Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gottnatur, f.

gottnatur, f.,
auch gottesnatur, sofern das erste wortglied determinierende funktion hat.
1)
auf natur und art persönlicher wesen bezogen. so namentlich für die göttliche natur Christi:
hat, wenn die menschheit dich mit schrecken übereilt,
dir deine gottnatur nicht wieder kraft ertheilt? (von Christus)
Andr. Scultetus (1642) bei Lessing 11, 197 L.-M.;
er (Christus) war könig des gesammten unsichtbaren reichs gottes, wie ers nach seiner gottesnatur von ewigkeit gewesen Herder 7, 449 S. von einer auszerchristlichen gottheit:
und ruhte sie (Kore) verhüllt in düstre schleier,
vom rauch umwirbelt acherontischer feuer,
die gottnatur enthüllt sich zum gewinn:
nach höchster schönheit musz die jungfrau streben,
Sicilien verleiht ihr götterleben
Göthe I 3, 130 W.
das göttliche im menschen umschreibend: ermüde nicht, leser (der physiogn. fragmente Lavaters)! es wird eine herrliche ausbeute, das lesen der gottesnatur im menschenantlitz Herder 9, 443 S.
2)
von der welt als der schöpfung gottes, vgl. gotteswelt 3: die ganze natur ihr brautbett: die hohen cedern, das webende laub, die dichte grüne unsterbliche cypresse ... ihr bräute jugendlicher freude lacht euch nicht also die ganze gottesnatur mit hoffnung, mit fröhlichem, neuem, ahnendem leben? Herder 8, 601 S.;
dort aber an den holden küsten
blickt lächelnd in den lichtazur
die zeit, ein kind noch an den brüsten
der unentweihten gottnatur
H. Lingg ged. (1854) 95 Geibel.
mit religiös schwächerem ton, etwa wie gotteswelt 2: ihm wirds in der ganzen weiten gottesnatur zu enge Engel schr. (1801) 2, 273.
3)
in philosophisch-pantheistischem sinne für den in gott als der natur, in der natur als gott ruhenden urgrund des seins; in dieser bedeutung als kopulativkompositum zu fassen:
was kann der mensch im leben mehr gewinnen,
als dasz sich gott-natur ihm offenbare?
wie sie das feste läszt zu geist verrinnen.
wie sie das geisterzeugte fest bewahre
Göthe I 3, 94 W.;
von den scholastischen begriffen benutzt Bruno zunächst diejenigen der essentia und existentia, des wesens und der erscheinungen, um das verhältnisz der all-einen gottnatur zu den einzelnen dingen begreiflich zu machen Windelband gesch. d. neueren philos. (²1899) 1, 74.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1955), Bd. IV,I,V (1958), Sp. 1400, Z. 32.

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Zitationshilfe
„gottnatur“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gottnatur>.

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