Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gurke, f.

gurke, f.,

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cucumis sativus, pflanze und frucht.
herkunft und form. das wort ist im deutschen seit dem 16. jh. als entlehnung aus dem westslav. bezeugt, poln. ogórek (älter ogurek); čech. okurka, okurek. mit einer erweiterung durch das deminutivsuffix ist es dort wiederum aus dem spätgriech. ἀγγούριον, ἄγουρος entnommen Vasmer griech.-slav. stud. II izvĕstija otd. russk. jaz. imp. ak. nauk. 12, 2, 260, das seinerseits auf persisch angōrah zurückgeführt wird Kluge-Götze etym. wb. 222ᵇ; sorb. kórka stammt aus dem deutschen, s. H. H. Bielfeldt dt. lehnwörter im obersorb. 169. in näherem anschlusz an die slav. quelle steht nd. agurke, augurke (s. teil 1, 190; 816). beide formen kommen nebeneinander vor: agurcken (pl.) Olearius pers. reisebeschr. (1696) 13ᵃ; ajurcken (pl.) ebda 103ᵇ; aujurcken (pl.) pers. rosenthal 109ᵇ; ebenso agurke, augurke Hupel id. d. dt. spr. in Lief- und Esthland (1795) 5; mit dem akzent auf der ersten silbe Mensing schlesw.-holst. 1, 95. das dreisilbige wort zuerst bei Chyträus (Rostock 1582) nach Kluge-Götze 222ᵇ; lexikalisch noch agurken Ludwig teutsch-engl. 69; sonst nur mundartlich, auszer den obengenannten formen bezeugt als augurke brem.-ndsächs. wb. 1, 32; Dornkaat-Koolman 1, 71ᵇ; als agurke für Lübeck, Braunschweig, Osnabrück Kosegarten wb. d. nd. spr. (1856) 1, 157; als veraltet für Emmerich rhein. wb. 1, 81. aus diesen mundarten weiterentlehnt als agurk, augurk ins ndl. J. Franck-Wijk et. wb. d. ndl. taal 22ᵇ; fries. augurch Dijkstra 1, 62ᵇ; dän. agurk, älter augurk Falk-Torp 1, 17; schwed. veraltet Hellquist sv. et. ordb. 211ᵇ. anguricke Henisch 83, angurke Nemnich cathol. 1, 1306 mögen vermischungen von agurke mit angurie, f., streifengurke, wassermelone sein (s. Sanders fremdwb. [1891] 1, 60ᵇ; Nemnich cathol. 1, 1302), das wie mittellat. angurius du Cange-Henschel 1, 257ᶜ, ital. anguria Rigutini - Bulle ital.-dt. 1, 43ᶜ unmittelbar aufs griech. zurückgeht. die form gurke begegnet zuerst als gurcken (pl.) W. H. Ryff confectbüchlein (1544) 156ᵃ; ob in dem beinamen Johannes dictus Kurke (1326) urkdb. d. stadt Freiberg in Sa. 1, 408 bereits unser wort vorliegt Kluge-Götze 222ᵇ, M. Gottschald dt. namenkde 216ᵇ, bleibt fraglich; vgl. den familiennamen Gurke, Ogorek Gottschald a. a. o.; dagegen spricht čech. Aleš Krk (= hals) urkde von 1351 bei Gebauer slovník staročeský 2, 150. häufig die o-form: gorcke Kirsch cornu cop. (1732) 2, 157ᵃ; gork(e) Müller-Fraureuth 1, 450ᵇ; gorge F. Hofmann niederhess. 111ᵇ; apokopiert gurk, gork Mensing schlesw.-holst. 2, 510; gork Frisch 1, 361ᵇ; Müller-Fraureuth a. a. o.; mit flexivischem -n im nom. sg. gurcken vocabula rei nummariae (1552) j 4ᵇ; Henisch 625; gorchen, gurchen Aler (1727) 1, 966ᵃ; 994ᵇ; korke, körke s. teil 5, 1811; Pritzel-Jessen 120. neben den weiterentlehnungen aus dem deutschen agurke, augurke (s. o.) steht schwed. gurka Hellquist sv. et. ordb. 211ᵇ; engl. gherkin Skeat et. dict. (1888) 232ᵇ.
mundartliche verbreitung. das wort ist in nd. und ostmd. dialekten lebendig, neben den formen agurke, augurke (s. o.) als gurke und nebenformen; im nd.: Frischbier 1, 259; Mensing schlesw.-holst. 2, 510; Bauer-Collitz 42ᵇ; im md.: Müller-Fraureuth 1, 450ᵇ; Wenisch heimatforschg. Nordwestböhmens 1, 92; Hentrich Eichsfeld 3; Hertel Thüring. 111; F. Hofmann niederhess. 111ᵇ; im kurhess. kaum üblich Vilmar 230; im rheinischen dringt gurke allgemein, nur nicht rhfrk., erst vor rhein. wb. 2, 1499; im schwäb. gürklein 'kleine essiggurken' jetzt verbreitet, vereinzelt schon im 16. jh. girgel Fischer 3, 930, der eigentlichen mundart aber fehlt es, s. ebda 904. das westmd. alem. bair. brauchen dafür das aus dem lat. übernommene kukumer und seine ableitungen (s. teil 5, 2585), das auch im westl. nd. bis ins holsteinische verbreitet ist. im österr. steht aus ungar. umorka entlehntes unmorke, unmurke, umurke (s. teil 11, 3, 1194), bair. auch amurke Schmeller-Fr. 1, 936. der mundartliche unterschied im gebrauch der worte kukumer und gurke geht darauf zurück, dasz es sich ursprünglich um zwei verschiedene arten der gattung cucumis handelt; die erste brachte die römische colonisation mit, die andere aber, die im frühen mittelalter von Byzanz aus in Europa eindrang, gelangte über die östlichen nachbarn nach Deutschland. wie lat. cucumis bezeichnete 'ursprünglich wohl auch das aus ihm stammende dt. kukumer eine grosze, kürbisähnliche frucht' Schrader reallex. d. idg. altertumskde. 484; V. Hehn kulturpflanzen u. hausthiere (1902) 316; vgl. die glossierung cucumer cucurbita Diefenbach 161ᵇ; Schmeller-Fr. 1, 887. seit der mitte des 16. jh. stehen beide bezeichnungen jedoch synonym nebeneinander: cucumer et cucumis cucumern, gurcken Golius (1582) 376; (die Türken) essen wenigk zwibeln und knoblauch, ein wenigk zerschnittener cucumern, so wir gurken nennen R. Lubenau beschreibg. der reisen 237 Sahm. deutlich wird die westliche pflanze mit gurke wiedergegeben, wenn es mit berufung auf Plinius lib. 20 cap. 2 (ed. sec. 3, 304 Mayhoff) heiszt: was mit dem pulffer der langen gurcken besprentzt wirt, rüren die meuss nicht an Heyden Plin. (1565) 293; desgleichen in der glossierung: cucumis ... welsch gurcken Eber-Peucer voc. rei numm. (1558) k 8ᵃ; ebenso Freigius quaest. phys. (1579) 839. während die mundarten die entlehnungsgebiete noch unterscheiden, hat sich schriftsprachlich gurke durchgesetzt.
bedeutung.
1)
die über Byzanz in Europa eindringende pflanze namens ἀγγούριον scheint mit der heutigen langen gurke (cucumis sativus) nicht identisch gewesen zu sein; denn die pers. spätgriech. lat. und ital. benennungen, das entlehnte dt. angurie (s. o.), selbst älteres slowakisches angurka Preobražensky etym. wb. d. russ. spr. (1910) 639ᵃ bedeuten 'wassermelone'. auch im deutschen kann gurke vereinzelt noch bis ins 17. jh. kürbisartige früchte bezeichnen; aber das geht wohl auf einflusz des synonym gebrauchten kukumer in seiner ursprünglichen bedeutung zurück: vocemus ergo melones Germanorum melaunen et melopepones pfeben, pepones pluzern et gurcken Eber-Peucer voc. rei numm. (1558) k 8ᵇ; cucumern, gorcken, saturey (concombre, courges, sariette) Sebiz feldbau (1579) 171; vgl. auch W. H. Ryff confectb. (1544) 156ᵃ (s. u.); gurcke, gurchen ... ein art einer frucht anguria, cucumer Aler (1727) 1, 994ᵇ.
2)
die bedeutung 'cucumis sativus' aber ist die gewöhnliche im deutschen, auch im slav. und in neugriech. ἀγγοῦρι Hépitès dict. grec.-franç. 1, 27ᵇ. die ersten belege lassen das wort bereits bis ins alem. hinein als bekannt erscheinen, vgl. W. H. Ryff confectb. (1544) 156ᵃ; Sebiz feldbau (1579) 171; Golius (1582) 376; Freigius quaest. phys. (1579) 839 s. o.; Seutter hippiatria 35 s. u.; girgel (16. jh.) Fischer schwäb. 3, 930. im einzelnen kann man dabei noch an eine unterscheidung der heimischen kukumer von der im osten eindringenden gurke als zweier besonderer arten denken. früh verwandt als heilpflanze: kalte, einfache stuck, dem magen dienstlich: ... kürbsz und alle andere frembde kürbiszfrücht als melaunen, beben, gurcken und citrullen W. H. Ryff confectb. (1544) 156ᵃ; nimb ... safft von manhauptlen ein untz, der kern von gurcken vier lot Seutter hippiatria (1599) 35; vgl. auch gurkensaft. als gericht, eingemacht als saure gurke ist sie 'nur in den theilen Deutschlands üblich geworden, ... die ehmals von Slawen bewohnt waren' V. Hehn a. a. o. 316; gork cucumis, eine frucht, die gar gemein ist, eingemacht, saure gorcken Frisch 1, 361ᵇ;
... im kühlen gewölbe
gährt ihr der kräftige kohl, und reifen im essig die gurken
Göthe 1, 303 W.;
während ich ihr bald antworte, bald schreibe, bald einem excellenten frischen schweinsbraten mit eingelegten gurken zuspreche fürst Pückler briefwechsel u. tageb. (1873) 6, 439; allgemeiner scheint die kleine, als zukost genossene essiggurke bekannt: gelb eingemachte girgel (16. jh.) Fischer schwäb. 3, 930, heute dort gürklein s. ebda; nach der art des einmachens unterscheidet man noch fenchel-, pfeffer-, salz- und senfgurken s. Sanders 1, 641ᵃ. in der niederen umgangssprache wird das wort gurke gern verwandt in redensarten, wie besonders: sich bey jemandem eine gurke zu viel herausnehmen figürlich 'sich einer unerlaubten freyheit bedienen' Adelung 2, 849. schon 1663 bei J. B. Schupp s. Wander 2, 172; ein kürbs unter den gurcken, umbschrieben: nur grosz gegen andern G. Treuer dt. Dädalus (1675) 1, 851; das bringt ja eine saure gurke ums leben Holtei erzähl. schr. 21, 183; weiteres s. bei Wander a. a. o.; vulgär im vergleich für nase: der begiszt seine kohlrote gurke mit brantwein G. Hauptmann weber (1892) 64; vgl. Th. Imme soldatenspr. 102; Ostwald rinnsteinspr. 63; vgl. gurkennase bereits bei Stieler.
3)
in der botanik wird das wort auch für andere ausländische, gurkenähnliche gewächse gebraucht, z. b.: voluta glabella glatte gurke Nemnich cathol. 2, 1577; melothria schwarze gurke ebda 547.
in der composition zielt gurken- in der zweiten bedeutung gewöhnlich auf die der frucht ähnliche form, so bei gewächsen: gurkenapfel, -baum, -kartoffel und im vergleich: -haupt, -nase:
gurkenähnlich
gurkenähnliche früchte
Campe 2, 1, 481ᵇ;
gurkenapfel
momordica, eine apfelsorte, gut in der haushaltung Nemnich wbb. 216;
gurkenbaum
ist ein baum, welcher in Java wächset und früchte wie gurcken träget Chomel (1750) 4, 1437; magnolia acuminata Nemnich cathol. 1, 490;
gurkenform
da finden sich solche (gefäsze) von kugelform, gurkenform v. d. Steinen naturvölker Zentralbrasiliens (1894) 240;
gurkenförmig
seine früchte aber sind gurkenförmig Bunzlauische monathschrift (1775) 2, 171;
gurkenhaupt
ein südlicher magazinswirt mit einem blasierten gurkenhaupte D. Spitzer ges. schr. 1, 99;
gurkenkartoffel
kartoffelart Metzger pflanzenkde (1841) 538;
gurkenkraut
borretsch oder gurkenkraut borago officinalis, kraut als zusatz zum salat Muspratt chemie (1898) 6, 190;
gurkenmaler
gurckenmahler rhyparographus Steinbach (1734) 2, 13, vgl.ῥυπαρογράφος schmutzmaler, maler kleinlicher gegenstände, von fruchtstücken usw. PassowII (1857) 1352ᵇ; sie wären in der that nur sogenannte schlechte gurkenmahler, die nicht werth, dasz man sie mahler nennete Biedermann reisebeschr. (1735) 133; vgl. dazu H. Meyer gesch. d. bildenden künste (1824) 3, 251;
gurkennase
grosznase appellant etiam gurkennase Stieler 1333;
gurkensaft
thu auch darzu gorckensafft M. Bapst v. Rochlitz artzneibuch (1590) 327;
gurkensalat
Stieler 1676; der gurkensalat steht bei vielen ärzten in einem schlechtem credit (wegen seiner schweren bekömmlichkeit) Krünitz 20, 382;
gute antwort kann mancher magen
noch weniger als gurkensalat vertragen
Hoffmann v. Fallersleben mein leben 6, 332;
gurkenzeit
die geschäftsstille, an politischen ereignissen arme zeit des hochsommers s. sauregurkenzeit teil 8, 1924 und O. Ladendorf histor. schlagwb. (1906) 276. vgl. ferner K. Albrecht Leipziger ma. 127ᵃ; Frischbier prsz. sprichw.² 1, 101; Holtei erz. schr. 25, 9.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1934), Bd. IV,I,VI (1935), Sp. 1158, Z. 71.

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Zitationshilfe
„gurkennase“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gurkennase>.

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