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Finte |
F. (-; -n), im frühen 17. Jh. aufgekommene
Entlehnung aus ital. finta ‘List; Trugstoß’ (subst. Part. Perf. von
fingere ‘vorgeben, -täuschen, heucheln’ < lat. fingere
‘ersinnen, erdichten’; vgl. frz. feinte; → fingieren, → Fiktion); im
17./18. Jh. auch in der frz. Form Feinte, Fainte (zu feindre).
a Zunächst als Fachausdruck beim Fechten in der Bed. ‘angedeuteter,
aber nicht ausgeführter Fechthieb, Scheinhieb, nur vorgetäuschter Stoß,
Trugstoß’, z. B. ein guter Fechter gebraucht selten Finten, eine Finte
machen, parieren, einfache/doppelte Finte; Schlag-, Gesichts-, Hieb-,
Sekundenfinte, von daher in neuerer Zeit auf andere Kampf- und
Jagdsportarten wie Boxen, Ringen, Basketball, Fußball, Tennis, Fuchsjagd u. Ä.
ausgedehnt für ‘Scheinangriff, vorgetäuschter Angiff, der den Gegner zu einer
falschen Reaktion, Blöße veranlasst’ (→ Parade, → Volte).
b Seit
früherem 17. Jh. übertragen, vor allem im Bereich militärischer, juristischer
und politischer Auseinandersetzungen sowie allgemeiner verwendet im Sinne von
‘Verstellung, Irreführung, (Vor-)Täuschung, Vorspiegelung/-gaukelung,
Betrug/Betrügerei; Kniff, List, Dreh; Mogelei, Heuchelei; Vorwand, Ausflucht,
Winkelzug, Falle, Scheinmanöver’ (→ Bluff, → Finesse, → Manöver, → Taktik,
→ Trick,), z. B. die Gegenpartei witterte sogleich eine neue Finte,
juristische, polizeiliche, taktische Finten, eine gemeine Finte, und
allgemeiner in Wendungen wie eine Finte ersinnen, ausdenken/-hecken,
ausführen, sich einer Finte bedienen, zu einer Finte greifen, dahinter eine
Finte vermuten, mit Finten und Finessen/Tricks/Bluffs, selten in eher
okkasionellen Zss. wie Agenten-, Hochzeits-, Republikaner-, Wahlkampf-Finte;
Fintenball, -kunst, -vorrat.
Dazu in jüngster Zeit die adj.
Ableitung fintenreich ‘einfalls-, listenreich, spitzfindig’, z. B.
fintenreiche Schutzbehauptungen vor Gericht, eine fintenreich gesetzte
Täuschung, fintenreicher politischer Gegner, nach langwierigen und fintenreichen
Verhandlungen (zu b), vereinzelt im Sport (Fußball) ‘trickreich’, mit
Fintenreichtum M. (-s; ohne Pl.) (zu a).
Seit frühem 17. Jh. die
(aus ital. fintare entlehnte) verbale Ableitung fintieren V.
(in)trans., auch in der frz. beeinflussten Form feintieren, faintieren,
gleichbed. mit in jüngster Zeit bezeugtem finten, in der Fechtkunst, im
Sport und im militärischen Bereich ‘einen Angriff vortäuschen; eine Finte
ausführen, etwas vortäuschen’ (vgl. fingieren, lavieren, simulieren,
taktieren), z. B. ein guter Fußballer muss dribbeln und fintieren können,
einen Vorstoß, Querpass fintieren, in jüngster Zeit vereinzelt die
Personenbezeichnung Fintierer M. (-s; -) (zu a); seit den 50er
Jahren des 20. Jhs. dann auch bildlich und allgemeiner verwendet, gleichbed. mit
in jüngster Zeit bezeugtem finten und fintisieren, insbes. im
politischen Bereich, z. B. wie im Ring zurückweichen und fintieren, seinen
Parteigegner fintieren, in der Politik wird fintiert und getäuscht (zu
b).
Belege
Köppe 1619 Fechtkunst E4b
Ein guter vnd
wolgeübter Fechter braucht sich selten einer finten, sintemal er wol neher vnd
mit geringer mühe vnd gefahr zuzukommen weiß;
ebd. G2b
Also kann man sich
auch stellen, als wolte man offtmals einen stoß oder finten pariren, da man doch
nur eine ligation machet;
Martin 1627 Colloques 207
vne feinte: eine
Finte, wann man sich stellet, als wolt man stossen;
List 1632 Br. an Georg v.
Hessen-Darmstadt (Irmer I 192)
eine feinte machen (JONES);
Hüppert 1648
Wurm 34
feinte dans les armes feinte basse (JONES);
L’Ange 1664
Fecht-Kunst C1v
Faintiren oder fainte, den Feind zu verführen umb seine
blösse zu gewinnen;
ebd. G3v
In andern stössen können solche doppelte
fainten nicht gebraucht werden (BRUNT);
Ettner 1697 Chymicus 389
Wie sie
mit den Degen aneinander kamen, hat man die künstlichsten paraden und feinten
gesehen;
Schnabel 1731 Felsenburg II 378
da er . . dieserhalb nur desto
hitziger wurde . . auch vor der mir selbst gezeigten finte sich nicht versahe,
lief er sich meinen degen gewaltsam unter dem arme in die brust hinein (DWB);
Trenck 1745 Leben 43
Die Armee machte Finte, auf solches Lager
loszugehen, schwenckte sich aber Rechts, und suchte den Feind von der Vestung
abzuschneiden;
Halle 1765 Werkstäte d. Künste IV 367
Macht man diese
Finte in der rechten Mensur, so kann der Gegner seine Klinge in die Blösse des
Tempos selbst einlegen . . Die Finten wirken besser, wenn sich der Gegner
bereits in Bewegung gesezzt hat;
Guts Muths 1804 Gymnastik 293
Demnach
heißt eine Finte, eine Verführung zu einer neuen, noch sicherern Blöße . . die
Finten sind einfache und doppelte; Finten beim Angriffe, und Finten auf dem
Nachstoß;
1829 Whist-Spieler 11
Finesse, Finte oder Impasse heißt, einen
Vortheil [beim Kartenspiel] zu erlangen suchen;
Jäger 1835 F. Schnabel
118
Nun wird gefochten, . . gewandtere Fechter . . betreiben die Sache
kunstgerecht: voltiren, pariren, ziehen Finten an;
1859 Hausblätter IV 51
Er hielt zwar noch Stand und versuchte . . die Stöße des Schulmeisters zu
pariren, als dieser aber stets neue und noch feinere Finten anwandte, warf er
ihm zuletzt . . das Floret vor die Füße und verließ den Fechtsaal;
1861 Allg.
Mil.-Enc. IV 172
ein gut geschulter Ritter hatte sie [Lanze] mit einer Hand
so in der Gewalt, daß er mit ihr die verschiedenartigsten Stöße ausführen,
Finten geben und selbst pariren konnte;
Hergsell 1881 Fechtkunst 216
bei
der Parade und der Attaque bei Anwendung von einfachen oder complicirten Finten
. . sich eine Blösse verschaffen, indem man den Gegner durch Finten zum Oeffnen
jener Linien zwingt, die er fest geschlossen hält;
Th. Mann 1911 Erz. (W.
VIII 440)
sobald das neue Treffen sich eingeleitet hatte, vollführte Jappe
einen Coup – bediente er sich einer Finte . . ein Scheinstoß mit der Linken nach
oben;
ders. 1919 Erz. (W. VIII 604)
wenn es nämlich dem Hasen gelingt,
. . den Jäger durch Haken und Finten von seiner Fährte zu bringen;
Münch. N.
N. 11. 11. 1938
Zweifellos wird der Zweikampf . . mit dem fürchterlichen
Drachen von zwei geschulten Ringkämpfern . . ausgefochten. Da gibt’s regelrechte
„Griffe und Finten“;
Th. Mann 1951 Erwählte (W. VII 92)
Sie ersahen jede
Regung und Finte des Gegners, und im blitzschnellen Nu, mit federnden Gliedern,
begegnete er jeder, hob sie auf, schlug sie und riß an sich Vorteil und
Überhand;
taz 13. 10. 1988
Fußball aus dem Lehrbuch (Überschr.)
Flügelwechsel, Doppelpaß . . Diagonalpaß, Finten;
ebd. 2. 3. 1990
Typische Finten beim Basketball sind die Wurffinte, die Paßfinte, die
Dribbelfinte und die Durchbruchfinte;
St. Galler Tagbl. 20. 3. 2000
Der
Block stellte für die Gäste ein zu starkes Hindernis dar und Simo punktete mit
Finten und Angriffsschlägen.
St. Galler Tagbl.
28. 1. 1999
Der Druck am Netz auf seiten der Gossauerinnen fehlte. Die
Kirchbergerinnen «smashten» und «finteten» für die Gossauer Abwehr viel zu
präzise, so dass die Begegnung mit einem äusserst klaren 3:0-Sieg für das
Juniorinnenteam aus Kirchberg endete.
taz 12. 6. 1989
das Messerstechen gegen seinen
besiegten Rivalen, der dem Fintenreichtum seiner Gegner offenbar nicht gewachsen
war;
taz 17. 8. 1993
Das Abseits ist übrigens durchaus sportlich zu
verstehen, ein Regelverstoß, der nicht selten durch den Fintenreichtum der
Gegner provoziert wird.
Köppe 1619 Fechtkunst
E4a
Das Italienische Wort fintiren correspondiret vnserm Teutschen
verführen, da man einem an einem Ort wincket, vnd sich stellet als wollte man da
hinein, vnd wendet aber an einem andern Ort, dessen sich der Feind nicht
versieht;
L’Ange 1664 Fecht-Kunst C1v
Faintiren oder fainte, den Feind zu
verführen umb seine blösse zu gewinnen (BRUNT);
Halle 1765 Werkstäte d.
Künste IV 367
Fintiren, heist, weil man Mine gemacht, einen Ort treffen zu
wollen, der Gegner diesen Ort aber sogleich verwert, so stöst man an einem
anderen aus;
Hergsell 1881 Fechtkunst 233
muss die Spitze der Klinge, die
nach ein- und abwärts gerichtet ist, beim Fintieren unwillkürlich größere
Bewegungen beschreiben;
Dtsch. AZ. 27. 2. 1944
Abgesehen von dem
Abschnitt südlich der Beresina und nördlich Rogatschew steht die Ostfront im
Zeichen des Fintierens mit stärkeren oder schwächeren Stößen, die jeweils von
der zähen, aber elastischen deutschen Verteidigung zurückgewiesen oder
abgefangen werden konnten;
Spiegel 27. 6. 1994
Sie köpfen sich den Ball
zu, fintieren, schlagen einen Traumpaß nach dem anderen;
Frankf. Rundsch.
11. 1. 1997
tauchte der Junge geschickt weg, fintierte und schmetterte dann
dem Mann die rechte Flasche an den Kopf.
taz
2. 3. 1990
Der statistisch gesehen eifrigste Fintierer, so fand die
Forscherin heraus, ist zwischen 195 und 205 Zentimeter groß und agiert als eng
gedeckter Leistungsträger auf der Aufbau- und Außenposition.
Moscherosch 1642 Visiones 248 f.
Vnd durch manche finte vnd
meisterstücklein die arme Leute vmb das ihre bracht hatten;
Schildknecht 1652
Harmonia III 247
Dieses Finte machen gehet über alles, was man in solchen
Fällen jemals erdenken möchte;
Schwieger 1660 Venus 43
Rosille merkt es
geschwind/ was Falschheit, Trug und Finten sind;
Riemer 1679 Maulaffe 52
Kein Studenten Stückgen oder zugelassene Finte konnte er machen; denn er war zu
einfältig;
Pufendorf 1686 Einl. 736
Allein Torstenson merckte die feinte,
und blieb stehen (BRUNT);
Tentzel 1689 Unterredungen 398
läßt sich aber
nichts mercken, sondern macht alsbald eine neue finte sagend, er habe ein
unrechtes Kästlein ergrieffen;
Stieler 1695 Zeitungs Lust 107
Andere
haben es vor eine Finte gehalten/ und vermeinet/ es würde ihr König . . doch
alles so bald wieder ümstossen/ wenn er Luft bekommen und den Frieden erzwungen
haben würde;
Ettner 1697 Chymicus 307
der Herr hat viel tausent Feinten
und intriguen wieder seinen könig gemacht (BRUNT);
ders. 1715 Hebamme 689
wenn man, mit allerhand Finten und Betrügereyen dem Nächsten das Geld ablocket;
Sperander 1727 A la mod Sprach 262
Finte, eine Erdichtung, Ausflucht,
Betrug, Possen, Gleißnerey, Verstellung;
Fassmann 1729 Narr 65
Die
Jungfrau aber stellete sich, als merckte sie die Finte nicht;
Barth 1734
Tagebuch 169
jedoch weiß man nicht, ob es nicht etwa auf eine Finte
abgesehen ist;
Michaelis 1772 Einspruch (W. IV 129)
Taschenspielereyen
sind es; Finten, leere Finten;
Wagner 1778 Voltaire 6
Nur trau ich ihm
aber noch nicht recht; es könnte wieder eine neue Finte von ihm seyn;
Kindleben 1781 Studentenlex. 71
Finte . . eine ersonnene List, ein
Vorwand;
Augustin 1795 Idiotikon d. Burschenspr. 45
Finten reißen heißt
Jemandem, einen blauen Dunst vormachen;
ebd. 99
Besonders wird der
Ausdruck beim Spiele gebraucht von einer Finte, die Jemand macht, um Andere
glauben zu machen, er habe die schönsten Karten;
Lebrün 1824 Fledermäuse
(Jahrb. Dtsch. Bühnenspiele IV 62)
Finten, nichts als Finten;
Frankf.
Postztg. 21. 4. 1854
Der französische Gesandte erhielt keinen Wink der Art,
allein er sah die Finte voraus und parirte sie;
Eckstein 1876 Satir.
Zeitbilder 61
Jeden Hieb, den wir seiner Meinung versetzen, nimmt er
persönlich; daher er dann, sobald er unsere Absicht merkt, zu den mannigfachsten
Kniffen und Finten seine Zuflucht nimmt;
Liliencron 1896 Poggfred (XI 13)
Ja, wo ihr wollt, ich mache nirgends Finten;
Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W.
XII 552)
Wozu die Finten und Volten, da der Zivilisationsliterat doch genau
weiß, daß Deutschfeindlichkeit in Deutschland niemandem schadet;
Brod 1928
Zauberreich 280
hat . . im „Försterhaus“ gemietet. Zwei getrennte Zimmer.
Aber es ist eine Finte im Spiel . . Im Grunde glaubt er sich zu dieser Finte
berechtigt;
Th. Mann 1933–43 Joseph (W. IV/V 2262)
diese hatten wohl
Finten vorgeschützt und erklärt, ohne das Wasser ihres Kanals hätte der Mann
sein Feld überhaupt nicht anbauen können;
Grass 1962 Blechtrommel 99
Ohne
die Finten und Täuschungsmanöver Oskars aufzählen zu wollen;
Lenz 1968
Deutschstunde (W. VI o. S.)
all die Finten und Fallen, die er sich ausdachte
für Nansen, die schlichten und komplizierten Listen, Pläne . . Tricks,
Täuschungen;
Zeit 20. 9. 1985
Seine Außenpolitik . . kann der
Außenminister also unter den herrschenden Bedingungen nur noch durchsetzen,
indem er Finten und Kunstgriffe anwendet;
Süddtsch. Ztg. 11. 1. 1995
Die
präsidiale Kabinetts- und Medienpolitik, die abwechselnd mit Finten, Intrigen
und großen Auftritten arbeiten;
taz 27. 3. 1996
Hoffman wie auch sein
Widerpart auf seiten der Anklage verstehen es vortrefflich, die . . Medien zu
manipulieren und zu instrumentieren; das Katz-und-Maus-Spiel der animosen
Gegenspieler, ihre Kniffe, Finten und Spiegelfechtereien machen den spezifischen
Reiz dieser Serie aus.
taz 3. 3. 2000
So viel
redegewandte Beinarbeit, er dribbelt vor, zurück, weicht zur Seite aus, fintet,
deckt. Steckt ein, steht in Fallgeschwindigkeit wieder auf und ist, täglich neu
angezählt, nicht in die Seile zu kriegen, obwohl so viele seit Wochen so oft
seinen Rücktritt gefordert haben.
Süddtsch. Ztg.
18. 6. 1954
mit 74 Fällen, die nach fintenreichem Suchen dem Steuersäckel
rund 14 Millionen einbrachten;
Frey 1970 Stoph o. S.
Nicht einmal die so
fintenreiche „große Sowjetunion“ hat derlei Stuß bisher behauptet;
Zeit
11. 10. 1985
Hildebrandts phantasivoller und fintenreicher Stil ist jedem
Thema gewachsen;
taz 18. 10. 1988
200 fintenreiche, mit Witz, Tücke,
Hähme verübte „Straftaten“;
Süddtsch. Ztg. 28. 8. 1996
Wiederholt
forderten ihn Journalisten in fintenreichen Fragen dazu auf, den
Länderwiderstand . . zu erklären;
taz 9. 2. 2000
Zwischendurch
präsentierte Jörg Haider seine im rhetorischen Florettstil geübte Taktik als
politisches Chamäleon . . so fintenreich.
Süddtsch. Ztg. 13. 7. 1953
des Dialogs Florett- und Federspiel. Kein
anderer, es bleibt dabei, weiss auf dem Boden der kleinen Komödien zu fechten
und zu fintieren wie dieser Goetz: der Ritter von der leichten Hand;
taz
22. 6. 1990
Nach mehr als einem halben Jahr Herumdrucksens, Fintierens,
Finassierens, Taktierens hat Italiens Kommunistenchef nun die Maus endlich
geboren;
Spiegel 25. 1. 1993
Ihnen . . ist vorgeworfen worden, nur ihrem
Taktieren und Fintieren sei die Dauer dieser, derzeit bis zum 1. November 1993
terminierten, Hauptverhandlung zuzuschreiben;
Frankf. Rundsch. 21. 8. 1999
Da wird gehauen und gestochen, fintiert und getrickst, dass
sich jetzt, in der ersten Phase, Werbeagenturen und Rechtsanwälte die Hände
reiben und die Aktenberge bei den Gerichten noch höher stapeln.