Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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trauern, vb.

trauern, vb.,
maerere, lugere. ahd. mhd. trûren, mnl. trōren und trūren, nnl. treuren (dazu vgl. Frings Germania Romana [1932] 21). aus den germanischen sprachen wird gewöhnlich vergleichen das bedeutungsmäszig fernstehende ags. drûsian 'langsam, träge werden, sich beruhigen' und das vielleicht im ablaut dazu stehende ags. dreorig, das neben 'blutig, blutbefleckt' auch 'schaurig, furchterregend' und 'betrübt, traurig' heiszt und zu ags. dreor, ablautend auch zu as. dror blut, as. drorag blutend, blutig, ahd. mhd. trôr blut, regen, tau, ahd. mhd. trôren gieszen, schütten, begieszen, intr. tröpfeln, triefen, schles. troren, truren 'durchsickern' gehört und sich weiterhin zu got. driusan fallen, gadrausjan 'niederwerfen' stellt. diese zusammenstellung wäre widerlegt, wenn trûrên germ. tr hätte, was nach v. Wijk zs. f. d. wortf. 10, 259 aus nl. treuren folgt (vgl. auch Schatz ahd. gr. 123 u. Wissmann nom. postv. 136), doch hält Frings a. a. o. treuren für entlehnung aus dem hd. trûren, urspr. ein obd. wort, dringt langsam nordwärts. Tatian hat es noch nicht und auch im mnd. ist es nur selten belegt. im mhd. steht es mit seinen verwandten hinter riuwen, riuwe, riuwec zurück. mhd. und frühnhd. ersetzt der subst. inf. das erst im 17. jh. üblich werdende subst. trauer (s. die belege unten) und erfüllt in präposit. verbind. auch die functionen des adv. traurig, vgl.: mit schanden und mit trauren A. v. Eyb dtsche schr. 1, 8 Herrmann; in groszem trauren J. Böhme schr. (1620) 4, 30. die form trauren, die Adelung als 'unrichtig' bezeichnet, herrscht noch im 18. jh. und begegnet auch bei den klassikern noch gelegentlich. mundartlich ist trauren, truren heute noch auf obd. boden die maszgebliche form. der gegenstand der trauer wird heute mit um oder über angegeben, ersteres bei angabe eines verlustes; ältere sprache kannte auch ein transitives trauern (s. u.), das vereinzelt noch mundartlich erscheint, s. Fischer schwäb. 2, 335. trauern bezeichnet ursprünglich den lang anhaltenden seelischen schmerz, wie er vornehmlich aus einem tragischen erlebnis, einer schmerzlichen entbehrung erwächst oder einen zustand dieser art begleitet (s. trauer). der gebrauch des wortes hat sich in diesem sinne mehr und mehr auf die totentrauer, besonders ihre äuszere bezeugung eingeschränkt, so schon bei Adelung 4 (1780) 1034. ansätze zu abweichenden bedeutungen begegnen gelegentlich in älterer zeit (s. u. 3).
1)
allgemein, ohne nähere inhaltliche bestimmung, gern freuen, freude gegenübergestellt; contristari truren ahd. gl. 1, 718, 11; contristari magis et minus truren mer ioh min Notker 1, 467, 17 Piper; sante Bernhart sprach: mit allen den daz du trurest und dich fröwest, mit den selben soltu geurteilet werden Tauler pred. 72, 18 Vetter; dich soll nichts erfröwen dann got ..., du solt nit trauren dann was wider got ist Keisersberg pred. (1508) 59ᵃ; so we disse scrift lest ..., mach me darmede trurent unde sorghe vordrucken städtechron. 19, 195; wo vil freud und lust ist sam in der ee, do musz auch zuzeiten sein trauren und widerwertigkeit Albr. v. Eyb deutsche schr. 49 Herrmann; nach warmen tagen ist schedlicher der winter und nach freuden das trauren ders. spiegel der sitten (1511) d 4ᵇ;
wesz man sich freut, des traure ich,
wesz man trauret, desz freu ich mich
Hans Sachs 5, 321 lit. ver.;
und ist kein freud so grosz, die sich mit dem geringsten trauren oder schmertzen des gemüts vergleichen möcht Eppendorff Plinius (1543) 26; bei neuem mon trauren, zuͦ vollem freuen sich die meerkatzen Herold-Forer Geszners thierb. (1563) 6; das die, so ... in den ehstand ... treten, ... das trauren in freude verwandeln Butschky Pathmos (1677) 272. ein erstarrter gebrauch findet sich gelegentlich in der formel on trauren, truren, 'beherzt, mutig':
so macht ein feldgeschrey on trauern
so werden falln di stadtmauern
Hans Sachs 10, 107 lit. ver.; vgl. 18, 201;
da stach man in sye seer on truren
Liliencron hist. volkslieder 2, 547;
wir schlugend druf on truren
gleichwye die Schwyzer buren
Schweizer volkslieder 2, 102 Tobler.
2)
der tiefe schmerz über ein trauriges erlebnis von besonderer schwere.
a)
trauer um einen toten. auf diese bedeutung hat sich das wort mehr und mehr eingeengt, besonders umgangssprachlich.
α)
im eigentlichen sinne: conclamatum lugeo ich truwer über den verstorbenen Erasmus Alberus dict. (1540) 21ᵃ;
beide truren unde klagen (um die gefallenen),
daz was ir (der frauen) ambet alle tage
Hartmann v. Aue Erec 9805;
wan ich sihe, das under unvernunftigen tieren ein gatte umb des andern tot trauret ackermann aus Böhmen 121, 16 Bernt-Burdach; niemant hetten (die toten), der umb sie weinet oder trauret Arigo decamerone 6 Keller; uber einen todten pfleget man zu trawren Jesus Sirach 22, 10; unde (is) sin licham mit aller lude trorent in de kercken gebracht Osnabrücker geschqu. 2, 11; wo die immen in (den toten könig) sehen hinweg ketschen (tragen), würt ir trawren nit geringert Eppendorff Plinius (1543) 186; Jacobus Meier ... febre continua gestorben, dorab er seer druret F. Platter tagebuch 190 Boos; durch den hintritt dero hochadl. herrn vaters in vielfältiges trauern gesetzet Chr. Weise polit. redner (1677) 208; da Patroclus umbkam, da traureten seine rosz Walther pferdezucht (1658) 17; über ein todten pflegt man zu trawren umb des willen, dasz er das liecht nicht mehr hat Albertinus hirnschleifer (1664) 107; bei denen Deutschen aber ist den männern nur das andencken, denen weibern das trauren allein anständig Lohenstein Arminius (1689) 11ᵇ; (ich) trauerte still über den tod meines vaters Göthe 23, 52; wer von uns hätte gedacht, dasz wir nach drei wochen um ihn trauern würden O. Jahn Mozart 3, 408 (in einer gedenkrede auf Mozart). mit nachfolgendem accusativ: warumb wolt ich nit wainen und trauren die todten? Keisersberg trostsp. (1510) h h 1ᵈ; (da) trawreten in die erbarn frawen zu Rom auch ein gantz jar wie Junium Brutum Carbach Livius 28ᵃ; wegen der klag, darmit sie den Phaethon trauren Xylander Polybius (1574) 81;
nur den schönen Daphnis trauret,
Daphnis hie vergraben liegt
Spee trutznachtigall 203 Balke;
soll mein geist ... trauern den tod meiner freunde Göthe 19, 168 W., vgl. auch Hölty teil 9, 580.
β)
von der äuszeren bezeugung der totentrauer; so schon zu verstehen: elugeo ich hör auf zu trawren, thu das trawerkleid hinweg Erasmus Alberus dict. (1540) 32ᵇ; trawren, trawrkleider anhaben portar veste spelate, fruste, d'essequie o funerale Hulsius (1618) 249ᵇ. mehr zufällig hierhin gehörend: trurenti squalentes ahd. gl. 1, 254, 25;
die hunde sollen trauren
und mit den Plumper bauren
in langen mänteln gehn
Chr. Weise grünende jugend 73 ndr.;
je frölicher das trauren ist, desto schwärtzer musz der flor sein ders. die drei klügsten leute (1675) 85; dies jahr nicht allein mit kleidern, sondern auch mit dem herzen und geberden ein christliches trauern gehalten Schweinichen denkw. 31 Österley; wenn ein mann witwer ward, so durfte er nicht lenger dann acht tage und nacht umb die gestorbene fraw trawren Schütz hist. rer. Pruss. (1592) a 4ᵃ;
drum lasz die toten ruhn und gib dem witwer kleide
von nun an gute nacht! neun jahr im trauren gehn
legt rechte lieb an tag
Günther ged. (1735) 465;
drum musten die männer in Lycien, wenn sie trauren wolten, weiberkleider anziehen Chr. Weise polit. redner (1677) 574; Herodotus erzählet, dasz Mordonius eben diese art zu trauren gehabt B. Neukirch ged. (1744) 288; (bei dem begräbnis des reichen mannes) träget man fahnen und fackeln, da trauret bischoff und bader M. Möller erkl. der evang. (1729) 514ᵇ; es hiesz, sie traure und sei eben mit den beerdigungsceremonien beschäftigt Forster sämtl. schr. 1, 330; (stämme, die) nur kurze zeit um kinder trauern Ratzel völkerk. 2, 92; wenn sie (die Bretonen) trauern, tragen sie himmelblau H. Laube ges. schr. 5, 7; s het kum e johr getrurt für sin müeter Martin- Lienhart elsässisch. 2, 764; mundartlich gewöhnlich auf das tragen von trauerkleidung bezogen: troren schwarz gekleidet gehen Strodtmann id. Osnabrugense (1756) 252; so auch Fischer schwäb. 2, 235, wo zwischen scharf (schwarz) und schecket (schwarz und weisz) trauren unterschieden wird, vgl. Adelung wb. 4 (1780) 1034 tief (mit ganz schwarzer kleidung) trauern, leicht trauern.
b)
trauer über ein schweres geschick sonstiger art, meist mit dem gefühl der unabwendbarkeit oder hilflosigkeit wie im voraufgehenden unter 2 a:
dannen huͦben si (die apostel) sich sament,
mit in gie der heilant.
da was michel truren,
si chomen de torrente cedron
frau Ava ged. I 1403 Piper;
Äneas beim abschied von Dido:
he drurde end si weinde
Heinrich v. Veldeke Eneit 2201 Behaghel;
dri vrige heren
die haten groze ere
virloren in dem lande
die giengen trurande
vil blozliche in der stat
könig Rother 1392 Rückert;
sus schieden sî sich under in.
diu küniginne diu gie hin
siuftende unde trûrende,
ameirende unde amûrende
Gottfrid v. Straszburg Tristan 14909 R.;
als balde du icht hast verlorn und es nicht kanst widerbringen, tu, als sei es dein nie worden: hin fleuchet allzuhant dein trauren ackermann aus Böhmen 22, 31 Burdach-Bernt; ir söllen truren umb üwer ungefell (vestram gemite fortunam) Steinhöwel Äsop 42 lit. ver.; es ist nie so vil süssekait, fröid und kurtzwile gewesen in irer beder früntlichen biwonung als vil in dem schaiden gewesen ist laids, kumbers, trurens, not und angste N. v. Wyle translationen 76 Keller; du wöllest unwiderbringlichs verlusts dich mit weinen, truren und quelen ze pinigen gedulticlich verwegen Riederer rhetoric (1493) p 4ᵇ; (wir) derselben unser verwandten ellend und wislosikeit ... trurend ebda f 4ᵃ; trawren des nechsten glücks, frewen seins unglücks Luther 7, 210 W.; so sich aber di jare verlengern, ist ümb verschinene zeit nit mer zu trawren J. Schwarzenberg Cicero (1535) 360; wir trauren, wenn wir mit zeitlosen die wiese überdeckt sehen Herder 23, 443 S.; jene stadt (Rom), nach der ich in gedanken, wie nach einem verlornen paradiese, immer wieder nicht ohne trauern zurückkehre Göthe IV 39, 239 W.;
heimlich nähr ich meine wunde,
traure das verlohrne glück
ders. 1, 381;
in späterer fassung:
und mit stets erneuter klage
traur ich ums verlorne glück
ebda 1, 56;
alle fühlten das unglück, aber bittrer die schande, sie trauerten, aber sie zürnten noch mehr Nitzsch deutsche studien (1879) 303;
was ich traure, weisz ich nicht,
es ist unbekanntes wehe
Mörike 1, 109 Göschen.
hier von dem gleichmäszigen stillen inneren schmerz, der wehmut; ähnlich, aufs weltanschauliche gehend, im folgenden: wenn er (Plato) aber über befleckung des geistes durch die materie trauert Justi Winckelmann II 1, 71; (man kann) über diesen zwiespalt trauern, wie dies grosze dichter und künstler nicht selten getan, die aus trauer über die hinfälligkeit des schönen sich in die religion versenkten Solger ästhetik (1829) 93. verwendungen in einem leichteren sinne, wo bedauern, schmerzlich empfinden heute üblicher geworden sind: so trur ich seer, dasz ir us dem frommen geschlecht der buren ... schlahend Zwingli deutsche schr. 1, 84; wo dieses die heiden, die gott nit achten, theten, wer es nit zu verwundern, auch nit zu trauren Ambach vom zusaufen (1544) t 2ᵇ; mehr mitempfindend: (man) muszte über den zerstückten, seltsamen menschen trauren Cl. Brentano Godwi 1, 308; (ich) trauerte, dasz ein mann wie sie so unverstanden und einsam in dieser barbarischen gegend bleiben musz G. Keller ges. w. 5, 135.
3)
bedeutungsnüancen älterer zeit:
a)
mit dem nebensinn 'bereuen': dann oft hat ainer rew und trawern im gemuet on gnad wie Judas gehabt Berthold v. Chiemsee teutsche theologei 22 R.; darum sölle man das (fleisch) mit fasten und truren widrum dem geist underwürflich machen Zwingli deutsche schr. 1, 219; wer eine schalckheit gethan hat, der trawret umb seine übelthat Agricola sprichw. (1534) m 1ᵃ.
b)
als sorge um ein ungewisses schicksal oder ein drohendes unglück. im gegensatz zum voraufgehenden geht der blick hier mehr oder minder deutlich in die zukunft:
(gott) sprach ze dem guͦten Moysi: 'la dine troren sin' (wegen der drohung des königs)
exodus 142 Diemer;
von könig Rother, der vergeblich auf die rückkehr der boten wartet:
Rother da heime
vil sere trorote
umbe die botin gote.
her wranc sine hende
Rother v. 436 de Vries;
do vernam ouch disiu mære   sin muoter Siglint.
si begunde trûren   umb ir liebez kint.
daz vorhte si verliesen   von Guntheres man
Nibelungenl. 61, 2,
vgl. ebda 1457, 4; 152, 2; 'sich fürchten':
(der teufel zu Theophilus):
nu tret dre vöte to rugghe
unde trore nycht ene mugghe
Theophilus S 419 Petsch.
und ähnlich:
wann ich gedenck an den gewalt,
vor trauren mir mein hertz erkalt
M. Schrot wappenb. (1581) b 3ᵃ.
gern die sorge vor gottes gericht, vgl. trauerwort, trauerzeichen:
an dem driten tage ...
widerget im der stram
daz sihet wip unde man.
so truret allez daz der ist
wande daz urteile nahen ist
frau Ava IV 37 Piper; vgl. IV 87;
diu hell ze lône in ist bereit,
si trûrent ir künftiges leit
Ulrich v. Lichtenstein frauend. 532, 10 L.;
ach lieben christen trauret nicht,
thut euch nicht so entsetzen
darumb das uns der vater richt
Ringwaldt handbüchl. (1586) c 1ᵃ;
ohne den beisinn der furcht, mehr im sinne religiöser sehnsucht und überleitend zum folgenden: ir mit sere brot ezent und hier trurent in convalle lacrimarum Notker 2, 507 Piper;
do du maget do irsceine
do was diu sorge hine:
do was druren gestoret,
vroude irhoret
von den engelen hie in erde
Vorauer sündenklage v. 133.
c)
in der minnesprache ausdruck für die schmerzliche sehnsucht der liebenden:
ich lebe stolzlîche, in der werlte ist niemanne baz.
ich trûre mit gedanken: niemen kan erwenden daz,
ez tuo ein edeliu frouwe, diu mir ist als der lîp
Meinloh v. Sevelingen in minnesangs frühling 12, 29;
op ir rôter munt
tuot mir fröide kunt,
so getrûre ich niemer mê
Heinrich v. Morungen ebda 174, 26;
vgl. 123, 21; 131, 5; 132, 26; 138, 30; 144, 22;
trûren unde wesen fro,
sanfte zürnen, sêre süenen, deis der minne
reht: diu herzeliebe wil also
bei ihm öfter in verbalen wendungen: trûren leschen 27, 24, vertrîben 110, 7, verkêren 113, 20 und wenden 109, 6; letztere lebt in nominaler zusammensetzung noch länger fort, vgl.: traurenwender aller in dich hoffender, ... erhore mich ackermann aus Böhmen 90 Burd.-Bernt.; eintweder ir widerbringet, was ir an meiner traurenwenderin (ehefrau), an mir und an meinen kinden arges habet begangen oder kumpt des mit mir an got ebda 40; trauerwendt Fischart 1, 375 Hauffen;
wan ich nâch fröide bin verdâht,
und kan doch niemer werden frô.
mich hât ein liep in trûren brâht.
deist unwendic: nu sî alsô
Reinmar in minnesangs frühling 158, 9,
diese formelhafte gegenüberstellung mit freude auch 195, 30; 199, 17, und nicht nur bei ihm, vgl. minnesangs frühling 11, 25; 24, 31; 84, 25; Walther v. d. Vogelweide 29, 6; 24, 38; 41, 29; 109, 6. das ziel der sehnsucht ist besonders herausgehoben:
waz ist für das trûren guot, daz wîp nâch lieben manne hât?
Dietmar v. Eist in minnesangs frühling 32, 1;
ich liez ein lant da ich krône truoc,
dar zuo daz minneclîchste wîp ...
ich sen mich nâch ir kiuschen zuht,
nâch ir minne ich trûre vil
Wolfram v. Eschenbach Parzival 441, 11;
noch frühnhd.: bisz du zuͦvor dein hausfrau ... sehest wie si in irem frauenzimmer ... sitzt, tag und nacht nach dir traurende Schaidenreiszer Odyssee 133 Weidl. in gleichem sinne verwendet die mhd. lyrik trûren von der sehnsucht nach dem frühling in trüben wintertagen:
nu lange stât diu heide val:
si hât der snê gemachet bluomen eine.
die vogele trûrent über al
Heinrich v. Rugge in minnesangs frühling 106, 26;
von dir (summer) verswant
armen unde rîchen
ir trûren, dô der winder muose entwîchen
Neidhart 9, 23 Haupt;
vgl. ebda 9, 36; 32, 17.
d)
vereinzelt stehende verwendungen: als 'still in sich gekehrt sein':
giang er in thia palinza   fand sia drurenta
mit salteru in henti   then sang si unz in enti
Otfrid I 5, 9,
anders J. Grimm, der diese stelle zum anlasz nahm, für trauern als ursprüngliche bedeutung 'die augen, das gesicht niederschlagen, nicht blosz vor kummer, auch vor scham' zu fordern (kl. schr. 7, 239) und zur erhärtung vor allem trurentiu dejecta (oculos) ahd. gl. 2, 668, 48 anzog. vergleichbar ist:
si (das wartende volk) fuarun drurenti   joh ouh tho ahtonti
want er (Zacharias) wiht zin ni sprah   thaz er thar wuntar gisah
Otfrid I 4, 79.
wo jedoch die bedeutung 'betroffen, bestürzt (über ein ungewohntes erlebnis)' naheliegt. aus dem mhd. stellt sich dazu:
(Hagen) riet in allen zîten   Gunther dem degene,
ob Sîfrit niht enlebte,   sô wurde im undertân
vil der künege lande.   der helt des trûren began
Nibelungenlied 813, 4,
jedoch zeigt das Nibelungenlied eine vorliebe für trûren, auch in verwendungen, die von der ursprünglichen bedeutung weiter abliegen:
Etzel der rîche   vlêgen ouch began.
dô buten si sich beide   ze füezen für den man
den guoten marcgrâven   trûren man do sach
330, 1 Z.;
selbst dort, wo der schmerz der demütigung, gekränktheit mitspielt:
dô trûrte alsô sêre   Brünhilde ir lîp (nach dem wortwechsel mit Kriemhilde)
daz ez erbarmen muose   die Guntheres man
806, 2 L.;
do hete sich gesundert   der künec (Gunther nach der brautnacht)
von sînen man:
swes ieman da begunde,   man sach in trûrende gân
597, 4.
4)
objectivere bedeutungen, die sich neben unpersönlichem subject entwickeln. die entwicklung nimmt in jüngerer zeit ihren ausgang von den personificationen in dichterischer sprache und geht über in die bedeutung 'einen traurigen, verlassenen, düsteren eindruck machen'; anderer herkunft und in älterer sprache alleinstehend: ein vorscher spricht, dasz diu slang also die leut töt, daz sich des toten antlütz in kein trauren stell noch schick, sam wir doch gemainleich sehen an der toten antlütz, daz sie trauricleich und wainleich gestaltet sint Konrad v. Megenberg buch der natur 267 Pfeiffer;
es trauren nächst dem schlosz die dickbebäumten hangen
S. v. Birken forts. der Pegnitzschäferei (1645) 75;
da trauert laub und grünes gras,
weil Judas seiner (Christi) bald vergasz
Achim v. Arnim werke 13, 149 Gr.;
kehrte der frühling nur bald wieder zu der trauernden erde zurück Sturz schr. 2, 67; über mir die feierlichen gewölbe (der Westminster abtey), wo der tag immer in einer heiligen dämmerung trauert Lichtenberg verm. schr. 1, 16; fünf liebliche säulen trauerten über dem schutt Hölderlin 2, 79 Litzmann;
an jäher klüfte rand
wo dunkle tannen trauern
Eichendorff sämtl. w. 1, 345;
die linnen und anderen arbeiten lagen wohl auf den tischen (der verlassenen wohnung), aber sie zeigten keine anfassende hand und trauerten unter dem staube Stifter sämtl. w. 5, 1, 158; am weitesten verselbständigt in anwendung auf welkende pflanzen, noch überleitend: folgt demnach die herbstzeit, darin dem gras all fräud und mut vergehet, fahet an zu trauren Sebiz feldbau (1579) 54; wie ein lorbeerbaum, der ... im gewächshaus getrauert hat, bei der wiederkehr des frühlings junges laub treibt Musäus volksm. 5, 93 W.; läszt man den platz verwildern, so trauert der stock (des jasmin) Oken naturgeschichte 3, 1111; es tritt eine wachsthumsstörung ein, ohne dasz die pflanze trauert Kieler neueste nachr. 28. 7. 1900, bl. 2; s. auch Fischer schwäb. 2, 335. auch von tier und mensch als 'den kopf hängen lassen, krank einhergehen', s. Fischer schwäb. 6, 1768; Follmann lothr. 109; Lenz Handschuhsh. 72, vgl. auch die sprichw. wendungen im folgenden abschnitt.
5)
trauern in sprichwörtern und redensarten:
nach fröuden dicke truren gat
manec truren vrölich ende hat
C. Schultze bibl. sprichwörter 54;
besser trauren den lachen Petri der Teutschen weiszheit 2, k 7ᵇ; hoffnung nert, trauern ferzert H. Ziegler geschützinschriften 64, daher: kurtz trauren, lang leben S. Franck sprichw. (1545) 1, 26ᵇ; wer trauret, der verliert seinen verstand Lehman florileg. polit. (1662) 2, 775; trauren ist des menschen hencker 2, 776; trauren ist der jugend dieb Petri der Teutschen weiszheit 2, Tt 5ᵇ; allzeit trauren kann nicht dauren 2, h 8ᵇ; wer fürsten gunst behalten will, der musz thun wie die bären und trauren, wann es schön wetter ist Lehman floril. polit. (1662) 1, 378; von der totentrauer: hut und mantel trauren allezeit, das hertz wirds selten gewahr Petri der Teutschen weiszheit 2, Ii 6ᵇ; des erben trauren ist ein verdecktes lachen 2, p 6ᵇ. als warnung: wer nicht trauret auf der bahr, der musz trauren übers jahr Fischer schwäb. 2, 335, ebda weitere mundartliche wendungen. ausgehend von den unter 4 genannten bedeutungen: wan das haupt kranck ist, so trauren die glied Tappius adag. (1545) B b 2ᵇ; wan dat pert sat is, so truret dat Tunnicius sprichw. 13 Hoffmann v. F.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1934), Bd. XI,I,I (1935), Sp. 1380, Z. 72.

trauernd, adj.

trauernd, adj.,
diese participiale form verliert nicht selten den verbalen character und tritt neben das adj. traurig:
jener tage denk ich trauernd,
da ich engel an dir hing
Göthe 11, 308 W.;
substantivisch für die leidtragenden: handwaffen ..., mit den aber auch trauernde ... zum zeichen ihres grames sich verletzten Ratzel völkerk. 2, 157; neben sachlichen objecten, die ausdruck des inneren schmerzes sein können: wie er ... auf immer in wolken sein trauerndes antlitz verbarg maler Müller 1, 37; der letzte mohrenkönig, der vor seiner vertreibung aus der ... Alhambra noch einen trauernden blick auf die ... löwenhalle ... wirft Brunner erz. u. schr. 1, 313. objectivere bedeutungen verschiedenen grades; schon frühnhd. torpor die trauerende seuche voc. theut. 1482 bei Diefenbach 589ᵃ;
die grausamkeit und traurende verheerung
folgt ihren (des feindes) schritten nach
Herder 12, 281 S.;
der mensch bekommt gar oft in trauernden tagen die vernunft wieder, die er in taumelnden verloren Pestalozzi w. (1899) 9, 478; Karoline versank in trauerndes schweigen Holtei erz. schr. 3, 9; (ich) erinnere mich aber noch der trauernden teilnahme, welche ich für die tote hegte G. Keller 1, 94; sitzend hat sie (die hausschwalbe) ein trauerndes ... ansehen Naumann vögel 6, 80.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1934), Bd. XI,I,I (1935), Sp. 1387, Z. 5.

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s t u v w x y z -
trappenjagd traumgott
Zitationshilfe
„trauern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/trauern>.

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