Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

raun, raune, m.

raun, raune, m.
hengst. in Schwaben. Schmid 426 (mit beleg von 1351 aus Ulm); niederd. rûn, niederl. ruin wallach; raun, cantherius, equus castratus Frisch 2, 93ᵇ; wenn ein raune draus gemacht ist, so höret er auf zu rinschen (wiehern) und zu erwilden (muͦtig zu sein). Comenius sprachenthür von Docemius 178 (cantherius factus hinnire ac ferocire desinit). vergl. rein.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1886), Bd. VIII (1893), Sp. 294, Z. 4.

raune, f.

raune, f.
das stimmengeben in das ohr einer beeidigten magistratsperson. Stalder 2, 264, in der mundart rûn, schweizerisch geblieben nach mhd. rûne, geheimnis, geheime beratung oder rede, geflüster Lexer handwb. 2, 538, mnd. rûn unde râd Schiller-Lübben 3, 531ᵇ: diese sechs kieser (wähler an der universität Basel) name der rector durch den notarium in eidespflichte, giengen darnach in ein besonder gemach, da jhe einer auf des anderen abtritt durch die raun jhre stimmen gaben, den erwehlten nachmalen der ganzen menge verkündeten. Wurstisen Basler chron. 425; den burgermeister (zu St. Gallen) erwehlt man am ersten sonntag im advent, und geschihet solches von einer ganzen burgerschaft mit der raun. Simler v. d. regiment der lobl. eidgenoszschaft (1722) s. 589; hierauf werden die stimmen .. mit der raun von mann zu mann in geheim eingenohmen. ebenda, anmerkung. vgl. dazu raunen 3.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1886), Bd. VIII (1893), Sp. 294, Z. 11.

raunen, verb.

raunen, verb.
murmeln, flüstern.
1)
das dem verbum zu grunde liegende subst. ist gemeingermanisch: goth. rûna μυστήριον, συμβούλιον, βουλή; altn. rûn, plur. rûnar geheimlehre, geheimschrift, schrift (vergl. auch unten rune); ags. rûn, geheime beratung, geheimlehre, geheimschrift; alts. rûna, geheime beratung; ahd. rûna susurrio, mysteria, litera, mhd. rûne, geheimnis, geflüster, geheime beratung (zu grunde liegt der begriff eines undeutlichen, summenden, murmelnden tones, Fick² 170 vergleicht sanskrit. ru, rauti, vedisch ruvati, brüllen, heulen, laut schreien, toben, quaken, summen, dröhnen, griech. ὠ-ρύω brüllen, heulen, lat. rûmor u. a.). im gegensatz dazu findet sich das verbum nur westgermanisch: ags. rûnian (musitantes þâ rûniendan Wright-Wülcker 441, 15); alts. altnfr. rûnan (rûndon susurrabant gloss. lips. 775); ahd. rûnên (surrat rûnêt Steinmeyer-Sievers 1, 251, 14; susurrabant rûnêtun 516, 31; mussans rûnentêr 2, 412, 50; suggerit rûnêt 755, 38), zur bezeichnung namentlich des flüsterns bei geheimen plänen, vorhaben, verschwörungen, in welchem letzteren sinne das wort noch spät gebraucht ist:
und dô sî ubirtrunkin sich,
sî begondin abir ôt
rûnen vaste ûf sînen tôt.
Jeroschin 10934;
bei anschwärzungen und verbreitung von gerüchten, wie denn rûnen öfters mit dem beisinne des verläumderischen oder bösartigen flüsterns steht:
diu kint suln ir rûnen lân,
wan rûnen ist niht ân arcwân.
welscher gast 567;
er rûnt und lôseredet für si alle
und læt niemant sîn rede tuon.
Haupts zeitschr. 8, 577, 904;
si sullen der snœden haʒʒen achten kleine,
ir lachen und ir schimpfen,
ir rûnen in seltsam nicht gemeine.
wie im mhd. ist auch später noch und bis ins 16. jahrh. raunen häufig (mit nebenform raumen, s. d. sp. 290): murmurare runen, rawnen Dief. 372ᶜ; musicare runen 373ᵇ; musitare runen, raunen ebenda; susurrare raunen 570ᵃ; raunen, ins or sagen, in aurem dicere 326ᵇ; mit alemannischer lautgebung runen, in die oren fliszmen, insusurrare 338ᵇ; wie mnd. rûnen Schiller-Lübben 3, 531ᵇ, mnl. ruynen, oor ruynen, susurrare, in aurem mussitare Kilian (als holländisch); nachher wird es in der schriftsprache nur noch aus Luthers bibelübersetzung gekannt (Schottel führt es als raunen daher auf 1383, als ruhnen und runen aus gelehrter kenntnis 1389, ebenso Stieler 1536 fg.), etwa in geistlichen schriften angewendet: selig sind die ohren, so die worte des göttlichen einsprechens vernehmen und das raunen oder liebkosen dieser welt nicht hören noch merken. Thomas v. Kempis übers. v. Arnd (1670) 139; und Leibniz bezeichnet es ausdrücklich als verblichen: es sind auch unvernehmliche worte und unter andern die veraltet, verba casca, osca, obsoleta, dergleichen zwar etliche noch Lutherus in seiner bibel behalten, so aber nach ihme vollends verblichen, als schächer, das ist mörder, raunen, so mit den runen der nordischen völker verwandt, kogel, das ist eine gewisse bedeckung des haupts. unvorgreifl. gedanken betr. die ausübung und verbesserung der teutschen sprache 83; nach seiner zeit erscheint es in der schriftsprache in gewählter rede wieder verwendet (Adelung kennt es in solcher weise, Frisch noch nicht), in der bedeutung nr. 3 ist es alt-mundartlich.
2)
raunen von personen, sich geheim bereden oder beraten, geheimen anschlag machen: et adversum me susurrabant omnes inimici mei. uuider mir fuoren rûnendo alle mîne fienda. Notker ps. 40, 8;
der künec mit sînen friunden   rûnende gie.
Nib. 825, 1;
mich nimet des michel wunder,   sprach aber Hagene,
waʒ nu hie inne rûnen   die Hiunen degene.
1896, 2;
alle die mich hassen, raunen mit einander wider mich, und denken böses über mich. ps. 41, 8; welch ein zusamen reiten und heimlich rahtschlahen, und raunen hub sich da. Luther 5, 278ᵃ; so gehen sie doch tag und nacht mit bosen tücken umb, treiben viel renk und seltzamer anschlege, halten raht, raunen zusamen, trösten und sterken sich. 6, 309ᵃ; einer gemeind runen, in ein gemeind stoszen, ventilare concionem aliquam. Maaler 338ᵇ; da sie aber auf den abend zu hauf rauneten und im wider zu dach wolten. Henneberger preusz. landtafel 252; den abend, da sie voll worden, begonnen sie mit einander zu raunen und wolten den vogt erwürgen. Waissel chron. 79.
3)
in schweizerischen quellen bestimmung treffen durch geheime stimmabgabe, vergl. dazu oben das fem. raune:
als wir nû komen an den rât,
als unser rât gerûnet hât.
troj. krieg 47236;
item, wenn man ze Utzwil ainen hirten setzen wil .. wie vil der lüten ist die darumb bittent, so sond die nachburen zämen keren und dem aman runen (dem ammann geheim die stimmen abgeben), und welher allermaist stimmen hat, dem sol man das vech lihen. weisth. 5, 197 (St. Gallen, von 1436); im kanton Zürich wird durch rûnen über vertheilung von grundstücken entschieden, das verfahren mitgetheilt im anzeiger des germ. museums 1873 sp. 151.
4)
gewöhnlicher wird raunen von personen und persönlich gedachten wesen gebraucht, im sinne von flüstern, zuflüstern, als nachricht, rat, warnung, erzählung u. ähnl.
a)
intransitiv: er (der neidige mensch) facht an zu raunen, haimlichen andern zu sagen von jm, darnach gat verklappern. Keisersberg siben hauptsünd (1510) Cc 7ᵇ;
zwen sein der pauren kamrer,
die kômen mit gesange her ..
und wellen nicht, dasz iemant raun (leise mit seinem nachbar spreche).
fastn. sp. 445, 12;
mit andern raunen, unter sich raunen;
si wænent mir in leiden,   sô si sô rûnent under in.
minnes. frühl. 13, 19;
von etwas raunen:
doch raunt man von sankt Petern
und unbekannten vätern.
Voss 4, 135;
der inf. als subst.: do wart ein murmeln und ein runen uber den legaten, und griszgrametent alle uber in. d. städtechron. 8, 50, 30; jetzt schien ein fremder zug in das bekannte gesicht gekommen, und die strasze wollte nicht dulden, dasz eines ihrer kinder einmal anders aussah, als ihr geläufig war. deshalb fand viel raunen und kopfschütteln statt. Freytag handschr. 2, 213;
des ersten wolde ich wünschen,   daʒ guote vroun iht wurden rûnens zam.
Reinmar v. Zweter 54, 3 Röthe;
das war ein wühlen
und raunen! man verhiesz geheimniszvoll
sich goldne berge von der nächsten zukunft.
Geibel werke 7, 51.
b)
transitiv, etwas raunen: er (der feind) bewegt sein haupt und frolocket mit der hand, er verwandelt sein antlitz und raunet oder murmelt manig ding. bibel von 1483 328ᵃ (et multa susurrans commutabit vultum suum. Sir. 12, 19);
was raunen doch hie so heimlich
die losen weiber unter sich?
Dedekind christl. ritter (1590) 92ᵇ (act 5, 7).
c)
einem raunen, einem etwas raunen, zuflüstern, sonst zuraunen: (Mohamet) satte einen nuwen globen uf, den die heiden noch haltent, und sprach denne, der heilge geist hette ime dieselbe gesetzede gerunet. d. städtechron. 9, 532, 6; do raunet Xantus seinem weib und sprach, du solt nit in übel ufnemen, was ich mit dir reden würd. Steinhöwel Aesopus leben (1555) 13ᵃ;
dann mir ist heimlich grunet,
wie etlich miner gsellen guͦt
habind etwas in irem sinn.
Manuel 306, 12 Bächtold;
wer mich drumb fragt, wil im me runen.
H. Salat 135, 470 Bächtold;
er (der traum) trug mich, bis ich staunte
an eines lichtes rand,
darin, wie er mir raunte,
verhüllt die liebe stand.
Rückert ges. ged. 1, 80;
von persönlich gedachten gegenständen:
wir hattend zwo faggunen (falkaunen, geschütze),
die lieszend wir in üch gan,
sie soltend üch etwas runen,
als sie ouch hand getan.
Manuel 23, 7 Bächtold;
mit indirecter rede:
vrâge, welher under in
Kurneval dâ sî genant.
dem selben rûne sâ zehant,
daʒ er ze sînem hêrren gê.
Trist. 269, 26.
d)
verdeutlichend wird in allen drei fügungen (ac) gesagt ins ohr raunen: ins or runen und warnen, admonere ad aurem Maaler 338ᵇ; und raunet Dasio in das or, seinem veind, und offenbart im die stätikeit seins herzen. H. v. Müglin (1489) 50ᵃ;
der ein klubt fädern, der stricht kryden,
der liebkost, der runt inn die oren.
fastn. sp. 100, 9;
ich pit dich, sag mir here,
was saget dir der pere,
do er dir also sere
raunt zuͦ den oren dein?
meisterl. fol. 23 nr. 36;
was hat dir der ber in dein or geraunet? Steinhöwel Aesop (1553) 83ᵃ; sam es mir in ein ohr geraunet wurde. Schweinichen 2, 78; ich könnt euch wunderliche dinge erzählen, was man hier und da von ihm sich in die ohren raunt. Fr. Müller 2, 116; den gesichtsausdruck und das behaben eines blühenden in liebe befangenen mädchens, dem ort und stelle einer zusammenkunft ins ohr geraunt wird. Göthe 44, 262;
wan ich rûne im sînen namen
in der ôren eineʒ nû.
dâ wider Cristes namen dû
rûne im inʒ ander ôre dar.
K. v. Würzburg Silvester 4774;
wie würde die der rache sich erfreun,
und meine schmach von hain zu hain
den schwestern in die ohren raunen!
Wieland 10, 145;
drauf, als der treue Scherasmin
ihm was ins ohr geraunt, beginnt er fortzugehen.
22, 207 (Oberon 5, 29);
so lasz er ja — das raun ich ihm ins ohr —
sein weibchen wieder mit agiren.
Gotter 1, 83;
vernehmt, was ich ins ohr euch raune.
112;
er sieht was längst die eifersucht ihm sacht
ins ohr geraunt, wie zwei sich drin (im zimmer) umfangen.
Geibel werke 2, 267;
mit directer oder indirecter rede: er sagte, man raune sich einander ins ohr, du seist zwischen dem rindfleisch und meerrettig gemacht worden. Schiller räuber 2, 1; wenn uns nicht ein böser genius in die ohren geraunt hätte, alle bemühungen eines fremden, französisch zu reden, würden immer ohne erfolg bleiben. Göthe 26, 53; wie, wenn ich der regierung ins ohr raunte, dasz ihr leuchtthurm in stürmischen nächten finster bleibt? Kotzebue dram. sp. 3, 170; Fink raunte dem freunde noch ins ohr: sei nur so unverschämt, als du kannst. Freytag soll und haben 1, 182;
hireʒ rûnêta   hintûn in daʒ ôra:
wildu noh, hinta?
Müllenhoff u. Scherer denkm. nr. ⅤⅠ;
da raunt ir muoter in doren mein,
ich solt gen ir beschaiden sein.
fastn. sp. 321, 20;
noch gestern hat er, recht erstaunt,
mir, unter uns, ins ohr geraunt:
der Preuszen könig weisz zu siegen und zu bauen.
Hagedorn 1, 94;
(sie) strichen sich den grauen bart und raunten
einander in das ohr: das ist ein götterfest!
Gotter 3, ⅬⅩⅩⅤ;
draus (aus dem dickicht) zog er mann bei mann hervor,
und raunt ihm heimlich ding ins ohr:
wohlauf! wohlan! seid fertig!
Bürger 53ᵃ;
bleib! würd er ins ohr dir raunen.
84ᵃ;
da raunt einer dem andern die fliegenden worte zu ohren:
scheltenswerth ists nicht, wenn Troer sowohl als Achaier,
um ein solches weib so langes drangsal erdulden.
208ᵃ;
da raunt ihm der schalk, der versucher ins ohr:
geh! hole dir einen der laken!
Göthe 1, 230;
am ohre raunen:
der (mann) lehnt am bröckelnden gestein, ..
an seinem ohre heimchen raunen.
5)
raunen, transitiv, etwas leise vor sich hin reden, murmeln: (kaiser Alexander Severus) het die gewonhait, das er an kain kirchen nichts gab, nit ain hellerlain; raunt oft den spruch Persii des poëten: ir pfaffen und bischof sagt mir doch, was solt gelt und guet den heiligen, so si nichts bedörfen? Aventin. chron. 1, 916, 1 Lexer; denn die allgemeine sage geht, dasz die gespenster meiner väter .. in mitternächtlicher stunde ihr todenlied raunen. Schiller räuber 4, 5;
wo ein mund ihn (den namen der geliebten) raunet,
o wie laut mein herz erschrickt!
Rückert ges. ged. 1, 295;
mit beziehung auf die runen (s. d.): die schlachtjungfrauen ihres höchsten gottes, welche über den kämpfen der männer schwebten, runenworte raunend, um das schicksal zu lenken. Freytag bilder 1, 88; zu dem stein, worauf einst die heidenjungfrau ihrem stamm weissagende worte geraunt. handschr. 3, 281;
einen treffe die harpune,
Albrecht Beiling heiszt der waal,
also raunts des herzens rune
in der brust geheimstem saal.
Arndt ged. 384.
6)
raunen, von den murmelnden lauten des wassers, des leisen windes u. ähnl.:
der wase wol geblüemet lac
mit vîol und mit rôsen.
ouch hôrte man dâ kôsen
diu waʒʒer unde rûnen.
troj. krieg 16549;
welch ein rauschen, welch ein raunen! (in den blumen).
Freiligrath dichtungen 1, 44;
auch musik raunt so: und die gräszliche musik — noch raunt sie in meinen ohren. Schiller räuber 2, 3; selbst von lautem geräusch:
schalmîen und busûnen
hôrt man dâ schallig rûnen.
liedersaal 2, 279, 356;
wobei raunen auch ein verworrenes getöse bezeichnen kann: weil wir jn (gott) vor dem gesäusz und raunen der creatur nit hören möchten. S. Frank parad. 71ᵃ. vgl. auch rauneln, raunzen.
7)
ein jägerwort raunen gehört nicht hierher: raunen, bei den jägern, wann ein hase nicht gerade aus durchgeht, sondern die hunde hin und wieder foppt, dasz sie ihn bald vorwärts, bald zurück, bald seitwärts raunen. Frisch 2, 93ᵇ; die hasen machen durch vielfältiges raunen die hunde müd und verdrossen. Fleming teutscher jäger ebenda.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1886), Bd. VIII (1893), Sp. 294, Z. 29.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
rattendreck rechtsgeschäft
Zitationshilfe
„raune“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/raune>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)