Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fliegen

fliegen,
volare, ahd. fliogan, mhd. vliegen, ags. fleogan, engl. fly, nnl. vliegen, altn. fliuga, schw. flyga, dän. flyve. die praet. lauten ahd. flouc, flugun, mhd. vlouc, vlugen, nhd. flog, flogen, nnl. vloog, vloogen, ags. fleág, flugon, engl. flew, altn. flaug, flugo, schw. flög, flögo, dän. flöi. der imp. hat ahd. fliuc, mhd. vliuc, nhd. früher fleug, heute flieg und ebenso die tertia sg. ahd. fliugit, mhd. vliuget, nhd. fleugt, heute fliegt. der ags. imp. fleog, altn. fliug, schw. flyg, dän. flyv. besäszen wir das A. T. oder vom neuen die apocalypse auf gothisch, so würde uns ein so wichtiges wort in dem ältesten dialect unserer sprache nicht entgehn. auch dessen ausdrücke für flügel, feder und, wie eben verhandelt wurde, für fliege kennen wir nicht, nur fugls avis ist bekannt, unter vogel soll aber die möglichkeit aufgestellt werden, dasz fugls soviel sei als flugls und unmittelbar verwandt mit flügel, wie avis mit ala. der anlaut f ergäbe zugleich den des gesuchten verbums. in fugls wie in dem sp. 1392 gemutmaszten fiþra = feder folgt der labialis kein l, beide gleichen hierin dem gr. πετεινός und πτερόν, folglich würde πέτομαι πτέσθαι auf ein goth. verbum mit f ohne l rathen lassen. pluma hat das l, penna nicht. eine menge andrer fälle schwankt aber zwischen einlasz und ausstosz der liquida, es sei nur an flectere, fliehen, fugere, φεύγειν und biegen, an flederwisch und federwisch, an flittich und fittich, an flahs und fahs (sp. 1701) erinnert. noch andre unsicherheit entspringt daher, ob nicht das gothische, zu þ für f geneigte organ, wie es þliuhan und þlauhs statt fliuhan, flauhs bildet, ebenfalls þliugan anstatt fliugan beliebt haben könne? freilich kommen auch flautan, flôdus und andere mit fl anlautende wörter vor, allein zwischen þliuhan und þliugan schiene nähe obzuwalten, die sich auf ähnlichkeit der laute nicht nur, sondern auch der vorstellungen in beiden ausdrücken gründet. die begriffe des fliegens und fliehens sind zwar verschieden, dennoch einander berührend und die berührung wird noch inniger, wenn auch in fliehen die sinnlichere vorstellung des springens gesucht werden darf. der entfliegende vogel entflieht zugleich und schneller flug fördert die eile der flucht; wir sagen, dasz die wolken fliegen oder fliehn, dasz uns die zeit entfliege oder entfliehe. zwar flieht (entspringt) auch der hirsch auf seinen füszen und der feind auf flüchtigem rosse, der heranfliegende vogel flieht nicht, sondern kommt uns näher, allein in den hauptfällen des fliegens ist doch ein entfernen, fortfliegen gemeint. nichts war also natürlicher als dasz häufig fliehen anstatt fliegen geschrieben wurde, die ags. sprache bildet von fleogan das praet. fleáh für fleág (wie von beogan beáh), von fleon (= fleohan) wiederum fleáh, und im engl. steht nicht selten flee, fled anstatt fly, flew. hier sind auch nhd. beispiele von fliehen für fliegen: fleucht gen himel. spr. Sal. 23, 5; fliehen heiszt sie nicht, wie die vogel fliehen, sondern wie David für seinem son Absalon flohe. Luther 3, 313ᵃ; aber sie faren on gottes wort und befehl, als so einer auf einen hohen thurn und spitzen wolt treten und herab fliehen. 4, 184ᵇ; flugs flohe im die schwalbe auf die hand. Alberus barf. Eulenspiegel nᵒ 467;
als dasselbig ein kroh vernam,
zum adeler geflohen kam.
Alberus Esop 95;
die redlichen kriegsleut werden mit unverzagtem herzen bei euch stet und fest halten, weil (so lange) das fenlein fleucht. Reuter von Sp. 27; ein fliehender pfeil. pers. rosenth. 3, 27; dasz ich rabe mit andern raben auf den wänden der gärten stolz und lustig herumb hüpfen und fliehen möchte. 5, 13; damit die in den steinern palatien für den fliehenden brand sicher sind, haben sie gar kleine fensterlöcher. pers. reiseb. 3, 1; die taube flohe eilend an das gemählde. Lokman 28;
mein schall floh überweit. kein landsmann sang mir gleich.
Fleming 670;
siehst du jene rose blühen,
schönste, so erkenne dich,
siehst du bienen zu ihr fliehen,
Phyllis, so gedenk an mich.
Hagedorn 3, 88;
zwischen ufer, thal und klüften
liesz der treue Saladin
mit den kühlen abendlüften
tausend heisze seufzer fliehn.
Cupido, der hierum, wie kleine kinder sind,
geschäftig läuft und dient, fleucht stärker als der wind.
664;
ein täubchen, dem ein schusz den treuen gatten stürzt,
fleucht schüchtern hin und her, girrt unter nacht und hölen.
763;
wie aus dem baum, in den der stral des himmels stürzt,
der gescheuchte geier fleucht.
Göttinger musenalm. 1775 s. 57;
alles lachet, alles blühet
hier im niedern thal,
froh zu jungen buchen fliehet
amsel, nachtigall.
alm. der musen 1776 s. 182;
woher die imme fleucht.
fleucht für fleugt könnte überall nur verschrieben oder aus fleuget, wie manch aus manag gekürzt sein, in fliehn : blühn wird man eher unbewuste verwechslung mit fliegen zugeben. kaum steht umgekehrt fliegen für fliehen, ich habe nur zwei stellen aus Micrälius angemerkt: ward im tempel, zu dem er geflogen war, erschlagen. 2, 179; daraus waren die bürger in die nahist gelegen wälder geflogen. 2, 250. der nd. mundart lag es näher flogen beides für flogen und flohen, geflagen für geflogen und geflohen gelten zu lassen. uralten zusammenhang zwischen fliegen und fliehen eingeräumt, liesze sich in gleicher tiefe beiden auch das wort flieszen als verwandt zugesellen. der fisch flieszt im wasser, wie der vogel in der luft fliegt und die flut rinnt, entrinnt, entflieszt, entflieht unserm auge. fliegen und flieszen verbinden sich oft, (fliegen und kriechen stehn einander entgegen):
dô schuof man dën rîchen
guoter spîse genuoc,
man vuorte dar unde truoc
swaʒ ie gevlouc oder gevlôʒ.
gute frau 2653,
ër gît uns wilt, ër gît uns zam,
ër tuot uns vliegendeʒ und vlieʒendeʒ undertân.
MSH. 1, 298ᵇ;
item wen der probst kumpt in die herberg, so soll man im geben fliegendes und flieszendes (vögel und fische). weisth. 4, 42. skr. plu ist sowol natare als volare und plavit avis, vgl. plih und plav ire. in fliegen, fliehen, flieszen allen drei ist schnelle bewegung ausgedrückt, das latein hält aber volare, fugere, fluere gesondert, während sich unsere wörter in den anlautenden consonanten wie in dem folgenden diphthong nahe rücken. dasz mit plu und fliegen das lat. volare gänzlich unverwandt ist, braucht kaum gesagt zu werden. mir scheinen volo volavi und volo volui zusammen gehörig. volare ist petere, petere caelum pennis, also ein begehren, wollen, peto rührt an πέτομαι, folglich an πετηνός und πτερόν (vgl. sp. 1277. 1278), statt des o in volare, voluntas, volucer zeigt sich älteres e (= i) in velle, velim wie in velox. hat diese gleichheit der formen und bedeutungen grund, so musz auch unser vilja, willo eigentlich flug, aufflug oder flügel und personificiert einen geflügelten liebesgott gemeint haben, wie Eros, Wunsch und Wille sind. ich deute blosz an, was auszuführen nicht hierher gehört. auf diese einleitung folgen die heutigen bedeutungen.
1)
fliegen der vögel und insecten: der vogel fliegt auf und davon; gevogel, das auf erden unter der feste des himels fleuget. 1 Mos. 1, 20; alles was fliegen kund und was fittich hatte. 7, 20; und liesz einen raben ausfliegen, der flog imer hin und wider her bis das gewesser vertrocket auf erden. 8, 7; darnach liesz er eine tauben von sich ausfliegen. 8, 8; und lasse den lebendigen vogel ins freie feld fliegen. 3 Mos. 14, 7; wenn du auf dem wege findest ein vogelnest ... und das die mutter auf den jungen oder auf den eiern sitzt, so soltu nicht die mutter mit den jungen nemen, sondern solt die mutter fliegen lassen und die jungen nemen auf das dirs wol gehe und lange lebest. 5 Mos. 22, 7; der herr wird ein volk uber dich schicken, von ferne von der welt ende, wie ein adeler fleugt. 28, 49; der mensch wird zu unglück geboren, wie die vögel schweben empor zu fliegen. Hiob 5, 7; wer bereit dem raben die speise, wenn seine jungen zu gott rufen und fliegen irre, wenn sie nicht zu essen haben? 38, 41; fleuget der adler aus deinem befelh so hoch? 39, 27; wie saget ir denn zu meiner seele, sie sol fliegen wie ein vogel auf ewre berge. ps. 11, 1; o hätte ich flügel wie tauben, das ich flüge und etwa bliebe. 55, 7; wie ein vogel dahin feret und eine schwalbe fleuget. spr. Sal. 26, 2; wie ein vogel dahin fleugt, der aus dem nest getrieben wird. Es. 16, 2; siehe er fleugt daher wie ein adeler und breitet seine flügel aus uber Moab. Jer. 48, 40; ich wil den vogeln, wo sie her fliegen, zu fressen geben. Ez. 39, 4; er thut dir wie der adler seinen jungen thut, wenn er sie wil leren fliegen, so flügt er über sie und je hoher je höher. Keisersb. brösaml. 31ᵇ; was bald anfleugt, fleugt bald ab. kl. weise reden 1565, 16ᵇ; fleugt gans uber meer, komt gans wider heim. Petr. 9ᵇ; die nacket fledermaus flüget des abents. Steinhöwel Esop 52;
da kam ein imb gefloʒen
in dlinden er gnistet hat.
mythol. 1089;
es fleugt ein kleins waldvögelein.
Uhland 179;
flieg, maikäfer, flieg!;
fleug vogel sonder federn!
Gryphius 1, 767;
allein sie (die bremse) suchte sich zu rächen,
sie flog ihm nach, um ihn zu stechen
und stach den schimmel in das maul.
Gellert 1, 75;
die henne läuft mit strupfigtem gefieder
das ufer zehnmal auf und nieder,
setzt zehnmal an und fliegt doch nicht hinein!
1, 128;
ich habe tauben fliegen,
so schön du sie verlangst, du sollst die besten kriegen.
3, 402;
zur feldmaus sprach ein spatz: sieh dort den adler sitzen!
ich flieg ihm gleich. 'fleug, praler', rief die maus.
Lessing 1, 101;
und sie sieht mich schmetterling.
zitternd vor des freunds verlangen
springt sie auf, da flieg ich ferne.
Göthe 1, 57;
das pärchen weiszer tauben,
du siehst, es fliegt dorthin.
1, 126;
seht den vogel, er fliegt von einem baume zum andern.
1, 386.
'es flöge nicht ein vogel danach' gleichviel mit es krähte kein hahn danach, kümmerte sich niemand darum: war einer da und sprach in mutwillen;
wie pranget der von Waldenstein so hoch,
ich habe ihme wol vier pferde genommen,
und floge nicht ein vogel darnach!
das ward Simon von Waldenstein angesagt, der antwort,
hette er geschwiegen, so were er mir unbekant gewesen (l. geblieben),
haben nicht vögel darnach geflogen,
so sollen nun grosze raben fliegen!
und nam denselbigen sobald vom tisch, fürte ihn hinaus und liesz ihn an einem baum henken. thüring. chron. bei Senkenberg sel. 3, 402. man sagte sonst 'eins fliegens', in einem fort wohin fliegen, involitare. Stieler 509: so bint man im (dem tauber) den brief under den flug, so flugt er ains fliegens dahin uf das hus, da er erzogen ist worden. Schiltberger ed. Neumann, München 1859 s. 110. zu 'irre fliegen' (wie irre gehn, reiten) merke man den namen Irrefogel bei Haupt 1, 438 und Henricus dictus Irrevoghel bei Seibertz nᵒ 1111 (a. 1312), der sich verflogen hat.
2)
fliegen der götter, engel und andrer geflügelt gedachter wesen:
fliuget minne ungërne ûf hant?
Tit. 64, 4;
und er fuhr auf dem cherub und flog daher, er schwebet auf den fittichen des winds. ps. 18, 11; seraphim stunden uber im, ein iglicher hatte sechs flügel, mit zween deckten sie ir andlitz, mit zween deckten sie ire füsze und mit zween flogen sie. Es. 6, 2; da flog der seraphim einer zu mir. 6, 6; und ich sahe und höret einen engel fliegen mitten durch den himel. offenb. 8, 13. 14, 6. auch die seele dachte man sich aus dem leichnam gen himmel fliegend:
so bist du nun geflogen,
du schöne seele du, und läszt unnachgezogen
den leib dein schönes kleid.
Fleming 144;
erde mag zurück in erde stäuben,
fliegt der geist doch aus dem morschen haus.
Schiller 7ᵃ;
das feuer, das man sich als hahn dachte, fliegt von dach zu dach; die funken flogen (stoben); das gerücht, mære, die fama fliegt (mythol. 850. 851):
dô flugen disiu mære von lant ze lande.
Nib. 1362, 2;
fleug, feuchter zefyr aus!
Fleming 616;
geh, Amor, fleug geschwind.
634;
die zeitung flog von land zu land.
wunderh. 1, 58;
die pest fliegt über ganze lande
begleitet von dem tod.
Uz 1, 187, vgl. mythol. 1134.
ganz unpersönlich: es flog gestern durch die ganze stadt, die kunde verbreitete sich eilends;
indessen war von club zu club
die trauerpost geflogen.
Gotter 1, 94.
3)
gefiederte pfeile fliegen: πτερόεντες ὀϊστοί Il. 5, 171; das du nicht erschrecken müssest für den pfeilen, die des tages fliegen. ps. 91, 5; der wind fliegt; schneeflocken, die ja federn gleichen, fliegen: der winter nahte, schnee flog auf die dächer. stäubchen fliegen. Gotter 1, 55; eine wolke von staub flog; der staub fliegt in die augen.
4)
ohne allen gedanken an gefieder drückt fliegen auch flug schnelle, eilige, plötzliche bewegung aus: der pulverthurm flog in die luft, flog auf (fr. sauta en l'air); kugeln flogen dicht über das feld, durch die luft, was auch kühner so gegeben wird: in einem augenblick flog die luft voller singenden kugeln über uns her. Simpl. K. 327; der ball oder stein, den die kräftige hand wirft, fliegt durch den raum:
und man so weit vorschauet als fliegt der geworfene feldstein.
Il. 3, 12;
das fenster öfnet sich, und Stephan fliegt heraus.
Gellert 1, 267;
ein schäumender bach,
der von dem steilen felsen fliegt.
Zachariä 2, 291;
das schif fliegt durch die flut, gleich dem schwan, wobei wieder die verwandtschaft der vorstellungen fliegen und schwimmen vorbricht:
bis ein boot zu hülf ihm flieget.
Wieland 4, 216;
fleug welttheile zu verknüpfen
schif, und lasz den handel blühn.
da rasch fahrenden, schiffenden, reitenden erscheint, dasz die gegenstände, welchen sie vorüberkommen, sich bewegen, sie selbst aber ruhig sitzen, so heiszt es schön in der Lenore:
wie flogen rechts, wie flogen links
gebirge, bäum und hecken,
wie flogen links und rechts und links
die dörfer, städt und flecken!
wie flog was rund der mond beschien,
wie flog es in die ferne,
wie flogen oben über hin
der himmel und die sterne!
Bürger 15ᵃ.
das thor, die thür fliegt auf, wird schnell geöfnet;
ihr arm, kein schnee gleicht seiner weisze,
fliegt aus dem fenster in die luft.
Uz 1, 12;
das fenster that sich auf und ein beutel flog daraus; ich weisz dasz allenthalben geld genug geflogen (ausgestreut worden) ist. östreich. arch. 16, 104; er verschwendete hab und gut, die thaler flogen.
5)
mhd. sô lieʒ ich schenkel vliegen.
Greg. 1427;
nëben dër mane vlugen diu bein.
1433;
nhd. lust, freud, wunn und alle kürzweil,
das fleugt von mir mit groszer eil.
fastn. 720, 19;
si kumpt vom sechsten frouwenhus
und ist in Naples und Pulgen zogen,
von eim kloster in das ander gflogen.
885, 3;
auf auf, fleug bald mein junges herz
zu deren, die dich allein nöhret.
mein geist der reget sich
zu fliegen in dein lob.
Opitz 1, 88;
als flögen wir davon.
Günther 546, nach ps. 90, 10;
ich flog also mit ungeduldiger freude zu unsrer abgeredeten zusammenkunft.
Wieland 2, 60;
er flog zu mir, wie er mich wieder gewahr wurde.
13, 113;
sie flog in meine arme;
die reuterei fliegt rasselnd, strömt
mit staubigtem gestampf
den feind, gleich fluten, weg und kömmt
und schnaubt durch rauch und dampf.
Lavater Schweizerlieder 188;
des dorfes und des mädchens satt
warf er sich auf sein ros,
flog wieder in die königsstadt
und in sein marmorschlosz.
Hölty 17;
die nonne flog, wie nacht begann,
zur kleinen dorfkapelle.
37;
er fliegt auf Gusmann, stürzt rasch wie der blitz ihn nieder.
Gotter 2, 455;
auf den garben
liegt der kranz,
und das junge volk der schnitter
fliegt zum tanz.
Schiller 79ᵇ;
leb wol, zur rache flieg ich, zur entdeckung.
503ᵇ;
fliege zur that! des bruders beispiel folge.
daselbst;
die den bäumen näheren nonnen flogen unter das laub. J. P. Hesp. 3, 218. das fliegen der nonnen ins kloster (s. aus fastn. 885, 3) doch vielleicht daher, dasz eine taube nonnentaube, columba cucullata und noch andere vögel nonnen heiszen.
6)
wie der vogel in der luft flattert, gilt auch fliegen vom flattern der haare, bänder, fahnen: er läuft dasz ihm die haare fliegen (wie sonst pfeifen);
ich sehe mit vergnügen
wenn um sein voll gesicht die braunen locken fliegen.
Gellert 3, 315;
still! fiel vater Zeus ihm ein,
und schüttelt seinen kopf, dasz ihm die haare fliegen,
ich weisz genug!
Wieland Juno und Ganymed 285;
und ein weit umschlungnes band
flieg am rand
eurer gelben halmenhüte.
Salis 86;
die Franken rücken an mit fliegenden fahnen.
Schiller 484ᵃ;
fahnen fliegen dem heer voran; die fahne fliegt auf dem eroberten wall.
7)
treffend von schnell aufsteigenden empfindungen, von ausbrechenden seufzern, worten: die augen, die blicke flogen; über ihre wangen flog eine röthe;
getilgt ist der verwirrung feuer,
das sonst mir auf die wange flog.
Gotter 1, 287;
durch die lilienwangen flog oft ein fieberroth. J. P. Hesp. 2, 208; ihr schien eine ahnung seines schrecklichen vorhabens durch die seele zu fliegen. Göthe 16, 176; doch flogen heimliche seufzer nach Amalien. nord. Robinson 2, 159; zuweilen flogen annoch wider meinen willen heimliche seufzer nach derselben. 2, 169;
herr Max ward krank, und pfarr und doctor zogen
die achseln sehr.
der pfarr, weil er ein sündenheer
unüberzählich sah, der doctor noch weit mehr,
weil in des kranken puls vortruppen des todes flogen.
Kl. Schmidt kom. dicht. 110.
reden, flüche und schelten fliegen (mythol. 1177);
die flüche flohen (für flogen) um die wette.
lasz keine scheltworte und flüche fliegen gegen einem gewaltigen. arab. sprichw. 39; sô gêt der fluoch und diu boesen wort niuwen hin wider heim, als Salomon sprichet: fliege dër vogel vërre oder nâhe, sô fliuget ër doch ze jungest wider in sîn nëst. Berth. 63. dasz die homerischen ἔπεα πτερόεντα doch weniger flugschnelle als fliegende, wilde worte sind, hat neulich Wackernagel ausgeführt,
sîn wort diu sweiment als ein ar.
Trist. 120, 2;
da flog noch manches wilde wort.
Göthe 1, 212;
auch flogen worte hin und wieder. Dahlmann 1, 75; mit fliegender feder rühmte sie (im briefe) die schöne aussicht. Kl. Schmidt kom. dicht. 455. vgl. fliegend, geflügelt.
8)
man merke 'fliegen lassen': o lasz den armen vogel fliegen:
der schmuck der zarten frauen steht nicht im haare flechten,
drum lassen sie sie fliegen zur linken und zur rechten.
Logau 2, 60, 39;
es stand ihr schöner als putz, dasz sie die locken fliegen liesz; liesz die augen an alle fenster fliegen. Weise erzn. 56; ob das schif gleich vor anker liegt und seine bunte flaggen fliegen läszt. reimedich 44; so hättet ihr nicht dergleichen kindische, unbedachtsame reden fliegen lassen. Felsenb. 2, 90; Peterson liesz zwar hierauf einige empfindliche reden fliegen. 2, 595; geräth mit meinem herrn in wortstreit, welcher verschiedene zweideutige reden fliegen läszt. 3, 384; wo wir diese phantasien vor der untergehenden sonne und nach dem schönsten tage fliegen lieszen. J. P. uns. loge 3, 102; in der that wollt ich mich einmal recht gehen und fliegen lassen. komet 1, xiii. vgl. fahren lassen sp. 1255, gehen lassen u. s. w.
9)
in die kerze fliegen, wie die motte ins licht und darin umkommen:
wan mir nicht so gewogen
mein herr gott wär gewest,
wär schon in kerz geflogen
an schwerer sünden pest.
Spee g. tugendb. 187.
10)
fliegen von benachbarten äckern einer flur: wo die in der gemeinschaftlichen flur liegende äcker von dem einen hause an das andere, wie man zu reden pflegt, fliegen können. Möser p. ph. 4, 216.
11)
tr. wird fliegen nur in den zusammensetzungen: ein feld befliegen, einen wald durchfliegen, berg überfliegen: der best falk, der je den wald überflog. Bocc. 1, 300ᵃ. s. abfliegen, anfliegen, auffliegen, ausfliegen, befliegen, beifliegen, daherfliegen, dahinfliegen, durchfliegen, fortfliegen, herfliegen, herabfliegen, hinfliegen, hinabfliegen, hinauffliegen, hinausfliegen, mitfliegen, nachfliegen, überfliegen, umfliegen, wegfliegen, zerfliegen, zufliegen. ableitungen aus dem verbum sind fleuge, fliege, flug, flügel, wahrscheinlich auch flocke und vogel.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1860), Bd. III (1862), Sp. 1780, Z. 35.

flogern

flogern,
volitare, ahd. flogarôn.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1860), Bd. III (1862), Sp. 1812, Z. 70.

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„flogern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/flogern>.

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