Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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klebe, f.

klebe, f.
gleich kleb m., vgl. nl. kleve dort.
1)
leim: klebe f., gluten. Placardi (prof. in Basel) Veneronis wb. Cöln 1766 deutsch-frz.-lat.-it. theil s. 94. dasselbe scheint klebi bei Steinhöwel: netz, kloben und auch kleby. 53ᵇ (1555), als bedarf des voglers. vgl. unter 2.
2)
klette, das ergibt sich aus bair. kleppe, östr. gleppe klette (Castelli 141). oberpf. heiszt diesz kleppe die stange an deren ästiges ende die leimruten zum vogelfange befestigt werden Schm. 2, 360, klettenstange; das pp ist wie in bair. kleppig, klepig für klebig. s. sp. 1043 unten.
3)
der teufelszwirn, flachsseide. Nemnich 2, 1331, weil sie andere pflanzen umschlingend, an ihnen klebend lebt. auch kleise.
4)
eine zwiebelart, porrus nach Stieler 976, weil sie leicht wurzelt, das stimmt zu kleben 6 sp. 1049.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1042, Z. 23.

kleben

kleben, intrans.
fest haften, fest hangen und trans. fest hängen wie angeleimt, ursprünglich vielleicht nur jenes.
A.
kleben intrans.
I.
Formen und herkunft.
a)
ahd. chlëbên, chlëpên, mhd. klëben, alts. clëvôn in den ps., mit gebrochenem e (aus i, s. b); daher noch nhd., wo die aussprache genau ist, kläben gesprochen, früher auch zuweilen geschrieben, z. b. schweiz. kläben haerere Maaler 244ᵇ, bekläben, ankläben Fris. 622ᵇ, auch bei Dasypodius (vgl. unter kleb). auch nd. wird im brem. wb. 2, 807 ausdrücklich das intr. kleven mit ä unterschieden vom trans. kleven mit hohem e (= kleiben). daher auch dän. kläbe. mnd. cleven, nl. kleven, engl. cleave (s. b).
b)
das urspr. i zeigt sich in alts. cliƀôn (clivôn), noch nd. kliven brem. wb. 2, 807, Schamb. 103ᵇ (doch s. kleiben I, 1, b); ags. clifian und cleofian, engl. cleave, dial. noch clive Hall. 256ᵃ; schwed. klibba kleben. auch hd. in abgeleiteten formen, s. schweiz. klippern gleich klebern 2 kleben (nd. kliwern), klipperig gleich kleberig; aber auch in einfachster bildung in ahd. chliba klette, noch schwäb. kliebe (nd. klive, ags. clife) neben klebe.
c)
beide bildungen, mit i und ë, weisen auf das starke ahd. chlîban, ags. clîfan haerere als stammwort (s. das erste kleiben), beide vom plur. praet. oder vom part. (mhd. kliben, gekliben) abgezweigt. die brechung in chlëbên musz durch das ê der endung bewirkt sein (urspr. ai), wie in wërên währen, lëbên, hokên denken, mhd. lënen lehnen, gënen gähnen, die beide sogar ahd. noch linên, ginên lauten.
d)
eine nebenform mit erhöhter auslautstufe zeigt sich in dem klippern, klipperig unter b, kleppe gleich klebe klette, bair. klepig klebig, in Iglau kleppen kleben Fromm. 5, 212 (siebenb. klipesen 366), wie ahd. chlepên neben chlebên; s. auch unter klebegarn, kleber adj., vgl. knappe. gleichen wert hat vielleicht b in schwed. klibba, nl. klibber (s. kleber gummi), ags. clybbian Haupt 11, 436.
e)
ganz anders im vocal norw. schwed. klabba kleben, auch nd. gött. klâwen (neben klêwen), klawig, klâig klebig, klawerig kleberig Schambach 102ᵃ, vgl. claver, klabkraut sp. 1050 unten, klabastern, klabbern sp. 888. das weist auf eine gestaltung des stamms mit anderm ablaut, die gesichert wird durch mnl. claf klebte (J. Grimm Reinh. fuchs s. 287), von starkem clëven (vergl. klenen), und altengl. clave klebte Halliwell 253ᵃ, noch jetzt im höhern stil, wie mir Flügel nachweist, z. b.: my starving heart yearned and clave to him (s. sp. 1047 5). the gain of a loss 2, 181 (Tauchn. ed. vol. 861); das clive unter b kann dazu gehören, wie give geben zu gave gab. s. dazu noch klebern 1, f.
f)
das perf. wird trotz des neutralen begriffes gewöhnlich mit haben gebildet, doch mit sein nach Adelung in oberd. sprache (vgl. Kant unter B, 2 sp. 1049), s. Luther unter bekleben 1; mhd. ich hete geklebet Diemer 263, 8.
II.
Bedeutung und gebrauch. Kleben ist haerere und haerescere, fest hangen, haften und sich fest anhängen, anheften, hangen bleiben (s. 1 a. e.), beides oft schwer trennbar; letzteres hiesz deutlicher bekleben (wie behangen hangen bleiben, bestehn eig. stehn bleiben, mhd. beligen, besitzen liegen, sitzen bleiben), jetzt kleben bleiben.
1)
Als den eigentlichen gebrauch fühlen wir den von bindenden zähen stoffen u. ä., und er ist es vielleicht von haus aus (s. die urverwandtschaft unter kleiben).
a)
kleister, leim kleben; das wachs klebt an der wand (Steinbach 1, 865), pech an den händen; die geschossene lehmkugel, die geklatschte fliege klebt an der wand; ich wil .. den kot ewer feirtagen euch ins angesicht werfen und sol an euch kleben bleiben. Maleachi 2, 3; ir unflat klebt an irem saum. klagl. Jer. 1, 9; ein solcher topf .. da das angebrante drinnen klebt und nicht abgehen wil. Hesek. 24, 6; wenn der staub begossen wird (wenn es regnet), das er zu hauf leuft und die klösze an einander kleben. Hiob 38, 38.
b)
von dem was durch kleben befestigt wird, hängen bleibt: zwei blätter kleben an einander (zusammen); beinah ein jeder lieber catholischer hat den seinen (heiligen), welchen er im traum im erwehlt und sein bildnus und gemäl bei dem tisch und bett stehn oder (an der wand) kleben hat. Fischart bien. 1588 203ᵃ; die andere götzen (heiligenbilder) stehn oder kleben. 192ᵇ; die vögel bleiben am leime kleben (Steinbach);
lehrt ihr des armen vogels,
der an der ruthe klebt, geflattre mich
doch kennen!
Lessing 2, 291;
und das grobe haartuch seines kleides
klebte (vom regen) rund an seinem hagern leibe.
Seume, der wilde;
wenn sie das .. ende des garnes aus der see empor hoben, tanzten unzählige kleine sonnenbilder auf dem dünnen glase, das dranklebendes wasser über des netzes öfnungen zog. Bronner fischerged. (1787) 126.
c)
aber auch von dem, woran das klebende (a und b) haftet: streich nicht an die thüre, sie klebt, als frisch angestrichen; ich klebe von schweisz;
mein form die klebt so harte,
macht sie ist nit genetzt.
buchdruckerlied bei Uhland volksl. 690;
mir kleben so ser die hende
wol von dem leimen zart.
689, so singt der papierer;
du hast plateisen (fische) gessen, die hend kleben dir. Frank sprichw. 2, 20ᵇ;
andre langten die karten hervor, vieljährigen ansehns,
(hätt' ein fremder doch kaum den buben vom könig, die grüne
von der rothen erkannt), vertheilten die klebenden blätter.
Pyrker Tunis. 6, 427.
Dann auch mit dem umsprung des subjects, wie in die wand hängt voll bilder, das kissen steckt voller nadeln u. a. (vgl. unter kriechen): der kleistertopf klebt voll fliegen;
die käse die voll haar, voll koth und unflat kleben.
(J. G. Schmidt) rockenphilosophie 1709 2, 212;
fand sie einen schlechten prospect an ihrem voll staub und kankergespinne klebenden manne. Riemer maulaffe 5. Von dem weitern gebrauche ist etwa folgendes hervorzuheben.
d)
die zunge klebt am gaumen von trockenheit, schreck u. ä.: meine krefte sind vertrockent wie ein scherbe und meine zunge klebt an meinem gaumen. ps. 22, 16; meine zunge müsse an meinem gaumen kleben, wo ich dein nicht gedenke. 137, 6, vgl. Hesek. 3, 26, ähnlich mein gebein klebt an meinem fleisch fur heulen und seufzen ps. 102, 6 (früher ist becliben, von bekleiben);
mein held, ob ihm vor angst gleich jede nerve bebte,
die zähne klappten und die zung' am gaumen klebte.
Gotter 1, 193.
e)
malzreiches bier klebt, das bierglas klebt am tische, dem trinker kleben die lippen (s. klebebier): vor einen halben krebs pfennig krieg ich gleich so viel bier als mir an der kleinen fingerspitze kleben bleibt. Chr. Weise überfl. ged. (1701) 216.
f)
trocknes blut klebt:
das blut das ... an allen gliedern klebt.
A. Gryphius 1, 400.
oft von mördern, als mahl der blutthat u. ä., bildlich, nur gedacht: an dem schatze klebt blut, er ist durch blutschuld gewonnen. ähnlich Schiller in der rede über universalgesch.: aus der geschichte erst werden sie lernen einen werth auf die güter zu legen .. kostbare theure güter, an denen das blut der besten und edelsten (als märtyrer) klebt u. s. w. 1007ᵇ. ähnlich schweisz klebt an einem werke, zur bezeichnung der sauren arbeit daran.
g)
in scherzhaftem bilde heiszt es von einem schmuzigen menschen, er ist so schmuzig dasz er kleben bleibt (wenn man ihn an die wand wirft); ich besinne mich auf eine die als jungfer geputzt war dasz sie nur so knakte. hoho! als frau sah ich sie wieder. nun wirklich, hätte man sie an die wand geworfen, kleben wäre sie geblieben. Hermes Soph. reise 6, 587.
h)
mit ähnlichem bilde erklärt eine redensart sucht zur dieberei von klebrigen händen oder fingern (vgl. klebehände und kletz sp. 1017): etwas an den händen kleben lassen, furtim retinere Frisch 1, 520ᶜ, auch die hände kleben lassen Steinb., Adelung;
das keim an fingern nichts bleib kleben.
fastn. sp. 792, 12. 374, 7;
da hat er die hände an die groszfürstlichen gelder kleben lassen. Olearius pers. reis. 121, s. dazu 2, f;
den schatz an dem kein diebesfinger klebet.
Hagedorn 1, 11,
himmlisches gut das nicht zu stehlen ist.
i)
dasz kleben allein noch 'kleben bleiben' vertritt, zeigt das letzte beispiel recht deutlich, ebenso wenn man sagt: der kleister ist schlecht, das blatt klebt nicht.
2)
Alt ist es aber auch von anderm haften, hangen, wo ein klebriges bindemittel nicht ins spiel kommt; die klette z. b. ist schon ahd. ags. davon benannt (s. I, b a. e.). doch ist oft genug dabei die bildliche verwendung der vorigen bed. sichtbar.
a)
von allem was irgendwie 'hängen bleibt', sodasz es doch leicht los zu machen ist: zerre irʒ (der frau das theure gebende) abe dem houbte, unde kleben (conj.) vier hâr oder zeheniu dran, sô wirf eʒ alleʒ in daʒ fiwer. Berthold 416, 6;
ein bräm nit in dem spinnwep kläbt (bleibt kleben),
die kleinen mücklin es behebt (hält fest).
Brant narr. 83, 23;
die lerchen bleiben im garne kleben. Adelung (s. klebegarn); die klebekugel klebt, indem sie sich einhakt;
den spitz des pfeils sah man darneben
am andern theil des harnischs kleben.
J. Spreng Aeneis 84ᵇ.
b)
von allem was 'wie angeklebt' haftet, z. b. eine raupe klebt am blatte, am zweige, fliegen kleben an der decke: als gegenspiel der klebenden raupe. J. Paul Hesp. 1, 69;
die phalänen die am stamm
der gekerbten eiche kleben.
Salis (1793) 47;
bleib ewig hier, ein felsenzacken, kleben!
Schiller 14ᵇ (Semele);
und doch gelingts ihm nicht, da es, so viel es strebt,
verhaftet an den körpern klebt (das licht).
Göthe 12, 71.
c)
der kletternde klebt gleichsam am baumstamm, und alem. erscheint sogar kleben gleich klettern selbst gebraucht: etlich (affen) auf der erden hocktend, die andern aber kläbeten an den böumen. Forer Gesners thierb. 1583 2ᵇ; aus sölicher spaltung (der zehen) kumpts, dasz der aff leichtlich auf die böum und überall an allen orten wol kläben kan. 2ᵃ, hier von Horst (Frankf. 1669) 3 förmlich in kläbern und klettern geändert, s. klebern klettern, vgl. kleber specht. auch mnl. erscheint cleven für klettern, es war also gewiss dem ganzen Rheinlande eigen:
(Lucifer) waende te hogheren state cleven,
dan hem god hadde ghegheven.
lekenspieghel I, 4, 25, wie climmen v. 30.
d)
von schlingpflanzen (die auch klettern, nl. klyf, klever epheu Kilian):
oder ziecht ein eingelegte rebe
auf ilmen, aspen, dasz sie klebe,
gibt also ehlich fein zusammen
die reben und der bäume stammen.
Fischart landlust (kloster 10, 1038);
er gehet fröhlich hin, führt jetzt die süszen reben
an ulmenbäumen auf, dasz sie beisammen kleben
als ehelich vermählt.
Opitz 1, 154;
und junger epheu kann am stamm nicht brünstger kleben
als sie um seinen leib die runden arme schränkt.
Wieland Oberon 6, 27.
e)
auch von menschen ähnlich: sie (die kinder) kleben aber fest, wie die jungen affen, an den müttern. Mandelslo morg. reise 122; ich möchte ihn mit den augen todtschmeiszen, wie die hexe an seiner seite klebt. Klinger theater 4, 224 (vgl. Keisersberg unter klebericht); ein kinderfreund sagt, die kinder kleben an mir wie kletten, äuszerlich und innerlich von 'anhänglichkeit'. schon mhd.:
Benigna truoc
daʒ kint, daʒ wart (von ihr) geküsset gnuoc,
gehalset unde getrût.
daʒ arme kint wart (währenddem) ninder lût
und klebete als ein bîe an ir.
Mai und Beaflor 184, 17,
hieng ohne einen laut von sich zu geben wie eine honig saugende biene an ihr. auch von ringenden: dem guten mann (der die streitenden zu scheiden strebte) flosz von der stirne heisz der schweisz, wenn er hier auseinander gethan so klebten dort andere zusammen. Gotthelf 2, 58.
f)
eigner weise erscheint da der acc. bei an:
er (der hund) that so freundlich, klebt an mich wie kletten,
noch als er starb an seiner gicht.
Claudius 1, 86 (54),
also kleben als bewegung gedacht, gleich sich anhängen? oder ist es der nordd. fehler der nd. verwechselung des dat. und acc., den J. Grimm bei auf 1, 616 gerade auch an Claudius rügt? schrieb doch noch H. v. Kleist auf höchster bewilligung 3, 78 u. ä. oft. der fehler liegt wol auch bei Olearius unter 1, h vor, und in folg.: einige gottesgelehrte nach der neuesten mode lesen Luthers übersetzung nicht und kleben dennoch an einige ausdrücke Luthers. Heynatz antibarbarus 2, 698. aber auch bei einem Schlesier, wo keine nd. gewohnheit dahinter liegt
Calvus der ganz kahl am kopfe, meint man, werd ans holz noch kleben,
sorgt drum selbsten, wie der henker ihm wird doch die husche geben.
Logau 3, 3, 69.
3)
So nun immer mehr bildlich, so dasz ein kleben auch nicht mehr als schein fürs auge da ist, nur von den gedanken hinzugethan wird. so
a)
von 'gebliebenen' in einer schlacht:
doch bleib ir auch vil kleben,
die do alle verloren ir leben.
Haupt 8, 332,
zuerst wol von dem festen daliegen des todten.
b)
noch jetzt von einem, der nicht vom platze zu bringen ist, 'er klebt': wir waren anfangs drei reisegefährten, aber dem dritten gefiel es so auf dem vogelschieszen zu B., dasz er kleben blieb; er klebt gerne, bleibt wie angeleimt an einem orte (vgl. kleber 1); ob ich dort wieder nach meiner art kleben bleibe oder mich weiter nach osten oder süden bewege, wird sich ausweisen. Göthe an Jacobi 241. verächtlich für stecken (eig. fest sitzen): wo klebt denn der elende mensch (Riedel)? Lessing 12, 289.
c)
an der scholle kleben von dem der spieszbürgerlich an der heimat hängt, am boden kleben:
nie könnt ich lang an einer scholle kleben,
und hätt ein Eden ich an jeder seite.
mein mann war so gewohnt am boden fest zu kleben,
dasz er sich nie des rosses falschem trab
vertraute, minder noch aufs wasser sich begab.
Gotter 1, 317,
vgl. ähnliches unter 5, d. schon Hugo von Trimberg braucht das bild, um die kriechenden, laufenden wesen von vögeln und fischen zu unterscheiden:
swaʒ oben in den lüften swebet
und unden in (an?) der erden klebet
und in des meres ünden strebet,
swaʒ kriuchet, fliuget, swimmet, lebet.
23620.
d)
das geld 'klebt' an den händen des geizigen (s. 1, h):
die baarschaft, die zu sehr an kargen fäusten klebt ...
der reichthum, der vertheilt so vielen könnte nützen.
Hagedorn 1, 21.
klebende schuld, eine auf einem grundstück fest haftende, die mit ihm vererbt. M. Kramer deutsch-holl. wb., vgl. klebegeld.
e)
vom blicke, der an etwas 'hängt', schwer loskommen kann:
wie der, der sich von seiner schönen trennt,
untröstbar ist, die offnen augen kleben
an allem starr und sehen nichts.
Kleist 1771 1, 138 (1840 1, 95);
ihr auge blieb
noch lang am monde kleben.
Claudius 1, 172 (104);
stumm sasz sie da und spielte mit der scheere
und klebte mit dem blick an einem fleck.
Gökingk 2, 183.
4)
Endlich rein geistig, mit neuer manigfaltigkeit und in seiner bildlichen sinnlichkeit unersetzlich.
a)
von lehre, unterricht, die im geiste 'haften': was man in der jugend lernt, das bleibt kleben, tenacissimi sumus eorum quae rudibus annis percepimus. Stieler 976 (auch im gedächtnüs bekleben bleiben das.); viel guter fabeln und sprichwörter von wenig worten, die aber viel nachdenkens geben und haften und kleben lange. Schuppius 833 (fabulhans);
Pinguinus ist gelehrt, die ihn gelehrt die leben:
nur dieses merkt man nicht, ob was ist blieben kleben.
Logau 3, s. 248, 173.
wie schon hier, jetzt gern verächtlich: er hat guten unterricht gehabt, aber es ist nicht viel kleben geblieben (wie hängen geblieben). auch die vermahnungen kleben (haften, fassen) bei ihm nicht M. Kramer.
b)
von dem was einem 'angethan' wird, wie beleidigung, verläumdung, schande, die als schandfleck an der ehre oder am menschen kleben (vgl.klebefleck): die schande wird auf seinem hause kleben, so lange er lebet. Ludwig t.-engl. wb. Ebenso wunsch, segen, fluch, die wie unlöslich am menschen haften (der vluoch dir haften müeʒe. MSH. 3, 53ᵃ als schlusz eines fluches):
solten alle vlüeche kleben,
sô möhten lützel liute leben.
Freidank 130, 12, s. mehr 3, 1827. 1, 1420;
der eltern gebet, wunsch, omina und warsagung kleben gerne und werden gemeiniglich war. Mathesius Sar. 12ᵇ. Petri der Teutschen weisheit 1604 N 6ᵃ;
wiszt, unruh, hohn und fluch und schmach
folgt endlich den tyrannen nach
und bleibt an sarg und titeln kleben.
auch schuld, blutschuld kleben, wie das blut selbst (1, f);
denn menschenblut ist thewre war
für gottes angesichte klar,
welchs im gewissen klebet fest.
Ringwald laut. warh. (1621) 191.
c)
so von allerlei unlöslicher geistiger verbindung, schon mhd., z. b.: güete klebet an wesenne. Eckhart 269, 16, 'ist daran gebunden', kommt ohne es nicht vor. das klebende ist besonders eine untrennliche zuthat: wenn man siebet, so bleibet das unfletige drinnen. also (ebenso) was (d. i. mhd. swaʒ) der mensch furnimpt, so klebet imer etwas unreins dran. Sirach 27, 5. ähnlich Thümmel in gutem sinne von einem friedlichen hause: eine kraft der ruhe scheint an diesem hause zu kleben. 3, 51.
5)
Besonders vielfach vom menschen selbst, genauer von herz, sinn, geist.
a)
von innigster anhänglichkeit, liebe (vgl. 2, e):
in imo er suaʒo lébêta,
zi hérzen ermo (er imo) klébêta.
Otfrid II, 9, 37;
nemen unde weddergeven
doit (macht) frunde tosamende kleven.
laiendoctr. 39;
meine bräunlich schöne princessin klebte mir zwar noch ziemlich am herzen. Felsenb. 1, 155;
was ist die tugend, wenn ein freund sie nicht erhebt
und durch der liebe band an seinem freunde klebt?
Rist Parnass 678;
dich entzückt die gattin nur,
die für dich blosz lebet
und mit herzlicher natur
innig an dir klebet.
Schiller hochzeitlied zu Körners vermählung.
b)
oft liegt darin zugleich der begriff der völligen abhängigkeit, besonders des kleinen vom groszen, die wol durch kein andres bild so treffend zu bezeichnen ist: gleichwie dies hemd mir anhanget, also solt du, Seinel, auch an mir kleben. Olearius pers. reise 344. Ludwig t.-engl. wb. erklärt an einem menschen kleben unter anderm mit to side with him, to follow his party, interest or fortune, to depend from him. so auch vom verhältnis zu gott:
so wil ich nun ohn falschen schein
dir (Christo) als ein kind gehorsam sein
und an dir stetig kleben.
Harsdörfer buszlied, Gödeke eilf bücher d. d. 1, 345, 69;
mein seelenarzt, komm heile mich,
mein herzog, ich erkenne dich,
ach lasz mich an dir kleben.
V. E. Löscher, 'ich grüsze dich am kreuzesstamm' str. 6;
an gott kleben. M. Kramer 1787. wie veraltet und derb klingt uns das jetzt! nl. und engl. aber noch im edelsten stile (s. z. b. sp. 1044).
c)
öfter nämlich, und jetzt ausschlieszlich, vom 'hängen' an niedrigen oder unwürdigen dingen (anhänglichkeit und abhängigkeit zugleich): (sie erkennen) weran alle menschen clebbent und hangende blibent, das si niut fürbas ufgont gegen irme ursprunge. Merswin 134; das du nit begirig seiest auf zeitlich gut und dir dein herze nit daran klebe. Keisersb. pred. 22ᵇ; seintemal wir uns bewaren müszen, dʒ wir an nichts kleben oder anhangen, dʒ uns in der heilwertikeit hindern mög. Carlstad vom sabbat D ijᵃ;
mit dessen volkes lust, das an der erden klebt
und seinen schwachen geist gar nimmer aufwerts hebt.
Opitz 2, 107;
sie (die wissenschaft) führt den, der sie liebt, weit von des volkes schar
das an der erden klebt.
3, 313;
die rechte kunst zu leben
ist bei den weisen nur, die nicht wie jene kleben
an dem was zeitlich ist.
du klebst nicht an dem äuszerlichen, an dem leichten, dem flatterhaften, dem eitlen, dem nichts der erde. aber, Melinde, du klebst gleichwol an der erde. Margareta Klopstock bei Klopst. 11, 112; so wärs freilich besser, sie .. lebten statt der wonne die ihnen meine phantasie bereitet, kalte ungefühlte tage, wie sie jedes mädchen das an der erde klebt, dahin schlummert. Klinger 1, 181; siehe hier klebt mein und dein geist angefroren an die eisscholle (erde). J. Paul Hesp. 1, 274, vgl. 2, f, doch ist der acc. hier von angefroren herbeigeführt;
ein edler geist klebt nicht am staube,
er raget über zeit und stand,
ihn engt nicht volksgebrauch noch glaube,
ihn nicht geschlecht noch vaterland.
Voss 3, 60 (1825 3, 219), vaterlandsliebe, v. j. 1794.
d)
besonders von beschränkter abhängigkeit des gemüts, kleingeistigem verweilen beim nächsten, kleinen, engen, hergebrachten: luͦg aber und beleib nit entlichen auf den bilden (bildlichen vorstellungen) also das du auf den bilden klebest. Keisersberg geistl. spinn. (granatapfel) N ijᵈ; Fischart weist in der vorr. des Garg. die leser an in bezug auf die humoristischen ausschreitungen darin: gesetzt das ir .. etwas lustiges .. darinnen antreffen, musz man darumb nit an demselben allein kleben und schweben (bleiben), harren und verstarren, sonder das .. auf ein höhersinnige auszlegung ziehen. 21ᵇ (Sch. 25), bei Rabelais prol. nur demeurer; wäre es euer ernst der welt nütze zu sein, so würdet ihr (sprachreiniger) nicht an den blosen schalen kleben und den kern ganz dahinten lassen. Chr. Weise erzn. 128; dasz wir (landleute) so fest am alten als der rost am eisen klebten und gar nichts neues versuchen wollten. Möser phant. 1, c. 35; daher ihre (der Asiaten) wenige neugier, ihr kleben an alten sitten und gewohnheiten. Zimmermann eins. (1784) 1, 370;
wie nur dem kopf nicht alle hoffnung schwindet,
der immerfort an schalem zeuge klebt u. s. w.
Göthe 12, 39;
den (Faust) schlepp ich durch das wilde leben,
durch flache unbedeutenheit,
er soll mir zappeln, starren, kleben.
12, 93;
am ende kleben wir am buchstaben und am ton. 21, 46; dasz ich sonst so an den gegenständen klebte und haftete. 28, 241 (aus Neapel 17. mai 1787); bei einer jeden erscheinung der natur .. musz man nicht stehen bleiben, man musz sich nicht an sie heften, nicht an ihr kleben, sie nicht isoliert betrachten, sondern in der ganzen natur umhersehen u. s. w. 52, 105 (farbenl. § 228); fängt ein künstler damit (mit nachahmung) an, so kann er sich bis zu dem höchsten erheben. bleibt er dabei kleben, so darf man ihn einen copisten nennen. 38, 128, schlieszt sich nahe an das kleben bleiben an einem orte unter 3; so ist der bisherige erfolg des krieges .. verglichen mit unsrer lage, wie sie gewesen sein würde wenn wir am friedensstand geklebt hätten, keineswegs zu verachten. Niebuhr 3, 239. auch das wird wol bald zu derb klingen.
e)
früher auch mit in, von dem gebundenen verharren, befangen sein in einem zustande, wie schweben früher:
wenn er (der mensch) im alter thut erwachen,
sicht wie er in der unruh (des irdischen) klebt,
im selber gar nichts hat gelebt ...
H. Sachs 2, 1, 74ᶜ;
werfen von in aus die unart,
darinnen sie klebten so hart.
2, 2, 89ᵇ;
unser sündlich leben,
darinnen wir täglichen kleben.
3, 1, 191ᵇ;
und musz darnach sein ganzes leben
in mangel und in armut kleben.
5, 326ᵇ;
dardurch denn auch dein ganzes leben
thet in sünden und lastern kleben.
5, 328ᵈ;
ich wünsche nicht noch länger hier zu leben
und in dem koth der eitelkeit zu kleben.
Abele gerichtsh. (1684) 1, 482;
er klebt in gleichem schlamme, in eodem luto haesitat. Stieler 976. Steinbach. vgl. bekleben. dazu wol auch folg.:
wölt ich sim (gottes) willen widerstan,
so muͤszt ich bliben kleben.
Ambr. Blarer geistl. lied.
6)
Noch ist eine ältere bed. zu erwähnen, die sich in vocc. des 15. jh. zeigt, gedeihen, fortkommen, von pflanzen: adolere, kleben (rhein.), nd. cleven. Dief. 13ᵇ. das heiszt zwar sonst mit dem stammworte kleiben (bekleiben), aber schon alts. kliƀôn steht in dieser bed. Hel. 2410, var. biclibôn, wie hd. noch im 16. 17. jh. bekleben 1, 1419 (rhein., aus Sebiz, Soltau).
B.
Kleben transitiv.
1)
eigentlich, kleben machen: cleben vel heften affigere. voc. inc. teut. d 6ᵃ;
die fraw sprach 'nicht, mein lieber man,
so kleben die frawen ir wachsliecht dran'.
Rosenblüt in Kellers fastn. sp. 1182;
kleben conglutinare Schottel 1345, attacher, coler Rädlein 541ᵇ; geklebte gesimse und pilaster. Kant 7, 398, er meint wol stuccatur (gekleibte); alles was ich (an dem altar) für gold gehalten hatte, war breit gedrücktes stroh, nach schönen zeichnungen auf papier geklebt. Göthe 27, 113; warum wurde auf den schmutzigen erdenklosz ein geschöpf mit unnützen lichtflügeln geklebt? J. Paul Kampanerthal 60.
2)
bildlich: der schüler trägt erborgte wissenschaft, die an ihm gleichsam nur geklebt und nicht gewachsen ist. Kant 1, 100, äuszerlich angeklebt. möglich ist freilich, dasz, zumal neben dem intr. wachsen und bei dem dat. ihm, das intr. kleben gemeint wäre (vgl. bekleben), doch zu dem dat. s. sp. 1046 (f).
3)
die geschichte des wortes ist schwierig.
a)
seine echtheit ist verdächtig. die oberd. wbb. des 16. 17. jh. kennen es nicht, noch im 18. Kirsch, Steinbach, selbst Frisch nicht, sie kennen dafür nur kleiben. auch scheint es den oberd. mundarten unbekannt (doch s. kleber 1, b), wie engl. cleave nur intr. ist. das dän. trans. kläbe ist von uns entlehnt, im nl. kleven aber mischt sich hd. klëben mit kleiben, wie leicht auch im nd. kleven.
b)
in md. mundarten dagegen (z. b. sächs.) ist es fest, man klebt zettel an die straszenecke, klebt briefmarken auf, blätter zusammen, ein loch zu, verklebt löcher im dache mit lehm u. s. w. (mit demselben ë gesprochen wie das intr.), und ebenso denn in der neuern schriftsprache, sodasz es völlig an die stelle des alten kleiben getreten ist.
c)
ist das nun ein durch md. einflusz eingeführter fehler? klêben zu klëben geworden? Adelung sah diesz klëben als fehler für kleiben an, und wirklich findet sich im nordd. des 16. jh. schon beides vermengt:
auch das ungegriffene loch daneben (auf der pfeife)
soltu alzeit mit wachse zukleiben.
Mart. Agricola musica instrumentalis Wittenb. 1542 5ᵃ,
d. h. der verf. (oder der setzer) hatte dabei die md. aussprache klêben für kleiben im sinne. doch wird in der aussprache diesz klêben mit hohem e in Sachsen z. b. noch jetzt von klëben unterschieden (wie nd., s. sp. 1043 I, a), und die verwirrung, wenn es eine ist, greift in raum und zeit viel weiter, in der ganzen sippschaft, s. das erste kleiben.
d)
schon ahd. geben glossen chlepen für illinere (kleiben) Schm. 2, 349, 'anagiclebis inlinies' Graff 4, 544, wovon das oberd. kleben bei Rosenblüt und im voc. inc. teut. der nachkomme sein wird. ist etwa das ahd. wort von chleb (s. kleb) gebildet? in dem giclebis scheint chlebian enthalten. freilich kommt auch in mhd. zeit schon klîben für kleiben vor (Jeroschin).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1043, Z. 43.

klebet, adj.

klebet, adj.
klebicht, aus älterem klebecht: mit einem klebeten pflaster bedecket. Würtz wundarzn. 280.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1053, Z. 15.

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Zitationshilfe
„kleben“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/kleben>.

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