Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

saft, m.

saft, m.
succus, ahd. saf (gen. saffes), saph n. Graff 6, 63, mhd. saf n., daneben später mit antritt von t sapht, safft n., safe, saff, safft, saf Dief. 564ᵃ, ags. säp n., engl. sap, altn. eine vielleicht verwandte bildung safi m., schwed. dän. saft m., ndl. sap n., mnd. sap n. das nd. sap ist vielfach durch das hd. saft verdrängt worden. die beispiele für die form mit t treten mhd. erst spät auf:
rîche blüete manicvalt
vrühtic saft ûʒ grüenem zwîg erwecket.
minnes. 3, 219ᵇ Hagen (s. unten unter 5, d).
noch Megenberg z. b. hat überwiegend saf, vereinzelt saft: wer sein saft trinket ... der verleuset seinen unkäuschen gelust gar vast. 312, 9. nachher aber verschwindet die form saf; vereinzelt in oberd. dialekten: das saf Hunziker 214. im nhd. ist das alte neutr. durch das masc. verdrängt. im 16. jahrh. werden beide geschlechter neben einander gebraucht. auch im 17. jahrh. kommt das neutr. zuweilen vor:
der spinnen schädlichs saft.
Opitz 3, 184.
altn. safi kann mit lat. sapio, sapa, sapor, ags. sefa, seofa, m. einsicht, ahd. intsebjan zusammengestellt werden, s. Fick⁴ 1, 557; dagegen bleibt das verhältnis von ags. säp, ahd. saf zu dieser sippe unklar; eine entlehnung von lat. sapa, die man vermutet hat, ist nicht anzunehmen.
Bedeutung.
1)
saft der pflanzen, der das frische wachsthum begleitet und fördert: die dornen, so noch in einander wachsen, und im besten safft sind. Nahum 1, 10; das die beume des herrn vol saffts stehen. psalm 104, 16; ob aber nu etliche von den zweigen zubrochen sind, und du, da du ein wilder olbaum warest, bist unter sie gepfropffet, und teilhafftig worden der wurtzel und des saffts im olbaum. Röm. 11, 17; im frühlinge, wenn der saft in die bäume tritt. die bäume stehen in vollem safte. Adelung;
sie (die bäume) zu thränen gar verkehren
allen ihren grünen safft,
drumb nur gumm, und gelbe zähren
auszen auff den rinden hafft.
Spee trutzn. (1649) 290.
in bildlicher anwendung: denn deine hand war tag und nacht schwer auff mir, das mein safft vertrocknete, wie es im sommer dürre wird. ps. 32, 4;
die schlacht geht frisch, die schwerter stehn im saft.
Uhland Ernst von Schwaben 106.
auch vom honigsaft der blüten, der speise der bienen:
der baum, ein speisemarck der bienen,
trägt laub und edlen safft.
S. Dach in den ged. des Königsb. dichterkr. 70;
unter des grünen
blühender kraft,
naschen die bienen
summend am saft.
Göthe 1, 90.
saft in pflanzenfrüchten, bildlich:
o! welch ein glanz aufblühnder jugendkraft!
wie eine pfirsche frisch und voller saft!
41, 85.
2)
säfte, welche aus den pflanzen und ihren früchten gewonnen werden.
a)
saft von kräutern und blumen, besonders als arzneimittel verwandt: des (venichel-)krautes saf und sein pleter und sein wurzeln sint guot zuo erznei. Megenberg 400, 32; (die schlangen) getürrent diu glider niht gerüeren, diu mit dem saff (gewisser kräuter) geriben sint. 276, 2; so ainer aber geschlagen ist, unders angesicht, dʒ er blob mal gewint, so nimm das safft von der wurtzlen, die man nent wilder saffren wurtzel. Hier. Braunschweig chir. 83; dieser safft (des laserkrauts) ist gut wider die vergiffte pfeil, und widerstehet, aller gifftigen thier stichen und bissen, beyde eingenommen, getrunken und auch übergelegt. Tabernaem. (1664) 210 B; den schwangern frawen aber ist er (der serapinsaft) schädlich, dann er tötet die frucht, derowegen man dieses safft mit bescheidenheit gebrauchen soll. 212 G; nimb den safft von neuem corianderkraut. Seuter rossarzn. 208; ein safft aus der apothecke, oder den man auslecken musz, ecligma, electuarium. Frisch 2, 142ᵃ; zaubermittel der hexen:
ein gutes glas von dem bekannten saft.
Göthe 12, 128;
sie musz als arzt ein hokuspokus machen,
damit der saft dir wohl gedeihen kann.
129.
gift aus giftigen kräutern:
hier ist ein saft, der eilig trunken macht.
44.
der mohnsaft als schlaftrunk: (der bedrängte mensch) preszt den kostbaren saft aus dem orientalischen mohn. Schiller 1, 157.
b)
saft aus obst und beeren, vor allem dick gekochte flüssigkeit, eingemachter saft; doch auch ausgepreszter saft:
wenn noch ein reicher sich in seinen federn strecket,
greifft er (der arme) zu käsz, und brod, das ihm viel besser schmecket,
als eingemachter saft, als ingber und suckat.
Rachel sat. ged. 46;
hier lachet ein füllhorn
goldener äpfel euch an:
nehmt den säurlichen saft in euer vermähltes getränk (in wasser und wein) auf.
Ramler 1, 24.
c)
insbesondere saft der weintraube:
die kelter preszt den reifen saft
aus den im druck zerquetschten trauben.
Hagedorn der wein (1. fassung) str. 35,
später geändert:
die kelter preszt den süszen saft
und seufzt, wenn manche wasser trinken.
werke 3, 122;
gestern, brüder, könnt ihrs glauben?
gestern bey dem saft der trauben,
(bildet euch mein schrecken ein!)
kam der tod zu mir herein.
Lessing 1, 64;
die sonne kocht für dich (den menschen)
die traube, deren saft den finstern schwarm
der sorgen von dir scheucht.
Hölty 120 Halm;
noch macht der saft der purpurtraube
des menschen krankes herz gesund.
203.
dafür auch saft der rebe:
darumb schenk ein
den edlen saft von reben.
Gödeke u. Tittmann liederb. 144;
damit ich singen lerne,
soll mir der saft der reben
itzt mut und töne geben
und neue kunst verleihn.
Hagedorn 3, 101;
es stürzte sich ins glas der rothe saft der reben.
Zachariä schnupftuch 4, 233;
und ihr, genährt vom fett der länder, schwindet
und siecht beim saft der besten reben ab.
Mastalier ged. (1782) 169.
ebenso saft der ambrosischen beere:
Thraciens schäfer, vom saft der ambrosischen beere geletzet,
sang den wohlthätigen gott.
Ramler 1, 21.
saft des weines:
der wein musz erst gekeltert werden,
eh' als sein süszer safft
das trauren von uns rafft.
S. Dach in den ged. des Königsb. dichterkr. 38.
endlich auch einfach saft gleich wein:
da (in Ungarn), wo das reinste gold den Deutschen nützlich wird
und ihr so lieber safft am stärksten wird geschmecket.
Logau 1, 191, 99;
dann betrachtet sie oft des schäumenden mostes bewegung,
gieszt das fehlende zu, damit die wallenden blasen
leicht die öffnung des fasses erreichen, trinkbar und helle,
endlich der edelste saft sich künftigen jahren vollende.
Göthe 1, 342.
nur im gegensatz zum wein ist der ausdruck saft für wasser verständlich:
mir schmeckt der klare safft. mir schmeckt das reine nasz,
das ohne keller frisch, das gut bleibt ohne vasz.
Logau 1, 51, 4.
d)
saft der birke: man bohrt die birke im frühjahr an und bereitet von dem ausflieszenden saft den birkenmeth.
e)
die aus mancherlei pflanzen, beeren und hölzern gepreszten oder ausgekochten säfte werden auch als farbstoff verwandt, z. b. saft von Brasilienholz, von indianischem holz.
3)
säfte der erde, besonders von mineralsäften: erd - säffte, mineralia, berg - säffte, succi metallici Frisch 2, 142ᵃ; auch die dicklichen in der erde befindlichen flüssigen körper, z. b. steinöhl, bergtheer u. s. f. heiszen bey einigen auch nach ihrer erhärtung erd- oder bergsäfte. Adelung; weiszer milchigter saft, woraus eisen zu schmelzen. Jacobsson 3, 483ᵃ;
so nimmt der agtstein auch, bevor der harte stein
aus weichem saffte wird, das ungeziefer ein.
Withof acad. ged. 1, 74.
aber auch von der befruchtenden feuchtigkeit des erdbodens: und etlichs fiel auff den fels, und da es aufgieng, verdorret es, darumb, das es nicht safft hatte. Luc. 8, 6; die felder alles ihres inhabenden saftes und kraftes berauben. Hohberg 2, 22ᵃ.
4)
thierische säfte:
ich will der spinnen schädlichs safft,
der bleichen nattern böse krafft,
die gelben molch' und scorpionen
zu essen meiner nicht verschonen.
Opitz 3, 184.
saft des fleisches, bratens; der saft der seemuscheln, besonders der purpurschnecke, ein bekannter farbenstoff: ingleichen haben wir das wort purpur gebraucht, um das reine in der mitte stehende roth zu bezeichnen, weil der saft der purpurschnecke ... zu dem höchsten puncte der culmination zu bringen ist. Göthe 52, 249; man darf sich unter purpur nicht eine einzelne farbe denken, sondern die ganze gattung der färberei mit dem safte der seemuscheln. Becker weltgesch.⁴ 1, 112;
o dies mädchen allein ist werth, dasz reiche gewänder
ihr mit köstlichem saft doppelt der Tyrier tränkt.
Geibel 5, 147.
5)
säfte im menschlichen körper.
a)
allgemein von den aus der nahrung kommenden, kraftgebenden flüssigkeiten: der safft von den verdauten speisen, chylus Frisch 2, 142ᵃ; das häusliche, beschränkte leben ist das grab alles groszen, es nagt die besten säfte von dem herzen, und du magst nicht weiter aufschieszen. Klinger theater 2, 47; wir verbessern unsre säfte durch schmackhafte gemüse. Göthe 56, 188; und wie kann da, wo man immer auf dem stuhle verdauet, und durch eine starke anstrengung der seele die rohen säfte nach dem gehirn zieht, diese läuterung (des nahrungsgeistes) gehörig geschehen? Möser patr. phant. (1820) 3, 128;
(ein schädlich gift macht)
das kein gelenck' und gliedtmasz weder krafft
noch sterke hat, die adern keinen safft
noch blut nicht mehr, kein marck nicht die gebeine.
Opitz poet. 45 neudruck;
durch die gewissens-qual entgieng mir meine krafft,
von deiner schweren hand verlohr ich allen safft.
behender ist der reiz, der aus geruch entsteht
und in das tiefe mark durch alle säfte geht.
Withof acad. ged. 1, 79;
der mattre lauf der säfte.
Wieland 17, 42 (Idris 1, 57).
b)
insbesondere vom blute, mundartlich derb: einem auf die nase schlagen, dasz der saft herrinnt. Schöpf 575; aber auch in edler sprache:
blut ist ein ganz besondrer saft.
Göthe 12, 88;
näher bestimmt in gemeiner rede der rothe saft: drey wichtige streiche uber den rukken hinab gab, dasz der rothe safft darnach lieffe. Salinde 75; soll ich hingehen, und diesem abgerichteten schäferhund die gurgel zusammen schnüren, dasz ihm der rothe saft aus allen schweis-löchern sprudelt? Schiller räuber 2, 3 schauspiel;
herr Tilly, seht euch um, seht, wie der Schwede stehet,
dasz euch der rothe saft über die backen gehet.
Opel u. Cohn 263, 74.
c)
saft des lebens, milch: so ruht doch er (der säugling) an meinem herzen, und trinkt den oft mit thränen vermischten saft des lebens aus meiner brust. Klinger werke 4, 146.
d)
die thränen werden der augen saft genannt:
herzen jâmer ougen saf
gap maneger werden frouwen
die man weinde muose schouwen.
Parz. 319, 16;
dâ von diu minneclîch geschaft
von des herzen triuwe enphie der ougen saft.
Lohengrin 3042 (handschr. B).
6)
in abgeblaszterer bedeutung steht saft namentlich in verbindung mit kraft zur bezeichnung der gesundheit, frische u. dgl.: mit groszer mattigkeit so wol ausz schrecken als mangel krafts und safts. Philander (1650) 2, 738; bis er an saft und kraft und geld und gewissen, und gutem namen bankrut wird. Schiller räuber 2, 3 schauspiel;
dahin ist mein gesicht, mein hertz, muht, saft und krafft:
hab ich sie aber noch, seind sie gantz mangelhafft.
allein die böse seuche kam
in meines staates glieder,
die ihnen saft und kraft benahm;
und alles lag danieder.
Blumauer Äneis 1, 98.
7)
übertragen redet man auch von dem saft einer sache, als ihrem innersten kern, wert und gehalt; den übergang zu diesem sprachgebrauch vermittelnd: das (die schriftauslegung der sophisten) ist doch nit andersz, denn unsz die schalen von der nusz, die hulssen von den drawben, die kleyen von dem mel geben. es were besser, beydes miteynander, odder allein den kernen und safft unnd mel geben, wie sichs gepurt tzum newen testament. Luther 8, 346, 32 Weim. ausgabe. die quinta essentia wird verdeutscht als das fünfte wesen, der saft und kraft eines dings. Kirsch 1, 910ᵃ. saft in diesem sinne wird solchen sachen beigelegt, die als kräftig, kernig, wirkungsvoll, genuszbringend u. s. w. bezeichnet werden sollen:
alsô bluote der von Prâbant nâch sînes stammes saffe.
Lohengrin 3817;
ach, dasz die innre schöpfungskraft
durch meinen sinn erschölle!
dasz eine bildung voller saft
aus meinen fingern quölle!
Göthe 2, 191.
besonders von saft und kraft der rede, der worte u. s. w.: Christus gebe solchem seinem wort safft und krafft in ewer hertzen. Luther 6, 1ᵇ; wort .. die weder krafft noch safft haben. 170ᵃ; worte die in anderer (als der deutschen) sprache saft und kraft würden verlieren. Schottel 1111; vielmehr haben alle europeische sprachen viele wurzelen, wörter, saft, kraft und geist aus dieser reinen uralten haubtsprache der Teutschen. 123; wissen so viel zu erzehlen, dasz es wunder scheinet, welchem allem doch kraft und saft mangelt. Philander (1650) 2, 524; brief ohne saft und kraft. Rabener 3, 66.
8)
saft als technischer ausdruck in eisenhütten: so werden die kleinen kugeln genannt, die bei dem zerren des eisens von dem winde in die höhe getrieben werden. Jacobsson 3, 482ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1892), Bd. VIII (1893), Sp. 1638, Z. 9.

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Zitationshilfe
„saft“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/saft>.

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