Deutsches Fremdwörterbuch | |
Manier |
1. Aufl.
Band 2 (Basler 1942)
F. ‘Art und Weise’ schon im 13. Jahrh. aus afrz. maniere gleicher
Bed. übernommen (Quelle: mittellat. Adj. *manarius für lat. manuarius ‘zu den
Händen (manus) gehörig; handlich; passend’. afrz. manier, maniere) und so um 1500
geläufig (1a), vorübergehend im 16. Jahrh. in den Lautformen Monier (b) und
Munier (c) gebraucht. Seit dem 17. Jahrh. gilt Manier bes. von ‘guter gesellschaftlicher Sitte’ (2), anderseits im Bereich der Kunst von der ‘besonderen Art eines
Künstlers’ (3). Verdeutscht von Ramler mit Art, Weise; äußerliches Betragen;
Kunstgriff (ZfdW. VIII 79). Zum Ganzen sieh DWb.
Belege: 1a. Aus mhd. Zeit bei Lexer.
Zimmersche Chronik II 257 seiner überalten
deutschen manier – I 481 welcher dann
frömbder claidung und maniern sich sonderlich angenomen. Hippel 1778 Lebensläufe IV 118 Jeder Mensch hat seine Manier,
seine Natur im Sprechen.
b. 1515 Eulenspiegel 98 vff welch monier.
Theuerdank 93a (W.). Emser 1521 Streitschriften I 9. Sachs 1563 Fabeln und
Schwänke II 418. Mathesius 1563 Ehestand
Aa 3a.
c. Franck 1538 Germaniae Chronicon
Vorr. 9. 82b. Sachs 1541 Fabeln und
Schwänke I 216. 284 münier. (Malherbe, 79).
2a. Schupp 1659 Sendschreiben 9 wil
der Herr antworten auff den Calender,
und wirdt mir mit raison, mit manier und
Höfflichkeit begegnen, so wil ich ihm hinwiederümb Höfflich antworten (DWb.).
John 1682 Trenchir-Kunst Titelbl. nach
heutiger Manier. Abraham a S. Clara 1686
Judas I 39 mit guter und gelimpflicher M.
viel mehr aussrichten – III 556 da doch
ein Mann darum ein Mann genannt wird,
damit er soll lernen ein M. zu gebrauchen.
b. so bes. der Plur. Manieren: Thomasius 1687 Nachahmung der Franzosen 4
daß die Sitten und Manieren zu leben sich
hin und wieder verändert haben. Schiller
1784 Kabale IV 7 was in der Welt könnte
sie abhalten, einen Stand zu erwählen, der
der einzige ist, wo sie Manieren und Welt
lernen kann.
3a. Hainhofer 1610 Briefe 20 Maria
Magdalena [ein Gemälde] ... es haltenss
etlich für Kronacherss manier – 64 messbuch ... auf allte manier gemahlet – 229
so hat auch hanss Freyberger eine sondern
Manier in gemahlen vnd feine lieblichkeit
im gebrauch der farben. Füßli 1763
Künstlerlexikon XIb das Wort Manier will
bey einem Schilderer nichts anders sagen
als das Wort Styl bey einem Schriftsteller.
b. Vom Kunstverfahren, von persönlicher
Ausdrucksweise des Künstlers: Goethe 1787
Br. (VIII 309) – 1808 Br. (XX 21). vgl.
Goethe 1788 Einfache Nachahmung der Natur,
Manier, Stil (XLVII 77f.) Goethe 1798
Diderots Versuch (XLV 307). Vgl. Goethe=Handbuch II 509.
c. auch von ‘übertriebener Eigenart, gekünstelter Originalität’ vgl. Sulzer 1775
Theorie der schönen Künste II 207 Man hat
aber dem Worte [Manier] noch eine besondere Bedeutung gegeben, und braucht
es um ein Verfahren in der Bearbeitung auszudrücken, das etwas unnatürliches und
dem reinen Geschmack der Natur entgegenstehendes an sich hat. Wenn man von
einem Gemählde sagt: es sey Manier darin,
so will man damit sagen, es habe etwas
gegen die Vollkommenheit der Nachahmung
streitendes. Lavater 1777 Physiognom.
Fragmente III 15 was Modegeschmack und
Manier heißt.
manieriert Adj. (Part.) ‘gekünstelt’ im
Sinn von Manier (3c) und unter Einfluß
von frz. maniéré gleicher Bed. Vgl. Winckelmann 1764 Gesch. d. Kunst I 111 Dieser
zweyte Stil ist auch, wie man itzo redet,
manierirt zu nennen, welches nicht anders
ist, als ein beständiger Charakter in allerley Figuren. Goethe 1796 Lehrjahre (XXI
106) die Ausführung durchaus manierirt.
Schlegel 1801 Vorlesungen I 104 M. heißt
eine Darstellung wenn Manier darin als
herrschend wahrgenommen wird. Goethe
1805 Rameaus Neffe (XLV 184) die Künste
in Frankreich [waren] auf eine sonderbare
Weise manierirt und von aller eigentlichen
Kunstwahrheit und Einfalt getrennt – vgl.
Maximen (XLVIII 207) – (XLII, 2;
175). Feuchtersleben 1840 Confessionen (IV
71) Manierirte Dichter erziehen gleichsam
ihre Leser nach und nach zur Geschmacklosigkeit. Burckhardt 1852 brieflich an
Brenner=Kron (Ausg. 1925. S. 24) Lenau,
V. Hugo ... sind selber schon manieriert
und führen den Leser noch tiefer in die
Manier hinein. Keller Gr. Heinrich 2 II
142 ein m. modisches Gepinsel.
Dafür auch im Anschluß an Manier:
maniert z. B. Sulzer 1775 Theorie II 207
Bey Gemählden, die Maniert sind – Von
dergleichen unnatürlichen Behandlungen ist
insgemein die Rede, wenn man von einem
Künstler, besonders von Mahlern sagt; sie
seyen manieret. Sturz 1779 Über die Schönheit (I 231) Seele solte ... jedes Kunstwerk athmen, aber nicht die wollüstige,
manierte Heroidenseele. – König=Rumohr
1822 Kochbuch 2 bey den gesitteten Völkern
[pflegt] meist in Begleitung des manierten
Geschmackes in der Literatur und Kunst,
eine gewisse Überfeinerung der Kochkunst
einzutreten.
Das Ztw. manierieren tritt, wie auch
sein frz. Vorbild maniérer (17. Jahrh.) erst
verhältnismäßig spät auf: Börne 1820 Br.
a. Frkf. 3. Nov. Holtei 1863 Letzte Komödiant II 10. Manierirtheit: Keller 1854
Gr. Heinrich I 47 sie kochte schlecht und
recht, ohne M., wie die Künstler sagen.
manierlich Adj. ‘sittsam, anständig’ belegt schon 1495 Vocab. gemma gemmarum
(Köln) E 6a; 1508 (Straßburg) f 2a [Weig.];
1512 (Hagenau) i 2c ethicus est moralis:
syttig, manierlich. Abraham a S. Clara
1690 Judas II 292 wie er sich möcht m.
aus dem Staub machen. Menantes 1709
Satir. Roman I 67 wodurch ihr das Tantzen
so überaus m. anstund, als ob sich alle
Gratien leibhaftig in ihr bewegten. Rohr
1728 Zeremoniellwiss. I 181 so ist eine
manierliche Geberde nicht allezeit mit
manierlichen Worten und Wercken vergesellschaftet.
Gebucht bei Wächtler 1709 manirlich,
geschickt, sich manierlich aufführen.