Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gahr

gahr,
s. gar; gähr, s. gäre.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1872), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1151, Z. 30.

gahre, gähre, gähren

gahre, gähre, gähren,
s. ohne h.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1872), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1151, Z. 32.

gar

gar,
bereit, fertig, ganz u. ä.
I.
Formen und verwandtschaft.
1)
die form ist nicht rein ins nhd. gekommen, doch war noch dem 16. jh. die vollere gestalt garb nicht ganz verloren:
leszt mich am garben hunger gehn.
H. Sachs 2, 4, 25ᵈ,
am völligen hunger (s. II, 4, a), am reinen hunger wie man wol jetzt sagen würde; diesz am garben hunger musz formelhaft gewesen sein:
so haben ich und meine kind nit ein pissen protz im haus,
das sie oft an dem garben hunger wein (weinen).
fastn. sp. 55, 27.
ja garb liegt uns heute noch versteckt vor in gerben, gärben (s. d.), eig. gar machen, nd. auch gären (Dähnert 140ᵇ), vgl. garen gar werden. gar und garb sind éin wort, wie fahl und falb, gel (gäl) und gelb, das -b aber vergröbert aus -w (s. 3), schon spät mhd. garbe, begarbe, begarb, s. Schm. 2, 64. aber auch im 15. jh. noch gerwesydin olosericum Dief. n. gl. 271ᵃ (gar sîdîn Wack voc. opt. 26ᵇ), im voc. th. 1482 l 8ᵇ gerweseyden oder gantz seydin, olosericum und gerwewachsin oder gantzwacsein, olosericus; vgl. z. b. gärkammer mit demselben schwanken noch im 15. jh.; selbst im adv. oder nachgebrachten adj. noch nach 1400 garwe:
ich kan es nit gesagen garwe (: farwe).
Büheler Diocl. 5038.
Auch mit umlaut mhd. und später, wie eben in gerweseyden, nach ahd. garawi (Otfr. I, 5, 70 F.), gerwe oberrh., elsäss. weisth. 1, 330. 719, Schmidt gottesfr. 143 (germe 86), daher auch gerb, els.: daʒ land was in den ziten gerb ungebuwen und wieste. v. d. Hagens heldenb. I, cxiii (im alten drucke ganz ungebuwen 2, 21 Keller). Dem garb für garw entspricht das schwedische garf für garw unter 3, auch altn. schon in ôgörfr Rietz 187ᵇ, giörfa adv. Egilss. 247ᵇ, d. h. man rettete den zarten laut durch die vergröberung oder steigerung.
2)
für gar im 16. jh. auch noch gare, wie in der übergangszeit aus dem ahd. ins mhd., doch selten:
richt mich, herr, und fur mir mein sach
widr die unheilig schare.
errett mich von den falschen, ach!
und bösen leüten gare.
H. Sachs der 43. psalm.
so bes. im md., auch während und nach der mhd. zeit neben dem streng mhd. gar, z. b.:
das kan ich alle gare,
so ich die werlt durchfare.
Alsfelder pass. Haupt 3, 492,
neben häufigem gar, auch im reim auf vor s. 486 v. 208, also wol schon gôr, wie in Schröers md. voc. v. 1420 s. 20ᵃ valde, gor und wie heute noch in md. mundarten (schles. Gryph. Dornr. 57, 33), auch nd. z. b. Dähnert 142ᵃ (mnd. gare s. z. b. II, 1, a, nrh. 15. jh. II, 1, b), entstanden aus verlängertem gâr; daher auch die schreibung gahr im 17. 18. jh. (II, 1, a. 2, b u. ö.). auch das gare bürgt für frühes eintreten der länge. bemerkenswert schon im 15. jh. auch jar (s. sp. 1108): valde, iar sere. Dief. 605ᵇ, aus einem rhein. voc., vgl. unter garküche 2, vielleicht veranlaszt oder gefördert durch den angenommenen zusammenhang mit jären, d. i. gären (s. d. und gare 5, a).
3)
der stamm war garw, daher ahd. mit endung karwêr, garwêr, schwach garwo (auch mit eingeschlichnem a, u, i, e zwischen dem r und w), ohne endung karo, garo, mit o für -w; mhd. garwer und gar, letzteres aus gare geworden (d. h. so lange dessen a noch kurz war), gare aber aus dem ahd. garo. reiner alts. garu (doch gleichfalls garo) und garowo, ags. gearu, gearo und gearwe, altengl. gare Halliw. 392ᵃ, schott. gare, gair Jamieson 1, 458ᵇ. altn. görr, giörr, pl. m. görvir, das ö von dem -u der stammform garu, wie in fölr, acc. fölvan, aus falu (s.fahl); daneben gerr, gervir mit dem umlaut wie mhd. gerwe neben garwe, altschw. doch auch gar, acc. garran (für garvan) Rydqvist 2, 412. 1, 427, noch mundartl. garv oder garf tüchtig, frisch, kräftig Rietz 187ᵇ, Rydqv. 2, 412, garf älter schwed. 1, 427. im adv. altn. görva, giörva und gerva (auch ger), wie mhd. gerwe neben garwe (s. II, 4, a); das altn. wort hat eine eigene, mehrfach reichere entwickelung, in form und bed., z. b. auch einen comparativ des adv., giörr, gerr und superl. görst plenissime Egilsson 261ᵇ, auch adj. gerstr 234ᵃ, noch altdän. görst adv. Molbech dansk gloss. 1, 313; doch auch ags. gearwor, gearwost, wovon hd. kaum eine spur, doch aus dem Reinfr. 151ᵇ (?) ein comp. gerwer bei Lexer 1, 741, und in der wahrsch. ältesten ausg. des voc. inc. teut.gerber vel groszer vel merer, cadulus, est aliqualiter major et plus quam alius“ h ijᵇ, in den späteren ausg. ausgelassen.
4)
gegenwärtig auszer hd. und nd. eig. nur noch nl. gaar, doch auch in beschränkterer geltung; engl. veraltet yare fertig, bereit, gewandt, flink (altengl. yarwe u. ä., s. Stratmann 256, vgl. gare u. a), doch noch mundartlich yare Halliw. 943ᵇ, auch mit neuer adj. endung yary ready, quick 944ᵃ (vgl. ags. gearc paratus, promptus Grein 1, 493), wie bei uns garig bereit, bequem u. ä. im Pinzgau Schm. 2, 60, Schöpf 176. Auch in Schweden nur noch mundartl., geschieden garv (s. u. 3) und gör, gjör reif, von getreide Rietz 230ᵃ, norw. ebenso gjor Aasen² 222ᵇ; dänisch erloschen, zuletzt im altdän. görlig, giörlig, völlig, gänzlich, deutlich u. ä. Molbech dansk gl. 1, 312 (jetzt 'thunlich', zu gjöre thun gezogen), entsprechend dem mhd. garlîche, gerlîche adv., ahd. garalîho, garilîho Graff 4, 241, ags. gearulîce Grein 1, 494. auch bei uns ist doch das leben des wortes eig. seit jahrhunderten im rückgange begriffen.
5)
die herkunft ist noch im dunkeln, eine urverwandtschaft noch nicht ermittelt (vgl. übr. II, 3). man zog es zwar zur skr. wurzel kr machen, wie gr. κραίνω, lat. creare, und J. Grimm (i. j. 1854) bestrebte sich die entstehung in form und bed. glaublich zu machen, s. kl. schr. 1, 325 fg., vgl. 322; aber während ohnehin die lautverschiebung nicht zutrifft, ist jener versuch doch nur ein geistreiches geflecht von möglichkeiten und unwahrscheinlichkeiten. J. Grimm gieng haupts. darauf aus, die participische natur des adj. zu erweisen (vgl. u. kalt), aber es fehlt dafür jedes äuszere zeichen. Das altn. wort wird von den dortigen forschern entschieden als part. pass. zu gera, giöra machen behandelt, obwol es deutlich selber das mutterwort zum verbum ist (s.gärben); aber die vermischung beider ist dort alt und durch wirklich participartigen gebrauch des adj. (s. z. b. gramm. 4, 906) schon im altn. begründet, sodasz das adj. so zu sagen in dem part. allmälich auf und untergegangen ist, s. Rydqvist 1, 427 fg.; das eintreten des adj. fürs part. aber zeigt sich einzeln auch bei uns, s. II, 4, a, β.
II.
Bedeutung und gebrauch des adjectivums.
1)
fertig gekocht, von den im allgemeinen gebrauche gebliebenen bedd. die sinnlichste und zugleich eine der erreichbar ältesten.
a)
elixum, gesoten vel gar. Bresl. voc. d. 15. jh., aus andern vocc. s. bei Dief. 199ᵃ elixus gesotin oder gar, auch gar gesotten (elixare gar sieden), nd. rede, gare; gar, als die speise, relixus, plene coctus. voc. 1482 k ijᵃ; decoctus, gar, wolgekocht. Alberus p 3ᵇ, percoquo ich koch wol, gar. p 3ᵃ. Belege seit dem 14. jh.: beschuldiget ein man den andirn umme syne gare kost, dy her gessen hat in syme huse .. Leman Kulmisches recht 3, 86 s. 79, mit var. jarkost (wie engl. yare I, 4); die Magd. fragen handeln im 8. cap. des 2. b. von garer kost, mit der entscheidung: gare kost und spisegelt, das man vor gerichte bekennet, sal man by xiiij nachtin gelden (bezahlen). Behrend s. 176; diesz gare kost dann mit einer besonderen entwickelung im rechtsleben, s. z. b. Dähnert 142ᵃ; zünde das fewr an, das das fleisch gar werde. Ezech. 24, 10;
isz was gahr ist,
trink was klar ist,
sag was wahr ist.
Henisch 1333,
diese schreibung gahr zur untersch. vom adv. wird bis in neueste zeit hie und da festgehalten, s. z. b. Göthe u. 2, b;
seze die tassen zurecht, mein töchterchen, gleich ist der kaffe
gar.
Voss Luise 1, 339 (1795 v. 275);
des wird der mutter angst und bang,
ihr brei ist noch nicht gar und recht ..
Göthe 13, 73;
und nun letzt dein kind sich am
garen mittagsbrode ..
Rückert poet. w. 2, 447;
abgekühlt mit blut vom zwerge!
gar und gut ist die latwerge (das hexengebräu).
Bürger Macb. 4, 1.
auch nd. dat flêsch is nig gar, hat nicht genug gekocht Dähnert 142ᵃ. s. auch garküche, garkoch, garbräter, ungar, im Teuth. 100ᵃ ongare crudus, half gare semicoctus, nhd. halbgar, auch reutergar, umgekehrt übergar, allzu gar (engl. overdone) Ludwig 690, nd. gârwost f., gekochte wurst Schamb. 59ᵇ. auch für ausgebacknes brot kommt vor gar gebacken öcon. lex. 384, so dat it balde gaer wart Harf 119, 15, vgl. gare 3, a.
b)
bildlich: wenn uns gott ... mit allerlei trübsal wol plaget, das wir mürb und gar werden .. bis unser stolz .. ganz tod sei. Luther 5, 65ᵃ, obwol da auch ans gerben (s. 2, a) gedacht sein könnte, wie bei Göthe 8, 85 nachher; ich schickte nach dem sammt und kaufte ihn. da glaubte die alte, ich sei nun völlig gekocht und gar, und verlangte für sich ein kleid .. Göthe 34, 202, Benv. Cell. 2, 2 (it. più cotto che crudo), vgl. das ähnliche geknetet und zugericht V, 1415; bei mädchen, die durch liebesunglück gebeizt sind, wird ein heirathsvorschlag bald gar. 8, 85, nach dem beizen mag ans gerben gedacht sein, obwol auch in der küche ein beizen vorkommt. er ist nicht gar gebraten, er taugt nicht viel, aber auch nl. die man is gaar, zu allem (schlimmen) bereit, mit allen wassern gewaschen. anders ich bin gar, auch kochgar (thür., sächs.), ganz durch erhitzt, von hitze oder anstrengung.
c)
es ist von haus aus nichts als 'fertig zum gebrauch' in bestimmter anwendung (gegensatz roh), wie denn in der stelle u. a aus den Magd. fr. eine hs. gereite kost hat, und der nd. voc. ebenda rêde gleich gare selbst vór diesem ansetzt; noch dem verf. des Leipz. öcon. lex. v. 1731 war das klar, wenn er sp. 368 braten erklärt als fleisch welches am feuer 'zum essen gar' gemachet worden u. s. w.; der kaffe ist gar bei Voss heiszt gewöhnlich der kaffe ist fertig, und gar machen, fertig kochen, braten ist ebenso gemeint: coquere, gar machen. Dief. 150ᵃ; percoquere, wol gaer maken. gemma Cöln 1511 Q 2ᵇ; das fleisch gar machen. Luther bei Bindseil 7, 322, vgl. auch perfectus als gare, wol gesoden Mones anz. 7, 299ᵇ. bei Aler unter gar kochen auch etwas gar machen, aliquid mitigare 838ᵃ. Die entstehung läszt sich weit zurück erkennen im Heliand, wo bei der speisung der fünftausend davon die rede ist, was man te meti habe garu im (ihnen) te geƀanne 2836, dasz sie garowes mêr ni habdin, biûtan girstîn brôd fîƀi endi fiskôs twêne 2845, fertig dasz mans essen kann; vgl. altn. giörr matr, 'cibus bonus' Egilss. 247ᵇ. wie lange man das gar richtig fühlte nach form und sinn, zeigt ungefähr gärben 2, b.
2)
Andere ähnliche verwendungen im gewerbsleben.
a)
der gerber, das gerben (vgl. gärben) hat seinen namen vom gar machen der rohen häute, d. h. eig. fertig zum gebrauche: das fell (des rehes), wenn es gahr gemacht, schöne und weiche handschuh, hosen und dergleichen giebt. kurzer begriff der edlen jägerei Nordh. 1733 s. 154, gar machen gleich gerben, wie u. 1 vom koche, u. 2, b vom schmelzer; von dem englischen leder sagt man, dasz sechs jahre darüber hingehen, ehe eine rohe haut gar und zeitig werde. Möser phant. 1, 36, halbgares leder 37. im engern sinne (vgl. Adelung): die von der lohe vollständig durchdrungenen häute heiszen gar. Karmarsch 1, 7. gares leder ist noch gerberwort; mhd. gärwz leder Mones zeitschr. 13, 157 (Lexer 1, 738, das 'garweʒ leder' das. beruht auf misverst.) scheint vielmehr gärweteʒ, s. u. gärben 2, a; s. auch rauchgar, weiszgar, sämischgar, z. b. im 16. jh. reuszenheute lohegar bereitet und weiszgar bereitet im Gieszener zeughause anz. d. germ. mus. 1854 sp. 276 (bereiten also gleich gärben, gar oder bereit machen).
b)
in den salzwerken gares salz, fertiges, das salz gar sieden, fertig sieden ( Adelung), gahrsalz oder gesotten salz Chemn. bergw. 227ᵇ. beim kohlenbrenner, die kohlen werden im meiler gar ( Adelung): läszt man ihr (der flamme im meiler) so viel luft als nöthig dasz sich alles mit gluth durchziehe, damit alles recht gahr werde. Göthe 21, 55. beim kalkbrenner, die steine gar brennen. beim glockengieszer u. ä.: als nu de spîse gesmolten unde gar was, dat de spîse lôpen scholde ... Magdeb. chr. 1, 412;
die form ist eingemauert,
die speise gut und gar.
W. Müller ged. 1, 394.
im hüttenwesen, gares eisen, das seine völlige zubereitung erhalten hat, das kupfer gar machen, völlig rein und schmeidig Adelung, eig. zum verarbeiten fertig, auch die kupfer gar und rein machen, gar oder fein kupfer Math. Sar. 71ᵇ; auch übertragen auf den gang des schmelzofens, der seinen garen oder gargang hat, d. h. gares eisen bringt, bei gehöriger hitze, s. Scheuchenstuel 91 (gegensatz rohgang sp. 1235 unten): der gare gang hängt .. von der hinlänglichen menge der kohle im verhältnis zu der erzmenge ab. Karmarsch 1, 579. bildlich auf das verdauen angewandt: im magen schmelzet gott übern gang (sp. 1228), oben ist der ofen bedeckt oder geschlossen, was gar und gedewet ist, kommet in die dermer .. Mathes. Sar. 148ᵇ. dazu die gare, garbruch, gareisen, garkupfer, garofen u. a.
c)
auch im ackerbau, nordd., gar heiszt der ackerboden, gelockert und gedüngt u. dgl., kurz fertig zum besäen (s. auch garig 3), daher die gare (s. dort) des bodens, auch dünger, jauche, von denen die gare abhängt. auch jauche ist gar, fertig zum gebrauch wie beize, lauge u. ä., obwol man dabei leicht ungefähr an gären denkt, gar als durchgegoren, wie schon Henisch 1354 angibt 'gar, gur, gahr, coctus, percoctus, maturus, von gären' und 1355, 11 ein wein der vergoren oder gar ist. frucht soll dem herrn geliefert werden mühlengar weisth. 3, 745, völlig reif, für die mühle fertig, vgl. schwed. gör reif I, 4.
d)
ganz merkwürdig aber auch wörter mit der bed. herbe, also halbreif, die der form nach bestimmt daher gehören: cimbr. gerbe, herbe, unreif, gerben herbe sein. Schmeller 124ᵇ; ebenso ital. z. b. vino garbo (garbare säuerlich sein), auch garbetto, heimisch im nördl. Italien, deutlich germ., comaskisch gherb und garb, bitter u. ä., bergam. garb, venez. garbo, auch von unreifem getreide, von saurer miene Boerio 300ᵃ, s. Diez 406 (2, 32), der sie vom deutschen herbe herleitet mit dem stamme harw, daher mhd. herwe, harwe, das allerdings mit gar eine sehr weit gehende übereinstimmung hat in der form, eine völlige hier in der bedeutung (vgl. auch alts. aru, ags. earu fertig, bereit). Zu dem gerbe, garbe ganz im süden stimmt dann bestätigend im norden engl. yarrish herbe, rauh, scharf, dial. yar sauer, nordengl. yare brackish to the taste Halliw. 943ᵇ, vgl. aus Kentshire yare sharp, quick, ready 944ᵃ, dazu yare unter I, 4, und auch bei uns rheinisch garmilch, versaurte milch Apherd. 1581 s. 78, das doch zugleich zu gären neigt (s. unter garmilch), welches aber seinerseits mit gar eine alte berührung hat, wie denn das gären cimbrisch gerben heiszt.
3)
Fertig zur verwendung, das ist der erreichbare begriffskern des wortes; für weiteres vordringen wäre zu ermitteln, aus welcher bestimmten anwendung im leben er sich entwickelt und verallgemeinert hat. vielleicht steckt das älteste in den merkw. gl. karo und kariwic für victima Graff 4, 241 fg., Hattemer 1, 217ᵃ (vgl. myth. 36), opferthier, thieropfer, was dem gotte zu diensten gestellt, als gabe bereitet wird (ahd. hiesz das verb. auch zum gebrauche darreichen Tat. 31, 3, wie ags. schenken Grein 1, 407); vgl. im Beow. 1110 (2210) on bæl gearu von einem todten helden auf dem scheiterhaufen, der ja zugleich als ein opfer an die götter galt. selbst gar als fertig gebraten könnte vom opferthiere ausgegangen sein. und da böte sich auch eine auswärtige verwandtschaft, in der form ganz, im inhalt halb oder auch ganz stimmend, in dem altlat. harv- in haruspex und harviga, haruga hostia; letzteres stimmt zu dem ahd. kariwic, und wenn der haruspex urspr. ein eingeweideschauer war (Aufrecht in Kuhns zeitschr. 3, 194 ff.), so galten ja die eingeweide als besonders beliebtes opferstück. weitere verwandtschaft, wie skr. hirâ darm, litt. žarna, altn. garnir pl. (vgl. garn III), s. bei Aufrecht s. 198 fg., Curtius gr. etym. nr. 199.
a)
in alter zeit galt garu auch von menschen, bereit zu einer aufgabe (auch geneigt u. ä.); z. b. vom diener der als solcher vor dem herren steht, gleich dienstfertig:
thea man stôdun garowa,
holde for iro hêrron.
Hel. 675;
than ik her garu standu
te sulîkun ambahtscepi (dienste).
283,
vgl.garu standan einem tegegnes 1651 fg., bildlich gebraucht, einem 'zu diensten stehn' gegenüber, zur hand;
si quad, si wâri sîn thiu (magd, dienerin),
si thionoste garawiu.
Otfr. I, 5, 70.
ahd. wird dicto parens mit quidikaro gegeben Graff 4, 239, aufs wort dienstbereit. auch mit inf. z. b. garo ze helfenne, zi faranne, zi irsterbenne, mit gen. ags. gearo gyrnwräce zur rache bereit Beow. 2119, altn. Egilss. 261ᵇ, gewiss auch ahd., vgl. unter c. mit inf. noch mhd., bei Schm.² 1, 929 aus einer hs. d. 13. 14. jh.: daʒ er (gott) zallen wîlen gar ist uns zenphâhen.
b)
bes. auch kampffertig, vielleicht erst aus dem vor. hervorgegangen, dem herrn gegenüber (oder wie ein opfer dem kriegsgotte gegenüber?); ahd. mit expeditus gloss., deutlicher mit wâfanon garawo Otfr. I, 20, 3, ags. gearu mid wæpnum, on wîg, tô gûđe Grein 1, 494, mhd. ze strîte, ze wîge gar, wîcgar, woraus sich denn die bed. gerüstet und gewaffnet ergab (vgl. gare, rüstung, gerät), wole gare völlig gerüstet und kampffertig Rol. 304, 10. 274, 9 u. o., Roth. 4084, Alex. 3076; auch wol gar in die halsperge Diemer 175, 11, worin es auch hd. participisch klingt, wie altn. (I, 5), vgl. u. 4, a, β. auch zû deme tôde wole gare Rol. 61, 13 (urspr. zugleich wie ein opferthier?), todesmutig kampfbereit, vgl. Petrus von sich ich pin garrewer in den tôt Diemer 255, 8. daher auch kurzweg für tapfer, entschlossen u. ä.:
ich weiʒ in wesen einen helt
manlîchen, garwen irwelt (auserlesen).
Ludwigs d. fr. kreuzf. 4877.
so altn. gerviligr mannhaft, tüchtig Möbius 137, vgl. das engl. yare u. I, 4, und garmann.
c)
auch nhd. erscheint persönliches gar gleich fertig, das freilich vom sachlichen gebrauche (4) in den persönlichen übergetreten sein mag; aber gleichfalls mit gen.: wie seid ihr (am hofe zu Hannover) des prinzen von Wolfenbüttel gar geworden? hat man denn (zu seiner unterhaltung) wirtschaft gespilt? oder unverkleidt zettel gezogen? briefe der herz. Elis. Charl. v. Orl. (1871) 161, vom 9. febr. 1710, wie seid ihr mit dem prinzen fertig geworden? zu stande gekommen? ich bin noch nicht gar mit ihm, nondum absolvi hominem Stieler 604, 'hab ihn noch nicht ganz weg' wie man auch sagt, noch nicht ganz durchschaut. bair. gar sein, fertig, vollendet, zu ende Schm. 2, 60, zugleich wol persönlich und sachlich. schlesisch ich bin noch nicht gar mit schreiben, sind sie bald gar? Fromm. 4, 168. s. auch 4, c.
d)
eigen gar bleiben eines dinges, entübrigt sein, es nicht thun oder leiden dörfen, immunem esse, non obligari ad aliquid. Frisch 1, 319ᵇ.
e)
in alter zeit auch geschmückt, z. b. alts. garu mid goldu endi mid godowebbin Hel. 3331, ahd. garo in guldînen fason (fimbriis) Notk. 44, 14, karewer infulatus, karo comtus, redimitus Graff 4, 239; mhd. goltgarwer spieʒ Rol. 130, 22, golde garwen spieʒ 162, 11, dîne golde garwen dille, wände 147, 14, golde urspr. instrum. (ags. golde gegyrwed Beow.), das später umschrieben wird: setele von rôtem golde gar Nib. 530, 2 (var Cd), goltrôte setele 267, 1. vgl. ags. feđergearwe federschmuck des pfeilschaftes, ahd. garawî f. ornatus, cultus, garawan ornare, mhd. halsgerwe halsschmuck u. a., altn. gersemar pl. kleinodien, wertsachen, schmucksachen; auch das könnte unmittelbar von dem geschmückten opferthiere ausgegangen sein. vgl. gärben 2, e.
4)
Fertig überhaupt, vollkommen, vollständig u. ä.
a)
vollkommen, wie auch altn. giörr Fritzner 199ᵇ.
α)
z. b. mhd. ein mann an tugenden gar pass. K. 428, 85, eine jungfrau an magetûme gar heil. Elis. 2204; gesteigert ingar ganz vollkommen (wie ingrüene, insûr u. a., s. Höfer Germ. 15, 61):
ir ôren wîʒ, sinwel und kleine,
alse si von helfenbeine
wæren erwünschet dar:
si wâren ze rehte ingar.
Wig. 27, 24;
auch das konnte sich unmittelbar an das opferthier anknüpfen, da solche in ihrer bildung vollkommen sein muszten (vgl. keusch 5, c). auch unsinnlich, wie garber hunger I, 1, vollkommener, wie ganz A, 8, a.
β)
von dem was menschenhand bereitet, fertig gemacht, fertig: meister, sind meine schuhe schon gar? Heynatz ant. 2, 2, als oberd.; gar machen, apparare, perficere Henisch 1355, eine arbeit gar oder fertig machen Ludwig 690, es ist gar, perfectum est, ultima manus rei imposita est. Aler 837ᵇ, dazu die beisp. u. 1 und 2; hierher wol auch gewæte hêrlich unde garwe Elis. 2551. und hier auch ahd. mhd. das adj. an der stelle des part. vom verbum garawan, gerwen (wie altn. I, 5, s. schon u. 3, b), z. b.: mîn tagamuos garwita ih, mînê ferri inti paston sint arslaganu inti allu garwu, prandium meum paravi, tauri mei et altilia occisa et omnia parata. Tat. 125, 6 u. ö., bereitet zum mahle (eig. wie opferthiere); zu Virg. 8, 317 wird in parcere parto das letzte mit garawemo erklärt, von beschafften vorräten; Notker 2, 10 (Hatt. 2, 49ᵇ) übersetzt paraverunt sagittas mit habênt alegaro iro strâla. mhd. z. b. diu helle sî im iemer gar Karl 2919. Rol. 87, 26, bereitet, bereit, bestimmt.
γ)
dazu etwas gar haben, gar kriegen, wie fertig haben, fertig kriegen Schm. 2, 60 (gar höher betont als das verb.), z. b.: die geistliche deutung wöllen wir sparen, bis wir basz hinein kommen und diese history gar haben, beendigt. Luther bei Diez 2, 9ᵇ; ich hab die sach gar, rem absolvi, auch in expedito habeo Aler 837ᵇ. diesz aber nhd. nur noch endungslos, und im absterben begriffen.
b)
vollständig, ungetheilt, ganz (vgl. garzinsig).
α)
ahd. kein beispiel fürs adj., aber im adv. für prorsus, penitus, funditus. mhd. z. b. umbeʒ gar spiln, um das ganze, wo das ganze, alles aufs spiel gesetzt wird, doch mit doppelsinn (s. u. ganz sp. 1307) nach folg. gar, das indessen auch adv. sein könnte, da man diesz um höheren tones willen ans ende zu stellen liebte:
unzevüeret, ungebrochen
ir magetoum der beleip ir gar.
MSH. 3, 26ᵇ.
nhd. aus dem spiele z. b.: 'man sol das glück nit zuͦ hoch versuchen'. wir sagen (wird erläuternd hinzugefügt): es stat mir gar. es gilt träffens oder fälens, bischof odder bader .. Frank spr. 1, 28ᵇ, es steht mir alles auf dem spiele.
kaufmanns finanz (dat.)
gar und zum tail
ist alles fail.
Schades sat. u. pasqu. 2, 161.
auch verstärkt 'alles und gar', das zweite doch ohne endung: (gott) hat alle ding geschaffen mit einander, und sind viel hohe leute .. dieser meinung, das es in einem augenblick alles und gar gestanden (entstanden) sei wie wirs itzt sehen. Luther 4, 3ᵃ, vgl. 'viel oder gar' u. ε zuletzt. noch im 17. jh. gar gleich ganz integer:
Bruno hat ein ehrlich weib, keusch an augen, mund und ohren:
oben ist die ehre gar, ist gleich unten was verloren.
Logau 2, 10, 75
(vgl. ganz sp. 1307);
und auch dabei ein schwanken zwischen adj. und adv., z. b.:
man sagt, so ein mensch was begert
nnd tracht demselben fleiszig nach,
das er es wol bekommen mag,
und kompts ihm schon nit gar zu heil,
wird ihm aufs wengst der vierte theil.
Ayrer 2014, 36;
so fahre hin, du tolle schar,
ich bleibe bei dem sohne.
dem geb ich mich, des bin ich gar,
und er ist meine krone (siegeslohn).
Paul Gerhard 23, 13.
β)
accusativisch z. b.:
ich gibe mich ir gar vür eigen.
MSH. 1, 203ᵇ;
ich hân nu gar diu mære.
Nib. 848, 7;
und nam das brot und asze das gar. Steinhöwel (1487) 95; also, gutherziger leser, hast du mich gar, mit all meinen werken. H. Sachs 3. bd. vorr., heute hast du mich ganz, habes me totum; die .. art des brandopfers ist, das man es gott gar gibt. Luther 2, 24ᵇ; wil man sie (die beschlüsse der concilien) halten, so halte man sie gar oder halte nichts. bei Dietz 2, 9ᵇ; zwen sind eines herr, drei fressen gar. Frank spr. 1, 15ᵃ (d. i. fressen'n, fressen ihn), totum comedunt, aber eine das adj. sichernde endung ist nicht mehr möglich, wie sie schon mhd. bei dieser nachstellung, die des tones wegen geschah, bei gar kaum noch erscheint, sodasz es auf die scheide zwischen adj. und adv. tritt oder schon in letzteres übergeht (s. dazu u. ganz sp. 1299).
γ)
halb und gar, wie halb und ganz (sp. 1293 fg.):
der truoc halbe schônheit (an sich)
nie sô dirre gerwe.
Reinfr. v. Braunschw. 2197,
wie dieser held ganze, nämlich schönheit;
wilt den becher gar oder halb?
Garg. 93ᵇ (Sch. 162), Uhland volksl. 599, s. unter ganz sp. 1305;
es würden mächtig fromme dieb sein, welche das halb nemen (d. i. nähmen), da sie es gar könten stählen. groszm. 73; das halb ist mehr dann gar, dimidium plus toto. Frank spr. 1, 5ᵃ, Henisch 1356, eigen gar ohne art.;
mir sagt Pseudo halb sich zu, einem andern auch so viel,
und das herze hält (behält) er ihm; nem ihn gar, wer immer wil!
Logau 2, 4, 50,
wo das adv. doch entschieden ist. eigen dasz halb sich da mit endung erhielt, freilich auch so verknöchert, z. b. den becher halber austrinken Uhland volksl. 599, s. mehr IV², 184 fg., vgl. der convent aller Mones anz. 5, 299.
δ)
bemerkenswert ich bins gar, bin alles, von einem mit solchem selbstgefühl, dasz er 'nichts neben sich kennt', wie man auch sagt:
der dritt ein groszer landsknecht war,
und brangt daher, als wer ers gar.
Alberus Es. 1550 L 3ᵃ (16. fab.).
in ganzem ernste von gott: summa, durch sein wort bestehet alles ... kurz, er ists gar. Luther Sirach 43, 29 (τὸ πᾶν ἐστὶν αὐτός), mit älterer var. er ist gar, später zu jener volksm. wendung vervollständigt (vgl. S. Frank unter ganz C, 2, c);
darum so wolln wir loben
und loben immerdar
den groszen geber oben.
er ists! und ér ists gar!
Claudius 4, 73 (bauernlied).
Es braucht nicht notwendig er ist es gar gemeint zu sein, auch er ist das gar, das ganze, konnte oder muszte zu er ists gar werden (vgl.umbeʒ gar unter α). doch sagt man auch wirklich, mit einem besondern tone, er thut als wenn ers wäre, d. i. die hauptperson (wie ér ist der mann!), auch als wär ers selber, und schon mhd. von einem stolzen burschen:
swenne er sîne reide locke windet,
sô wil er eʒ alleʒ sîn,
sô die glunkenglankent umb den kragen (hals).
MSH. 3, 289ᵃ.
ε)
auch von einer anzahl, gleich vollzählig (s. ganz sp. 1290), z. b. siebenb. bei Haltrich 12ᵇ se kun gôr, sie kommen alle, aber auch all gôr, alle insgesamt, das schon mhd. geläufig war, wo denn al und gar das subst. gern in die mitte nehmen, z. b. alle gotes friunde gar Elis. 666, vor allen dingen gar 1857; doch auch unmittelbar alle gar, wie dort siebenb. (vgl. im 15. jh. totus aller gar Dief. nov. gl. 368ᵇ):
das volk und fuoszvolk alle gar.
Büheler königst. v. Fr. 7646;
sie machten sich uf alle gar.
7654;
das kan ich alle gare,
s. u. I, 2;
wer alte väter sucht, und sucht sie alle gar,
der kümmt zuletzt auf den, der anfangs erde war.
Logau 1, 2, 99.
Aber auch bloszes gar, nhd. und schon mhd., gleich al, all (vgl. nachher am ende gar gleich alles):
dô wâren gar erstorben die Guntheres man.
Nib. 2236, 1;
darauf mein sünd vergebt mir gar.
die güter dieser welt hat nimmer keiner gar.
Logau 2, 5, 38.
doch auch hier ist schon mhd. das adv. möglich, jenachdem begriff und wort näher oder ganz zum verbum hintreten. bei entfernung davon darf oder musz man aber noch adjectivische natur annehmen, z. b. nû saʒ der künic Artûs unde .. sîn massenîe gar .., seine ganze, Iw. 6897, gar im hervorhebenden reime, wie sehr oft (s. noch nhd. III, 4, f, α), auch vór dem subst.:
er sprach: marschalk, heisz sich gar
mein ritterschaft bereiten,
die ganze ritterschaft. königst. v. Frankr. 7620.
vgl. gar alle III, 7, a, altn. vereinigt giörvallr, görallr vollständig, universus, ahd. umgekehrt alagaro adj. und adv. (wie alaganz sp. 1298 unten), mhd. algar, allegar adj. und adv. Aber auch gar schlechthin gleich alles, mit entschieden adjectivischem klange: wer nicht wenig wil laszen faren umb seines (gottes) gebots willen, der musz viel oder gar verlieren, durch hadder und krieg ... Luther 1, 189ᵇ; begreiflich ist es aus dem die güter gar, gar die man vorhin, mag übrigens aus der sprache der spieler stammen; vgl. Luthers 'alles und gar' unter α.
c)
hergehörig ist auch, obwol eig. das volle gegentheil aussagend, gar gleich alle, d. h. aufgebraucht, völlig, verthan, zu ende.
α)
so schwäb., bair., östr., schles., in Posen, auch bei dichtern zuweilen aus ihrer alltagsrede auftauchend:
ists leben nóch nicht gar? und blutet doch
aus so viel wunden?
Uhland Ernst v. Schw. 143;
wem lust blüht, lache, traure, wem sie gar,
und ists ein dichter, mag sein lied auch weinen.
Lenau neuere ged. 310 (1843 s. 313).
oberd. z. b. ist die schule schon gar? Heynatz ant. 2, 2, schwäb. z. b. es ist gar, aus, zu ende Schmid 220, auch östr. z. b. im gasthaus die backhändln sein gar, alle, mit mir ists gar, in Posen z. b. ich wills nicht haben und damit ists gar Bernd 71, immer mit starkem tone, daher folg. wortstellung auffällt: kein wort mehr, 's ist gár schon. Harro Harring Firn-Matthes 43.
β)
zur sichern erklärung der entstehung fehlen ältere zeugnisse; vielleicht würden sich solche unmittelbar an das gar zuo deme tôde, in den tôt unter 3, b anschlieszen. aber ganz wird nun ebenso gebraucht (sp. 1296 e), auch fertig, besonders alle, vergl. J. Grimms untersuchung über alle, all I, 211 (schon im anfang des 16. jh. bezeugt: conficere allmachen Trochus Y 2ᵇ). vielleicht ist das ganze von gar machen ausgegangen, eig. fertig machen (4, a, β), von allerlei arbeit, die etwas schafft, dann auch von arbeit die etwas vernichtet, ganz wie lat. conficere, confectus beide bedeutungen entwickelt hatte. auch wer iszt, ist fertig mit der gans, oder hat die gans fertig (wie er sie erst in der arbeit hat), sodasz dann auch die gans in seinem munde fertig wird, fertig ist, 'verarbeitet', durchaus nicht adverbial; wenn aber einer selber fertig ist, erschöpft u. ähnl., confectus, mag das aus dem kampfleben stammen. und gar in gar machen, gar werden, gar sein kann denselben weg gegangen sein, es heiszt auch einen gar machen, conficere, wie einen gar alle machen I, 211.
γ)
auch er hats bei ihm gar, effudit gratiam ab illo collectam. Schönsleder S 3ᵈ, hats bei ihm ganz verschüttet.
III.
Das adverbium. Als solches ist das wort, abgesehen von II, 1 und 2, die durchs alltagsleben fest gehalten werden, allein noch frisch, und auch da nur theilweis, hat aber als adv. eine eigene reiche entwickelung.
1)
die form, stellung, verstärkung.
a)
schon mhd. gar, doch schon im verflieszen mit dem adj. begriffen (vergl. 4, b, ε), gekürzt aus gare (s. I, 2. 3), ahd. aber garo, karo penitus, prorsus, funditus Graff 4, 240, z. b. iʒ (das gemach) was garo zioro Otfried IV, 9, 13, wie alts. garo, also ohne die adv. endung, sodasz es urspr. acc. des n. sein wird (gramm. 3, 112. 97). daneben aber mit endung garawo, garewo, daraus mhd. garwe, noch nach 1400 (I, 1), zuletzt in der form garb; mhd. auffallend auch mit dem umlaut des adj. gerwe (germe), zuletzt gerb, s. I, 1, es ist alem., z. b.: und man mahte gar wol in der nuwen kirchen ein kleines beslossens kœrlin, do die brüedere friden inne hattent, unze daʒ es gerwe gebuwen würde, bis zum völligen ausbau. Schmidt gottesfr. 143 (s. gar vollends 6, a), neben häufigem gar ebend., bei starkem ton und sinne eintretend; ebenso beim dichter des Reinfried:
nû volgent mîner lêre,
sô mag iu niemer mêre
an keiner slahte dingen
gerwe misselingen.
21652 u. ö.,
vergl. altn. gerva I, 3. in völligerer form auch mhd. garlîche, gerlîche, ahd. garalîho, nhd. erloschen.
b)
seine stellung hat eine gewisse freiheit, wie sie sonst unserer sprache nicht eigen ist, getrennt von dem begriffe zu dem es unmittelbar gehört, meist aus gründen der betonung (s. schon unter II, 4, b, ε), z. b.:
also di vil (menge) der christenschar
aufs kürzest sei beruͤret gar.
aufs allerkürzeste, gar im reime, wie mhd. sehr oft, s. II, 4, b, ε;
es ist ein rechtes wunderlicht
und gar die alte sonne nicht.
so auch in der alltagsrede, damit gar hervortrete; in den letzten tagen zu Hameln (weilend) habe ich gar von keinem briefe erfahren. Chamisso (1853) 5, 209, ebenso.
c)
in gleicher weise beim art., schon mhd., obwol man in den zwei ersten fällen gar als adj. festhalten könnte:
zwâr er ist gar ein guotir
beide guotis unde lîbis.
Athis F, 148;
der fürste lobebêre
was gar ein gût rihtêre.
heil. Elisabeth 3320 u. ä.;
eʒ was in Doringinlande gar ein rîcher ritter, der hatte gar ein schôniʒ wîp. Ködiz 21, 26; es ist gar ein klein ding .. Luther 1, 189ᵃ;
schlief gar eine kleine weile.
Uhland volksl. 438;
ir einr thet garn tapfern sermon.
Waldis Es. III, 100, 27,
garn gleich gar einen t. s.;
da hastu bald gefunden
gar einen neuen fund.
Opitz 1, 439;
du hast gar einen hohen sinn.
Göthe 1, 190;
habe noch gar einen feinen gesellen.
12, 156;
noch gar einen braven mann habe ich kennen lernen. 16, 13; der mensch hat gar eine eigne lust proselyten zu machen. 22, 47; das müszte gar eine schlechte kunst sein, die sich auf einmal fassen liesze. 22, 48, dagegen z. b. einen gar bequemen wagen 19, 31.
d)
und noch weiter erstreckt sich diese freiheit: den ganzen menschen, so von leib und seel, von gar zwo widerwertigen naturn ist zusamen gbosselt. Frank spr. 2, 121ᵇ; ich habe nur gar zu ein teutsch herz, den ich kan mich noch nicht getrösten über was in der armen Pfalz vorgangen. Elis. Charl. v. Orl. 12; s. auch gar mein bild nicht 2, d, γ, vgl. bei ganz sp. 1298.
e)
verstärkung erhält es namentlich durch das gleichbed. ganz, das gewöhnlich vorausgeht, aber auch nachfolgend vorkommt, gar und ganz prorsus Maaler 157ᵃ, belege s. sp. 1303 fg., wo auch 'ganz gar' u. a. zu finden ist. wie dort ganz und ganz, so auch gar und gar mhd. wb. 1, 480ᵇ, gewiss noch später; wie es erhöhte stimmung auszudrücken dient, zeigt z. b. folg.: eʒ wellent etelîche zwelf gevatern haben zuo éinem kinde .. an eime hâstû gar genuoc, an zwein gar vil, an drin gar unde gar ze vil. Berthold 32, 17. eigen gehäuft nit gar durch ein hin witzig Frey garteng. 49, es ist wie ganz durch bitter sp. 1303, einhin aber verstärkt die sinnlichkeit des durch, vgl. hindurch und durchhin, von einem ende zum andern, während ein das eindringen bezeichnet. gar zusammen, wie alle zusammen:
diese hunde gar zusammen
kummen nur aus faulem stammen.
Logau 1, 7, 65.
s. auch das adj. und adv. algar II, 4, b, ε und so gar III, 4, a.
2)
die bed. ist eig. ganz im allgemeinsten sinne, erwachsen aus der bedeutung vollkommen (II, 4, a), doch ist heute auch dieser gebrauch auf einige gebliebene fälle beschränkt, auszer in der formel ganz und gar. man wechselte übrigens auch mit beiden, z. b.: sô ist er (der mond) niht ganz vol, und wenn er gar under der sunnen ist, sô .. Megenberg 65, 8;
ihr ganz vergälltes volk, ihr gar verstockter sinnen.
a)
beim verbum, schon ahd. auch unsinnlich z. b. caro ni wiʒʒan, penitus ignorare, alts. garo witan genau, völlig wissen, ags. gearwe witan, wo denn das adv. unzweifelhaft ist; sonst genügen einige nhd. beispiele: gar verderben, deperire. voc. 1482 k iijᵃ;
Welschland ist gar erschrocken
ab diser einigkeit (Deutschlands)
und förscht, der met sei (ihm) gsotten,
darvon ist lang geseit.
Soltau 2, 62, Liliencr. 3, 69ᵃ;
wieder auch nachgestellt, auch ohne die veranlassung des reims:
vor jaren smeckt er (der wein) wol,
ee das in (uns?) versalzet gar
das ungelt und der zol.
fastn. sp. 1105;
der glaube des sacraments thuts gar, die beicht sei zuviel oder zuwenig. Luther 1, 66ᵇ; seiner kinder gar beraubt. 1 Mos. 43, 14; dasz uns gott gar verlassen habe. 2 Macc. 7, 16, deutlich nicht omnes und nicht totus, sondern omnino, während in vielen fällen eins von beiden noch in das gar mit herein klingt (vergl. dazu c);
weil wir itzt stehn verlassen gar
in groszer trübsal und gefahr.
Mützell geistl. l. 490;
die guten löblichen sitten thet er gar abe. 2 Macc. 4, 11;
dein gemahel treülich leiden,
freche unkeüsch gar vermeiden.
wir sind umb die gewonheit gar kommen, hanc consuetudinem penitus amisimus. Maaler 156ᵈ; ich bin gar der meinung, magnopere censeo, das., wie gänzlich der meinung sp. 1310;
dieweîl aufrichtigs thun in der zeit, da wir leben,
schier gar verschwinden will.
und sie .. erliegen gar darnider.
Weckherlin 245 (ps. 107, 19);
hört auf, ihr gar éin sinn, hört auf mit euren tänzen,
ermüdet euch nicht gar ..
Fleming 157 (66 Lapp.) am schlusse eines hochzeitged., zum brautpaar;
und dasz mans itz begreife gahr,
so wil ichs auf die kürze wagen ..
Rist Parn. 401;
idoch vergiszt gott, bei solcher allgemeiner wüte seines grimms, der seinigen nicht gar ... Butschky Patm. 205, deutlich nicht omnium oder totus, sondern omnino; noch im 18. jh. (s. auch b am ende): eben so eine wunderliche verdopplung ist mit dem Mallet .. vorgegangen. einmal heiszt er Carl und gleich drauf Peter. der wahre Carl Mallet aber, ein cisterziensermönch u. s. w., ist gar weggeblieben. Lessing 3, 167, in der anzeige von Jöchers gelehrtenlex.; versage dir die befriedigung .. wenn auch nicht in der stoischen absicht, ihrer gar entbehren zu wollen. Kant 10, 168, ein sehr später fall, und nur dadurch noch gehalten, dasz eigentlich dahinter steckt nicht gar, nicht ganz (s. d, α), wie bei Lessing vielleicht an gar nicht erwähnt gedacht ist.
b)
beim adj. oder adv. o. ä.: dʒ mir mein herz nach meiner beicht ist also leicht, das mich deucht, ich sei gar ein ander mensch. Alberus wider Witzeln M 7ᵃ, vgl. 5, b; es gehet gewalt über recht. darumb gehets gar anders denn recht .. Luther Habak. 1, 4; ein kind das zu frü geborn ist, ehe es gar völlig und reif ist. Dietz 2, 9ᵇ; in sünden gar tod. 10ᵃ;
an witzen bistu taib und blind
und gar gewiss des teufels kind.
gar kürzlich sagt er mir behend ..
150ᵇ, ganz kurz;
ist zehoffen gar umb sunst.
128ᵇ;
er wolte mit ihr gar nichts zu schaffen haben und schlug es gar kurz ab. buch d. l. 212ᶜ;
gar blosz am heupt, am hals und brust
das war der alten Sachsen lust.
froschmeus. Ss 7ᵃ (III, 1, 15);
sie gehen schlecht gekleidet, einige fast gar blosz. Olearius ros. 8, 67; ein gar alt holländisch buch. 7, 13; vor gar alten zeiten. das.; ich weisz gar wol, was dran mangelt. Schuppius 2, jetzt ganz gut; fragt nach, wer die kranke sein .. ob es auch gar arme leut sein. 205; er schwieg zwar .. nicht gar stille, sondern sagte .. 298; da sie beide gar alleine aus ihren kürassen mit einander redeten. 389;
liber bleib ich gahr allein,
ich mag nicht selbander sein.
Rist Parn. 416.
noch im 18. jh., auch noch bei Göthe in früheren jahren, oder wo er vermutlich seiner heimischen rede nachgibt: gehen sie aber aus, oder es käme jemand, lassen sie mirs nur vor 2 uhr sagen, so bleib ich gar zu hause. an frau v. Stein 1, 90;
gar recht! du hast dich nicht geirrt.
11, 141,
vgl. gar wol! als ähnliche bestätigende antwort, wo auch noch 'ganz gut' gemeint scheint:
'wie hast du an der welt noch lust,
da alles schon dir ist bewuszt?'
gar wol! das dümmste was geschicht,
weil ich es weisz, verdrieszt mich nicht.
3, 288;
gar einzeln naht sich dann und wann
ein etwa grundgelehrter mann.
13, 47 (das neueste von Plund.).
c)
wie es seine kraft zwischen verbum und nomen u. ä. theilt, dafür noch ein paar beispiele, das ist der gewinn des abstoszens der endungen, dasz dadurch solche mehrseitigkeit möglich wird, wie sie oft der gedanke verlangt:
an dir (dem nagel) versuch ich pasz mein sterk,
bisz ich dich gar heraus gewinn.
den ganzen nagel (s. II, 4, b, β) oder 'ganz heraus', wie heute in der nagel ist ganz heraus das ganz diese doppelseitigkeit hat; trank die schalen nicht gar aus. buch d. l. 213ᵈ;
drinks gar aus, drinks gar aus!
Uhland volksl. 592 fg.,
der kehrreim in einem trinkliede, wie trinks gar aus! in der trunkenen litanei als zuruf Garg. 91ᵇ (Sch. 158), nd. hêl ût! Uhl. 587, vgl. IV², 817, auch gar aus u. e, α, mehr unter austrinken, bei Frank spr. 2, 10ᵇ heiszt auch ein fresser 'frisz gar aus' (d. i. frisz's);
man musz (in der malerei) nicht iedes stuck mit farben gar follenden,
der freie fäderrisz und tuschung steht auch wol,
vernuͤgen oftermal das lüstrig aug der richter.
da kann auszer 'ganz fertig machen' auch 'das ganze stück' und 'mit lauter farben' gemeint sein; ziehen auch mein herz gar ab von allen vergänglichen dingen. Schuppius 431.
d)
jetzt lebendig ist es nur noch bei verneinungen, aber auch da mit einer eigenthümlichen beschränkung.
α)
nach der verneinung stehend: trank die schalen nicht gar aus. buch d. l. 213ᵈ; das er nicht gar heil ist. Luther bei Dietz 2, 9ᵇ;
ein armen esel, der nicht gar
ganghellig, sondern elend war.
Spangenb. lustg. 21 (s. sp. 1250),
wieder im hervorhebenden reime; innerhalb nicht gar siebenzehen jahren. Schuppius 781;
und wan ja der musen kunst
nicht gar eitel und umbsunst.
und so noch im 18. jh.: Wiel. das hab ich alles auch. Eurip. nicht gar. Göthe 33, 277 (götter, helden u. W.); dasz eine theorie der künste für Deutschland noch nicht gar in der zeit sein möchte. 33, 25; eine nicht gar ellenhohe .. copie. 32, 77; aus einem etwa dritthalb ellen langen und nicht gar eine elle breiten stück. 29, 235; es ist nicht gar eine hand grosz. 27, 273; batterien, die .. die stadt nicht gar in der entfernung einer halben stunde umgeben. 30, 285; wir haben nicht gar drei jahre zusammen gelebt. 10, 132; das essen ist noch nicht gar fertig. 10, 129, er hat es nie ganz abgethan; man kann .. nicht gar unrecht .. vergleichen. Schiller 694; wenn man dem begriff der sittlichkeit nicht gar alle wahrheit .. bestreiten will. Kant 4, 28. das ist jetzt abgekommen, auszer etwa landschaftlich, und in der abgeschwächten bed. 4, e, die schon bei Schiller vorliegen kann, wie bei Kant die bed. 'vollends' (6, a) hereinspielen mag. sonst nur noch nicht ganz.
β)
allgemein nur noch gar nicht u. ä., während in der schriftsprache ganz nicht erloschen ist und zwar erst unlängst (sp. 1302), in ganz und gar nicht aber doch mit lebt: ein verzweifelte sach, der gar nit zu helfen. Luther bei Dietz 2, 10ᵃ; gar nicht zu leiden. das.; der dritte entschüldiget sich gar nichts. das.; haben wir gar keiner vergebung zu hoffen. das.; gar niemand. 2 Macc. 6, 6; verhoffe ich, der freindliche leser werde darumb mein leben, als denselbigen dichtungen gleich, gar nicht verdammen. Weckherlin vorr. zu d. weltl. ged.; dáran war aber nun gar nicht zu denken! Göthe 25, 350; ist dieses kein glück, so musz gar keins in der welt sein. Gellert lustsp. (1748) 10; ich argwohne gar nichts. 15;
mit déssen volkes lust, das an der erden klebt
und seinen schwachen geist gar nimmer aufwerts hebt.
Opitz 2, 107;
ganze ballen schöner bücher .. die gar nimmer zu haben sind. J. Paul teuf. pap. 1, xii; unter dem komponiren der geschichte musz ein autor auch darauf auslaufen, dasz sie nicht nur keine wahren personen treffen und verrathen, sondern auch keine falschen und gar niemand. Tit. 1, 71, zugleich 'überhaupt niemand', s. 6, b. auch fläm. z. b. gaar niet. früher auch umgekehrt 'nicht gar' als verneinende antwort, ganz und gar nicht:
was dient bei hof am meisten? der kopf? nicht gar! die zunge.
was dient bei hof am treusten? das herz? o nein! die lunge.
Logau 3, 5, 9.
γ)
bemerkenswert ist, wie doch auch da gar seine freiheit eingebüszt hat in der schriftsprache und der dieser durchaus nachstrebenden sprache der gebildeten: es ist vielmehr zu verwundern, versetzte Natalie, dasz es so viel ähnlichkeit hat, denn es ist gar mein bild nicht, es ist das bild einer tante. Göthe 20, 162, das gälte jetzt für niedrig, denn unterm volke hat gar solche freiheit bewahrt (vgl. u. 1, b); aber gar gehört dort gar nicht ausschlieszlich zu nicht, wie mans jetzt fühlt, sondern ebensogut zum ganzen gedanken, daher in den ton des verbums tretend: es íst gar m. b. n. Eine jetzt unbegreifliche freiheit zeigt auch folg.: solche sachen kann ich im abwesen gar weder sonst noch so urtheilen. Luther br. 2, 445, nicht wird aufgelöst in 'weder so noch so' (mhd. weder sus noch sô), aber gar behält seine stelle, es war eben begrifflich gar nicht an nicht gebunden. Übrigens kann auch hier die abschwächung der bed. eintreten (3, e), mit schwächerem tone, z. b. das ist gar nicht übel, gleich nicht ganz übel, d. i. nicht eben, nicht gerade übel; noch im 18. jh. war ebenso gut sagbar nicht gar übel oder ganz nicht übel. s. auch so gar nicht 4, d.
e)
einige fälle sind besonderer erwähnung wert.
α)
gar aus, eig. ganz zu ende, ganz fertig: als solte der jüngste tag ehe daher brechen, denn wir die heilige schrift gar aus verdeudschen kündten. Luther 5, 1ᵃ (vom j. 1530). dann gleich 'ganz fertig', ganz alle in dem sinne u. II, 4, c: es sind rohe leute und sagen 'es ist ein kurz und mühselig ding umb unser leben, und wenn ein mensch dahin ist, so ists gar aus mit im.' weish. Sal. 2, 1; dazu es mit einem gar aus machen Neh. 9, 31 (s. garaus 4, e). auch persönlich: die güte des herrn ist, das wir nicht gar aus sind. klagl. Jer. 3, 22, vulg. consumpti; seine güte ists, dasz ich noch nicht gar aus bin. Gellerts tagebuch 3. juli 1761 (Lpz. 1862 s. 81), vergl. einen gar ausmachen, perdere unter ausmachen 2 (16. jh.), auch bloszes aus so, z. b. aus sein, verloren sein Henisch 157, anderseits auch bloszes gar II, 4, c. noch jetzt volksm., z. b. von einem der toll wirtschaftet, mit dem ists bald gar aus (wie ganz alle), es wird noch gar aus mit dem; s. dazu garaus m. n. und das trinks gar aus u. c, mit dem man nach folgendem jenes gar aus zusammenbrachte:
nun trinket man den wein gar aus,
darumb musz mancher aus dem haus.
Henisch 908, 65.
flämisch, in Limburg, als adv. gaaruit (gespr. garût), durchaus Schuermans 136ᵇ.
β)
bei räumlichen und zeitlichen bestimmungen, wie jetzt ganz, z. b.: in manchen orten stellen sie das grab .. auf ein hohen platz, da man vil staffel aufgehet, die mit schwarzen tüchern von oben bis gar hinab bedeckt sein. Fischart bien. 150ᵇ. zeitlich: nicht gar vor dem gänzlichen untergang der statt Jerusalem sind innerhalb 7 jahr umbkommen 12 mal hundert und vierzig tausend menschen. Schuppius 782, vergl. d, α.
γ)
gar nahe, gar bei, ganz beinahe: traf ihn mit seiner faust auf den rechten schenkel, dasz Floren gar nahe zurück gefallen wer. buch d. l. 15ᵇ u. o.; das ich gar nahe in (den Baruch) hette mit dem dritten und vierden buch Esra lassen hin streichen (unübersetzt). Luther bei Bindseil 7, 420; gar nahet so viel secten und unterscheid als köpf sind. postille 1528 166ᵇ. mit bei: das ist gar bei so fil geredt .. Keisersberg trostsp. EE 5ᵇ; denn inen (der groszen menge der turnierenden) gar bei die schranken zu eng gewesen. buch d. l. 242ᵈ; diser see verseihet zuͦ summerzeit gar bei ganz und dann wachsen da beüm. Frank weltb. 166ᵇ. eigen selbst ganz gar bei, als höchste steigerung von bei nahe: doch bei nahe das ander land umb sünd wegen der einwoner durch zerstörung gar bei ganz verwuͤst ist worden und auch ganz gar bei unfruchtbar ist worden. das. 176ᵃ. betont gar béi, gar náhe, daher auch zusammen garbei, garnahe (s. d.), zugleich aber, wie oben der ton auch andeutet, von der vollen bed. herabgestimmt zu der von starkem 'sehr', die denn wieder gesteigert ist durch ganz in dem gánz gar béi. bei Dasyp. 177ᵃ auch 'pene, gar schier, bei', im deutschen theile aber auffallend blosz 'gar pene' 335ᶜ, wie doch schon ahd. einmal garawo pene Graff 4, 240, also gar allein als beinah.
3)
Die bed. stieg aber auch von ihrer vollen kraft zu schwächeren graden herunter, eben wie bei ganz (B, 7), aber viel weiter entwickelt als bei diesem, und weit früher.
a)
die unvermeidlichkeit dieser schwächung wird wol besonders deutlich bei zahlengröszen. in gar nichts, gar kein, gar niemand hat es seine ganze kraft noch, ebenso in gar alle, gar alles das dem entsprechend noch landsch. in gebrauch ist, z. b.: alles war jetzt gar dem maurer und der frauen zur aufwart (dienstbereit). Pestalozzi 1819 2, 239, mit der nachstellung wie unter 1, b; mit dir und für dich kann ich gar alles. Felder Nümmam. 201; so ein harter gefrorener mensch wie der ist zu gar allem fähig. sonderl. 1, 75, auch steigernd alles, gar alles (vgl. c am ende). Aber bei allem was in der mitte liegt, wie viel, wenig, verliert in folge der unbestimmtheit dieser begriffe gar eig. von selber seine spitze, vgl. schon mhd. bei Berthold u. 1, c die steigerung gar genuoc, gar vil, gar unde gar ze vil, obwol da, wenn gar betont wird, noch völlig genug, ganz viel oder geradezu viel gemeint sein kann; aber schon ahd. wol auch schwächer, nach der steigerung alagaro zu urtheilen, wie ags. in geare, geara valde, satis Grein 1, 493. nhd. z. b.:
Deütschland ist worden eis (eins, alem.),
das doch nie ist gehöret
in gar vil manchem jor.
Soltau 2, 62, Liliencr. 3, 69ᵃ,
man sieht, wie die volle empfindung nach der starken steigerung des manch suchte, und doch gar längst nicht mehr volles 'ganz' war, vgl. sein herz dacht gar viel anders 1 Mos. 45, 26;
ich bin gewest an manchem end
und hab versucht gar vilerlai.
eine schattige stelle, wo im tiefen ruhig klaren wasser gar manches fischlein sich hin und her bewegte. Göthe 22, 194. und wie gar mancherlei, auch gar allerlei (s. gar alles vorhin): indem die haushälterische matrone gar allerlei gesundes getränk daraus zu bereiten gewohnt war. 22, 193. 'ganz mancher' besteht gar nicht, wol aber ganz wenig, ganz viel, denen doch gar wenig, gar viel in der stärke nicht gleich kommt, auszer wenn gar in hervorhebenden ton tritt, wie im folg. durch seine stellung (vgl. 1, b): er gieng aus, ritt aus, wies ihm einkam, gar mit wenig leuten. Göthe 8, 172, was mehr meint, d. h. weniger leute, als mit gar wenig leuten. ganz eigen ist mhd. umgekehrt vil gar, völlig, gänzlich, z. b. Nib. 1077, 2. Iw. 518. 745, wo doch der begriff von gar durch vil zu verlieren scheint, wie in dem auch gebrauchten harte gar.
b)
die ganaue stärke dieses schwächeren gar anzugeben ist schwer, oft unmöglich, da sie von der ungeschriebenen betonung abhängt wie so vieles in der sprache (vgl. c a. e.). in den vocc. des 15. jh. wird das lat. per damit wiedergegeben, z. b. im voc. 1482 kijᵇ garalter persenilis, gardurr peraridus, gardick, garoft persepe, garweniger perpaucus (die zusammenschreibung bezeichnete den tonverlust von gar), auch prae, z. b. das. garklarer preclarus, garherter predurus, gargerader precisus, und valde, z. b. garkleiner valde parvus, vgl. garsere, garfast valde, apprime kijᵃ, valde gar sere, auch blosz gar Dief. 605ᵇ. so im 16. jh. bei Maaler 156ᵈ z. b. gar alt perantiquus, gar bhend praepropere, garferig perexpeditus, gar kurz perbreviter, auch für admodum: gar seltzenlich, raro admodum, oder für den schwachen superl.: gar vil plurimum, gar veer longissime 157ᵃ, wie im 17. jh. z. b. gar lose, pessimus Stieler 604. völlig gleich sehr, als oberd. z. b. bei Heynatz 2, 3 getadelt er ist gar zu gar zugerichtet, auch gar zu gar sehr zugerichtet.
c)
beispiele, doch mit mancher unsicherheit:
die (wucherer) kaufen es (das korn) umb die pawern ein
und schüten die kasten vol,
und geben es nicht herwider raus,
man bezal ins dann gar wol.
Rosenblut fastn. 1104;
bei dem wein ist uns die weil gar kurz
und in der kirchen lang.
1105;
darnoch erwachet sie gar kurz.
1146;
ich will aber gar kürzlich zu euch komen. Luther 1 Cor. 4, 19, für gr. ταχέως; welchs sie gar übel verdrosz. weish. 12, 27; es müsten gar starke bein sein, die gute tage solten tragen. bei Dietz 2, 10ᶜ; jungker Faulwitz gar klug ist. das.;
mit unser macht ist nichts gethan,
wir sind gar bald verloren.
ein feste burg v. 2;
J. Aventini .. chronica, darinn nit allein des gar alten haus Beyern .. geschichte, sondern auch der uralten Teutschen ursprung u. s. w.;
wie von der schweren bürd
ein schwacher rücken gar in sich (hinein) gequetschet wird.
kahmen sie an einen verdächtigen ort, welcher der räuber halben gar unsicher. Olearius ros. 3, 27; einsmals kam er zu mir und war gar melancholisch. Schuppius 34; se hot gar städtisch larnen reden. Gryphius Dornr. 74, 5;
denn kömmt ein wetter drein,
was kümmerst du dich drum?
du kannst gar ruhig sein,
du nimmst den mantel um.
Weisze kom. op. 3, 17,
wo vielleicht doch ganz ruhig gemeint ist, s. 2, a. b; die gar subtilen männer (gelehrten) sind selten grosze männer. Lichtenberg 1800 1, 173;
du liebes kind, komm geh mit mir!
gar schöne spiele spiel ich mit dir.
Göthe 1, 183;
es war ein könig in Thule,
gar treu bis an das grab.
1, 187;
gar ungeschickt zu fragen.
3, 117;
ich bin gar glücklich. 7, 122; mit einer gar glücklichen ge sichtsbildung. 16, 13; er hat eine gar glückliche .. art die sachen anzusehn. 29, 61; wir haben einen gar jungen, lustigen, hübschen schwager gehabt. 10, 129; indem der schalk mit einem gar frommen gesichte .. sich neigte. 18, 238; ach, sie sind gar groszmüthig! Schiller 644ᵃ, wis sie sind gar gütig u. ä.; die schwägerin .. ist ein gar von gott geküsstes kind. Chamisso (1853) 5, 209. Dieses vielgebrauchte gar, das doch nicht überall gleich entwickelt ist, z. b. in Sachsen weit weniger als in Thüringen, sagt mehr als recht, eigentlich auch mehr als sehr; es bezeichnet einen unbestimmten grad, den man durch den ton wol andeutet, aber dem hörer überläszt sich zu denken, der gewissermaszen ins endlose weist, sodasz es unter umständen selbst über ganz hinausgeht. eine gar gute oder gar eine gute frau, ach die frau ist gar zu gut! mit einem gewissen tone meint: so gut, wie du noch nicht weiszt, oder wie ich gar nicht sagen kann; am ähnlichsten ist so gut, wo kein wie oder dasz folgt, die dem hörer zu ergänzen bleiben. vgl. gar so gut u. 5, a. Diesz weisen ins unbestimmte ist besonders deutlich in folg. steigerung mit nachgebrachtem gar, der volksmäszigen rede entnommen:
wir sehn uns wieder, weit gar weit (so) von hier.
Göthe 4, 302. 41, 245 (Faust 2. th. 3. a.).
d)
die unbestimmt steigernde kraft zeigt recht deutlich auch schwäb. er ist gar einer, ja dás ist ein mann oder ein kerl o. ä.; auch die buben machen gar einen lärmen! Schmid 220. ähnlich beim bloszen subst. mit art.: doch gehet nichts über ihn, er ist gar ein teufel. Köhlers kunst über a. k. 117, 10, bei Shakspeare a very fiend; dosz ist aber gar der teufel! Gryphius dornrose 51, 16.
e)
das schwächere gar auch in nicht gar zuweilen (in voller kraft s. 2, d, α):
ich kenne manche wol,
die diese strafe nicht gar grosz erschrecken sol.
Opitz 1, 430,
nicht eben grosz, nicht gerade sehr, in scherzhaft satirischem tone (es ist von der strafe, ein glas mehr trinken zu müssen, die rede); so noch geläufig das ist nicht gar schlimm, auch umgekehrt gar nicht übel; vgl. nicht so gar u. 4, c.
4)
Anderseits hat die volle bed. ganz bei gar auch neue wege eingeschlagen, die ganz nicht betreten hat oder nur wie versuchsweise, wie bei dem zunächst folgenden.
a)
so gar gleich so ganz, wo dem so kein ausgesprochenes wie oder dasz entspricht; so schon ahd., mhd., z. b. bei Otfried in Christi seufzer am kreuze:
druhtîn mîn, druhtîn mîn,
ziu irgâʒi thu mîn,
sus garo mih firliaʒi ..
IV, 33, 18,
so ganz, wie ichs da erfahre, vgl. alts. sô garo Hel. 3545. 4179; mhd. sô gar, alsô gar (vgl. c):
diu kristenheit gelepte nie sô gar nâch wâne ..
Walther 33, 31;
nhd. bis heute: denn wo wir das versehen (beim abendmahl), so ist der rottengeist da und schreiet, wir henken, morden und creuzigen Christum, so trefflich ding ist hie (so wichtiges steht auf dem spiele), und so gar ligt hie die seligkeit vergraben, viel mehr denn in Christus wunden, blut, wort und geist. Luther 3, 55ᵃ, ironisch; gott, warumb verstöszestu uns so gar. ps. 74, 1; was die ursach sein möge, dasz die Teutschen ihrer vorfahren reputation und siegseligkeit so gar in kriegen verlören? Zinkgref 1, 222; die philosophie ist gut, und die leute haben unrecht, die ihr so gar hohn sprechen. Claudius 3, 188 (120), sie so ganz verhöhnen; ich möchte so gar gern einen tyrannen sehen dahinfahren. Schiller 139ᵃ;
ich bin so gar ein armer mann.
Uhland ged. 11.
b)
besonders gern so, dasz der dem so entsprechende gedanke vorausgeschickt wird und so gar wie summierend nachgebracht: ich hab den spruch bisher nit verstanden, so gar bin ich von den lutherischen verfürt worden. Alberus wider Witzeln M 7ᵃ; so gar nam er im alles. Luther 4, 27ᵇ; es ist kein nachteil on ein vorteil .. klein leut haben grosze herzen, hoch und künstlich sinn, dasz etwa ein groszer man einen kleinen umb hülf und rath muͦsz anruͦfen, so gar laszt die natur nicht dahinden. Frank spr. 2, 150ᵃ. Logau in dem gedichte 'an mein väterlich gut, so ich drei jahr nicht gesehen':
glück zu, du ödes feld! glück zu, ihr wüsten auen,
die ich, wann ich euch seh, mit threnen musz betauen,
weil ihr nicht mehr seid ihr, so gar hat euren stand
der freche mord-gott Mars grundaus herum gewand!
1, 3, 4.
auch als begründung einer behauptung:
doch nicht für möglich acht ichs — so gar steil
gehts an — vom schiff es (das felsenriff) springend abzureichen.
Schiller Tell 1804 s. 163,
was sich denn leicht umsetzt in es ist gar so steil gleich gar zu steil, s. 5, b.
c)
auch kräftiger also gar, wie schon mhd., noch im 16. jh.: also gar liegt es alles am glauben. Luther 1 (1555), 189ᵇ, mhd. z. b.:
unt dô si ir daʒ guot
alsô gar benâmen.
Nib. 1081, 3.
im 16. jahrh. auch noch, wie gleichfalls schon mhd., in wie gar umgesetzt, d. h. vollends in die form des ausrufs, die so gar schon halb enthält: o du feiner geist, wie gar kanstu nicht bergen .. Luther 3, 49ᵇ; mhd. z. b. adjectivisch:
wie gare die laster (schande) danne sint
unser beider, vrouwe!
Rother 2084.
Auch nicht so gar ..., wie nicht gar 3, e, auch wol in der schwächeren bed. wie dieses: eines frommen mannes herkommen und eines guten weins heimet müsse man nicht so gar genaw nachfragen. Zinkgref 1, 79, noch jetzt, obwol lieber nicht gar zu genau (5, c);
frei ja nach ehr und redligkeit,
darzu nach wolgezognem blut
und nicht so gar nach geld und gut.
Ringwald laut. warh. 177 (158),
gemeint scheint: nicht ganz so, wie man es freilich meist thut, nicht zu sehr; die mädchen ... müssen es den junggesellen auch nicht so gar sauer machen. Gellert lustsp. 31.
d)
aber auch mit wirklich folgendem dasz nach so gar, bis ins 18. jh. (wie so ganz .. dasz bei Luther u. ganz II, B, 3, a):
dann untrew, finanz und das gelt
hand ietzund so gar überhand,
das trew ist gwichen aus dem land.
Wickram bilger g 2;
dazu gehört so gar kein urtheil über die beschaffenheit des objects, dasz .. Kant 7, 47; der ganze begriff kann aus diesem begriffe so gar nicht bewiesen werden, dasz er vielmehr dazu dient ... 1, 72, freilich bei verneinung, wo gar gleich ganz am längsten blieb (2, d). aber auch ohne eine solche, doch unter besondern umständen: es ist so gar sehr ungewiss, ob gott .., dasz man eher ursache hat .. Kant 6, 383; da kann wol so zu 'gar sehr' gehören, zumal bei folg. dasz, aber es schlägt wol schon in 'sogar' über, das auf diesem wege entstanden ist.
e)
es wurde nämlich gern als führer eines ergänzenden oder steigernden gedankens nachgebracht, z. b.:
Ferrau verirrte sich im walde, ja so gar (so ganz),
dasz er kam wieder hin, da er am ersten war.
Werder Ariost 1, 23, 7;
nächst der (logik) lieget ihm (dem werdenden dichter) ob, noch gar vieles von künsten und wissenschaften zu begreifen. so gar, dasz auch diejenigen studia hiervon nicht auszunehmen, die man zu seiner künftigen lebensart erwählet. vorrede zu Günthers ged. a 5ᵃ; so wird dieser durch seine falsche hoffnung in allen seinen wiederwertigkeiten unterstützet: so gar, dasz wenn ihm jemand die unmüglichkeit der verhoften sache vor augen legen solte, er zweifels ohne in diese bekante worte ausbrechen würde: pol me occidistis, amici .. Wernike (1704) 246; deine wollust gucket doch allenthalben durch, und ob sie schon für denen augen der thörichten welt .. nicht entblöszet ist, so gar, dasz deine ärgsten feinde durch die masqve, die dein ehrgeiz .. fürgehalten, nicht sehen mögen .. Thomasius 689, was dann in dasz so gar umsprang. denn dieses só gár ward im 18. jh. durch den gebrauch so entkräftet, dasz es ton und sinn halb verlor und in den von ihm erst abhängigen satz hinübersprang (ein weg, auf dem partikeln oft entstehn, s. z. b. V, 2842); man bemerke dabei den fortschritt der interpunktion vom punkte zum kolon und komma vor so gar. übrigens wird jetzt gern ein neues so voraus wiederholt, so dasz ihrer nun zwei stehn statt eines. doch noch lange im 18. jahrh. schrieb man auch getrennt so gar, bis die aussprache sŏgár die heutige form unvermeidlich machte; jenes z. b.: und auf diesen einfall ward eine ganze viertelstunde gelacht; in einem fort, in einem fort; so gar das trinken ward darüber vergessen. Lessing lustsp. 1767 1, 93 (jung. gel. 2, 8), wo auch die entstehung noch sichtbar ist, eig.: 'só gár gelacht' oder 'só gár in einem fort', dasz u. s. w. umgekehrt doch auch schon sogar, wo wir so gar schreiben würden (beides war eben noch nicht geschieden): noch musz ich eine kleinigkeit mit einem worte berühren, die jedoch hier sogar kleinigkeit nicht ist. Lessing 10, 361 (5. beitr. zur gesch. u. lit. s. 40). ebenso ist lat. adeo entstanden. s. auch 'gar so' gleich sogar 5, a.
f)
übrigens erscheint auch gar allein gleich sogar, mit starkem tone.
α)
daher wird es gern ans ende gestellt (wie mhd. sp. 1318):
ein dichter, der bei hofe war —
bei hofe? was? bei hofe gar?
Gellert 1, 151 (der glückl. dicht.);
heisze magister, heisze doctor gar.
Göthe 12, 29;
wie sie kurz angebunden war,
das ist nun zum entzücken gar.
12, 133;
bedauerst ihn noch gar!
12, 187;
und damit schleudert' er auf ihn,
und traf die stirne gar.
Claudius 3, 173 (111);
jetzt hindert mich das schlosz noch gar.
Göthe 7, 65,
auch umgekehrt nun kommt mir gar noch der kerl in den weg u. ä.; weine noch gar! Göthe 8, 193;
und nicht selten gar .,.
steht er zuletzt auch vor gericht beschämt.
9, 363.
β)
besonders eine steigerung, die wider erwarten eintritt, wird damit ausgesprochen:
du armer kriegesmann, du magst wol niderlegen
nun alles dein gewehr, bis gar auf deinen degen.
Werder Ariost 11, 25, 6,
alle waffen so gar (s. II, 4, b), dasz u. s. w., wie sich früher auch gesagt finden wird; mir wurden gar des königs dienste angeboten. Simpl. 1, 367 Kz.; ich gedenke noch den tag zu sehen, da man mich wird 'genadiger herr' titteln, oder auch wol gar 'eure lenz'. Gryphius Dornr. 100, 13; er kam gar zu mir ins haus Ludwig 690; man hat dieses nicht allein allen alten philosophis, sondern auch gar denen christen gethan. Thomasius 682; er hat ihn auch gar geschlagen Frisch 1, 319ᵃ; das gottlose volk kömmt gar und stört einen im beten. Gellert lustsp. 150 (betschw. 1, 2); ja gar, ja sogar: durch mittel, die ofters aus (auszer) denen regeln der politischen weltweisheit zu sein, ja gar wider dieselben zu laufen geschienen. Thomasius 684;
du solst in einem nu befreiet von beschwerden,
ja gar ein groszer könig werden.
Willamov dialogische fabeln (1765) 24.
Besonders auch vermutungen, drohungen, andeutungen, hoffnungen von unerwartetem, überraschendem werden damit ausgesprochen, Adelung hat ausgezogen: ich glaube, sie wollen mich gar unterrichten; hat sie etwa gar meine untreue erfahren?; es ist vielleicht gar eine verirrte prinzessin; die freundschaft, die so leicht parteilichkeit des herzens, und wol gar selbstliebe wird. Gellert ...., besonders häufig dieses wol gar; spannen sie die saiten nicht zu hoch. die frau Richardinn möchte sonsten gar nein sagen. lustsp. 1748 s. 167 (betschw. 1, 9); sie misfällt mir nicht. vielleicht — gefällt sie mir gar. 35 (zärtl. schw. 2, 1); sie .. sagte dreist, sie hätten unrecht, wo sie nicht gar noch mehr sagte. 39, auch blosz wo nicht gar, z. b. die nachricht ist ungenau, wo nicht gar erlogen. das sieht fast alles aus, wie erst aus sogar gekürzt.
γ)
doch in vielen fällen ist es aus der alten bedeutung 'ganz' begreiflich, kann selbst mit ganz tauschen, oder mit vollends u. ä. (vgl. 6, a), auch mit geradezu, das schon unter β mehrmals eingesetzt werden könnte:
auch ist ihr hoher ruhm bisz gar nach Thule kommen.
Rist Parn. 342,
mit der anm. die königlich dennemarkische grosze insel Eisland; dasz wo alamodo inreisze, allda die tugend abreisze, oder wol gar verreise. Weidners Zinkgr. 3, 163; oder vielleicht kanst du sie gar zum hungerleiden angewöhnen. Weise erzn. 226; du must aber nicht immer gerade fortgehen, sonst laufst du gar aus der welt hinaus. weim. jahrb. 4, 267, in der lehre für den wandergesellen; weil ich ihn blosz durch meinen langen besitz ausschlieszen, und gar, als ob er ... nur als gedankending existierte, verfahren darf. Kant 5, 100; das ist sache einer langsamen und gar peinlichen nachbesserung. 7, 174;
und wenn die welt voll teufel wär
und wollt uns gar verschlingen ..
5)
Auch umgekehrt gar so .., dann gar zu .., zu gar.
a)
gar so, das dem so gar gleich kommt:
auf dich, herr, herr, auf dich harr' ich in diesen nöhten,
du, mein gott, wirst ja nicht mich gar so lassen tödten.
Fleming 19 (7 Lapp.),
wo dem gedanken nach zugleich der begriff 'sogar' (4, e) vorliegen musz, eig. wol: so gar preisgeben, dasz .., gesprochen gewiss gár só (gâr sô), während das folg. vielmehr gár sŏ ist, z. b. gár sŏ gút, als stark gesteigertes sŏ gút:
hab oft eînen dumpfen düstern sinn,
ein gar so schweres blut.
Göthe 1, 19;
dem schäfer ist gar so weh.
1, 95;
auf andringen Ottiliens habe sie die speisen an ihrer statt genossen ... auch, setzte sie unschuldig hinzu, weil es ihr gar so gut geschmeckt. 17, 404; weil er ihr gar so wol gefallen. 79; es hörte sich ihr gar so gut zu. 25, 348; eine maus .. die er als ein gar so zierliches thier nachzubilden lust hatte. 24, 243.
b)
in manchen fällen nähert es sich aber dem folg. gar zu .. so sehr (s. schon 4, b am ende), dasz es der wirkung nach ihm gleich kommt, z. b.: dasz der edle mann .. uns gar so sehr den professor zeigt! Klinger 11, 18, einen tadel enthaltend, wie sonst gar zu; umgekehrt kommt gar zu vor, dasz doch ein tadel oder übertreibung nicht wie sonst gemeint ist, z. b.: der vorzug, den er ihr vor vielen gab ... that ihr gar zu wol. Göthe 17, 325 (wo übrigens, wie öfter, ein verschwiegenes als dasz u. s. w. anklingt, wie bei so gar ein verschwiegenes dasz u. s. w.). zwischen sie sind gar so gütig! und sie sind gar zu gütig ist nur ein leiser unterschied der stärke, gar so gern und gar zu gern, nicht gar so genau und nicht gar zu genau können meist geradezu ihre plätze tauschen, zumal auch ohne gar zwischen so und zu landschaftliche verwechselung besteht, z. b. sächs. hört man ich bin nicht zu müde für so müde (um mich setzen zu müssen), und umgekehrt ich bin so müde für zu müde; folg. so gar klingt nicht anders, als wäre gar zu gemeint (vgl. so gar gern 4, a, nicht so gar genaw 4, c): wenn es nur nicht eine so gar kützliche sache wäre, einen ins gesicht zu loben! Lessing 1, 254 (jung. gel. 2, 6); vgl. zu gar unter d.
c)
gar zu .. als verstärkung des zu, das eine schädliche übertreibung anzeigt, schon mhd., s. z. b. gar unde gar ze vil u. 1, e:
doch so wisz, ein weiser man ..
schol nicht gar ze schamig sein,
daʒ er ze kindisch nicht enschein.
ring 31, 7;
in diesen sorgen nun hab ich nicht eilen können,
so dasz der kurze weg mir ward nur gar zu lang.
Opitz 1, 171, u. o.;
Opitz, deütscher sprach' erretter,
muste gar zu frü davon.
Rist poet. schaupl. (1646) 7, Gödeke d. d. 1, 313ᵇ;
man musz in obacht halten, dasz die bierfässer, wann man sie auf die ganter legt, nicht gar zu nahe an die kellermauer kommen. Hohberg 2, 91ᵇ; wenn zwei freunde gar zu einig sind, so werden sie uneinig. Chr. Weise pol. redner 408; ich wiederholte mir die vorzüge ihres holden wesens nur gar zu gern. Göthe 26, 19, worin ein 'leider' verborgen ist;
sie war gar zu obligeant.
1, 13,
d. h. als dasz ich hätte widerstehen können;
sie leuchteten doch alle gar zu schön.
3, 52;
mich (begrabt) ein wenig bei seit,
nur nicht gar zu weit!
12, 243.
auch schwächer, nicht als bezeichnung eines übertriebenen, nur eines überaus hohen grades: möchte gar zu gerne wissen ... Göthe 24, 296;
komm, ich hätt es gar zu gerne.
1, 57.
d)
früher auch zu gar, mit der stellung wie so gar (vgl. u. b): denn es ist zu gar wider und über sinn, brauch und erfarung aller welt. Luther 3, 225ᵇ, vermutlich gespr. zú gár (zû gâr), während bei der gewöhnlichen stellung zu ton und länge verliert, wie so unter a; gott ist zu gar veracht und unbekand, undank ist zu grosz .. 6, 351ᵇ; sie sind zu gar fleischlich worden. gl. zu 1 Mos. 6, 3; der teufel hat sie zu gar besessen. ders. bei Dietz 2, 10ᵇ (das. hat ihn doch der teufel so gar besessen); damit er nicht .. zu gar verderben müsse. br. 5, 185, wo selbst der begriff 'sogar' anzuklingen scheint (vgl. unter a); die jenigen, so zu gar subtil im disputieren waren. Zinkgref 1, 159;
wo denk ich aber hin? disz heiszt zu gar viel wollen!
Opitz 1, 225.
auch allzu gar: es möchten sonst die papisten allzu gar lutherisch werden. Luther 3, 515ᵃ.
e)
bemerkung verdient übrigens éinmal, wie da gar wieder mit all übereinkommt (s. II, 4, b, ε), gar zu gut gleich allzu gut, wie mans auch noch lange fühlen muszte; auch gar so stimmt ebenso zu also, eigentlich ganz so, wie mans auch im 16. 17. jh. noch fühlte (Zachers zeitschr. 3, 361). dann auch, wie selbst in dieser partikelhaften verwendung der ursprüngliche begriff genau eingehalten ist: gar zu gut ist eine art superlativ zu viel zu gut, wie ja viel sich in gar, d. i. all, alle, zu einer art superlativ erhebt.
6)
Noch andere seiten entfaltete der begriff 'ganz'.
a)
gar gleich vollends.
α)
so schon im 16. jahrh. oft, aber schon mhd. in dem gerwe unter 1, a zu erkennen (s. ebenso ganz B, 3, a): als dann henken sie (die juden) das geschlacht bein hindern füszen auf, ehe sies gar schinden ... Frank weltb. (1567) 154ᵇ; wil hie geschweigen des tods, der gar den kerab macht. sprichw. 1, 131ᵃ; dás ist aber der jamer gar, das sie (Eva) Adam auch gibt und er mit ir davon isset. Luther 4, 26ᵃ (1556), dás macht den jammer voll, ganz, das gar klingt noch adjectivisch (II, 4, b), wie im folg. allenfalls auch;
'Rorweck, du findst bei mir kein gnad,
du fiengst mich zu München in dem bad,
das stet mir (ist mir zur zeit noch) ungerochen' —
e herzog Christof die red gar tät,
war Burkhart Rorweck erstochen.
Uhland volksl. 437,
eh er die rede ganz, die ganze rede that, vollends ausredete; einen gar (vollends) umbringen, finir di ammazzar' uno. M. Krämer 500ᵃ;
dem himmel sei gedankt, der mir die kraft gegeben,
dasz ich, eh ich noch gar an vierzig jahre geh,
schon am gewünschten ziel so vieler greisen steh.
Canitz (1734) 261;
wie würdest du mich verbinden, wenn du seine thorheiten gar vergäszest! Cronegk 1, 143; und hier, mein treuer, muszt du das letzte kapitel auch gar haben. J. Paul Hesp. 4, 170, gesprochen áuch gâr.
β)
genauer betrachtet erscheint es auch gleich dem schwächeren vollends, das sich dem sogar nähert oder damit zusammenfällt (s. gar gleich sogar 4, f):
Sulpitia, erst sollst du schwanger sein?
nun sollst du gar die blattern kriegen?
Gellert fab. 1748 1, 130 (die kranke frau);
gar verzweifeln wollte unser freund, als Serlo ihm einst .. anrieth .. Göthe 19, 158;
verlorne kinder aufzunehmen, gar
entwendete, verstoszne zu beschützen
bringt wenig dank dem wolgesinnten man.
9, 363;
wenn ihm nun gar das herz so brennt wie meinem ... J. Paul Titan (1800) 1, 251.
γ)
aber auf der andern seite auch gleich dem stärksten vollends, das man deutlicher theils mit vollends ganz, theils mit vollends gar ausdrückt:
kreuch auch kainer gar in ain or ...
der wird darinnen aufgerieben.
Fischart flöhh. 804 Sch.,
wer 'vollends gar' in ein ohr kriecht u. s. w.; die praktische vernunft thut der eigenliebe abbruch, aber den eigendünkel schlägt sie gar nieder. Kant 4, 185, auch als 'sogar vollends auszulegen, gar mit starker hervorhebung; um jener dereins gar entbehren zu können. 6, 359; wiewol man letztern ausdruck besser gar abkommen liesze. J. Paul teuf. pap. 1, 60; er sah sich um, sagte, es sei wol besser, wenn ers gar vorlese (statt nur stückweise, wie schon geschehen). flegelj. 1804 1, 32; der agent .. schrieb den brief-perioden gar aus und empfing .. den (darauf wartenden) miethsmann. 1, 186;
ich hab euch niemals geliebt, ihr götter!
denn widerwärtig sind mir die Griechen (d. h. die götter),
und gar die Römer sind mir verhaszt ..
H. Heine buch. d. l. 350.
b)
gleich überhaupt: denn es ist mein psalm, den ich lieb habe (der 118.), wiewol der ganze psalter und die heilige schrift gar, mir auch lieb ist. Luther 5, 43ᵇ. später nur noch mit verneinungen, s. z. b. gar niemand bei J. Paul 2, d, β. aber auch ohne das findet es sich: ein solcher beweis, wofern er gar statt findet .. Kant 6, 121; es folget, ein körper könne .. mehr kraft ausüben, als er gar bei sich habe. 8, 95; ob dieses bewusztsein meiner selbst ohne dinge auszer mir gar möglich sei, weisz ich dadurch gar nicht. 2, 315. das ist aber deutlich erst rückwärts entnommen aus gar nicht u. ä., vgl. bei demselben: der dogmatismus, der uns nichts lehrt, und der skepticismus, der uns gar überall (d. h. überhaupt) nichts verspricht. 3, 187, das umgesetzt werden könnte in wenn er gar oder gar überall etwas verspricht.
c)
ganz alt aber auch gleich schon, sowol als partikel wie da wo es sich der conj. obschon nähert: summa, es ist kein freie kunst, welche die hand hat erheischt, davon er (A. Dürer) nit ein grosz stuck hab gewiszt, hat ers nit gar gekündet. Frank chron. 1536 1, 279ᵃ, was nur heiszen kann: hat ers schon nicht an tag gegeben. im 14. jahrh. alem. gerwe schon, bereits (s. I, 1):
mîn zunge halbes niemer mac
gesagen, daʒ er gerwe hât
begangen und daʒ er (noch) begât
guotes alle stunde.
Reinfried v. Braunschw. 23535;
so auch mhd. begarwe (s. I, 1):
daʒ zaigt begarb
sein gestalt und sein varb.
Ottocar bei Pez 3, 809ᵇ (leseb. 1839 825, 38).
es flieszt unmittelbar aus der bed. fertig (II, 3), wie bereits auch, mhd. gereite, nhd. allgereit, engl. already, und wie eig. auch schon selber als adv. zu schön in der bed. ganz wie es sein soll, engl. fair; ebenso mhd., nd. al gleich schon, vgl. allgereit.
7)
Endlich bloszes gar in ausrufungen.
a)
in warum nicht gar! als starke, meist etwas gereizte abweisung, aber auch als ausdruck des staunens oder verdrusses über eine gehörte rede, nachricht u. ä.:
ein fürst war einem hahnen hold —
'warum nicht gar! was? einem hahnen?'
Schubart (1825) 2, 223;
hier in diesem (kasten) ist der gesang, der lieblichste gesang der vögel verborgen. 'warum nicht gar?' und hier in diesem groszen ist der mondschein eingepackt. 'es ist nicht möglich!' Göthe 14, 21 (triumph d. empf. 2); welch ein schändlicher tod droht uns von abscheulichen feinden! 'warum nicht gar! ích habe appetit síe zu fressen'. 14, 94 (vögel); 'hat sie denn alles allein gekocht?' fragte eine andere. 'warum nicht gar, wie kann ein mensch so einfältig fragen.' Arnim kronenw. 1, 351, und so manigfach sonst im leben. ei warum nicht gar? Adelung.
b)
ebenso und noch häufiger lieber gar! auch ach lieber gar! oder nu lieber gar! i lieber gar; oder ich dächte gar! auch ich dachte gar (Anton 18, 4). bei diesem wie bei jenem ist das, worauf sich gar eigentlich bezieht, weggelassen in folge zu häufiges gebrauches; was das war, ist aus mangel an aufzeichnungen leider nicht zu ersehen, man fühlt aber noch, dasz es etwas war wodurch das eben gehörte ins unglaubliche oder unmögliche gesteigert wurde, vgl. das mit warum nicht gar! gleichbedeutende es ist nicht möglich unter a. man ergänzt sichs auch wieder, z. b. als antwort auf eine unverschämte geldforderung: lieber gar gestohlen! lieber gar geschunden! d. i. eigentlich: stiehl lieber gleich oder lieber vollends, denn es ist das gar gleich vollends 6, a, daher auch (nu) vollends gar!
c)
das lieber gar! aber auch weiter gekürzt zu bloszem gar! mit starkem ausrufs- oder frageton; so z. b. in Niederbaiern Schm. 2, 60, in Thüringen, auch verstärkt nu gar! ach gar! i gar!
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1312, Z. 11.

gar, f.

gar, f.,
s. gare.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1329, Z. 77.

gar, n.

gar, n.,
gleich gare f., selten und nicht ganz sicher.
1)
bergm., im hüttenbau: wenn aber die kupfer ir gar haben, wie unser silber in plicken (silberblick) klar und weisz werden, so kület man sie gemach abe .. Mathesius Sar. 71ᵇ, vergl. garkupfer und kupfer gar machen sp. 1314; es ist nicht sicher, dasz nicht doch das gewöhnliche fem. gare vorliege, das noch im 18. jh. gern gahr heiszt im erzgeb. bergbau, aber Mathesius hat doch weit öfter die volle form als die abgestumpfte wie sprach f., und dem n. gar steht nichts im wege, vergl. mhd. daʒ gar, das ganze sp. 1316 unten. in einem thüringischen bergmannsliede des 17. jahrh. steht das gar vom silber der reichsthaler: sie haben das gar, sie haben das gewicht, wo eine spätere erzgeb. fassung das freilich geläufige korn hat, s. R. Köhler alte bergmannslieder s. 80, 81; doch stimmt das gar haben zu des Math. ir gar haben.
2)
ein n. gar, fischbrühe, lake, scheint auch Voss zu brauchen in der Horazübersetzung: gar von Iberermakrelen. 2, 201, für garum de succis piscis Iberi sat. 2, 8, 46; es scheint aber eine willkürliche bildung nach dem lat., irgendwie gestützt durch ein nd. wort, das ich doch nicht finde. vgl. gare.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1329, Z. 78.

gär

gär,
s. gärn.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1330, Z. 18.

gare, gar, f., subst.

gare, gar, f. subst.
zu dem adj. gar, in verschiedener bed., zugleich sich mischend mit einem subst. zu gären (s. 4).
1)
Rüstung, ausrüstung, gerät u. ä., s. gar II, 3.
a)
mhd. erscheint zuweilen für garwe f. (s. das dritte garbe sp. 1336) găre und găr, mit verlust des -w wie im adj. gar, z. b.: die fuorten hurnîne gar (: dar) Stricker Karl 3082, rüstung von horn, bei Konrad horn unde gar 96, 5, was mit Bartsch nach jenem zu berichtigen sein wird, in der hs. A voller gare, wie in der litanei von Christi leibe, als kleid gedacht:
wan du (Maria) dem gotis sun ein gare ( : schare)
gæbe ûʒ dîner wambe.
fundgr. 2, 220.
b)
auch mnd. gare, im Ssp., wer sich zum gerichtlichen zweikampf rüstet, soll auch führen enen rok sunder ermelen boven der gare. I, 63, 4, über dem 'etwa ledernen hauptgewand' (Homeyer im reg.), mit var. garwe, auch gegerwe n., garwât f., aber auch ghere (wie vorher umgekehrt für gerwe, rüste, auch ghere), völlig berechtigt, entsprechend dem mhd. gerwe neben garwe (s. gärben 2, e, gärkammer). eine lat. übers. des Ssp. und danach Frisch 1, 319ᵇ verstand das falsch als cubitus, ellenbogen, daher lange ein gare f. ellenbogen in wbb. spukt.
c)
ein nhd. rest, gar, gerät, in einem überrhein. weisthum vom jahre 1546: und so lange sie (die herren) in der jagd liegen, musz der arme mann (unterthan) frue und spat uf sein mit helfen jagen, fischen, gar und wild füren und derogleichen gewönlicher fronen thun. weisth. 4, 713, das jagdgerät. dazu, gleichfalls überrhein., collect. geger n. (mhd. gegerwe): kelch, buch und ander missgeger. weisth. 2, 444, messgerät, auch kurz gegerwe Ssp. III, 7, 4, vergl. gärkammer; s. auch geren gleich gerwen unter gärben 3, c. Noch heute übrigens engl. dial. 'gare, gear, accoutrements' Halliw. 392ᵃ, gewöhnlich gear, das dem nd. ghere unter b entspricht, kleidung, gerät, zeug u. ähnl., altengl. gare und gere kleidung, rüstung Stratm. 255, ags. gearwe f. gleich mhd. gerwe, garwe.
2)
Im ackerbau.
a)
'gahre wird an einigen orten die besserung, so man an ein stücke feld durch düngen und bearbeiten wendet, genennet'. öcon. lex. 753, gare Frisch 1, 319ᵃ, die bereitung des ackerbodens, wodurch er gar wird, fertig, eig. aber dieser zustand des ackers selbst, lockerheit der ackerkrume u. a., s. gar II, 2, c; es ist hauptsächlich nd., gespr. gâr f.:
steinmarg dient das feld zu düngen
und die gaar darinn zu bringen.
Brockes 9, 80,
deutlich der zustand des gar seins, 'gare, der dünger, die fettigkeit im acker' Brem. wb. 2, 484; allen acker gleich zu theilen .. jedoch mit dem vorbehalte, dasz ein jeder die gare und stellung, welche er in dem einem andern zugetheilten acker habe, nach möglichkeit aussäen (durch säen ausnutzen) und dann den acker in billiger beschaffenheit abgeben möge. Stüve wesen u. verf. 410, bei Frisch in gleichem sinne die gare ausbäuren, einem die gare bezahlen, wenn er vor ausnutzung das feld abgeben musz; es (das land) unter pflug und gare zu bringen. Bode Tristr. Sh. 4, 211; in gare setzen. 4, 217. s. auch garig 3.
b)
besonders gern in der stabreimenden formel geil' und gare, die das hohe alter des wortes weiter verbürgen hilft: wegen bau und besserung, gail und gare. Möser phant. 4, 328; die geil und gare betreffend. Curtze Waldeck 465ᵇ, vom j. 1533; wer die geile oder gare bezahlen soll. Hommels pertinenz-register 1750 s. v. mist. auch geile f. ist 'fettigkeit des bodens' Schambach 61ᵃ (vergl. gall 4, a), dat land in gêr un geile erhâlen (erhalten) das., gêr wie 59ᵇ gêre neben gâre f., jenes auf älteres gerwe weisend, wie diesz auf garwe (vergl. mhd. unter 1, b).
c)
die bed. trat aber in die von dünger über, vergl. schon unter a aus dem Brem. wb., bei Schamb. 59ᵇ 'der dünger, die düngung', daher in der tweiten gâre, und ebenso erste, zweite, dritte geile 61ᵃ, doch ist die bed. deutlich erst aus der sache in das wort gekommen, nicht aus diesem selber. auch die jauche soll so genannt werden, eben als düngung. eigen auch norw. gare mist von kleinvieh, s. Aasen 209ᵇ, vgl. unter 5, c.
d)
aber auch aus Schwaben bei Schmid 220 der gar, mist, dung, und dazu gehört vielleicht bestätigend die hd. gl. um 1100 furca, garcabile, neben tridens mistcabile Mones anz. 7, 599ᵇ, jene vermutlich zweizinkig neben der dreizinkigen andern (vergl. unter gabel II, 1, f); Dief. 252ᶜ weist allerdings auf ahd. gartgabela furcula Graff 4, 127, dessen -t in jenem c- angeglichen stecken könnte. dasz aber auch hd., oberd. gar und zubehör in alter zeit vom bereiten des ackerbodens galt, verbürgt das tirol. garberin (s. d.), die auch besonders mit dung zu thun hat. und trotz der gartgabela kann garcabile echt sein, denn umgekehrt kommt für garkoch (s. d.) oberd. auch gartkoch vor.
e)
herzugezogen wird auch schweiz. 'gur, guhr m. dünger, frischer koth des rindviehs' Stalder 1, 498, ahd. gor fimus Graff 4, 236, ags. gor Ettm. 428, mnl. gore, goor, nrh. goir sumpf Teuth. 40ᵇ, fries. gere, jere mistjauche, noch jetzt jere u. ähnl. Richth. 846ᵃ, noch weiter entwickelt im engl., nord., s. die reiche, doch wenig gesichtete zusammenstellung bei Rietz 225ᵃ. aber mit dem stamme gar, garw hat das eigentlich nichts zu thun, wenn auch berührung damit eingetreten sein sollte. s. weiter 5, c, vgl. auch garig 3.
3)
Im gewerbsleben vielfältig ähnlich.
a)
beim bäcker z. b. musz der teig seine gehörige gare haben, ehe er in den ofen kommt, d. h. gehörig 'gegangen' sein, nachdem er ausgewirkt ist; das brot hat zu viel gahre Adelung; ein misratener kuchen hat eine zu kurze gare gehabt, ist nicht lange genug gegangen, oder eine kalte gare, wenn er nicht warm genug stand beim 'gehn'; brote und kuchen werden zu diesem garen, gar werden, auf garbreter gelegt (thüringisch); im ofen aber kommt dazu eine zweite gare, ein zweites aufgehen des brotes (s. Adelung). urspr. gewiss ebenso vom fleisch im topfe, vom braten am spiesze u. ä., s. gar II, 1, das auch vom gebacknen brote vorkommt. Adelung zieht übrigens die gare beim bäcker zu gären, s. 4.
b)
beim gerber, einmal die gare der häute, das gar werden, gar sein: aber wahrscheinlich ist es, dasz alle häute, wenn sie drei jahre zu ihrer gare und reife haben, unendlich schöner .. werden, als sie im ersten und andern jahre sind. Möser phant. 1, 37; s. auch garbrühe, garfasz. dann auch die behandlung des gar machens: rauchgare felle, welche gar gemacht werden, ohne die haare zu verlieren, welche in der gare ihre haare behalten. Krünitz 16, 122. und bei weiszgerbern auch eine gare häute, d. h. 24 häute, soviel auf einmal in die gare gebracht, in die garbrühe gesetzt werden ( Adelung).
c)
ebenso dann ein kohlenmeiler hat seine rechte gare, wenn er genug und richtig gebrannt, geschwelt hat; die gare der soole im salzwesen, wenn sie gehörig gesotten hat (Frisch 1, 319ᵇ); gare des kalkes, der gebrannt wird, der glockenspeise, des erzes (s. garerz), des kupfers in den schmelzhütten, bei Frisch 1, 319ᵃ das kupfer hat seine gar, s. zu allem gar II, 2, b, zum letztern auch gar n. sp. 1330. Bildlich: das lied ist fertig (im kopfe), schon längst, aber es ist noch in der gare. Zelter an Göthe 2, 344, in der äuszerlichen herrichtung mit den handwerksmitteln.
d)
eigen auf ein thier übertragen, das da wie durch menschenkunst fertig gemacht, behandelt wird, in der bienenzucht gare des weisels, 'seine mündigkeit, da er zur zeugung geschickt wird', auch 'das werkzeug, vermittelst dessen er seine eyer leget' Adelung; ein solcher heiszt dann garig. zu der zweiten bedeutung stimmt übrigens ein nd. masc. gare, eierstock beim federvieh, in Fallersleben Fromm. 6, 145.
4)
Zu gären übertretend.
a)
zustand oder verlauf des gärens, z. b. man musz dem sauerteige die gehörige zeit zur gare lassen Adelung, der gahre schreibt, wie gähren, und es vom vorigen völlig trennt, mit dem es doch unverkennbar verflieszt, in der sache wie im sprachgefühl; das bier, der wein ist in der gare. wieder auch gar, nordd.: wenn der meth an einem warmen orte stehet, wird er in 8 tagen nicht aufhören zu gähren, darum man das fasz, wenns seine gewisse zeit zur gahr gehabt, in die kälte rücken und von den hefen abziehen kan. Olearius reise 104. und selbst wechselnd mit gäre (gehr): wenn die möste in die keller bracht sein, so gib gute achtung auf die gehr, dasz du .. sie nicht gehren läst, sondern so lang sie in der brunst und gare sind, so nimm sie immer abe und stille sie. Colerus hausb. 82. s. auch gore unter 5, a.
b)
der gehörige grad der gare oder gärung (wie bei der gare unter 3, b) Adelung, der als beleg auszer der gare beim bäcker 3, a beibringt der tobak hat eine gute gahre, nd. göre (Br. wb. 2, 528), auch auf den guten geruch übertragen. das bier hat seine gare u. ä., vergl. gäre 1, b. dagegen es hat kalte gare, hat nicht warm genug gestanden beim gären (vergl. kalte gier Schm. 2, 62), daher das adj. kaltgärig.
c)
was die gärung bewirkt Adelung, sauerteig und bierhefen, gibt er an, würde 'im gemeinen leben mehrmals' die gahre oder gähre genannt, 'in engerem verstande' gahre oder gohre die oberhefen, spundhefen (als gärungsmittel für mehlspeisen und weiszgebäck dienend) zum unterschiede von den unterhefen oder stellhefen. gare ist nd., im 15. jh. fex, gare vel gert vel geyst Dief. 232ᵇ, blictrum gare n. gl. 55ᵇ. ähnlich ist hefe selbst gemeint, das was den teig 'hebt', daher auch der sauerteig hefel, hebel (IV², 720), vgl. erhaben brot, panis fermentatus Dief. n. gl. 171ᵃ, das mit urhab, sauerteig bereitet ist, noch jetzt heiszt schweiz. teig, der zu stark gesäuert und gegangen ist, überhaben (das brot im spiegel schweizerdeutscher volksspr. s. 29).
5)
Das frühe verwachsen zweier stämme liegt selten so klar vor.
a)
sicher zu gären gehört gare als hefe, genauer gâre mit dem ablaut des plur. praet. (s. gären I, 1, b), darauf weist Adelungs gohre vorhin, nnd. gôr f. gärung Danneil 68ᵃ, schon um 1500 md. gore: in dem weinehren sal er .. zusehen, das der wein rein ausgekeltert, ingefüllet und desselben in der ghore mit füllen wol gewartet .. werde. Mainzer hof in Erfurt 22. Anderseits gehört die gare des brotes sicher zu gar, fertig, denn der teig, der seine gare hat, ist gar, wie es heiszt. diese gare aber wird vermittelt durch den gärenden sauerteig, sodasz das gären und das gar werden (garen) in der sache da völlig verflieszen und verwachsen, und die wörter muszten der sache folgen, s. z. b. garen 1; auch beim kohlenmeiler gilt neben der gare (3, c) durchgähren (s. d.) vom feuer des meilers, das also auch gären musz. schon Henisch leitete gar selbst von gären ab, s. u. gar II, 2, c.
b)
die spundhefe hat aber auch aus alter zeit her einen namen, der lautlich durchaus zu gar stimmt: bair. gerben m. Schm. 2, 65, im 15. jh. auch garben vel hefen, fex Fromm. 4, 298ᵇ, mhd. gerwe, was von haus aus nur bedeuten kann die fertigmacherin oder der fertigmacher (s. u. garbe schafgarbe 3 a. e.), der den teig fertig macht, vgl. fermentum deisim odir gerwehevin fundgr. 1, 363ᵃ (Dief. 641ᵃ), auch deisimgerwe das., gerwe noch verbalisch verwendet. Aber das ist wieder vollständig zu gären hinübergezogen worden in dem tirol. gerben gären, girbt gärt, mhd. girt (s. gärben 3, a); hat sich doch selbst der alte doppelte anlaut von gären und jären dort mit geltend gemacht in järm Fromm. 2, 319, z. b. mähr. 'jerm, germ, hefe' (eig. jerben) 5, 462, wie das. jiern gären 217, schon mhd. im 14. jh. oder früher jerben f. hefe fundgr. 1, 372ᵇ, und umgekehrt ist gerben, gar machen, in die starke form von gären übergetreten, s. gärben 3, b.
c)
anklingend ist auch altn. giör n. bodensatz, hefe Fritzner 206ᵃ (vgl. u. gäre 3, b), das unserm gerwe nahe genug entspricht (s. gar I, 3, gärben 3, e), aber anderseits mit dem schweiz. gur u. 2, e sich berührt, denn gor n. ist altn. norw. das halbverdaute futter im viehmagen oder den gedärmen (s. auch giör Egilss. 247ᵃ), das entsprechende schwed. gorr aber, dial. auch gaͦr, gör u. ä., ist auch 'jäst', gischt, spundhefe, dann unreinigkeit, auswurf überhaupt, auch eiter, weicher schmutz, s. Rietz 225ᵃ, ganz wie das mhd. gerwe hefe auch ausgestoszene unreinigkeit überhaupt (Lexer 1, 892), s. auch gären II, 3, a von eiter. Zu gor als halbverdautes futter gehört dann norw. gorvomb vormagen der wiederkäuer, auch gorsekk, gorbelg u. a. (engl. gorbelly), s. Aasen² 236ᵃ, und dazu gora gierig essen oder fressen 235ᵇ, schwed. gaͦra Rietz 225ᵇ, engl. dial. gorle, gorble Halliw., bair. gärben (s. d. 2, d), wieder nach dem stamme garw, vorarlb. aber garmeilen wiederkauen Fromm. 5, 485, Haupt 11, 174 (schwerlich richtig zu maul gezogen), s. auch u. garn III, 2, c. Da nun das gärende bier oder met, wein im fasse bestimmt den eindruck eines lebenden wesens macht, könnte die hefe bezeichnet sein als das was wie von einem lebendigen als unreinigkeit ausgestoszen wird, oben und unten, womit sich gärben (2, d) als speien und hefe ausgären erklären würde gleich gären selber auch in der letzten bed. (II, 3, c), und gor als koth und hefe, s. weiter gären I, 3, b; vgl. dreck 3 und 9 als koth und bodensatz, während in der lautstufe unterschieden sind altn. þrekkr m. koth und dregg f. hefe (engl. dregs).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1345, Z. 29.

gerben

gerben,
fertig machen, s. gärben, garben, gären 3, a. dazu noch:
1)
ahd. garawen, praeparare, parare, indusiari Graff 4, 243. 246; ebenso altsächs. garuwian, gerwean, girwian, ags. gearvian, gervan, gyrvan; mhd. gerewen, gerwen, garwen, bereiten, zubereiten, rüsten, ausrüsten, kleiden, schmücken Lexer 1, 892. Haltaus 663.
2)
leder zubereiten, s. gar II, 2, a, altclev. gherwen, touwen leder Teuthonista, mnd. geren, touwen Schiller-Lübben 2, 69ᵇ. 4, 596ᵇ, nd. garven brem. wb. 2, 485, aber auch tauen 5, 33, töwwen Strodtmann id. osnabrug. 250, nl. touwen, engl. to taw, ags. tavian parare coria, tundere, moleste tractare, goth. taujan machen, ahd. mhd. zouwen bereiten, fertig machen: mhd.
die hût (Julians) lieʒ man dô gerwen
unde mit gemelde verwen.
pass. 362, 79 Hahn (161, 45 Köpke);
eine blaten ..
ûʒ eines kocatrillen hût.
diu schein grüen als ein venchelkrût:
alsô was si geverwet
und alsô wol gegerwet,
daʒ si was linde unde weich.
Konrad troj. krieg 3716, vgl. 14002;
leder gerewen Freiberger stadtr. cap. 44, 5 (248 Ermisch); gerwen, loen, cerdare Dief. 114ᵃ, gerben, lowen, frunire 249ᵇ; gerben oder loe machen voc. 1482 l 5ᵇ; wann man sie gerbet, si aluta maceretur. Neander spr. 158; um die fühlung mit gar festzuhalten, bedienten sich im 16. jh. die Straszburger und Augsburger drucker (auch Maaler 155ᵇ) der schreibung gärben, die noch im 17. jh. vorübergehend üblich war:
Pica nam ihr einen gärber; selten gärbt er oder nie,
trieb vielmehr als wie ein bütner stäb und prügel über sie.
Logau 2, 6, 30;
gärben, sed mos invaluit ut scribatur gerben Stieler 605; Rädlein, Frisch, Steinbach schreiben gerben und gerber, und dies ist die gemeingültige schreibung geblieben, da Adelungs versuch, zu gärben und gärber zurückzukehren, nicht durchdrang.aus dem verfahren des ledergerbens ergeben sich verschiedene bildliche verwendungen:
a)
mit scharfer (färbender) lauge übergieszen, beizen, bildlich mit scharfen worten:
ich soll es doch ein wenig färben
und nit mit eichen rinden gärben,
sunder mit linden safft ouch schmieren.
S. Brant narrensch. 104, 53;
daher refl. sich tief färben:
die sich alle tage verbent
nach der werlde und sich nicht gerbent
mit der roten varbe des smertzen
Cristes blutes in dem hertzen.
Renner 18743;
aber auch sich blässer färben:
der himel thut sich ferben,
ausz weiszer farb in blaw.
die wolcken thun sich gerben,
ausz schwartzer farb in graw.
fliegendes blatt 'drey hübsche lieder' Nürnberg, Val. Neuber 1, str. 3.
b)
abhärten: die vom wetter gegerbte braune haut. Lewald erz. 1, 145; was als spuk .. nicht blosz dem unerfahrenen jungen mädchen, sondern auch dem gegerbtesten lebensabenteurer eine gänsehaut zu wege bringt. Westermanns monatshefte 45, 157ᵇ.
c)
tüchtig abprügeln, vgl. die sinnverwandten walken, ledern, lidern, in älterer zeit auch von den schwertschlägen gebraucht:
der helt so vrischleich gerbet
mit swertes stichen und mit slegen.
Suchenwirt 14, 155;
sie (die heiden) wurdent all gegerbet,
das in geschach gar we,
mit pluͦt da ward geferbet
das felt und auch der cle.
deutsches heldenbuch 210ᵃ (583, 13 Keller);
einem die haut, das leder, den buckel gerben Stieler 605. Steinbach 1, 590. Ludwig 742: der priester über in mit dem bengel und gerbet im die haut. Pauli schimpf 95;
fürnämlich aber war ich schnell,
iren zu gerben das zart fell.
Fischart flöhh. 2175 Kurz (837 Sch.);
sie ziehen dir
die narrenkappen ab und gerben dir darfür
das leder also blos.
in der ecke fanden sie ihn und schlugen und gerbten
ihm gewaltig das fell.
Göthe 40, 42. 53;
die vielen kinder, die da herum faulenzen .. die schnüffeln und betteln überall .. wenn der alte graf ihnen nicht täglich die haut gerbt, so behält der erste antheil nichts. Arnim kronenw. 1, 399; ich will dir den rücken so weich gerben als den bauch. Stieler 605; schlagen sich nicht die Altziebinger täglich halbtodt mit stublbeinen .. und warten bis diese stunde vergeblich auf unsre obrigkeit, die hinausreitet und sie recht derb gerbt und abstraft? J. Paul Nepomukkirche 142; es ist mir hundertmal lieber, .. wenn ein da angesessener mann seinen bedienten mäszig und schlechtweg ausprügelt, als wenn ein Westindier seinen sklaven zerschnitzet und lebendig gerbet. teuf. pap. 1, 12;
doch Cleon gerbet fort (mit dem spanischen rohr).
Hagedorn 1, 144;
weitverbreitet in den mundarten, vgl. Schmidt 228. schweiz. id. 2, 448. Klein 141. Spiesz 75. Frischbier 1, 227ᵇ.
d)
obscen:
in vieng zu letz auf irem cloben
die Muszkünn auf irer kerben.
die schol er fürpas schön gerben.
fastn. sp. 785, 29;
das leder muͦsz gegerbet sin.
Murner narrenbeschw. 39, 76 Gödeke;
ross, deine schönheit ist dahin,
dein aug ist klar wie alte scherben,
kein knecht will deine haut mehr gerben,
er wiss dann vor, was sein gewinn.
3)
getreide aus der schale quetschen, enthülsen: dinckel oder fesen gerben, far deglubere Henisch 1507; gegerbter weitzen Stieler 605; was auch von spreuwer, kleien, so von den früchten gegerbt und gebeutelt werden, vorhanden. Fronsperger kriegsb. 1, cxxviiiᵃ; nimb ein gaffen gerbte gersten. Seuter rossarznei 386; sintemal man die gersten in der mühl zu gerben oder zu röllen pflegt. Simpl. 3, 159, 28 K.; getreide worfeln, die kerne von der spreu scheiden. schweiz. id. 2, 448. Stalder 1, 441: ich wil das hausz Israel gerben, wie man in einem sib gerbt. Reiszner Jerus. 1, 44ᵇ.
4)
drücken, kneten: gerben, vom bereiten des brodteigs, s. garben und gesseln.
5)
gerben oder würben, in der stahlhütte das geschlagene eisen durch öfteres glühen, zertheilen und wieder zusammenschweiszen in stahl (gegerbter stahl, gerbstahl) verwandeln. Jacobsson 2, 62ᵃ; geräte schärfen, so die pflugeisen und äxte mit stahl belegen und schweiszen. schweiz. id. 2, 448.
6)
ein metall glätten, polieren, bei goldschmieden, schlossern, gürtlern: die platte der kupferstecher gerben, sie glatt und glänzend wie das eis machen Jacobsson 2, 61ᵇ; sant Thomas hat sie (die schelle) gegerwet und gefeilet. Keisersb. narrensch. 43ᵇ; glasköpff (sind) so glat und schlecht, dasz auch die goldschmid das auffgetragen gold mit gerben und planck machen. Mathesius Sar. 187ᵃ.
7)
beim böttcher, glatt hobeln, s. gärbehobel:
zum stemmen braucht man scharfes zeug,
zum bohren, gerben gleicher weis.
böttcherlied, Schade handwerksl. 9, weim. jahrb. 4, 326.
8)
das gras hart am boden abmähen oder abätzen. schweiz. id. 2, 448.
9)
würgen, sich erbrechen, speien, noch in den mundarten, s. Frischbier 1, 227ᵃ. Klein 141. schweiz. id. 2, 448. Weise Altenburger mundart 76. der richtige Berliner 16.
10)
zu garben, ertrag geben (sp. 1337) stellt sich ein mhd. sich gerwen, in ertrag kommen: swem die pfruͦnden verlühen werdent, so die sich anvahent ze gerwende, swas in da nach wirt, unzint si sich engerwent (auszer ertrag kommen), das sol den werden, den das ander opfer ze dem münster wirt. Mone ztschr. 12, 238 (von 1316), vgl. die nebenform gerbe zu garbe sp. 1335, 2, b und bei Schiller-Lübben 6, 137ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 3588, Z. 1.

gare, gar, f., subst.

gare, gar, f. subst.
zu dem adj. gar, in verschiedener bed., zugleich sich mischend mit einem subst. zu gären (s. 4).
1)
Rüstung, ausrüstung, gerät u. ä., s. gar II, 3.
a)
mhd. erscheint zuweilen für garwe f. (s. das dritte garbe sp. 1336) găre und găr, mit verlust des -w wie im adj. gar, z. b.: die fuorten hurnîne gar (: dar) Stricker Karl 3082, rüstung von horn, bei Konrad horn unde gar 96, 5, was mit Bartsch nach jenem zu berichtigen sein wird, in der hs. A voller gare, wie in der litanei von Christi leibe, als kleid gedacht:
wan du (Maria) dem gotis sun ein gare ( : schare)
gæbe ûʒ dîner wambe.
fundgr. 2, 220.
b)
auch mnd. gare, im Ssp., wer sich zum gerichtlichen zweikampf rüstet, soll auch führen enen rok sunder ermelen boven der gare. I, 63, 4, über dem 'etwa ledernen hauptgewand' (Homeyer im reg.), mit var. garwe, auch gegerwe n., garwât f., aber auch ghere (wie vorher umgekehrt für gerwe, rüste, auch ghere), völlig berechtigt, entsprechend dem mhd. gerwe neben garwe (s. gärben 2, e, gärkammer). eine lat. übers. des Ssp. und danach Frisch 1, 319ᵇ verstand das falsch als cubitus, ellenbogen, daher lange ein gare f. ellenbogen in wbb. spukt.
c)
ein nhd. rest, gar, gerät, in einem überrhein. weisthum vom jahre 1546: und so lange sie (die herren) in der jagd liegen, musz der arme mann (unterthan) frue und spat uf sein mit helfen jagen, fischen, gar und wild füren und derogleichen gewönlicher fronen thun. weisth. 4, 713, das jagdgerät. dazu, gleichfalls überrhein., collect. geger n. (mhd. gegerwe): kelch, buch und ander missgeger. weisth. 2, 444, messgerät, auch kurz gegerwe Ssp. III, 7, 4, vergl. gärkammer; s. auch geren gleich gerwen unter gärben 3, c. Noch heute übrigens engl. dial. 'gare, gear, accoutrements' Halliw. 392ᵃ, gewöhnlich gear, das dem nd. ghere unter b entspricht, kleidung, gerät, zeug u. ähnl., altengl. gare und gere kleidung, rüstung Stratm. 255, ags. gearwe f. gleich mhd. gerwe, garwe.
2)
Im ackerbau.
a)
'gahre wird an einigen orten die besserung, so man an ein stücke feld durch düngen und bearbeiten wendet, genennet'. öcon. lex. 753, gare Frisch 1, 319ᵃ, die bereitung des ackerbodens, wodurch er gar wird, fertig, eig. aber dieser zustand des ackers selbst, lockerheit der ackerkrume u. a., s. gar II, 2, c; es ist hauptsächlich nd., gespr. gâr f.:
steinmarg dient das feld zu düngen
und die gaar darinn zu bringen.
Brockes 9, 80,
deutlich der zustand des gar seins, 'gare, der dünger, die fettigkeit im acker' Brem. wb. 2, 484; allen acker gleich zu theilen .. jedoch mit dem vorbehalte, dasz ein jeder die gare und stellung, welche er in dem einem andern zugetheilten acker habe, nach möglichkeit aussäen (durch säen ausnutzen) und dann den acker in billiger beschaffenheit abgeben möge. Stüve wesen u. verf. 410, bei Frisch in gleichem sinne die gare ausbäuren, einem die gare bezahlen, wenn er vor ausnutzung das feld abgeben musz; es (das land) unter pflug und gare zu bringen. Bode Tristr. Sh. 4, 211; in gare setzen. 4, 217. s. auch garig 3.
b)
besonders gern in der stabreimenden formel geil' und gare, die das hohe alter des wortes weiter verbürgen hilft: wegen bau und besserung, gail und gare. Möser phant. 4, 328; die geil und gare betreffend. Curtze Waldeck 465ᵇ, vom j. 1533; wer die geile oder gare bezahlen soll. Hommels pertinenz-register 1750 s. v. mist. auch geile f. ist 'fettigkeit des bodens' Schambach 61ᵃ (vergl. gall 4, a), dat land in gêr un geile erhâlen (erhalten) das., gêr wie 59ᵇ gêre neben gâre f., jenes auf älteres gerwe weisend, wie diesz auf garwe (vergl. mhd. unter 1, b).
c)
die bed. trat aber in die von dünger über, vergl. schon unter a aus dem Brem. wb., bei Schamb. 59ᵇ 'der dünger, die düngung', daher in der tweiten gâre, und ebenso erste, zweite, dritte geile 61ᵃ, doch ist die bed. deutlich erst aus der sache in das wort gekommen, nicht aus diesem selber. auch die jauche soll so genannt werden, eben als düngung. eigen auch norw. gare mist von kleinvieh, s. Aasen 209ᵇ, vgl. unter 5, c.
d)
aber auch aus Schwaben bei Schmid 220 der gar, mist, dung, und dazu gehört vielleicht bestätigend die hd. gl. um 1100 furca, garcabile, neben tridens mistcabile Mones anz. 7, 599ᵇ, jene vermutlich zweizinkig neben der dreizinkigen andern (vergl. unter gabel II, 1, f); Dief. 252ᶜ weist allerdings auf ahd. gartgabela furcula Graff 4, 127, dessen -t in jenem c- angeglichen stecken könnte. dasz aber auch hd., oberd. gar und zubehör in alter zeit vom bereiten des ackerbodens galt, verbürgt das tirol. garberin (s. d.), die auch besonders mit dung zu thun hat. und trotz der gartgabela kann garcabile echt sein, denn umgekehrt kommt für garkoch (s. d.) oberd. auch gartkoch vor.
e)
herzugezogen wird auch schweiz. 'gur, guhr m. dünger, frischer koth des rindviehs' Stalder 1, 498, ahd. gor fimus Graff 4, 236, ags. gor Ettm. 428, mnl. gore, goor, nrh. goir sumpf Teuth. 40ᵇ, fries. gere, jere mistjauche, noch jetzt jere u. ähnl. Richth. 846ᵃ, noch weiter entwickelt im engl., nord., s. die reiche, doch wenig gesichtete zusammenstellung bei Rietz 225ᵃ. aber mit dem stamme gar, garw hat das eigentlich nichts zu thun, wenn auch berührung damit eingetreten sein sollte. s. weiter 5, c, vgl. auch garig 3.
3)
Im gewerbsleben vielfältig ähnlich.
a)
beim bäcker z. b. musz der teig seine gehörige gare haben, ehe er in den ofen kommt, d. h. gehörig 'gegangen' sein, nachdem er ausgewirkt ist; das brot hat zu viel gahre Adelung; ein misratener kuchen hat eine zu kurze gare gehabt, ist nicht lange genug gegangen, oder eine kalte gare, wenn er nicht warm genug stand beim 'gehn'; brote und kuchen werden zu diesem garen, gar werden, auf garbreter gelegt (thüringisch); im ofen aber kommt dazu eine zweite gare, ein zweites aufgehen des brotes (s. Adelung). urspr. gewiss ebenso vom fleisch im topfe, vom braten am spiesze u. ä., s. gar II, 1, das auch vom gebacknen brote vorkommt. Adelung zieht übrigens die gare beim bäcker zu gären, s. 4.
b)
beim gerber, einmal die gare der häute, das gar werden, gar sein: aber wahrscheinlich ist es, dasz alle häute, wenn sie drei jahre zu ihrer gare und reife haben, unendlich schöner .. werden, als sie im ersten und andern jahre sind. Möser phant. 1, 37; s. auch garbrühe, garfasz. dann auch die behandlung des gar machens: rauchgare felle, welche gar gemacht werden, ohne die haare zu verlieren, welche in der gare ihre haare behalten. Krünitz 16, 122. und bei weiszgerbern auch eine gare häute, d. h. 24 häute, soviel auf einmal in die gare gebracht, in die garbrühe gesetzt werden ( Adelung).
c)
ebenso dann ein kohlenmeiler hat seine rechte gare, wenn er genug und richtig gebrannt, geschwelt hat; die gare der soole im salzwesen, wenn sie gehörig gesotten hat (Frisch 1, 319ᵇ); gare des kalkes, der gebrannt wird, der glockenspeise, des erzes (s. garerz), des kupfers in den schmelzhütten, bei Frisch 1, 319ᵃ das kupfer hat seine gar, s. zu allem gar II, 2, b, zum letztern auch gar n. sp. 1330. Bildlich: das lied ist fertig (im kopfe), schon längst, aber es ist noch in der gare. Zelter an Göthe 2, 344, in der äuszerlichen herrichtung mit den handwerksmitteln.
d)
eigen auf ein thier übertragen, das da wie durch menschenkunst fertig gemacht, behandelt wird, in der bienenzucht gare des weisels, 'seine mündigkeit, da er zur zeugung geschickt wird', auch 'das werkzeug, vermittelst dessen er seine eyer leget' Adelung; ein solcher heiszt dann garig. zu der zweiten bedeutung stimmt übrigens ein nd. masc. gare, eierstock beim federvieh, in Fallersleben Fromm. 6, 145.
4)
Zu gären übertretend.
a)
zustand oder verlauf des gärens, z. b. man musz dem sauerteige die gehörige zeit zur gare lassen Adelung, der gahre schreibt, wie gähren, und es vom vorigen völlig trennt, mit dem es doch unverkennbar verflieszt, in der sache wie im sprachgefühl; das bier, der wein ist in der gare. wieder auch gar, nordd.: wenn der meth an einem warmen orte stehet, wird er in 8 tagen nicht aufhören zu gähren, darum man das fasz, wenns seine gewisse zeit zur gahr gehabt, in die kälte rücken und von den hefen abziehen kan. Olearius reise 104. und selbst wechselnd mit gäre (gehr): wenn die möste in die keller bracht sein, so gib gute achtung auf die gehr, dasz du .. sie nicht gehren läst, sondern so lang sie in der brunst und gare sind, so nimm sie immer abe und stille sie. Colerus hausb. 82. s. auch gore unter 5, a.
b)
der gehörige grad der gare oder gärung (wie bei der gare unter 3, b) Adelung, der als beleg auszer der gare beim bäcker 3, a beibringt der tobak hat eine gute gahre, nd. göre (Br. wb. 2, 528), auch auf den guten geruch übertragen. das bier hat seine gare u. ä., vergl. gäre 1, b. dagegen es hat kalte gare, hat nicht warm genug gestanden beim gären (vergl. kalte gier Schm. 2, 62), daher das adj. kaltgärig.
c)
was die gärung bewirkt Adelung, sauerteig und bierhefen, gibt er an, würde 'im gemeinen leben mehrmals' die gahre oder gähre genannt, 'in engerem verstande' gahre oder gohre die oberhefen, spundhefen (als gärungsmittel für mehlspeisen und weiszgebäck dienend) zum unterschiede von den unterhefen oder stellhefen. gare ist nd., im 15. jh. fex, gare vel gert vel geyst Dief. 232ᵇ, blictrum gare n. gl. 55ᵇ. ähnlich ist hefe selbst gemeint, das was den teig 'hebt', daher auch der sauerteig hefel, hebel (IV², 720), vgl. erhaben brot, panis fermentatus Dief. n. gl. 171ᵃ, das mit urhab, sauerteig bereitet ist, noch jetzt heiszt schweiz. teig, der zu stark gesäuert und gegangen ist, überhaben (das brot im spiegel schweizerdeutscher volksspr. s. 29).
5)
Das frühe verwachsen zweier stämme liegt selten so klar vor.
a)
sicher zu gären gehört gare als hefe, genauer gâre mit dem ablaut des plur. praet. (s. gären I, 1, b), darauf weist Adelungs gohre vorhin, nnd. gôr f. gärung Danneil 68ᵃ, schon um 1500 md. gore: in dem weinehren sal er .. zusehen, das der wein rein ausgekeltert, ingefüllet und desselben in der ghore mit füllen wol gewartet .. werde. Mainzer hof in Erfurt 22. Anderseits gehört die gare des brotes sicher zu gar, fertig, denn der teig, der seine gare hat, ist gar, wie es heiszt. diese gare aber wird vermittelt durch den gärenden sauerteig, sodasz das gären und das gar werden (garen) in der sache da völlig verflieszen und verwachsen, und die wörter muszten der sache folgen, s. z. b. garen 1; auch beim kohlenmeiler gilt neben der gare (3, c) durchgähren (s. d.) vom feuer des meilers, das also auch gären musz. schon Henisch leitete gar selbst von gären ab, s. u. gar II, 2, c.
b)
die spundhefe hat aber auch aus alter zeit her einen namen, der lautlich durchaus zu gar stimmt: bair. gerben m. Schm. 2, 65, im 15. jh. auch garben vel hefen, fex Fromm. 4, 298ᵇ, mhd. gerwe, was von haus aus nur bedeuten kann die fertigmacherin oder der fertigmacher (s. u. garbe schafgarbe 3 a. e.), der den teig fertig macht, vgl. fermentum deisim odir gerwehevin fundgr. 1, 363ᵃ (Dief. 641ᵃ), auch deisimgerwe das., gerwe noch verbalisch verwendet. Aber das ist wieder vollständig zu gären hinübergezogen worden in dem tirol. gerben gären, girbt gärt, mhd. girt (s. gärben 3, a); hat sich doch selbst der alte doppelte anlaut von gären und jären dort mit geltend gemacht in järm Fromm. 2, 319, z. b. mähr. 'jerm, germ, hefe' (eig. jerben) 5, 462, wie das. jiern gären 217, schon mhd. im 14. jh. oder früher jerben f. hefe fundgr. 1, 372ᵇ, und umgekehrt ist gerben, gar machen, in die starke form von gären übergetreten, s. gärben 3, b.
c)
anklingend ist auch altn. giör n. bodensatz, hefe Fritzner 206ᵃ (vgl. u. gäre 3, b), das unserm gerwe nahe genug entspricht (s. gar I, 3, gärben 3, e), aber anderseits mit dem schweiz. gur u. 2, e sich berührt, denn gor n. ist altn. norw. das halbverdaute futter im viehmagen oder den gedärmen (s. auch giör Egilss. 247ᵃ), das entsprechende schwed. gorr aber, dial. auch gaͦr, gör u. ä., ist auch 'jäst', gischt, spundhefe, dann unreinigkeit, auswurf überhaupt, auch eiter, weicher schmutz, s. Rietz 225ᵃ, ganz wie das mhd. gerwe hefe auch ausgestoszene unreinigkeit überhaupt (Lexer 1, 892), s. auch gären II, 3, a von eiter. Zu gor als halbverdautes futter gehört dann norw. gorvomb vormagen der wiederkäuer, auch gorsekk, gorbelg u. a. (engl. gorbelly), s. Aasen² 236ᵃ, und dazu gora gierig essen oder fressen 235ᵇ, schwed. gaͦra Rietz 225ᵇ, engl. dial. gorle, gorble Halliw., bair. gärben (s. d. 2, d), wieder nach dem stamme garw, vorarlb. aber garmeilen wiederkauen Fromm. 5, 485, Haupt 11, 174 (schwerlich richtig zu maul gezogen), s. auch u. garn III, 2, c. Da nun das gärende bier oder met, wein im fasse bestimmt den eindruck eines lebenden wesens macht, könnte die hefe bezeichnet sein als das was wie von einem lebendigen als unreinigkeit ausgestoszen wird, oben und unten, womit sich gärben (2, d) als speien und hefe ausgären erklären würde gleich gären selber auch in der letzten bed. (II, 3, c), und gor als koth und hefe, s. weiter gären I, 3, b; vgl. dreck 3 und 9 als koth und bodensatz, während in der lautstufe unterschieden sind altn. þrekkr m. koth und dregg f. hefe (engl. dregs).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1345, Z. 29.

gäre, järe, f.

gäre, järe, f.
gärung.
1,
a)
gäre, aestuatio vini vel cerevisiae Stieler 609, das gären oder die gur des biers Ludwig 691. später gähre, z. b.: sodenn bekömmt es (das wasser in der branntweinblase), wie das bier, zur gähre seine frische hefen. in dieser gähre bleibt es .. stehen .. Leipz. öcon. lex. 366. auch gehr, gähr: gib gute achtung auf die gehr (des mostes). Colerus hausb. 82; weiln die most in der brunst oder gähr sind. Hohberg 3, 1, 284ᵇ. nd. dat bier stêt in de gäre Dähnert 140ᵇ. s. auch u. gare 4, a.
b)
der rechte grad der gärung (wie gare 4, b): dieser wein hat eine gute gäre, this wine has a good garb, a quick and pungent taste Ludwig 691, hamb. êne gode göhr, 'schmeckt rein und wol ausgegohren, hat die lieblichkeit und stärke der reinen traube' Richey 78, auf den tabak übertragen Brem. wb. 2, 528; vgl. 3, c.
c)
was die gärung bewirkt, hefe, gähre Frisch 1, 320ᵇ, s. Adelung oben unter gare 4, c, bestätigung gibt Stielers beispiel dem bier eine gute gäre geben, optimam fecis condituram cerevisiae indere, offenbar aus der brauerei, s. gärbottich.
d)
bildlich nd. in de wilde gäre kamen, in ein unordentliches leben geraten (s. gären II, 4, d), anders de sake steet noch in de gäre, man weisz noch nicht wie sie ausfallen wird. Dähnert 140ᵇ, wie dän. i gjäre.
2)
järe, wie jären (s. dort): den most soll man im winter- oder christmonat reinigen, wenn er nemlich aufgehöret zu jären. alsdann soll man die vässer inwendig, da sie von der jär angelaufen, abwischen .. Hohberg 3, 1, 263ᵇ, er hat daneben gähr (1, a).
3)
die form.
a)
aus d. 15. jh. bei Dief. 77ᵃ gere blictrum, aus Mones anz. 7, 300, wo aber 'gest, gern, blictrum' steht. aus mhd. zeit (wb. 1, 530ᵃ) ein zeugnis bei Frauenlob in einem spruche von der milde:
swer sîn (l. ir) hât übergære,
dem ist der muot ze swære.
325, 13,
überflusz, überschäumenden ausbruch; doch hat die hs. ubergere, und da der dichter im reime auch sonst kürzen lang macht, ist auf gære kein verlasz. gere kann präsensbildung sein, wie bair. ger f. gärung Schm. 2, 62, und gäre trotz seiner nhd. länge nicht anders; vgl. übrigens u. 4. eigen nd. gërige f. gärung Schamb. 63ᵃ, wie hittige hitze 83ᵇ.
b)
auch dän. 'gjär, gähre, gahre, gäscht, hefen', at väre i gjäre, in der gäre sein, norw. gjär f. Aasen² 223ᵇ, schwed. dial. gär m. und göre n. Rietz 230ᵇ, isl. gér n.; das scheint aber unter deutschem einflusz zu stehn, wie auch Aasen andeutet. dän. verflieszt übrigens gjär mit gjärd, und isl. gerđ f., eig. bewirkung (auch verdauung), gilt geradezu auch für gärung, wie schon altschwed. gärþ Rydqvist 2, 357, altn. gerđ Möbius 137, Fritzner 199ᵃ, d. h. es ist zu gera, gerva (s. gärben) hinüber gezogen, ganz wie bei uns gärben und gären verwachsen sind, s. gären I, 3, a; auch das altn. giör hefe unter gare 5, c wird sich so erklären, nicht verschieden von isl. gér.
c)
nd. neben gäre (1, a) auch göre f., 'gehrung, johre' Richey 78, Brem. wb. 2, 528, Schütze 2, 53, auch gör f., bildlich nach 1, b, im 17. jh.:
jerni, segt he, que vive donc la France de bon coeur!
denn, foutre! wat ut Frankrik kumt, dat het de rechte gör!
Lappenbergs Lauremberg s. 150.
das berührt sich zugleich mit nl. geur m. blume des weins, duft u. ä., luxemb. gêrchen n. Gangler 168, in Aachen gühr f., auch saft des fleisches Müller u. Weitz 76, die gleiches ursprungs sein werden, s. gären I, 3, b.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1348, Z. 16.

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Zitationshilfe
„gar“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gar>.

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