 2störren, verb.
- störrheit, f.
- störrhirnig, adj.
- störricht, adj.
- störrig, adj.
- störrigkeit, f.
- störrisch, adj.
- störrischer sinn, adj.
- störrischheit, f.
- störrischkeit, f.
- störrogen, m.
- störsam, adj.
- störsamkeit, f.
- störschlachter, m.
- störschuster, m.
- störstange, f.
- störstock, m.
- stört, m.
- störte, f.
- störtewerk, n.
- störtruhe, f.
- störtung, f.
- störung, f.
- störungs-
- störungsberechnung
- störungsbeseitigung
- störungserscheinung
- störungsfall
- störungsfeuer
- störungsfrei
- störungsfreiheit
- störungslinie
- störungslos
- störungslosigkeit
- störungsrechnung
- störungsscheibe
- störungssucher
- störungstrupp
- störungsursache
- störweib, n.
- störz, m.
- störz-, bildungen
- störzbecher, m.
- störzeit, f.
- störzel, m., (n.)
- störzelmeister, m.
- störzeln, verb.
- störzelung, f.
- störzen, verb.
- störzen, verb.
- störzener, f.
- störzer, m.
- störzerbude, f.
- störzerbühne, f.
- störzerei, f.
- störzlein, n.
- störzler, m.
- störzlicht, adj.
- störzmesser, m.
- störzubereitung, f.
- störzucht, f.
- stöszchen, n.
- stösze, f.(?), n.
- stöszel, m.
- stöszel, n.
- stöszelleinewand, f.
- stöszeln, verb.
- stöszer, m.
- stöszerich, m.
- stöszerin, f.
- stöszerlein, n.
- stöszerstock, m.
- stöszervogel, m.
- stöszig, adj.
- stöszigkeit, f.
- stöszlein, n.
- stöszler, m.
- stöszlich
- stöszling, m.
- stötterling, m.
- stöttig, adj.
- stöttigkeit, f.
- stötzchen, n.
- stötzebecher, m.
- stötzel, m.
- stötzel, n.
- stötzeln, verb.
- stötzkopf, m.
- stötzlein, n.
- stötzleinschuh, m.
- stötzlich, adj.
- stöwer, m.
- stübbe, f.
- stübbe, m., f., n.
- 1stübchen, n.
- 2stübchen, n.
- stübchenfenster
- stübchenkanne
- stübchenmasz
- stübchentopf
- stübchenvater, m.
- stübe, n.
- stübe, subst.
- stübel, n.
- stübel, n.n.
- stüben, vb.
- stüber, m.
- 2stüber, m.
- 3stüber, m.
- 4stüber, m.
- stüberand, m.
- stüberbrot, n.
- stüberfalle, f.
- stübergras, n.
- stübergroschen, m.
- stübernase, f.
- stübernasen, vb.
- stüberware, f.
- stübi
- stübich, m., n.
- stübiglich, adv.
- stübis, adv.
- 1stüblein, n.n.
- 2stüblein, n.
- stübleinfenster, n.n.
- stübleinherr, n.n.
- stübleinkammer, n.n.
- stübleinknecht, n.n.
- stübleinleute, n.n.
- stübleinpater, n.n.
- stübleinrutscher, n.n.
- stübleinschreiber, n.n.
- stübleinthür, n.n.
- stübling, m.
- stübmacher, m.
- stübner, m.
- stüchzen, vb.
- stück, n.
- stück-
- stückader, f.
- stückarbeit, f.
- stückbank, f.
- stückbar, adj.
- stückbauer, m.
- stückbeere, f.
- stückbeere, f.
- stückbett, n.
- stückbettung, f.
- stückbleiche, f.
- stückbletz, m.
- stückblitzend, adj.
- stückboden, m.
- stückbohrer, m.
- stückbrot, n.
- stückbrust, f.
- stückbäcker, m.
- stückbösewicht, m.
- stückbüchse, f.
- stückchen, n.
- stückdecke, f.
- stückdonner, m.
- stückdurchschusz, m.
- stücke-
- stückeisen, n.
- stückel, adj.
- stückelalge, f.
- stückelarbeit, f.
- stückelbrot, n.
- stückelchen, n.
- stückelei, f.
- stückeler
- stückelhaft, adj.
- stückelicht
- stückelig, adj.
- stückeln, vb.
- stückeltrommel, f.
- stückelung, f.
- 1stücken, vb.
- 2stücken, vb.
- stücken-
- stückenknall, m.
- stückenkraut, n.
- stückenskunst, f.
- stücker, adj.
- stücker, adj.
- stücker-
- stückerei, f.
- stückerig, adj.
- stückern, vb.
- stückerz, n.
- stückfaden, m.
- stückfasz, n.
- stückfelsen, m.
- stückfeuer, n.
- stückfinster, adj.
- stückfinsternis, f.
- stückfleisch, n.
- stückflicken, vb.
- stückflusz, m.
- stückform, f.
- stückfracht, f.
- stückfärber, m.
- stückfässer, m.
- stückgabe, f.
- stückgarn, n.
- stückgebirge, n.
- stückgedicht, n.
- stückgedinge, n.
- stückgefecht, n.
- stückgeld, n.
- stückgerät, n.
- stückgerüst, n.
- stückgeschütz, n.
- stückgesell, m.
- stückgestell, n.
- stückgieszen, subst.
- stückgieszer, m.
- stückgieszerei, f.
- stückglaube, m.
- stückglätte, f.
- stückgnade, f.
- stückgold, n.
- stückgusz, m.
- stückgut, n.
- stückhaft, adj.
- stückhaftig, adj.
- stückhaftigkeit, f.
- stückhalter, m.
- stückhammer, m.
- stückhandlung, f.
- stückhauptmann, m.
- stückhof, m.
- stückholz, n.
- stückholz, n.
- stückhonig, m.
- stückhube, f.
- stückhufe, f.
- stückhändler, m.
- stückicht, adj., adv.
- stückichtig, adj., adv.
- stückig, adj., adv.
- stückjunker, m.
- stückkammer, f.
- stückkapitän, m.
- stückkappe, f.
- stückkarren, m.
- stückkarrer, m.
- stückkeller, m.
- stückkette, f.
- stückkies, m.
- stückkissen, n.
- stückknecht, m.
- stückkohle, f.
- stückkompagnie, f.
- stückkranz, m.
- stückkugel, f.
- stücklack, m.
- stücklade, f.
- stückladung, f.
- stücklage, f.
- stücklauch, m.
- stücklauer, m.
- stücklauf, m.
- stücklein, n.
- stückleinweise, adv.
- stückler, m.
- stückleute
- stückleutnant, m.
- 1stücklich, adj., adv.
- 2stücklich, adj.
- stücklicht, adj.
- stücklicht, adj., adv.
- stücklichtig, adv.
- stücklings, adv.
- stücklinie, f.
- stücklohn, m.
- stücklöffel, m.
- stückmachen
- stückmacher, m.
- stückmeister, m.
- stückmensch, m.
- stückmesser, n.
- stückmessing, n.
- stückmetall, n.
- stücknatur, f.
- stücknessel, f.
- stückobrister, m.
- stückofen, m.
- stückordnung, f.
- stückpatrone, f.
- stückperle, f.
- stückpferd, n.
- stückpforte, f.
- stückprobe, f.
- stückpulver, n.
- stückputzer, m.
- stückreben
- stückrechnung, f.
- stückreich, adj.
- stückreif, m.
- stückrichten
- stückrichter, m.
- stückring, m.
- stückrose, f.
- stückrosz, n.
- stücksaat, f.
- stücksalz, n.
- stücksammet, m.
- stücksatz, m.
- stückschall, m.
- stückschanze, f.
- stückschelm, m.
- stückschieszen, subst. inf.
- stückschieszloch, n.
- stückschlagen, subst. inf.
- stückschläger, m.
- stückschusz, m.
- stückschöne, f.
- stückschütze, m.
- stücksehend, adj.
- stücksetzer, m.
- stückseufzer, m.
- stückspeise, f.
- stückstahl, m.
- stückstand, m.
- stückstecken, m.
- stückstecken, m.
- stückstein, m.
- stücksteinsalz, n.
- stückstreicher, m.
- stückstück, n.
- stücksäge, f.
- stücksäger, m.
- stücktuch, n.
- stückung, f.
- stückung, f.
- stückverkauf, m.
- stückvermessung, f.
- stückverschneider, m.
- stückverzeichnis, n.
- stückvisierer, m.
- stückvorspann, n.
- stückwachmeister, m.
- stückwagen, m.
- stückwall, m.
- stückwart, m.
- stückweber, m.
- stückweise, adv., doch auch adj.
- 1stückwerk, n.
- 2stückwerk, n.
- stückwerken, vb.
- stückwerker, m.
- stückwerksweise, adv.
- stückwild, n.
- stückwischer, m.
- stückwissen, n.
- stückwolke, f.
- stückwurz, f.
- stückzahl, f.
- stückzahlung, f.
- stückzimmerleute
- stückzinnober, m.
- stückzinsen
- stückzoll, m.
- stückzug, m.
- stückärmel, m.
- stüd-, steigerndes compositionselement vor adjectiven
- stüden, vb.
- stüdlein, n.
- stüdleinkrämer, m.
- stüdschaff, n.
- stüfel, n.
- stüfeln, vb.
- stüfer, m.
- stüffelsfusz, m.
- stühlchen, n.
- stühlein, n.
- stühlen, vb.
- stühllein
- stühmen, vb.
- stühmicht
- stülen, vb.
- stüll, m.
- stüllfusz, m.
- 1stülpe, f.
- 2stülpe, f.
- stülpen, vb.
- stülper, m.
- stülphandschuh, m.
- stülpig, adj.
- stülpkleid, f.
- stülpluke, f.
- stülpnase, f.
- stülpnasig, adj.
- stülpstiefel, m.
- stülz, m.
- stülze, f.
- stülzen, vb.
- stülzer, m.
- stülzlein, n.
- stüm, adj.
- stüm, m.
- stümbeln, vb.
- stümen, vb.
- stümicht
- stümig
- stümisch, adj.
- stümlich, adj.
- stümmchen, m. und n.
- stümmel, m.
- stümmelaxt, f.
- stümmelbuche, f.
- stümmelchen, n.
- stümmelein, n.
- stümmeln, vb.
- stümmelplatz, m.
- stümmeltanne, f.
- stümmelung, f.
- stümmelwerk, n.
- stümmern, vb.
- stümmler, m., nomen agentis
- stümmlerei
- stümmlerin
- stümmlich, adj.
- 1stümmling, m.?
- 2stümmling, m.
- stümpel
- stümpelarbeit
- stümpelarzt
- stümpelbeck
- stümpeldeutsch
- stümpelei, f., nomen actionis
- stümpelfuhrleute
- stümpelgnade
- stümpelheiland
- stümpelkrämer
- stümpellehre
- 1stümpeln, vb.
- 2stümpeln, vb.
- stümpelrechnung
- stümpelschule
- stümpelte, f.
- stümpelung, f.
- stümpelwahl
- stümpelwerk
- stümpelwähler
- stümper, m.
- stümper, m.
- stümperarbeit, f.
- stümperargument, n.
- stümperchen, n.
- stümperchor, m.
- stümperei, f.
- stümpergedicht, m.
- stümperhaft, adj.
- stümperhaftigkeit, f.
- stümperhand, m.
- stümperhandwerker, m.
- stümpericht, adj.
- stümperichtig, adj.
- stümperig, adj.
- stümperin, f.
- stümperisch, adj.
- stümperlein, n. und m.
- stümperlich, adj.
- stümpermäszig, adj.
- stümpern, vb.
- stümperpferd, m.
- stümperpolitik, m.
- stümperschaft, f.
- stümperschmied, m.
- stümperstück, m.
- stümpertalent, m.
- stümpertum, n.
- stümperwerk, n.
- stümperwesen, m.
- stümperwille, m.
- stümpfchen, n.
- stümpfel, m., seltener n.
- stümpfel, n.
- stümpfen, vb.
- 1stümpfen, vb.
- 2stümpfen, vb.
- stümpflein, n.
- stümpfling, m.
- stümpfung, f., nomen actionis
- stümpler, m.
- stümplerei, f.
- stümplerin, f.
- stümplerisch, adj.
- stümpsel, n. oder m.
- stündchen, n.
- stündel, n.
- stündig, adj.
- stündiglich, adv.
- stündigs, adv.
- stündigung, f.
- stündlein, n.
- stündler, m.
- stündlich, adj. und adv.
- stündner, m.
- stünzel, n.
- stünzlein, n.
- stünzlingen, adv.
- stüpfelmaschine, f.
- stüpficht, adj.
- stüpflein, n.
- stüpp, m., f., n.
- stüppe, f.
- stüppe, m., f., n.
- stüppen, vb.
- stüppfasz, m., f., n.
- stüpplein, n.
- stüppmacher, m., f., n.
- stür
- stürbling, m.
- stürblingsfell, n.
- stürchel, m.
- 1stürcheln, vb.
- 2stürcheln, vb.
- stürchen, vb.
- 1stüren, vb.
- 2stüren, vb.
- stürer, m.
- 1stürl, m.
- 2stürl, m.
- stürlen, vb.
- stürling
- stürmchen, n.
- stürmebeherrscher, m.
- stürmebekämpfer, m.
- stürmebezwinger, m.
- stürmemüde, adj.
- stürmen, vb.
- stürmend, adjectivisch gebrauchtes part. präs.
- stürmendig, adv.
- stürmer, m.
- stürmerblitz, m.
- stürmerei, f.
- stürmereich, adj.
- stürmerin, f.
- stürmerisch, adj.
- stürmersausen, n.
- stürmerschritt, m.
- stürmersinn, m.
- stürmerstimme, f.
- stürmerwind, m.
- stürmerwirbel, m.
- stürmetosen, n.
- stürmevoll, adj.
- stürmezeit, f.
- stürmfluch, m.
- stürmfried, m.
- stürmicht, adj.
- stürmig, adj.
- stürmiglich, adv. und adj.
- stürmisch, adj.
- stürmischkeit, f.
- stürmler, m.
- stürmlich, adj., (adv.)
- stürmlingen, adv.
- stürmung, f.
- stürstange, f.
- stürtzkarch, m.
- stürzbaum, m.
- stürzbecher, m.
- stürzchen, n.
- stürze, f.
- stürzebecher, m.
- stürzeboller, m.
- 2stürzel, n.
- stürzen, adj.
- 1stürzen, vb.
- 2stürzen, vb.
- stürzenbecher, m.
- stürzende, n.
- stürzeplatz, m.
- 1stürzer, m., nomen agentis
- 2stürzer, m.
- stürzgrube, f.
- stürzhaftig, adj.
- stürzicht, adj.
- stürzig, adj.
- 2stürzig, adj.
- stürzlein, n.
- stürzling, adv.
- stürzling, m.
- stürzlingen, adv.
- stürzlings, adv.
- stürzner, m.
- stürzplatz, m.
- stürzschaufel, f.
- stürzschürze, f.
- stürzstatt, f.
- stürzung, f.
- stüszig, adj.
- stüt, m.
- stütchen, n.
- stütig, adj.
- stütlein, n.
- stütvoll
- 1stütz, m.
- 2stütz, m.
- 3stütz, m.
- stützbalken, m.
- stützband, n.
- stützbaum, m.
- stützblatt, n.
- stützblättchen, n.
- stützbogen, m.
- stützbrücke, f.
- stützchen, f.
- 1stütze, f.
- 2stütze, f.
- 3stütze, f.?
- stützel, m.
- stützelfusz, m.
- stützeln, vb.
- 1stützen, vb.
- 2stützen, vb.
- 3stützen
- stützenbirne, f.
- stützendruck, m.
- stützenlos, adj.
- stützensattel, m.
- stützenträger, m.
- stützenwechsel, m.
- stützer, m.
- stützfläche, f.
- stützgabel, f.
- stützger, m.
- stützgerüst, n.
- stützhaken, m.
- stützholz, n.
- stützigkeit, f.
- stützkegel, m.
- stützkehre, f.
- stützlager, n.
- stützlein, n.
- stützleiter, f.
- stützler
- stützlinie, f.
- stützmauer, f.
- stützorgan, n.
- stützpfahl, m.
- stützpfeiler, m.
- stützpfosten, m.
- stützplatte, f.
- stützpunkt, m.
- stützpunktgruppe, f.
- stützschädel, m.
- stützstange, f.
- stützstempel, m.
- stützsäule, f.
- stützung, f.
- stützungsaktion, f.
- stützungskredit, m.
- stützungsmasznahme, f.
- stützungspfeiler, m.
- stützungspunkt, m.
- stützwand, f.
- stützweite, f.
- stützwerk, n.
- stützzelle, f.
- stützübung, f.
- stüver, m.
- stüwer, m.
- su, interj.
- suade, f.
- subaltern, adj.
- subaltern, m.
- subalternbeamte, adj.
- subalternoffizier, adj.
- subel, f.
- suber, m.
- subhastation, f.
- subhastieren, vb.
- subject, adj.
- subject, n.
- subjectiv, adj., adv.
- subjectivität, f., eine substantivierung
- sublim, adj.
- sublimat, n.
- sublimieren, vb.
- sublunarisch, adj.
- submission, f.
- submisz, adj.
- subordination, f.
- subordinieren, vb.
- subsidien
- subsistenz, f.
- subsistieren, vb.
- substantial, adj.
- substantiell, adj.
- substantiv, n.
- substanz, f.
- substanzial, adj.
- substanzialisch, adj.
- substanziell, adj.
- substanzlich, adj.
- substenzlich, adj.
- substituieren, vb.
- substitut, m., n.
- substänzer, m.
- subtil, adj.
- subtile, f.
- subtilheit, f.
- subtilieren, vb.
- subtilig, adj.
- subtiligkeit, f.
- subtiliglich, adv.
- subtilisieren, vb.
- subtilität, f.
- subtilkeit, f.
- succade, f.
- successionsberechtigt, f.
- successionsfall, f.
- successionsfolge, f.
- successionsfrage, f.
- successionsfähig, f.
- successionsfähigkeit, f.
- successionskette, f.
- successionskrieg, f.
- successionsordnung, f.
- successionsrecht, f.
- successionsstatut, f.
- successionsstifter, f.
- successionsstreit, f.
- successionsstreitigkeit, f.
- successionsverhältnis, f.
- successionsvertrag, f.
- successivisch, adj.
- such, m.
- suchanker, m.
- suche, f.
- sucheisen, n.
- suchel, m.
- suchel, m.
- suchen, vb.
- suchenpfennig, m.
- suchenswerth, adj.
- suchentrunk, m.
- sucher, m.
- sucherecht, n.
- sucherei, f.
- sucherin, f.
- suchglas, n.
- suchhund, m.
- suchig, adj.
- suchknecht, m.
- suchlein, m.
- suchlich, adj.
- suchman, m.
- suchnadel, f.
- suchort, n.
- suchschacht, m.
- suchstolle, m.
- suchstollen, m.
- sucht, adj.
- 1sucht, f.
- 2sucht, f.
- 3sucht, f.
- 4sucht, m.
- suchtau, n.
- suchtel, f.
- 1suchten, vb.
- 2suchten, vb.
- suchthaft, adj.
- suchthaftig, adj.
- suchtrunk, m.
- suchtung, f.
- suchum, f.
- suchung, f.
- suchvogel, m.
- suchzeit, f.
- suck
- sucke, f.
- suckegel
- suckegel, m. oder f.
- 1suckel
- 2suckel, m.?
- suckelbüchse, vb.
- suckelei, vb.
- suckeler, m.
- suckelflasche, vb.
- suckelglas, vb.
- suckelig, vb.
- suckelkind, vb.
- 1suckeln, vb.
- 2suckeln, vb.
- 3suckeln, vb.
- suckelschwein, vb.
- suckeltee, vb.
- suckeltierchen, vb.
- sucken, vb.
- sucker, m.
- suckferkel
- suckfüllen
- suckler
- suckpflaster, n.
- suckrammel, m.
- 1sud, m., (und f.)
- 2sud, m.
- suda
- sudarbeit, f.
- sudaufnahme, m., (und f.)
- sudbuch, n.
- sudde, f.
- suddek, n.
- suddel, m. und f.
- suddeln, vb.
- suddik, n.
- sude
- sude, f.
- sudeck, n.
- sudei, m., (und f.)
- 1sudel, m., mundartl. auch f.
- 2sudel, m., auch f. bei bezug auf weibl. personen
- 3sudel, m.
- 4sudel, m., auch n.
- sudelarbeit, f.
- sudelbehausung, f.
- sudelbibliothek, f.
- sudelblatt, n.
- sudelbogen, m.
- sudelbrief, m.
- sudelbube, m.
Zitationshilfe
„sucht“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/sucht>.
Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)
- Überblick
- Erstbearbeitung des DWB [Projektinformation auf bbaw.de]
- Neubearbeitung des DWB [Projektinformation auf bbaw.de]
- Digitalisierung der Erstbearbeitung [Projektinformation auf uni-trier.de]
- Quellenverzeichnis des ¹DWB