Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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rüge, f.

rüge, f.
anzeige, beschuldigung, tadel. mhd. rüege, mnd. wroge, ahd. noch nicht belegt. die andern dialekte zeigen abweichende bildungen: goth. wrohs, f. anklage, altn. rógr, m., später róg, n. verleumdung, zwist, alts. und angels. wrôht, f. streit. über die etymologie vergl. rügen. neben rüge läuft im ältern nhd. eine kürzere form rug, besonders bei H. Sachs (s. u.). sie direct mit goth. wrohs zu vergleichen, verbietet das späte und vereinzelte auftauchen. sie erscheint gewöhnlich in der bestimmten bedeutung 'gericht, gerichtstermin' (s. unten 4), wie auch die form ruge Weigand 2, 500 (von rüge getrennt). Frisch 2, 133ᵃ hat rug und rüge ungetrennt neben einander. die form rug erscheint wieder bei Rückert, aber (wol aus missverständnis) als masc., s. Meurer lexical. samml. aus Fr. Rückerts werken s. 8:
doch durch aufwand schirmt ein edler sich vorm rug
und den guten ist gebahnt ein weg zum fug.
Rückert Hamasa 2, 278.
die zusammensetzungen mit rug- sind im folgenden unter den mit rüge beginnenden behandelt.
1)
zunächst bezeichnet rüge die handlung des rügens, und zwar, den verschiedenen bedeutungen von rügen entsprechend,
a)
die anzeige eines vergehens, denunciatio Steinbach 2, 309, denunciatio delictorum Frisch 2, 133ᵃ: die rüge ganz oder halb verschweigen, vitium plane non aut saltem aliquid de eo deferre. Magdeburger rügegerichtsordn. von 1666 s. ebenda. so besonders üblich im mhd. und mnd., jetzt ungebräuchlich: ich han durch nit mit ruege deme und deme sin ere gecrenket also und also. beichtf. von 1289 bei Schm. 2, 77;
si triben vruo und spâte
mit rüege und mit râte
ir arkheit wider Marken an.
Tristan 15114;
von diser starchen ruge,
daz si in (die juden Jesum) so ungevuge
unt so vientlich an lugen,
so vil umbildes uͦf in zugen,
so wande der rihtære (Pilatus),
daz er schuldich wære.
Hahn ged. des 12. u. 13. jh. 106, 82 (urstende);
de vos dâr by an einer stede
heimelik hôrde he disse rede
des wulves, synes vyandes wrôch.
nd. Äsop 16, 42 Hoffmann.
in neuerer sprache fast nur noch in bestimmten wendungen, zur rüge ziehen, bringen u. s. w.: wenn man einmal denkt, nun sei zeit, eine derbe wahrheit an den mann zu bringen, so steht der anbringer hinter der thür, und schreibt einen zur rüge. Möser patriot. phant. (1842) 3, 82; feldhüter und feldschützen, welche das vieh, was zu schaden geht, ohne erwartung einer klage von dem beschädigten amtshalber zur rüge bringen. 3, 210. auch mit bezug auf den inhalt der rüge:
anlangend eure häm'schen falschen rügen,
beweist sie, und ich stehe dem gesetz.
Shakesp. Heinr. VI, 2. theil 1, 3.
b)
die gerichtliche untersuchung, wenig gebräuchlich, s. Adelung. eine rüge anstellen.
c)
die gerichtliche ahndung eines vergehens, die geldbusze, mit der die rüger (s. das.) kleinere vergehen bestraften, besonders im niederd. (s. brem. wb. 5, 295). rug, animadversio in delatos, mulcta. Frisch 2, 133ᵃ.
d)
der tadel, verweis. in dieser bedeutung jetzt fast allein gebräuchlich: die rüge der fehler und mängel (in Rabeners satiren) ist harmlos und heiter. Göthe 25, 74; jene rüge konnte blosz einem wahren dichtergenie gelten, das von der natur reichlich ausgestattet war, aber versäumt hatte, durch eigne kultur jenes seltene geschenk auszubilden. Schiller 10, 498;
des ernstes freunden, freunden der wahrheit und
der wahren freude, war seit jahrhunderten
das eitle volk (der Franzosen) und seine Babel
warnender rüg' und des mitleids vorwurf.
Stolberg 2, 170.
manchmal auch die rüge des gewissens, gewissensbisse (vergl. gewissensrüge): de archedyakon wort seer benowet myt den wroghen der consciencien. bok der byen 186ᵇ bei Schiller-Lübben 5, 782ᵇ;
wann in nächten, darbend an genüge,
phantasie ersetzt, was wuth geraubt,
das gewissen schläft, und ohne rüge
schnöder üppigkeit ihr spiel erlaubt.
Bürger 99ᵃ.
2)
das zu rügende vergehen Adelung (vgl. feldrüge): die vier hohen rügen (mord, diebstahl, brand, notzucht). Frisch 2, 133ᵃ; haupt-rüge, in demselben sinne, accusatio ob crimina et causas capitales. 133ᵇ.
3)
das gericht, das vergehen zu rügen hat, besonders untergerichte mit beschränkter strafgewalt, judicium censorium. Frisch 2, 133ᵃ. Adelung. die rug in Nürnberg, s. rügeamt. weiterhin auch gerichtsbarkeit, gerichtsbezirk Lexer mhd. wb. 2, 520, mhd. dafür auch rüegât, s. Lexer mhd. wb. nachtr. 352, und so noch in salzburgischen gegenden. Schm. 2, 78.
4)
der gerichtstag, termin, an dem rügen vorgebracht werden:
auf hewt so wirt eben die rüeg,
da alle paüren zamen kümen,
da soll er werden für genümen.
H. Sachs fastn. sp. 6, 35, 216 neudruck;
ir nachtparn, wie wirt es uns heüt gen?
wie wert wir an der rüeg pesten?
224;
ir pauren, hewt ist rüeg, wist ir wol,
das ainer den andern rüegen sol
umb epruech oder hüererey
und andre laster, was das sey.
36, 237.
5)
eine polizeiverordnung, nur in beschränktem gebrauch. Adelung.
6)
endlich hat das nd. wroge auch die bedeutung 'prüfung der münzen, gemäsze und gewichte auf ihre richtigkeit und bestrafung der falsch befundenen', s. Schiller-Lübben 5, 782ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1409, Z. 75.

rüge, adj.

rüge, adj.
beweglich, regsam, wofür gewöhnlicher das stammverwandte rege. mhd. rüege, vgl. Schm. 2, 76, nur in einzelnen gegenden üblich, so im schlesischen, s. Weinhold beitr. zu einem schles. wb. 78ᵇ; nicht im nd.;
die Mäczli (dorfmädchen) warent also rüg
und sprungen her so gar gefüg,
daz man in oft ich waysz nit wie
hin auf gesach bis an die knie.
ring 39ᵇ, 34;
wenn der bitter geist das süsze wasser kostet, so frewet er sich in seiner mutter .. und machet seine mutter in groszen frewden rüge, da gehet im süszen wasser-geiste auff gar ein süsser holdsehliger quell. Jac. Böhme von den drey principien göttlichen wesens 2, 11 s. 19; lässet die anderen ihren saamen in sich säen, und das centrum erwecken, dasz das fewer auffgehet, davon das leben rüge wird. 3, 20 s. 26; die bittre qualität ist der erste geist, davon das leben rüge wird. Aurora (Stuttgart 1835) s. 113.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1411, Z. 17.

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Zitationshilfe
„ruge“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/r%C3%BCge>.

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