Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fell, n.

fell, n.
pellis, cutis, goth. fill, ahd. fël, fëlles, mhd. vël, vëlles, alts. ags. fëll, engl. fell, fries. fel, fellis, nnl. vel, vels, pl. vellen, altn. fell und fiall, nur in zusammensetzung, auszerdem ein dunkles feldr, schw. dän. abgehend. am tage liegt verwandtschaft des lat. pellis, it. pelle, sp. piel, fr. peau; die adjectivische fortbildung pelliceus haben wir aus dem it. pellicia, fr. pelisse in pelz, belz (1, 1956) noch dazu übernommen. vergleichbar scheint lit. plěvě, plěvéle, lett. plehwe haut, häutchen auf auge, ei und milch, vielleicht auch poln. blona, böhm. blána. passend wird an die skr. wurzel pûr, implere gedacht, da fell, balg, haut von fleisch und blut erfüllt sind, so dasz goth. fill unmittelbar gehörte zu fulls, plenus, πλέος, lit. pilnas (gramm. 2, 57 nᵒ 577. Pott 1, 264) und gr. πελλίς, lat. pelvis, lit. pilvas (bauch) unferne lägen, wie ja auch balg von belgen das geschwollne, erfüllte ausdrückt. das skr. r in pûr steht zum l der übrigen sprachen wie in purî, πόλις, puru πολύς, goth. filus u. s. w.
1)
synonym dem fell sind haut, balg, schwarte und ein bei uns untergegangnes schind, wovon noch schinden, schinder übrig ist, ags. scin, engl. skin, altn. skinn, schw, skinn, dän. skind. leder, corium geht auf die gegerbte haut, balg auf die abstreifbare, abgestreifte, rinde und schale auf pflanzen. schwarte bezeichnet dicke, fette haut, mhd. steht swarte, namentlich bei Wolfram, oft für haut, Parz. 411, 8
gram durch swarten unt durch vël,
erscheinen beide wörter verbunden; wir sagen eine arme gute schwarte wie eine arme ehrliche haut und in gleichem sinn armer schwartenhals, das engl. green sward drückt aus rasen, decke der wiese. hauptsächlich an kommt es hier auf den unterschied zwischen fell und haut. uns steht brustfell wie brusthaut für pleura, doch heiszt es darmfell, rippenfell, mittelfell, zwerchfell und nicht haut. hingegen fetthaut, herzhaut, hirnhaut, hornhaut, schleimhaut, traubenhaut (uvea membrana), in diesen wörtern gilt nicht fell. haut ist uns heute etwas zarteres, feineres, dünneres, fell etwas gröberes, dichteres, daher eihaut cuticula ovi, milchhaut, fetthaut, was sich oben auf milch und fett ansetzt, doch der star ist ein dichtes fell über dem auge: der ein fell auf dem auge hat. 3 Mos. 21, 20; Wirsung handelt s. 89 von den fellen der augen (s. auch blutfell, wasserfell); ach du freundlicher schelme, du solltest einem ein fell vor den augen herunter waschen! Melander jocos. 2 nᵒ 225. es wird heute von der haut des menschen, des gesichts, der hand gesprochen, nicht von dem fell. haut : fell = cutis : pellis.
2)
vordem verhielt es sich anders und auch fell galt für die menschliche haut an allen leibestheilen. wir können bei Ulfilas die stellen nicht ersehen, die unser heutiges haut ausdrückten, doch goth. þrutsfill ist lepra = aussätzige haut, fill haut, þrut dem böhm. trud, poln. tra̜d entsprechend; unsere heutigen ärzte reden von krankheiten der haut, nicht des fells. alts. sagt Zacharias von sich und seiner alten Elisabeth:
flêsc is unc âfallan, fël unscôni.
Hel. 5, 7,
und vom neugebornen Johannes heiszt es:
was im fël fagar, fahs endi naglôs.
6, 15.
mhd. ir. liehten vël die slëhten
kômen nâher.
Wolframs lieder 3, 24;
hin wider hiengʒ dër dëgen snël
für sîne brust an blôʒeʒ vël.
Parz. 51, 18;
manc ungevelschet frouwen vël
man dâ bî rôten münden sach.
776, 8;
glîch antlütze und glîcheʒ vël
Anfortas bî sîner swëster truoc.
813, 2;
ëben und lûter was ir vël
von rôsenvarwe wîʒe
getempert mit flîʒe.
Wigal. 27, 8;
wîʒe ist ir daʒ vël.
MS. 2, 209ᵃ;
si (die frauen) brâchen ab ir gëlweʒ hâr
und zarten abe ir lindeʒ vël.
tr. kr. 12945;
Lichtensteins
kleinvëlhitzerôter munt.
433, 32. 441, 118. 516, 12
drückt die feine, zarte haut der lippen aus;
ër schein im als ëʒ wær gezogen
ein vël, dünn unde kleine,
swarz über ein gebeine.
Barl. 163, 2,
wo doch vorausgieng:
dô truoc dër reine gotes trût
ze lîche an sîner blôʒen hût
ein herteʒ tuoch hærîn
halb und halbeʒ wüllîn.
163, 12.
auch von dünnem eise:
swâ man von îse ein lindeʒ vël
ûf einem tiefen sêwe kôs.
tr. kr. 6104.
weder in den Nib., noch bei Walther, Hartman, Gotfried u. a. m. scheint hier vël gebraucht, nhd. dürfte in allen solchen stellen nur haut oder ein anderes wort stehen, fell würde uns zu thierisch oder gemein klingen, so edel das mhd. vël, gleich dem ihm entsprechenden fr. peau klang. doch erscheint im 16. 17 jh. fell oft noch für haut (wie faust für hand) und haftet bis auf heute im verächtlichen, scherzhaften, oder auch derben und traulichen ausdruck. liederliches fell bezeichnet eine unzüchtige dirne, altes fell eine abgelebte frau: demnach bekommt er einen abscheu vor diesem alten fell. irrg. der liebe s. 502;
kein junggesell erfreiet sich ein altes fell.
Ringwald laut. warh. 178;
ihr (der alten königin) fell von runzeln ganz durchpflüget.
Gryphius 1, 603.
mhd. sô hëlfe iu got, hër junger man,
sô rëchet mich, und gêt ir alten hût mit sumerlaten an.
Walther 73, 22;
ihr freier, freien ist fürwahr kein kinderspiel,
nehmt ihr allein ums fell ein weib, das ist zu viel.
Abele 4, 434.
einen beim fell packen, erwischen, kriegen, einem das fell rücken, gerben, über die ohren ziehen, ursprünglich vom thier geltend ward auf menschen angewendet: es geht über unser fell, wir müssens büszen;
das auch mein eigen rottgesell,
Bellart, mir oft gerückt das fell.
froschm. J 6ᵇ;
da hat er sie beim felle.
ist ers, gleich pack ich ihn beim felle.
Göthe 12, 192;
seinen clienten feget er den beutel und ziehet ihnen das fell über die ohren. Leipz. avant. 1, 176; dasz ein einziger, vielleicht der schwächste der ganzen nation ein angeerbtes recht haben könnte, hundert tausend weisern und bessern menschen das fell über die ohren zu ziehn. Knigge umg. mit m. 3, 29; den armen bürgern liesz er in gottes namen das fell über die ohren ziehen. Kotzebue dram. sp. 2, 334; wen man gebürstet, wem man das fell gegerbt, wen man gestriegelt hat. Lichtenberg 5, 93. wen das fell juckt, der will gekratzt oder geklopft sein;
du überlustiger gesell,
juckt dich zum drittenmal das fell?
Göthe 12, 49;
wahrhaftig man musz ein fell haben wie ein bär, der geprügelt wird um zu tanzen. 18, 79; es hilft alles nichts, du must den wollnen lappen auf dem bloszen fell tragen, bis der schmerz aufhört; ein einbildiges frauenzimmer trägt grosze sorg über ihr haut und fell, das beschauet sie alle stund im spiegel. Megerle narrinnen 82;
ich sah
an Pallas selbst und allen musen,
was an der blödsten Sylvia,
ein lockend aug voll jugendlicher glut,
ein weiszes fell und einen vollen busen.
Wielands Juno und Ganymed 440;
wie sie jauchzen, dasz gott erbarm,
alles das geht von des bauern felle.
Schiller 319ᵇ.
3)
in der weidmannsprache wird für die thiere sehr genau zwischen haut, fell, balg und schwarte unterschieden: der bär hat eine haut, kein fell; der hirsch hat eine haut, kein fell; das reh hat ein fell, keine haut; der wolf hat einen balg, keine haut; der fuchs hat einen balg an, keine haut; der dachs eine schwarte, keinen balg. ob dieser terminologie ein hohes alter zusteht? es kann wol sein, da sie meistentheils auch mit der sprache des gemeinen lebens zusammenstimmt, und für die einzelnen thiere durch eine menge von sprüchen und redensarten bestätigt wird. wir sagen also löwenhaut, bärenhaut, hirscheshaut und zumal von gröszeren hausthieren rosseshaut, pferdeshaut, eselshaut, rindeshaut, ochsenhaut, kuhhaut, gerade wie menschenhaut. hingegen rehfell, kalbfell, widderfell, bockfell, geiszfell, schaffell, lammfell, zobelfell, hamsterfell, oder auch genitivisch, hindenfell, kalbsfell, bocksfell, ziegenfell, hundsfell, katzenfell, mäusefell. balg gilt von thieren, deren haut unzerschnitten abgestreift, gegerbt, auf die stange gehangen wird: wolfesbalg, luchsesbalg, fuchsbalg, biberbalg, hasenbalg, otterbalg, iltisbalg, marderbalg, wieselbalg, vgl. auch von geleerten fruchthülsen oder schalen weinbeerbälge, erbsenbälge, körnerbälge 1, 1084. schwarte steht blosz für die haut des schweins und dachses, wie wir auch speckschwarte sagen. für grosze thiere schickt sich nur haut, und das corium occisi bisontis, welches Paulus Diac. 2, 8 schildert, wird doch wisentes hût auf deutsch gelautet haben. auch fischen legen wir haut bei, zumal dem al, der eine halbe schlange ist, und den schlangen. schlangen und raupen streifen ihre hülle ab, daher gleichfalls raupenhaut wie schlangenhaut, niemals raupenfell, schlangenfell, warum nicht balg? altn. ormahŷđi anguium senectus, die haut welche schlangen und würmer erneuern, wozu man ellibelgr, exuviae senectutis halte. dem geflügel wird sonst hemd, altn. hamr, als kleid oder gewand beigemessen: federhemd, altn. fiađrhamr, alts. fëtharhamo, ags. feđerhama, schwanenhemd, doch Stieler 466 schreibt schwanenfell, aluta cygnea. auch zum ausbälgen heiszt es dem vogel das fell abziehen, abstreifen: zu einem schauessen ist oft eines vogels fell, das man ihm samt den federn abgeblasen, mit werk oder heu ausgestopfet, dessen schnabel und füsze man vergüldet und gefärbet hat. Scriver Gotthold 459. die schelte rabenfell (Stieler 465) ist nicht fell des raben, sondern des gehängten galgenvogels, auf das sich die raben niederlassen, vgl. rabenaas. doch gilt gänsehaut, vorzüglich in anwendung auf die fröstelnde, menschliche:
das mir gleich ein genshaut anfur.
H. Sachs I, 501ᶜ.
4)
es versteht sich, dasz lebendige schriftsteller und dichter nicht streng an diese terminologie gebunden sind, sondern davon abweichen und mit den ausdrücken wechseln. Konrad, als er Jasons fahrt nach dem goldnen vlies oder dem schæper (ahd. scâpari) des widders schildert, setzt:
sîn wolle und sîner hiute wât.
9416;
sô clanc diu wolle an sîner hût.
10054;
gleich darauf:
an sînem glanzen vëlle.
10056.
Rudolf von Gideons widderfell redend (weltchr. Schütze 1, 34):
dar umbe spreite dâ ze hant
dër edele gotes wîgant
ein schâfes vël an eine stat.
got ër vil inneclîchen bat,
ob ër im hëlfen wolde,
daʒ ër gesigen solde,
daʒ ditze vël wurde naʒ
von touwe, und niht mê für baʒ
ûf dër ërden wan diu hût;
weiter: dô vant ër betouwet ligen
daʒ vël und alsô naʒ erkant,
daʒ ër want mit sîner hant
dar ûʒ ein bechelîn touwes vol.
auch bei Luther: so wil ich ein fell mit der wollen auf die tenne legen, wird der taw auf dem fell allein sein und auf der ganzen erden trocken, so wil ich merken, das du Israel erlösen wirst durch meine hand. richter 6, 37; so wie er in andern stellen fell von der thierischen haut gebraucht: da er von den fellen meiner lemmer erwermet ward. Hiob 31, 20; und gott der herr machet Adam und seinem weibe röcke von fellen und zog sie an, fecit tunicas pelliceas et induit eos;
dër gnâdige got
ir ie wëdereme einen pëlleʒ gap
getân ûʒ fëllen,
daʒ siu dër vrôst ne mahte chuellen.
Diut. 2, 54;
da nu die zeit kam, das sie geberen solt, sihe da waren zwilling in irem leibe. der erst der eraus kam, war rötlicht, ganz rauch wie ein fell (in morem pellis hispidus) und sie nenneten in Esau. 1 Mos. 25, 25; aber die fell von den böcklin tet sie im umb seine hende. 27, 16; des farren fleisch, fell und mist. 2 Mos. 29, 14; und das fell verbrand er mit fewr auszer dem lager. 3 Mos. 8, 17. 9, 11; an allem das aus fellen gemacht wird. 13, 48;
da hast du (Bacchus) aufgedeckt
dein bundes hindenfell und in den sand gestreckt.
Opitz 1, 387;
was eine bunte ziege
wol habe für ein fell?
Fleming 166.
der kürschner hat mehr mit fellen, der gerber mit häuten zu thun, jener bereitet die felle der wilden thiere, dieser die häute der zahmen, wiewol hirschhaut und schaffell gesagt wird. so tauschen mhd. bibervël und bibers hût (2, 1807); nhd. bockfell und bockhaut (2, 205). in dem alten 'ouvælen' bei Haupt 8, 152, 259 steckt kaum vëllen von ouvël, schaffell, eher fæle (sp. 1449) decke? goldfell setzt Fleming 198 vom goldnen vlies des widders. Hagedorn 2, 49 sagt haut und fell des bären. auch seltner fische haut galt für pelzwaare:
von fremder vischehiuten bezoc wol getân.
Nib. 354, 1.
eines pantels hût erscheint 894, 2, dunkel aber gleich darauf heiszt es 895, 1:
von einer ludmes hiute was alleʒ sîn gewant,
nach andrer lesart luhses hiute und ahd. findet sich loskes hût, aluta pellis (Graff 4, 807), aber auch loskis fël (3, 469), statt des weidmännischen luchses balg. nicht anders schwanken ahd. dahshût, dahsishût (4, 807) und dachsfell, dachsschwarte (wb. 2, 667). neuere dichter schreiben bald tigerfell (Göthe 2, 27), bald tigerhaut, doch wird im allgemeinen dem wilden thier lieber fell als haut gegeben:
doch wie, vom buntsten fell gezieret,
der schöne luchs einherstolzieret.
Kretschmanns Rhingulph 89;
das raubthier schleicht in buntgestreiftem felle.
thierfelle sind uns pelze, mhd. bezeichnete 'vil maneger tiere hiute' Nib. 885, 3 die eben auf der jagd erlegten thiere.
5)
aus den schwestersprachen nur einiges. für die bei uns ziemlich feststehende bärenhaut (1, 1128) begegnet schon in der edda
sat â bërfialli.
Völundarqv. 10,
'sasz auf dem bärenfell', es müste denn ganz anders auszulegen sein und 'â berfialli' meinen 'auf dem baren, nackten felsen, wie berbeinn nudipes, barfusz ist. bärenhaut heiszt sonst biarnarstaka, biarnstaka (Snorra edda formâli 9), wie hafrstaka pellis caprina. altn. öldungshûđ, uxahûđ entsprechen unserm ochsenhaut, vgl. hiutî taurea terga (Graff 4, 806); otrbelgr genau unserm otterbalg. die Dänen sagen biörneskind, odderskind (zuweilen noch odderbälg). engl. scheiden sich neats hide, cowhide, stags hide von lions skin, bears skin, doe skin, wolfs skin, foxs skin, hares skin, otters skin. fell und balg kommen nicht vor.
6)
fell drückt ganz besonders das bereitete pergament, membrana aus, ahd. puohfël (Graff 3, 469), mhd. buochvël, s. die sp. 1396 aus dem welschen gast angezogne stelle. fell ist getrocknete haut, leder, corium, fr. cuir, vgl. schurzfell;
der schmerz erfand gewehr
und ein gedörrtes fell gab schild und schleuder her.
Lichtwer recht der vernunft 108.
s. fillen, filler.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1861), Bd. III (1862), Sp. 1494, Z. 80.

fellen

fellen,
pelliceus, goth. filleins, ahd. fëllîn, wol auch fillîn: goth. gairda filleina, zona pellicea. Marc. 1, 6. ahd. gurtil fëllînêr. nhd. und gott machet Ade und seiner hausfrawen velline röck und leget sie an. bibel 1483, 6ᵇ, 1 Mos. 3, 21; ein rauher man begürtet umb die lenden mit einer vellin gurtel. 170ᵃ. 2 kön. 1, 8; rehfellen, aus rehfell, rehfellene handschuhe.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1861), Bd. III (1862), Sp. 1499, Z. 15.

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Zitationshilfe
„fell“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/fell>.

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