Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

einsam

einsam,
solus, solitarius, dies schöne wort gebricht der alten sprache. goth. gilt dafür ainakls (s. einkel, einzel), ahd. begegnet nur das subst. einsamina für unitas N. ps. 91, 11; nnl. eenzam, schw. ensam, dän. ensom scheinen erst von uns entliehen. Luther hat den ausdruck zwar verbreitet, nicht aufgebracht, denn Diefenbach sammelt 541ᵇ schon einige frühere fälle, Frisius hat 1223 einsam, nach ihm Maaler 100ᵇ, Dasypodius nicht.
1)
wie in éin die vorstellung der einheit und eintracht liegt, kommt auch einsam in diesem sinne, und verbunden mit einig vor: alle aufgericht zu lestern die einige, einsame christliche warheit. Luther 3, 285ᵇ; daher kein eergeiz oder sunderer anmuͦt bei in ist, sunder leben einsam und einig, on alle entpörung oder zank. Frank weltb. 235ᵃ;
einigkeit der eltern und kind,
ein fried- und einsam hausgesind,
ein friedsam freund- und nachbarschaft,
da wonet gott.
Eyering 1, 713;
wer ehleut, die da zanken viel,
mit lügen einsam machen wil,
domit er sie mehr thut verhetzen.
2, 402;
wenn sich nachbarn vertragen fein
und mit einander einsam sein.
3, 210.
2)
unus aber geht über in solus, allein, und einsam ist alleinlebend, solitarius, von leuten und thieren: da ich solchs höret, zureisz ich meine kleider und meinen rock und reuft mein heubthar und bart aus und sasz einsam. Esr. 9, 3. 4; die fur hunger und kumer einsam flohen in die einöde. Hiob 30, 3; denn ich bin einsam und elend. ps. 25, 16; ein got, der den einsamen das haus vol kinder gibt. 68, 7; ich wache und bin wie ein einsamer vogel auf dem dache. 102, 8; und ist kein einsamer in seinen gezelten. Es. 14, 31; denn die palast werden verlassen sein und die menge in der stad einsam sein. 32, 14; sihe ich war einsam gelassen, wo waren denn diese? 49, 21; ich aber bin verlassen einsam. Baruch 4, 19;
und die edlen nicht kennen,
die so einsam hier unten sind.
Klopstock 1, 81;
wäret ihr auch bei uns, die ihr mich ferne liebt,
in des vaterlands schosz einsam von mir verstreut.
1, 72;
ich allein musz einsam trauern.
Schiller 61ᵃ;
einsam nähr ich meine wunde.
Göthe 1, 63;
doch musz ich hier gefangen sein
und musz mich einsam quälen.
1, 190;
wer einsam sitzt in seiner kammer
und schwere bittre thränen weint.
Novalis 2, 25;
und weilte in dem garten lieber,
als drauszen einsam und alleine
im hochbelaubten lindenhaine.
Musaeus kinderkl. 62;
einsam bin ich, nicht alleine,
denn es schwebt ja süsz und mild
um mich her im mondenscheine
dein geliebtes, theures bild.
P. A. Wolfs Preciosa 1823 s. 91;
und inmitten dieser sommernacht ein einsames kind, einsam bis ins innerste mark. Bettine tageb. 49; und einsamer, wenn du auf dem kalten erdboden fühlest, dasz dein herz an keine brust anschlägt als nur an deine. J. P. Tit. 2, 86.
3)
hervorzuheben ist die bedeutung caelebs, viduus: die einsame, die nicht gebirt. Hiob 24, 21; du unfruchtbare, die du nicht gebirest ... jauchze die du nicht schwanger bist, denn die einsame hat mehr kinder weder die den man hat, spricht der herr. Es. 54, 1; das ist aber eine rechte widwe, die einsam ist. 1 Tim. 5, 5;
gleichwie ein vogel girrt,
wenn ihm sein ehgemahl vom garn erhaschet wird,
der stets sein einsam sein ruft aus auf allen bäuen.
vgl. ledig und einzeln.
4)
einsam auf zustände und örter angewandt bedeutet still, geheim, öde: sihe die nacht müsze einsam sein und kein jauchzen drinne sein. Hiob 3, 7; denn der heuchler versamlung wird einsam bleiben. 15, 34; denn die feste stad musz einsam werden (vereinsamen). Es. 27, 10; ein einsamer ort, ein recht einsames (heimliches) plätzchen;
wo seine fürsten wohnten,
nun einsam elend ist,
und räuberische flamme friszt
was geiz und plünderung verschonten.
Uz 1, 145;
bis er gerächt der Helena angst und einsame seufzer,
τίσασθαι Ἑλένης ὁρμήματά τε στοναχάς τε.
Il. 2, 590;
lasz mich, Johannes, ach lasz mich im einsamen sterben!
Messias 6, 544;
kann er lachen, wenn seine Leonore im einsamen weint? Schiller 145ᵃ; alle verstolnen einsamen stunden. Göthe 18, 23; thaten dem einsamen stillen vergnügen eintrag. 18, 32; das volk kennt nur die offene tafel der fürsten, aber nicht ihre einsame unverdaulichkeit. J. P. herbstblumine 3, 183.
5)
einsam, einzig, einzeln, vereinzelt: errette meine seele vom schwert, meine einsame von den hunden, LXX τὴν μονογενῆ μου, vulg. unicam meam. ps. 22, 21. 35, 17;
von einsamen lampen
halb durchdämmert.
Messias 6, 238;
so schleicht umher das einsame gerücht.
Stolberg 14, 45;
jeder eigenthümliche stil ist gut, so bald er ein einsamer bleibt und kein allgemeiner wird. J. P. grönl. proc. ix; die sittliche, unsterbliche gestalt musz der mensch, wie gott den Adam, aus seinem erdenklosz mit einsamen kräften ausbilden. aesth. 1, 104.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1859), Bd. III (1862), Sp. 262, Z. 67.

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Zitationshilfe
„einsam“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/einsam>.

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