Deutsches Fremdwörterbuch
Skrupel1
1. Aufl. Band 4 (Kirkness u. a. 1978)
M. (-s; -), im frühen 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. scrupulus, eigentlich ‘spitzes Steinchen, Sandkörnchen’ (Diminutiv von scrupus ‘scharfer, spitzer Stein’), anfangs gelegentlich in der (lat.) Form Scrupul(us); in der Bed. ‘peinigendes, ängstliches Gefühl; Ängstlichkeit, Besorgnis; beunruhigender Zweifel, Unruhe; moralisches Bedenken’, häufig im Pl. für ‘Gewissensbisse’. Dazu seit Mitte 16. Jh. die veraltete verbale Ableitung skrupulieren ‘ängstlich grübeln, zweifeln; (unbegründete oder übertriebene) Gewissensbisse haben’; im 16. Jh. die selten belegte adj. Ableitung skrupulisch, gleichbed. mit der ebenfalls im 16. Jh. aufgekommenen adj. Ableitung skrupulos (⟨ gleichbed. lat. scrupulosus), seit Ende 17. Jh. unter frz. Einwirkung zunehmend in der heutigen Form skrupulös, in der Bed. ‘ängstlich (bestrebt, alles genau zu bedenken), peinlich genau, vorsichtig; zimperlich, kleinlich’ mit der dazugehörigen, selten belegten subst. Ableitung Skrupulosität F. (-; ohne Pl.) ‘Ängstlichkeit (in Gewissensfragen); skrupelhaftes Wesen’, dafür im 19. Jh. vereinzelt auch skrupelhaft; im 19. Jh. das Subst. Skrupulant ‘übertrieben gewissenhafter Mensch’, daneben auch Skrupler; seit Anfang 20. Jh. die häufig belegte adj. Ableitung skrupellos ‘ohne Skrupel, rücksichts-, gedankenlos (die eigenen Interessen verfolgend)' mit der dazugehörigen subst. Ableitung Skrupellosigkeit F. (-; ohne Pl.), bes. im kaufmännischen, politischen und religiösen Bereich.

Belege

zu Skrupel (27)
Eberlin v. Günzburg 1521 Bundesgenossen 168
nieman schuldig ist by todtsünd, vnd das du dar noch scrupel der gewissen darumb hast, ist schuld dines mißgloubens vnd nit der vnderwegen lassung;
Friedensberg 1597 Discurs 8b
Were demnach zu wünschen / daß auch darinnen ein Moderamen ynbraucht / und solche Scrupel realiter benommen würden;
Albertinus 1599 Guevaras Sendschreiben 14b
die alten Bücher haben viel Vor­theyls vor den newern ... vnd daher mögen sie ohn allen Scrupel gelesen werden;
Schweighart 1617 Pandora 2
Scrupulus vnd zweiffel;
Mengering 1638 Gewissenswecker a 5b
daß man in ... Gewissens-Scrupeln vnd Zweiffels-Fragen ein unverletztes Gewissen ... behalten möge;
Schupp 1656 briefl. (Quellen G. geist. Lebens I 635)
dass wo sie einigen Scrupul dieser sach halben haben;
Seckendorff 1685 Christenstaat II 34
und schickte sich keiner übler darzu, als der so viel scrupel im Gewissen hätte;
1698 Abr. a Sta. Clara VIII 285
Freilich gibt es viel gute ... Apotheker; aber man findet doch zuweilen einige, die zwar viel Skrupel in der Apotheke, aber wenig im Gewissen haben (KLUGE);
1710 Antwort Schreiben 136
Ich muss fast glauben, es müsse derselbige von den Mittel­dingen einen Gewissens Scrupel überkommen haben;
1711 Gelehrte Fama 563
Religions- und Gewissens-Scrupel;
Prambhofer 1712 Traum-Ges. 7
derentwegen sie keinen Scheuh getragen / keinen Scrupel / kein Gewissen gemacht / eben solches nachzuthun;
1718 abentheuerl. Welt II 13
Macht einen Scrupel sich auch einen Floh zu tödten;
Wening 1721 Bayern II Ca
dass an der Wahrheit, oder richtigen Entwerffung dessen, was in disem Buech enthalten, einiger Scrupel oder Anstand nicht zu haben;
Liscow 1739 Sat. Schr. 17
und verfertigte, ohne mir weiter den geringsten Scrupel zu machen, meine Lobrede;
Schlegel 1740 Schr. 22
Bis diese Stunde kann ich alle Gründe, die sie wider die Comödie in Versen vorgebracht haben, für nichts anders, als für critische Gewissensscrupel ansehen;
Waiblinger um 1830 Britten (I 261)
sophistisierte sich jeden moralischen Scrupel hinweg;
Prokesch v. Osten 1834 Tagebücher 213
Diese fortdauernde Quälerei und Skrupelsucht des jungen Monarchen hat ... grosse Besorgnisse erregt;
Bauer 1836 Überschw. II 147
so half ihm sein ... schon verharschtes Gewissen glücklich über den Skrupel [hinweg];
ebd. 121
Wer zimperlich nippte, und vor den Folgen bange ... schien, dem setzte er [der Wirt] ein so unverfängliches, zahmes Tränckchen vor, dass aller Skrupel schwinden musste;
Vischer 1861 Krit. Gänge N. F. II 75
der Mann des sittlichen Skrupels werde naturgemäß seine Bedenken über den Punkt hinaus fortführen, den er zunächst als ihre Grenze gesetzt habe;
Kretschman 1870–71 Kriegsbr. 348
Übermorgen hoffe ich mit meinen Arbeiten fertig zu sein und kann dann ohne Skrupel nach Versailles fahren;
1888 Unsere Zeit I 342
Sie wechseln auch ihre politischen Überzeugungen schnell und ohne jeden Widerstand, ohne Gewissensscrupel und Schwierigkeiten;
Böhmer 1915 Sklavinnen 93
„Ob ich ein Auto nehme?“ fragte sie sich. Sonst hatte sie sich's bei außergewöhnlich schlechtem Wetter ohne Skrupel geleistet, wenn sie rasch zu Hause sein wollte;
Hoche 1936 Weg 107
von Skrupeln gebremst;
Süddtsch. Ztg. 15. 6. 1951
die national­chinesischen Führer ... in Geldfragen keine Skrupel kennen, und den Staatsbesitz meist mit ihrem Privatvermögen verwechseln;
Frankf. Rundschau 4. 5. 1966
Überzeugend das langsame Anwachsen eines teuflischen Ehrgeizes, dem nach der Tat die vernichtenden Gewissensskrupel folgen, die vor dem Mord nur verdeckt waren;
Mannh. Morgen 8./9. 1. 1977
Haben Sie überhaupt keine Skrupel! Am Ende zählt nur der Erfolg.
zu skrupelhaft (1)
Werther 1861 Kl. Deutschland I 38
skrupelhaften.
zu skrupellos (12)
Zobeltitz 1902 papierene Macht I 68
Er hatte seine Jugend froh und lustig verlebt, war kein Heiliger gewesen und kein Puritaner. Aber unter allen Freuden, die sich dem lebenslustigen Menschen geboten und die er skrupellos genossen hatte, war keine gewesen, bei der er auch Weihe empfunden hätte;
Münsterberg 1904 Amerikaner I 86
Ehrlose, die sich skrupellos bereichern wollten;
Harnack 1925 Werkst. 57
skrupellose Jagen nach Gewinn;
Süddtsch. Monatshefte 26 (1929) o. S.
sich einem späten, unerhört skrupellosen Flirt hingibt;
Lokal-Anz. 15. 8. 1933
Es ist wirklich beschä­mend, daß der tragische Tod der beiden litauischen Flieger kurz vor Erreichung ihrer Heimat immer wieder in der törichtsten Weise zu einer skrupellosen Deutschenhetze ausgenützt wird;
ebd. 8. 6. 1934
Und so häßlich die skrupellose Jagd nach dem Manne ist, so naturhaft ist der Wunsch, zu heiraten und Kinder zu bekommen und groß­zuziehen;
Süddtsch. Ztg. 12. 7. 1950
Sie ... befreit Gefangene, bringt skrupellose Betrüger skrupellos um und landet schließlich im Gefängnis;
ebd. 5. 9. 1963
hemmungslos in seinem Ehrgeiz, skrupellos in seinem Handeln, keine Rücksicht nehmend auf seine einstmals so engen Beziehungen zum hohen katholischen Klerus;
Haffner 1965 Todsünden 28
eine kalt rechnende, wenn man will, skrupellose, wenn man will, verzweifelte Politik;
Stuttgarter Ztg. 16. 10. 1969
Ausschuß gegen skrupellose Geschäftspraktiken, Wuchermieten und überhöhte Preise;
FAZ 14. 2. 1972
daß die DDR-Rodlerinnen in Grenoble „einem gemeinen Betrug hilflos ausgeliefert“ gewesen und daß die Vorwürfe gegen sie „skrupellos erfunden“ worden seien;
Spiegel 10. 1. 1977
Er [Carter] lernte daraus, daß das einfache Volk gut ist, von skrupellosen, selbstsüchtigen „gestandenen“ Politikern aber häufig irregeführt wird.
zu Skrupellosigkeit (10)
Heigel 1892 (Charakterbilder 139)
[politische] Skrupellosigkeit;
Marholm 1903 Psychologie d. Frau 48
seine moderne Skrupellosigkeit siegte über seine Bedenken – er heiratete sie;
Berolzheimer 1905 System II 134
bei Macchiavelli zeigt sich ... die empörendste Skrupellosigkeit, die je die Geschichte erschaute;
Friedell 1927 Kulturgesch. I 369
eine kluge und zielbewußte, aber masslos eitle und egoistische Frau von jener brutalen Skrupellosigkeit, kalten Hinterlist und scheinheiligen Prüderie, die die Feinde Englands als typisch national bezeichnen;
Lokal-Anz. 25. 2. 1933
Die Skrupellosigkeit Frankreichs in der Aufstellung von „geschichtlichen Wahrheiten“;
ebd. 4. 7. 1933
mit welcher Skrupellosigkeit die ausländische Greuelpropaganda gegen das nationale Deutschland [vorgeht];
Dtsch. AZ. 4. 1. 1935
denn die Skrupellosigkeit dieser Lügen­hetze, die von Emigrantenzentralen im Auslande organisiert und von ihnen systematisch genährt wird, ist nicht zu überbieten;
ebd. 10. 8. 1935
Mit beispielloser Skrupellosigkeit seien die Angeklagten zu Werke gegangen und hätten eine Frau nicht nur um ihr ganzes Vermögen gebracht, sondern ihr auch schwersten seelischen Schaden zugefügt;
Münch. N. N. 2. 1. 1941
Er tut dies mit der Skrupellosigkeit eines Hasardspielers, der noch mit dem letzten Einsatz das Schicksal zwingen will;
Süddtsch. Ztg. 6. 8. 1971
Die Skrupellosigkeit der Täter stand auf gleicher Stufe wie die Sinnlosigkeit der Tat.
zu Skrupulant (2)
Schmid 1861 Schwalberl (IV 245)
wenn man was erreichen will auf der Welt, darf man kein Skrupulant sein;
1875 (Fendrich 1953 Jahre 24ff.)
Aber ich war an meinen Erlebnissen ... so erbittert und zornerfüllt geworden, daß ich glaubte, bei der nächsten Beichte diesen Zustand der Todsünde bekennen zu müssen. Der gute Prediger ... sagte ... gelassen: „Absolvo te. Geh heim. Du bist ein Skrupulant“.
zu skrupulieren (3)
Paracelsus 1562 Spitalbuch g 2a
so acht nicht weyter warumb geschicht das? oder warumb geschicht diss? was ist die vrsach das dises das thut? ... dise ding sind gleich, als der da scrupuliert im Glauben;
Bürster 1647 Schwed. Krieg 73
scrupuliren;
Kinderling 1765 Br. 112
scrupulirt.
zu skrupulisch (2)
1523 Eberlin v. Günzburg (III 29)
Die Beichtstuͤl seynt metzgen vnd fleischbenck der armen betrübten selen. Wie vil irriger trawriger beschwerter gewissen seint ... durch die munch gemacht, vnnd noch daryn erhalten werden, zu letst wan sie ein menschen ganntz scrupulisch gemacht haben, spotten sie yhr daran, die ertzbuben;
ebd. 84
vil [vergewaltigte Frauen] werden fantastig, vnd vnauffherlich scrupulisch in der gwissen, etlich werden gar zu narren.
zu skrupulös (18)
1569 Amadis (LV XL 12)
sorgfältige vnd scrupulose translation [des Originals der Amadis];
1648 Chemnitz Krieg I V
Ferner bin ich zwar ... im beschreiben derer Geschicht ziemlich scrupuleux gewesen (JONES);
Gebhardt 1656 V. d. Kunst, reich zu werden 58
Taglöhner / so abergläubig und scrupulos;
Lebenwaldt 1681 Teufels List VI 87
Aber mein scrupuloser Theophilus hat vielleicht ein Bedenken an dem Namen derselben / oder an dero ingredientzien?;
Thomasius 1688 Monatsgespräche I 311
Zum wenigsten hielte ich nicht dafür / daß itziger König von Frankreich so scrupulös seyn sollte;
1702 Europ. Fama 51
aus einer allzu scrupuleusen Morale;
Prambhofer 1712 Traum-Ges. 388
Jener ware wohl nicht so scrupulos / welcher dem Englischen Lehrer Thomae von Aquin vorgelogen / es fliege dort droben in der Höhe ein Ochs;
Rohr 1728 Zeremoniellwissenschaft I 26
Ist man aber hierinnen allzu scrupulös und allzu ceremonieus, da man mit andern Leuten zu viel Ceremonien vornimmt;
Michaelis 1770 Räsonnement II 292
Ist man bey der Wahl der Professoren nicht sehr scrupuleux, macht man Experimente, oder aus Gefälligkeit und Gutheit nur erst einige untugliche Professores;
1786 Journal d. Moden I 207
Die Sage behauptet, Mrs. Fritzherbert sey ausserordentlich scrupulös gegen alle Anträge ihres Liebhabers gewesen;
Weinlig 1787 Br. III 66
Bey Darstellung architektonischer Werke ist scrupulose Genauigkeit ein vorzügliches Verdienst;
Laukhard 1797 Leben IV 2
die Leute auf dem Department waren eben nicht sehr scrupulös, und wenn einer ein Papier von der Art brachte [einen gefälschten Taufschein], so gab man ihm einen Laufpass nach Basel;
1855 Hausblätter IV 102
War ihre Kleidung auch einfach und ärmlich, so war sie doch von der scrupulösesten Sauberkeit;
Vischer 1860 Krit. Gänge N. F. I 145
Es ist ein lustiger Kerl, der in mancherlei Masken auftritt, im Dialekt und zwar unendlich viel spricht, gutmüthig, schelmisch, voll Witz, kein Held, nicht allzu scrupulös, aber äußerst edelmüthig;
1866 Gartenlaube 679
die meist virgi­nischen Tabake, die hier verarbeitet werden, mit der aller scrupulosesten Sorgfalt [ausgelesen];
Spielhagen 1890 Finder I 130
er, der Mann der skrupulösen Solidarität, der pflichttreue Beamte;
Brandt 1901 Ost-Asien I 39
wenn ein wenig skrupu­löser Passagier ihn mit einer kupfernen statt mit einer silbernen [Münze] angeführt hatte;
Lerchenfeld-Köfering 1935 Erinn. 97
nicht skrupulös in der Wahl der Mittel.
zu Skrupulosität (5)
Rasch 1590 Neu Kalender P 1a
scrupulositet;
Seckendorff 1691 Reden 281
Scrupulosität;
Eichendorff 1854 Drama 46
Scrupulosität;
Schattauer 1928 Über Verantwortungsangst. „Skrupulosität
“ (Titel);
La Bedoyere 1955 Und einiges 162
[Vorstellung, alles Geschlechtliche sei unwürdig] Das Endergebnis war eine aufgezwungene, krankhafte Skrupulosität.