Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

tand, m.

tand, m.
früher auch tant, dant, mhd. und nd. tant, genetiv tantes und tandes (ahd. zu folgern aus tantarôn s. tandern), über dessen vorgeschichte und abstammung noch dunkelheit herrscht.
1)
ein gehalt- und wertloser gegenstand, trödel, besonders kinderspielzeug: mnd. tant van Nurenberch, Nürnberger spielware. Magdeb. schöppenchron. 334, 5. Liliencron volksl. 48, 7 (vom j. 1414); nhd. die kaufleut (acc.) lieszen damals unser vorvordern zue inen ziehen, nit darumb, das si verlangen hieten nach einicherlei frembder war und gattung, oder das sie begereten und gestatteten, das man solch tand (n.?) zue in fuert und brächt. Aventin. 4, 115, 27; thand und unnütze dinge Moscherosch christl. verm. 22; dieszmal habe ich (der auf die messe ziehende Nürnberger kaufmann) nur tand und spielzeug mit. Göthe 42, 299;
dorthin kamen Föniker, der seefahrt kundige männer,
trügrische, viel mitbringend des tands im dunkelen schiffe.
Voss Od. (1793) 15, 415
(1781 und führten im schiff unzähliges spielzeug);
ein band, das sich um ihren fusz zu winden
so glücklich war, ein ring von ihrem haar, wie froh,
wie reich macht solch ein tand dén, der wahrhaftig glüht!
Wieland Idris 3, 90.
ist es nicht staub, was diese hohe wand
aus hundert fächern mir verenget;
der trödel, der mit tausendfachem tand
in dieser mottenwelt mich dränget?
Göthe 12, 41 (Faust 658 Weim.).
zur verstärkung der negation dienend:
umb dich gäb ich ain tant!
Cl. Hätzlerin 1, 116, 28.
2)
darnach überhaupt alles spielende, eitle, gehalt- und wertlose, nichtige (auch auf täuschung ausgehende) wesen, handeln und reden, nugae, frivola, vanitas, figmentum Stieler 2254; näher bestimmt durch ein adj. (leerer, eitler, nichtiger, närrischer, üppiger, groszer u. s. w. tand) oder durch zusammensetzung erden-, flitter-, lügen-, menschen-, welttand u. a.
a)
als subject:
all ihr kunst ward ein dant.
Liliencron volksl. 40, 586 (vom j. 1400);
das het ich fur ein mer (märe)
und ducht mich sin ein dant.
meister Altswert 226, 9. 249, 34;
die vier complex sein ein tant,
kein solche hat man nie erkant.
fastn. sp. 146, 32;
mich dunkt es sei kein tant.
196, 12;
herr maister, das ist nit ain tand.
504, 18;
das ist ein lauter tant fur war.
803, 22 u. oft;
das ist .. tant und dummer hirntraum Aventin. 1, 294, 32; es ist ein lutherischer tand Alberus widder Jörg Witzeln mammel. K 4ᵃ;
so ist es doch ein fabel und dant.
Murner luth. narr 3368;
da fiel all ir betrug und tand.
H. Sachs 15, 495, 1;
dem dint all sein hochmut und tand
allein zu einem spot und schand.
17, 354, 8;
der zorn ist eitel tand.
Rollenhagen froschm. II, 2, 13 (G 6ᵃ);
arm und darbei fromb ist kein schand,
narrheit im reichthumb bleibt nur tand.
Kirchhof wendunm. 20ᵃ;
es ist doch nur ein tand
zu fühlen das ..,
was bald ein andrer wird mit macht zerstören.
Schwieger geharnischte Venus 126 (7, 4, 8) neudr.;
solt' er (Cupido) geflügelt sein? dasz billich unser tandt
und hochgefaszter wahn selbselbsten von sich schriebe.
Opitz (1637) 1, 274;
o witz! des weisen tand, wann hast du ihn vergnüget?
Haller die alpen 85;
du weists, betrug und tand umringt die reine wahrheit.
gedanken über vernunft u. s. w. 3;
die (wollust) ist unläugbar tand
und schaum und dunst, ein kinderspiel für blöde
unreife seelen.
Wieland 9, 54;
wissenschaft ist oft ein tand.
Stolberg 1, 31;
der dienst, die waffen sind mir eitler tand.
Schiller 12, 134 (Piccol. 3, 3).
b)
als object:
der treip so üppiclîchen tant
dort vornen an dem reien.
minnes. 3, 298ᵃ;
die trîbent mangen tant.
312ᵃ;
iederman der sait sein tant,
so wil ich auch den meinen an
heven, so ich beste kan.
Wittenweiler ring 19ᵇ, 26;
daʒ wir der alten ketzern tant
mügin pringen ze einr schant.
45ᵈ, 14;
(Luther) deckt auf die lügen und den tand,
welchen triebe der geistlich stand
mit ihrer falschen menschen-lehr.
H. Sachs 15, 384, 40;
bruͦder du treibst ein groszen thandt.
Gengenbach Nollhart 909;
man soll nit verstan ir nerrisch dant.
Soltau volksl. 255 (16. jahrh.);
der man treibt solch kurtzweil und tandt,
ein kranker möcht sich lachen gsundt.
Ayrer 789, 10;
drum ist sein steter wuntsch, aus dieser welt zu scheiden,
zu meiden diesen tand.
schles. Helikon 620;
dieser (Heraklit) sah in allem unserm thun eitel noth und elend; jener (Demokrit) eitel tand und kinderspiel Wieland 19, 166. tirol. immer den alten tant hersagen, immer dieselbe albernheit vorbringen Schöpf 736.
c)
in andern fügungen: ist gnug das wir wehren, das sie die heiligen schrift nicht mögen auf iren thand reissen. Luther 1, 396ᵃ; das er nicht wisse wie oder womit er gott dienen solle, oder anderm thand nachlauffe. 6, 33ᵃ; sonst von teufelsleben und menschlichem tand zu reden. tischr. 107ᵃ. 110ᵇ; sider die geistlichen örden ... aufgestanden sein, hat man die kostlichesten püecher der allergelertesten haiden und christen verlorn, haben die örden mit irem tand eingedrungen. Aventin. 4, 225, 10; Wilhelm Occam mit seim aufsäzigem tand 328, 15;
(wir haben) das herz von eitelkeit, den sinn von tand getrennt.
Haller gedanken über vernunft u. s. w. 374;
(wenn du) dich der erde tand entrückest.
Platen 2, 31;
hier mag er (der dichter) weilen, unzerstreut vom tande,
vom bunten wirrwarr deutscher klatschereien.
4, 225.
d)
selten im plur.: dann einem jeden losen prediger seine tand zu hören, wer kan auf das end kommen, oder die wahrheit finden. Paracelsus 2, 192; wie die sichere weltkinder .. die beste jahr .. nur mit tanden hinbringen, mit eitelkeit verzehren .. eben also machets unsere unbedachtsame jugend meist in ihren wälschen reisen, da sie mit tanden, üppigen unnützen dingen und bossen verzehren. Philander (1650) 2, 264; umgelautet: weiln er tänd und stänkereien auf der gassen hat angfangen und den nachbersleuten allerhand schabernackel anthan hat. Schwabe tintenf. B 2ᵇ; plattd. (im fürstenth. Lippe) tant, plur. tänte narrenpossen. Fromm. 6, 487. vgl. brem. wb. 5, 24.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1890), Bd. XI,I,I (1935), Sp. 103, Z. 30.

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Zitationshilfe
„tand“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/tand>.

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