Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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hantier, n.

hantier, n.,
was hantierung 3, gewerbe, handwerk:
ein gsellenschiff fert yetz dohär,
das ist von hantwerkslüten schwär
von allen gwerben und hantyeren.
Brant narrensch. 48, 3;
und wasz wir hören und sechen,
das unsz gedunkt ein zier,
musz auch pei unsz geschechen,
all sprech thu wir verjechen,
ob esz ist ain hanthier,
wir nennens ain manier.
flieg. bl. 16. jahrh. vom fürwitz der welt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1869), Bd. IV,II (1877), Sp. 466, Z. 36.

hantieren, verb.

hantieren, verb.
negotiari, tractare. Die schreibungen handthieren, handieren, die seit dem 16. jahrhundert platz greifen, suchen eine beziehung des verbums zu hand manus auch äuszerlich geltend zu machen. allein unrechtmäsziger weise, da hantieren etymologisch überhaupt nichts mit hand zu thun hat, und ein verhältnismäszig erst spät aus dem französischen entlehntes fremdwort ist. das franz. hanter mit der bedeutung oft besuchen, hin und her ziehen, welches seit dem 12. jahrh. belegt ist (Littré 1, 1978ᵇ) und welches Diez 2, 328 auf das altnord. heimta fordern, einfordern, dän. hente holen zurückführt, dringt zunächst in das mittelniederländische ein, wo hantieren durch J. Grimm kl. schr. 1, 366 nachgewiesen wird. die bedeutung geht auf einen kaufmann, der das land mit seinen waaren durchzieht, wandernd handel treibt, und so wird das wort auch in das hochdeutsche übernommen, wo es aber vor dem 15. jahrh. nicht nachweisbar ist; von da aus dringt es ins dänische (haandtere) und ins schwedische (handtera) ein. eine erweiterung des sinnes lag, da bei hantieren an hand gedacht wurde, nahe; man bezeichnete später damit den betrieb einer beschäftigung, eines gewerbes, die vornahme einer handarbeit überhaupt, sofern diese nur, und soweit blickt auch hier die alte bedeutung immer durch, mit gröszerer beweglichkeit seitens des ausführenden geschieht. Demnach sagt hantieren aus
1)
kaufhandel treiben, handeln, verkaufen.
a)
intransitiv: handthieren, negotiari Dasyp.; handtieren, contrahere, mercare, tractare mercaturam, negotiari. Serranus syn. 93ᵇ; negotior, kaufmannschaft und handlung treiben, handthieren, handlen, gewerb haben, schachern. Kirsch cornuc.; di stat Collen nit berürn und inen zu nutze nit gehantirt werden soll. Mone zeitschr. 9, 40; mit ortsbestimmung: heute oder morgen wöllen wir gehen in die oder die stad, und wöllen ein jar da ligen und hantieren und gewinnen (καὶ μιλεστονε θνιτ="παγε ν ἐμπορευσόμεθα καὶ κερδήσομεν). Jac. 4, 13; die augspurgischen, ins gebirg handierenden kaufleute. Schm. 2, 208;
er dröcknet einen strom und senget einen flusz,
in denen man zuvor mit schiffen gehandtieret.
Weckherlin 252 (ps. 107).
mit angabe der waare, womit handel getrieben wird:
die apotecker und ander, so gift verkaufen oder damit handtieren.
Carolina art. 37;
etliche verkeufen sie (die messe) und hantiern damit für den stinkenden bauch.
Luther 5, 212ᵃ;
etwas anders
mit einem um ein ding handieren (handeln, markten).
Schm. 2, 208;
wol dem menschen, der weisheit findet, und dem menschen der verstand bekompt. denn es ist besser umb sie hantieren (κρεῖσσον γὰρ αὐτὴν ἐμπορεύεσθαι septuag.) weder umb silber.
sprüche 3, 14.
die person, mit der handel getrieben wird, ist durch mit vermittelt:
dise wahl hat der kaufer auch, so er widerkumpt, und findet sein gold bei dem salz, so mag er mehr hinzulegen, dʒ es ein kauf sei oder sein gold nemmen, und im sein salz ligen lassen. auf dise weisz handthieren sy miteinander on alle mündtliche wort.
Frank weltb. 213ᵇ;
wer mit werken wil verdienen und gewinnen, der denkt freilich nichts umb sonst oder aus gnaden zu empfahen, sondern wil mit gott handtieren und roszteuschen.
Luther 5, 136ᵇ;
mit eim handtieren, eim umb etwas nutzes willen nachlaufen, consectari aliquem
Maaler 212ᵃ;
auch durch an, wenn ein überreden im handel gezeichnet werden soll:
und durch geiz mit ertichten worten werden sie an euch hantieren.
2 Petr. 2, 3;
und danach:
durch geiz hantieren sie an dem volk.
Luther 4, 298ᵃ,
welche bibelstelle auch in folgendem angedeutet wird:
dan vil geltstrick hat er (der papst) erdacht,
da mit die woll von schafen bracht,
und hat mit den umb uns hantiert,
wie das sant Petrus melt und rürt.
Schade sat. u. pasqu. 2, 213.
b)
transitiv: etwas handtieren, etwas gewerbs und kaufmannschatz (handel, geschäft) treiben, commercium alicujus rei exercere. Maaler 212ᵃ; ab geste, kaufleute iren kaufmannschatz ze vil hantiren wollen zu schaden der stadt und der börger. Magdeb. fragen 211. ebenso verhantieren verhandeln, verkaufen, wol in öffentlicher steigerung: soll der schultheisz die pfändt verhandtiren mit rath der scheffen. weisth. 2, 550.
2)
hantieren heiszt allgemeiner ein gewerbe, eine kunst um gewinnes willen treiben (vgl. auch hantierung): der haufe die auf den schiffen hantieren und schiffleute die auf dem meer hantieren (τὴν θάλασσαν ἐργάζονται). offenb. 18, 17;
nein, vieh zu schlachten ist nicht mein handthieren,
die ochsen sind ein unverständig volk.
Tieck 1, 184;
von der ausübung des räuberhandwerks:
der wald ist unser nachtquartier,
bei sturm und wind hantieren wir,
der mond ist unsre sonne.
Schiller räuber 4, 5.
3)
das wort verläuft in den sinn verkehr haben, verkehren: in einem hausz handtieren oder wonen, domum alicujus celebrare. Maaler 212ᵃ; nd. handteren, verkehr haben. Dähnert 174ᵃ; im trojanischen kriege, da die Griechen schon stark zur see handthiereten, traten sie zusammen. Heilman Thucyd. 5, nach ἀλλὰ καὶ ταύτην τὴν στρατείαν, θαλάσση ἤδη τὰ πλείω χρώμενοι, ξυνῆλθον; so war daselbst (in Korinth) von jeher ein starker handel gewesen, indem die übrigen Griechen mehr zu lande als zu wasser handthiereten. s. 16; als auch die Griechen nachher mehr zur see handthiereten. das. in gleichem sinne auch: womit einer wachend handieret, damit pflegt einer gemeiniglich auch traumend vexirt zu werden. Simpl. 2, 128 Kurz; freier vom gedankenverkehr: mit solchen und dergleichen gedanken handierte ich täglich. 2, 242; als ich hiermit in meinen gedanken handthierte. 3, 342; und sonst ähnlich:
die vom adel   woln sein ohn tadel,
achten sich hoch,   so sie sich doch
selbst niedrig machen,   das sie mit sachen
itzund hantiren,   die sie nicht zieren,
das macht, man thut nicht mehr turniren.
4)
an hand angelehnt, wendet sich hantieren zu der bedeutung etwas verrichten, thun, treiben, es empfängt nun den sinn von handeln no. 2 und 3 (sp. 374), das durch hantieren in diesem sinne fast verdrängt wird, während über hantieren in der ursprünglichen bedeutung kaufhandel treiben nun handeln no. 13 (sp. 379) siegt. die fügung ist zwiefach.
a)
intransitiv, mit arbeit, vorzüglich hand- und hausarbeit beschäftigt sein, solche arbeit treiben und zu treiben wissen: also muͦst der pfaff Ulenspiegel seinem knecht sunder seinen willen urlaub geben. doch so half er mit den bauren hantieren, wann der meszner oder sigrist desselben dorfs was kurzlich tod. Ulenspiegel no. 11 s. 15 Lappenberg; weil ich sie nunmehr einig und allein nach ihrem gefallen handthieren liesz. ehe eines mannes 72; wann einer möchte dem andern zu schaden handthieren, wie er nur selber wolte. Chr. Weise erzn. 95; den andern schalt, dasz er wage auf seinem acker zu hantiren. Göthe 18, 148; auf der wir zur zeit hausen und hanthieren. L. Tieck ges. nov. 4, 306; in der nacht hatte ich träume von götter- und heldengeschichten, merkte wohl, dasz ich mit den fäusten umher handthierte, wuszte aber doch nicht, was ich eigentlich machte. Immermann Münchh. 2, 27; unterweges gingen sie an dem sägebocke des schulmeisters vorbei, an welchem dieser im schweisze seines antlitzes handthierte. s. 49; bewegt sah er (auflader Sturm) in den hausflur hinein .. manches liebe jahr habe ich dort drinnen hantiert; wenn die ringe an ihren centnern glatt sind wie poliert, meine hände haben redlich dazu geholfen. Freytag soll u. haben 3, 289.
b)
ebenfalls intransitiv, von kriegerischer action: kecke büchsenmeister .. die vorm feind zu handthieren wissen. Kirchhof mil. disc. 26;
wir lagerten uns vor Blatzenburg das hohe hausz,
die reuter fielen zw Culmbach herrausz,
mit uns wollten sie handiren.
Hildebrand volksl. 274.
c)
transitiv, etwas hantieren, eine arbeit machen: Asar aber ist ein bildhauer gewesen, welcher steinerne götzen gemachet; des tages hatte er solche arbeit handthieret, des nachts aber vor des königs kammer das liecht warten müssen. pers. rosenth. 7, 20 s. 92ᵇ; auch brauchte er die tage nothwendig, seiner braut und schwestern neue kleider auf die hochzeit zu machen, und sonst mancherlei zu handthieren. H. Stilling 1, 27; eine anzahl soldaten hatten sich in einen kreis gesetzt und handirten etwas innerhalb desselben. Göthe 30, 28; was handierest du jetzund? quis labor tibi est? Stieler 753.
d)
daran schlieszt sich der sinn verarbeiten, eine arbeit kunstgemäsz hinausführen: ein ungegerbet leder wird nicht wohl verkauft, weil sichs nicht handthieren läszt. pers. rosenth. 8, 55; von der mitwirkung bei einem concerte: die solostimmen drin wird Golo und mein jung hier handthieren. Fr. Müller 3, 110.
5)
die anlehnung von hantieren an hand scheint zumal bei Göthe hervor, wenn er das verbum in dem sinne oft die hand bewegen, mit der hand thätig sein, verwendet: wenn das thier ergreift und hanthiert, sind sie (die knochen ulna und radius) getrennt, mehr oder weniger von einander entfernt und beweglich, bis vollendete pronation und supination dem menschen die vollkommen zierlichste und geschickteste bewegung erlauben. 55, 310; und dann transitiv, etwas mit der hand bewegen, vom maler, der farben von der palette auf das gemälde überträgt: dann tappt der künstler herum, hantiert seine farbe hin und wieder, und quält sie auf alle weise. 36, 279; überhaupt wird die harmonie eines bildes desto dauerhafter sein, je sichrer der mahler von der wirkung seines pinsels, je freier sein auftrag war, je weniger er die farbe hin und wieder gehantiert und gequält, je einfacher und kecker er sie angewendet. s. 282. die anwendung in solcher bedeutung ist eine ganz volksmäszige, in Düringen hört man sowol intransitiv: er hantiert ihm vor dem angesichte, bewegt heftig die hände; als auch transitiv: der knecht hantierte einen balken, als ob er ein spazierstock wäre, bewegte, hob ihn mit der hand; das messer ist mir zu grosz, das kann ich nicht hantieren, sagte eine frau. ähnlich wird bairisches hantieren durch handhaben umschrieben. Schm. 2, 208.
6)
hantieren mit geräusch etwas machen, lärmen, poltern, wirtschaften: nd. handteren lärmen, unruhe machen. Dähnert 174ᵃ; die schüssel (in der küche) ist herunter gefallen, weil sie nicht recht gestellt gewesen ist. wer weisz, wer über der küche handthieret oder gepocht hat? Gellert 3, t59; die kurzweil handthiert nach auszen und öffnet thür und fenster. Claudius 4, 78; sogar von einem wild gewordenen pferde: dasz es mit den hinterfüszen auszschlug und mit den forderfüszen in die erde scharrete, auch .. erschröcklich schnaubete und tobete mit springen und handthieren. Happel acad. rom. 84.
7)
hantieren, wie handeln 5 und 7 (sp. 375) mit jemand oder etwas verfahren; wieder entweder intransitiv: du wirst damit hanthieren wie du wirst wollen, hoc tu tractabis ut tibi videtur. Steinbach 1, 699; mit einem harte hanthieren, aliquem nimis aspere tractare. das.; mit einem als ein vieh hanthieren, aliquem ut bestiam tractare. das.; alle die mit pferden umgehn und handthieren. Claudius 5, 75; — oder transitiv: die schaar der leckern und naseweisen schreiber verdoppelte ihre wuth wider uns, und handthierte insonderheit unsern Goliath so übel. Liscov 80.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1869), Bd. IV,II (1877), Sp. 466, Z. 48.

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Zitationshilfe
„hantier“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/hantier>.

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