Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

kunstgriff, m.

kunstgriff, m.
artificium Stieler 699. auch nl. konstgreep Halma 334ᵇ, dän. kunstgreb, schwed. konstgrep.
1,
a)
im eigentlichen sinne gibt es zuerst Adelung, als 'ein jeder bei ausübung einer kunst nöthiger handgriff', aber das ist nur aus dem worte geholt und nicht zu belegen. richtiger hat Rückert das wort aus sich selbst sinnlich aufgefrischt, von einem ringer, der einen jungen seine kunst gelehrt und dann im probekampfe erfahren musz:
kein kunstgriff nützt, womit der alte greift und wehrt,
er hat den gegengriff den jungen auch gelehrt.
poet. werke (1868) 3, 198.
b)
man sprach früher lange von Hilpertsgriffen, d. i. künsten im schlimmen sinne (z. b. Ayrer 2977, 24, wo ein notar sich deren rühmt), in vollerer gestalt Hiltprantsgriffe, auch diesz schon im 16. jahrh., s. bei Frommann 2, 21 aus Lor. Fries gesch. des bisth. Würzburg, wo es von dem (kath.) schriftsteller des 16. jh. aus der 'geschwindigkeit, arglist und tücke' des pabstes Hildebrand gegen das reich erklärt wird. aber das ist schon spätere auslegung, nach Fischarts Hildenbrandstreichig Garg. 17ᵇ (Sch. 17), Hildebrandkrieger groszm. 601 Sch., Hildenbrandische neunklafterstreich 603 gehn auch jene griffe auf den alten Hildebrand des volksliedes und der sage zurück, dem man auch im ringkampfe besondere kunstgriffe, wie im schwertkampfe besondere kraft- und kunststreiche als einem unnahbaren zugeschrieben haben musz.
c)
es hiesz übrigens auch kurz griff, grifflein, kniff, pfiffiges mittelchen, im 16. jh. und noch im 18. (s. unter kniff 3 und 3, b Wieland), und kunstgriff könnte blosze verstärkung dieses griff sein nach kunst 3, d, das selbst schon diese bedeutung hatte. wie für griff entstehung aus dem kampfleben nach jenem Hiltprantsgriffe wahrscheinlich ist, ebenso ist sie es für das gleichbed. tücke, mhd. tuc m., für rank, plur. ränke (eigentlich plötzliche wendung, ausbiegung), für das begriffsverwandte streich, vielleicht auch für kniff, obwol da mehr karten- und würfelspiel in frage kommt.
2)
mit genauerem begriffe gibt unser wort zuerst Ludwig 1088: kunstgriff oder kunststreich, a craft, skill, knack or device, an artificial or compendious way of doing a thing; das kunststreich erinnert wieder an fechtkunst. Frisch 1, 557ᶜ erklärt artis arcanum, artificii pars secreta, modus tractandi artem non cuivis notus. also zwar auf allerlei kunst erstreckt, das handwerk nicht ausgeschlossen, aber als besonderes 'stück' der geheimeren kunst (vgl. kunststück), das nicht jeder lernt, womit man kürzer zum ziele kommt oder mehr erzielt als andere können auch in derselben kunst. und so noch heute: 'wohlinformierter poët, worinnen die poëtischen kunstgriffe erkläret werden'. Leipz. 1708; mit einem wort! vater Stilling hatte den kunstgrif in seiner kindererziehung, er wuste alle augenblick eine neue belustigung für Henrichen ... (um ihn tief anzuregen). Stillings jugend 1779 s. 78; leben ist ihre (der natur) schönste erfindung, und der tod ist ihr kunstgriff viel leben zu haben. Göthe 50, 5; im gemeinen leben begegnet uns oft was wir in der epopöe als kunstgriff des dichters zu rühmen pflegen ... 17, 199; (die erhabenen gedanken Platos) die doch mehr durch ästhetische kunstgriffe hervorgebracht sind als durch die hohe kraft des verstandes. Klinger 12, 209; ein feiner kunstgriff des gesetzgebers. Schiller 1021ᵇ.
3)
der begriff des schlauen, listigen, ränkevollen tritt, wie bei griff vorhin, auch hier auf: in seinen kunstgrieffen (so, schles.) verschlagener sein, ein betrüglicher kunstgrieff. Steinbach 1, 639; welche kunstgriffe sie (die im verbotnen liebenden) erfunden, nur um sich sagen zu können dasz sie sich liebten. Göthe 17, 126; kunstgriff eines schmeichlers. Schiller 278ᵇ; nicht ohne grosze unruhe hatte Gustav Adolph den kunstgriffen zugesehen, welche Spanien und Österreich verschwendeten, um seinen alliirten von ihm abtrünnig zu machen. 961ᵃ; ein ruchloser teuflischer kunstgriff. 791ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1873), Bd. V (1873), Sp. 2701, Z. 9.

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Zitationshilfe
„kunstgriff“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/kunstgriff>.

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