Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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garen

garen,
für garn, s. d.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1349, Z. 1.

garen, verbum

garen, verbum
zu gar, selten.
1)
gar werden, beim bäcker, der teig musz garen, hat genug gegart, ist übergart, so in Thüringen (Arnstadt), während anderwärts ebendort gären, gegoren, übergoren gesagt wird, in der mittleren Elbgegend zwar garen, aber mit part. gegaren, d. h. vermischt mit gären (s. gare 5).
2)
dasselbe ist bei eisenfrischhämmern garen, 'das fortschreiten der entkohlung des roheisens', das dadurch gar wird, s. Scheuchenstuel 91; diesz garen wird aber durch zusätze, garende zuschläge befördert (das. 92), worin denn garen in 'gar machen' übertritt.
3)
auch garen, gahren für das gar machen des kupfers, eisens überhaupt wird angegeben, entlehnt schwed. gara; aber das ist von neuerer bildung, das genaue wäre gärben (s. d. 2, c), wofür doch gleichfalls umlautlos garben vorkommt, s. dort; wegen eines angeblichen ahd. garôn, garên gar machen s. gärben 3, d.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1349, Z. 2.

gären, m.

gären, m.
schosz, s. gehre.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1349, Z. 18.

gären, jären

gären, jären,
fermentari, effervescere.
I)
Formen und verwandtschaft.
1)
jësen, gësen ist vielmehr die echte form.
a)
sie findet sich aus der ältesten zeit bis in die gegenwart.
α)
ahd. spärlich, doch eben ausreichend bezeugt (Graff 1, 611): gesandan, ferventem; bei Willeram: der wole jesente (var. gesente) most niet unreines ne dolêt hinter imo belîban, also inf. jësan und gësan.
β)
mhd. und nhd. treten ergänzend hinzu: praet. mhd. jas Lexer 1, 1480; 3. pers. sg. praes. gist Helbl. 3, 70, falls darin nicht ein schwaches gisen schaum machen enthalten ist (mnl. ghissen Dief. 73ᵃ), da von schaumschlagen die rede ist; aber noch im 16. jh. alem.: fervet vinum, der wein giszt Frisius 556ᵇ, Maaler 183ᵃ, bei Dasyp. 71ᵈ der wein ghiszt, im part. praet. der wein hat verghäsen, deferbuit, ergesen in dem bergm. ergesen erz im 16. jh. (s. III, 820), noch im bergwerkslex. Chemn. 1743 185ᵃ ergeesen erz, worin 'der erdbrand das erz consumiret und nur ein gemülbe wie rusz zurück gelassen', aus dem der gehalt herausgegoren ist, vgl. 2, d. Der inf. mhd. jësen und gësen (s. vergesen mhd. wb. 1, 535ᵇ), noch im 15. jh. jesen als bier oder met, blictire Tobler 284ᵃ aus Hugustii voc. germ., yesen Dief. n. gl. 55ᵇ, im 16. jh. alem. jäsen Fris. 289ᵇ, Maaler 234ᵃ.
γ)
noch heute schweiz. schwäb. jäsen gären, vom wein u. ä. Stalder 2, 74, Schmid 296, in Tirol im alem. theile jêsen Schöpf 293 (sonst gêrn 187), doch wol mit verlust der starken bildung, denn aus dem Appenzell gibt Tobler 284ᵃ zu jesa (auch gjesa) 'der most jest', auch jesig f., gärung. Aber noch in Schlesien neben inf. jäsen auch part. erjäsen, durchjäsen Weinhold 38, übrigens noch mit dem mhd. wechsel von jä- und gi-; s. auch gegäsen aus Livland u. II, 1, d.
b)
die mhd. formen waren danach im ablaut und anlaut wie bei jëhen, im auslaut wie bei lësen, wësen: gise jas jâren gejësen, doch jise, gegësen, jâsen nicht ausgeschlossen, der stamm aber jis, jas (s. d). Das bezeugen auch die verbalsubstantiva gis f. schaum Helbl. 3, 73, sonst mit -t gist m. schaum bair. Schm. 2, 79, nrh. 16. jh. hefe Dief. 64ᶜ (vgl. 15. jh. gisten spumare 549ᵃ), gewöhnlich mit brechung jest oder gest schaum, hefe mhd. und nhd., schwäbisch jäst m. gärung; aber auch jast m. elsäss. (s. 2, f), schwäb., schweiz., gärung, gäscht, aufbrausender zorn (Schiller 2, 126 Göd.), schmalkald. jâst gischt Vilmar 125.
c)
auszerdeutscher bestand.
α)
am besten erhalten ist das starke verbum in schwed. mundarten, in Dalekarlien (Rietz 300ᵇ) jäsa, praes. jäs, praet. jas, pl. jasum, in der schriftsprache schwach geworden (wie unser alem. jäsen) jäsa oder gäsa, gäste, gäst (doch noch ogäsen, ungegoren), wie auch dial. schon äsa, äste Rietz 849ᵇ; vergl. Rydqvist 1, 157. Altn. nur das subst. bezeugt, aber unserm gäst (s. d.) entsprechend, iastr, geschr. jastr m. gärung, gäre Egilsson 448ᵇ (er gibt auch jast-ostr alter, scharfer käse, dessen scharfe rinde auch jastr 449ᵃ, wie schweiz. z. b. in Uri jäst schabab des käses Stalder 2, 75); noch norw. gjester oder jestr m. gäre, gärungsmittel Aasen² 222ᵇ. das altn. jastr freilich hat ia für i, sodasz als ursprüngliche form istr anzunehmen ist, aber eingetreten für noch älteres jistr, darum zusammentreffend mit hd. jist, gist.
β)
mit eben diesem abfall des j- (wie hess. jirsch gischt auch zu irsch wurde Vilm. 184) norw. äsa, auch esja gären, mit äs, es m. gärung, s. Aasen 956ᵇ. 137ᵃ, doch meist schon schwach; schwed. dial. esa, praet. as, part. essä Rietz 300ᵇ. norw. aber auch mit anderm ablaut asa, oos, asen, gären, auch vom brotteige, s. Aasen 14ᵇ (ôs m. gebraus, auch aufsteigender dunst 559ᵇ, schwed. os), auf ein altes jasan jôs weisend, man sieht in die reiche entwickelung eines alten stammes (vgl. 3, e).
γ)
in England nur das subst. yeast, yest gischt, altengl. gyste Halliw. 426ᵃ, ags. gist m. Ettm. 426, nichts vom zeitworte.
d)
jas aber greift unverändert ins skr. zurück, aus dem schon Graff 'yas adniti' zugezogen hatte, für das dann auch die bedd. schwitzen, sieden, sprudeln ermittelt wurden (s. Kuhn zeitschrift 2, 137, Curtius gr. et.⁴ 380 unter ζέω, sieden, sprudeln).
e)
bemerkenswert ist die bildung des hess. subst. jirsch m. u. c, β, wozu sich gesellt thür. girscht und gärscht m. gischtsie bilden eine brücke zwischen jäsen und gären, wie in ähnlichem falle kurst wahl, verlurst (s. kür I, 1, b); girscht, gärscht sieht aus wie aus den gleichbed. gir und gischt, gäre und gäscht zusammengesetzt, um beiden recht zu thun.
2)
Nhd. vielmehr jären, gären, gleichfalls urspr. mit starker bildung, aber sehr schwankend, nicht nur im anlaut; es musz sogar gefragt werden, ob jësen und gären wirklich éin wort sind (die mhd. wbb. setzen sie ohne weiteres getrennt an).
a)
der anlaut zwar macht keine schwierigkeit, wo das schwanken vor i oder auch vor ë stattfindet, wie schon ahd. (1, a) und wie in mhd. jëhen mit seinen i-formen gihe, giht (vgl. unter beicht, für das aber bígiht als mutterform anzusetzen ist), und auch gëhen kommt vor, obwol selten (Lexer 1, 1477), nâchgëhe m. zustimmer Karajan sprachd. 14, 17 (Haupt zu Er. 8381); auch im nord. erscheint der wechsel in schwed. jäsa und gäsa, norw. jestr und gjester (1, c), wie bei uns in jischt und gischt, jäscht und gäscht. aber schon in gare gärung, eig. wol gâre (s. d. 4. 5), ist das g- für j- auffallend; vgl. übrigens G 4, b, dazu Weinhold alem. gr. s. 183, bair. gr. 182, wo es sich doch immer nur um vereinzelte erscheinungen handelt, s. auch gat für jat jätete (15. jh.) MSH. 4, 888; in gare neben jast konnte die einmischung von gar den ausschlag geben, s. gare 5, a.
b)
auch das -r für -s, schon ahd. bezeugt (s. II, 7), ist an sich in der ordnung; wie mhd. für gelësen, genësen part. früh auch gelëren, genërn erscheint, musz es auch zu jësen ein gejëren, gegëren gegeben haben, denn noch im 15. 16. jh.: newen wein, der noch nit gejeren oder zu jeren angestoszen. Nürnb. poliz. 256 (15. jh.); vinum deferbuit, hat aus gegeren Alberus Nn 3ᵃ; agileuces, süsz ungeghern, oder in sich gegehrn. das. (vergl. II, 1, a, δ); vinum indigestum, unverghern. Nn 2ᵇ, vergl. vergerner eine art wein Frisch 1, 320ᶜ. Ebenso dann der inf.: ferbescit, hebt an zu geren Alberus Nn 3ᵃ, und so im 15. jahrhundert: gern als das beir (so), spumare, bilbere, bilbire, blictire. voc. inc. teut. i 1ᵇ; gerñ oder ierñ als wein oder bier, blictrire. voc. 1482 l 8ᵇ (nur jeren als das pier p 5ᵃ, das. jest von pier, blictrum), vgl. Dief. s. v. biblire, blictrire, wo auch nd. gheren (nov. gl. 55ᵇ), wie nl. bei Kilian. mhd. jërn, 14. jh.: (man) vaʒʒe in (den fertigen met) in ein rein vaʒ unde lâʒʒe in iern drîe tac unde drîe naht. Haupt 5, 13; wechselnd mit geren: darumb vallent die läut nider in den kellern, dâ möst inne gerent. Megenberg 8, 30, var. jeren (Schm.² 1, 931).
c)
aber auch in den i-formen des praesens das r, wo es bei lësen, genësen, wësen nie erscheint.
α)
schon mhd. in girt, z. b. (s. auch u. II, 1, e):
ûʒ dem besten wîne
scharpfer eʒʒich wirt ...
swie guot ich erschîne,
mîn gemüete girt
doch in argem willen (vgl. II, 4, e).
Konrad v. Würzb. MSH. 2, 322ᵇ;
nur auf diese form hin ist im mhd. wb. 1, 529ᵇ und schon bei Schmeller 2, 62 ein besonderes gir gar gâren gegorn angesetzt (bei Grimm gr. 1, 939. 943 nur mit zweifel), und freilich ist ein lirt für list, genirt für genist unbekannt, wo nicht undenkbar.
β)
giert u. ä. ist nhd. bis ins 18. jh. gebräuchlich: ferbeo, ich ghire. Dasyp. 71ᵈ; der wein ghiszt, ghirt. das.; ich gier, ferbeo Alb. Vu 4ᵇ, vinum fervet, giert Nn 3ᵃ; wein, so gieret fruͦ, druset auch fruͤ (setzt unreinigkeit ab). Fischart Garg. 236ᵇ, Sch. 444 (er braucht dafür auch jürt, s. u. f); wenn und weil der most gieret, denn und dieweil darfstu ihn nicht füllen. Colerus hausb. (1640) 82, im pl. wenn die möste gehren das., ein fasz, darinnen ein most gieret. Luther bei Dietz 2, 3ᵇ; darumb giehrt und scheumet es (das bier) so wol. das.; auch mit der alten kürze girret für giret: wie der most etwan .. in eim fasz durcheinander girret, sprützet oben zu dem punten (spund) heraus. Keisersb. sünden d. m. 73ᵃ. Stieler 606 conjugiert ich gäre, du gierst, er giert, wir gären u. s. w.; der most gieret Ludwig 691.
γ)
dazu ein subst. gir, gier f. gärung, bair. Schm. 2, 62 (vergl. mhd. gis f. unter 1, b), z. b. warme oder obere gier, kalte oder untere gier beim bierbrauer (vergl. II, 1, a, δ und kaltgierig neben kaltgärig), gierkeller, kellerabtheilung, wohin das bier zur gärung gebracht wird. schon im 15. jh. gyr, hefel, sawrtaig, tesem, urhab, fermentum, zyma voc. 1482 k 8ᵇ. l 4ᵇ. o 1ᵇ, also auch das gärungsmittel, gäre f. Dazu dann wieder giren, gieren gären, part. gegiert, s. Schm. 2, 62, bei Schönsleder V 8ᵃ giren effervescere, exspumare, ebullire, vergiren defervescere, bei Stieler 606 gieren neben gären (getadelt), gihren Rädlein 317ᵇ neben gähren, z. b.: so nimmt man den schaum von gierendem most. öcon. lex. Lpz. 1731 sp. 2128.
d)
endlich selbst mit ablaut u, der aus jësan gar nicht begreiflich ist. wie gir f., auch gur f., guhr (Frisch 1, 320ᵇ), bergm.: guhr ist eine feuchtigkeit, welche aus dem gesteine giehret und treuft, siehet fast aus wie buttermilch und zeiget auf erz. tritt eine solche guhr durchs gestein, so sagt man: des ganges kraft giehret in das gestein aus. bergwerkslex. 279ᵇ, im 16. jh.: in alten zechen .. richten sich bergverständige leut nach der ghur, so aus den straszen giert und treuft. Mathesius Sar. 37ᵇ. bei Henisch 1354 selbst ein adj. gur gleich gar, das er von gären ableitet. s. auch nd. göre gärung unter gäre 3, c.
e)
dazu denn die formen des praet. gor, gegoren, vom mhd. jas, gegesen weit abstehend, das part. über das 15. jh. zurück zur zeit nicht bezeugt: es (das bier) sei dann ieglichs in seiner kufen nach notdurft vergoren. Nürnb. poliz. 267 (inf. verjären 260, jeren 256), ende 15. jh.; dempfe, die darin gegoren werden, v. j. 1538, s. u. II, 7, c, auch Mathesius unter II, 2, b; das praet. aber ist erst im 17. jh. verzeichnet, doch vgl. u. f aus dem 16. jh.: ich gor (oder gur), ich göre, gegoren Stieler 606, und so bis heute, obwol die schwache form immer mehr oberhand gewinnt, nur das part. steht, wie immer, am festesten (vgl. II, 1, b).
f)
derselbe neue ablaut aber doch auch mit j-: denselben (palmwein) .. stehen zu lassen, bis er verjoren. Simpl. 2, 236 Kz.; in solchen fällen, da man die weine süsz und unverjoren hinweg führt (zur ausfuhr bringt). P. Wigand denkw. 97, aus dem Elsasz, 16. jh., als subst. dazu jast, dasz die wein nit in den jast kämen s. 96; du bist noch ein junges bluͤtlin unverjoren. Keisersberg post. 35ᵇ bei Frisch 1, 320ᶜ, der aber ebendaher 161, auch schwach unverjort als wein beibringt, als inf. jeren. ganz merkw. jürt für girt bei Fischart: ein pott mit moustart .. ist most art, jürt wie newer wein hinden ausz. Garg. 123ᵃ (Sch. 222), vgl. das bergm. güren, vom subst. gur, s. z. b. ausgühren. s. auch das hess. jirsch gischt u. 1, e und mährisch jieren gären Fromm. 5, 217, wie gieren u. c, γ.
g)
der umsprung aus der ablautsreihe von jësan in die nächstverwandte, aus gegeren (2, b) in gegoren ist nicht ungewöhnlich und könnte selbst alt sein, s. entpretten gleich ahd. inprottan III, 578, mehr unter kommen V, 1628, auch pflegen. gor könnte erst aus gegoren entnommen sein, wie pflog aus geflogen u. a., doch vgl. 3, b.
3)
Aber einmischung anderer stämme kommt bestimmt vor.
a)
am merkwürdigsten in tirol. gerben gleich gären, selbst mit starker bildung girbt, wie girt (s. gärben 3, a), und gestützt durch bair. gerbe hefe, mhd. gerwe, und diesz selbst mit angenommenem j- in mhd. jerben hefe (s. u. gare 5, b). und derselbe vorgang im norw. gjerast gären, in gärung sein, von bier Aasen² 221ᵇ, schwed. gäras, göras, auch noch göra oder gära sig, s. Rietz 230ᵇ, auch bei uns zwar als refl. vorkommend (II, 1, a, ε), aber jenes wol eig. gemeint als sich fertig machen, vermutlich schon altn. gervast, giörvast, denn gerđ gärung und giör hefe (s. gäre 3, b) weisen bestimmt darauf hin; dennoch ist es am ende nur einflusz unseres gären, das man so umdeutete, denn dän. gjäre ist rein übernommen, und gjäres vom teig u. ä. trennt sich doch von gjöre fertig machen; s. auch gäre 3, b. auch bei uns wird gar fertig längst mit gären in beziehung gesetzt, vgl. auch II, 7.
b)
für jast, jest, gest gischt (1, b) erscheint im 15. jh. auch geust blictrum Dief. 77ᵃ aus einem mrh. voc., gestützt durch schweiz. gäuschten gären, gischten Tobler 284ᵃ; das zeigt die ablautsfarbe, bei der gegoren, gor richtig unterkämen, samt dem subst. gur f. (2, d), wie kur von kiesen, ahd. chiosan. mit bewahrtem -s stimmt dazu ahd. gusi flut, urgusi überfluten, überwallen Graff 4, 285, mhd. güse, güsse f. n., isländ. gusa aussprudeln, eructare, gusa f. effluvium Biörn 1, 314ᵇ, wozu das mutterwort altn. bewahrt ist in giosa, gjósa (s. J. Grimm gramm. 2, 22, Schm. 2, 76, Diefenbach goth. wb. 2, 409) hervorströmen, wallend ausbrechen u. ä., auch von wasser, thränen, blut, schaum, von speien (s. Fritzner 206ᵃ, Möbius 143), in den letzten drei fällen völlig mit gären, jësen einstimmend (s. II, 3, b. c), es wird auch ahd. giosan mit dieser schwächeren bed. gegeben haben; übrigens ist das schäumende überwallen des flusses ein gären im groszen, wie das gären des bieres, das sieden des wassers ein flusz- oder meerwallen im kleinen, auch lat. fervere galt von beidem. von giosan kann und wird denn gegoren, gur ein rest sein, der dann zu gësan übersprang. hierher denn auch das nd. göre gärung und nl. geur, nrh. gür, duft, saft u. ä. (s. gäre 3, c), eigentlich was ausgärt, ausschwitzt, wie beim bergmann die gur unter 2, d. nicht anders wird das alem. gur, ahd., nord. gor, koth u. ä. unter gare 2, e hier seine quelle finden, wie das nl. adj. goor verdorben, sauer (s. II, 2, c).
c)
hefe, gischt heiszen aber auch nd. geist fex Dief. 232ᵇ, geest fermentum 230ᶜ, auch md. geest blictrum 77ᵃ, gestützt durch norw. geis m. dampf z. b. von gärendem biere, auch aus dem magen aufstoszender, geisa dampfen, auch vom rülpsen (wie gären II, 3, c), s. Aasen² 213 fg., altn. geisa brausend, rauschend, schnaubend ausbrechen Fritzner 197ᵃ, auch vom wogen und branden des meeres Egilss. 231ᵃ, vgl. schwed. gajst m. scharfe luft Rietz 181ᵇ. Das sieht neben jenem geust aus wie auf ein starkes gîsan neben giosan zurückgehend, das nord. geisa wie von einem starken gîsa neben dem ähnlichen geysa von giosa. so steht mhd. klîben neben klieben u. a. (s. V, 1162), anderseits ags. cnîdan neben ahd. chnëtan (V, 1413). auch in gist, gëst gischt, selbst in gir gärung, wie in dem gesamten g- könnte das neben jësan gewirkt haben.
d)
erwähnenswert scheint endlich auch 'blictrire, cerevisiam spumare (gären machen), ceren' Dief. 77ᵃ; auch wenn da eine alte etymologie von cerevisia mitwirkte (s. Frisch 1, 320ᶜ), hat es doch anhalt an ahd. zessa aestus, fervor, motus maris Graff 5, 708 (eig. wol zasia), schweiz. zisen zischend sprützen Stalder 2, 475 und nhd. zischen selbst (sibilare Dief. 532ᵃ), denn der gärende wein wie der sprützende schaum zischt zugleich und gischen selbst heiszt auszer schäumen auch zischen schlechthin (z. b. Göthe 17, 161), vgl. kischen zischen u. ä., das nun auch bei Dief. nov. gl. 337 md. aus dem 15. jh. belegt ist in kyshung sibolus; jësan wie sanskr. jas wird von haus selbst eben den zischenden klang meinen. wenn aber da in zis, zas ein z- mit g- (und k-) oder j- zusammentrifft, so ist das ein bei uns zwar seltner, aber doch begründeter fall, s. unter K 4, c, ketschen 4, kiepe 7, d.
e)
nun ist in der hauptsache klarheit: aus der urzeit überkommen ein stamm jas (jis), zischend sprudeln, noch wolerhalten in schweiz. jast; dieser nachher, unter mitwirkung des ahd. mhd. rein lautlichen übertritts von ji- jë- in gi- ge- und des berührungspunktes zweier ablautsreihen im part. praet., sich mischend mit einem vielleicht verwandten stamme gus (gius), brausend oder sprudelnd o. ä. hervorbrechen, vermutlich mit nebenform gis (gîs), alle zwei oder drei mit dem lautübergange von -s in -r; daher dann auch einmischung eines ganz fremden stammes garw, am deutlichsten und wol am frühesten (doch vergl. II, 7, a) in mhd. gerwe hefe, aufgefaszt als fertigmacherin; vielleicht auch einmischung eines stammes zis, alle drei oder vier aber stellenweise unscheidbar verwachsend. der anlasz zu solchem ganzen oder theilweisen vergehen eines stammes im sprachgefühl ist das verblassen seiner sinnlichkeit, für die das gefühl eine auffrischung bedarf und in der fülle des gegenwärtigen lebens immer zu finden weisz, d. h. es geht mit den worten wie mit den gestalten der sage und des glaubens der völker. man weisz aber neue sinnlichkeit hineinzufüllen, vgl. unter gare am ende.
4)
Das schwache gären, um auf dieses zurückzukommen, erscheint schon im 16. jh. (s. auch unter II, 7, b beim Wolkensteiner): ein ieglicher wein, der in sich selb gert, der ist süszer, dann der oben zu dem fasz auswirft. Pauli sch. u. ernst Augsb. 1546 bl. 74 (vgl. unter II, 1, d, α); deferbuit adolescentia (Ter.), die hitz .. der jugend .. hat schon verneüwgäret oder verzablet. Frisius 375ᵇ, wol nach einem neuwgären vom gären des neuen weines, diesz aber wol erst von gäre f., gärung, s. d. 3, a; s. auch unverjort unter 2, f, worin jôre für jâre gärung stecken mag (s. Richeys johre unter gäre 3, c), das seinerseits ein mhd. gære, jære doch glaubhaft macht. ein andres schwaches geren s. unter II, 7.
5)
Neben gären geht noch lange jären her (das besonders nachzusehen ist, vgl. 2, b), z. b.: dasz .. die möst .. genzlich ir verjerung haben mögen. reichsordn. Worms 1539 29ᵃ; jären Hohberg unter gäre 2; den wein .. verjären zu lassen. Simpl. 2, 226 Kz. (verjoren 236); jährbottich, jährkammer öcon. lex. 1105 neben den formen mit g-; selbst blosz jehren bei dem Schlesier Steinbach 1, 814, das bier jiehrt, johr, hat gejohren (und gleichgeltend selbst jeschen, josch, gejoschen, s. gäschen), vgl. das schles. jäsen 1, a, γ.
II.
Bedeutung und gebrauch.
1)
Eigentlich, besonders von most, wein, met, bier.
a)
bier die vil gehren, haben vil hefen, sprichw. Henisch 1438 (geren 1511), bei Stieler 606 biere die viel gären u. s. w.; aller genusz soll sich mächtig ausbreiten, er soll sich ergieszen wie gährender most. Bettine br. 1, 191. Im sing. der wein giert Stieler (s. I, 2, c, β), bei Adelung gährt, aber noch mit giert in parenthese, auch bei Campe; doch die schwache form hatte in der schrift schon lange vor Adelung gesiegt (erscheint sie doch schon im 16. jahrh. I, 4): ie mehr er gähret, ie dicker, rothschieler und stärker der wein auch wird. öcon. lex. 1653. von gor, gegoren s. I, 2, e, vorherschend ist übrigens noch die schreibung gohr, gegohren ( Adelung).
b)
störend fühlt man übrigens die doppelform gegärt und gegoren nebeneinander, da zumal das letztere noch den platz behauptet, wie denn ungegärt, halbgegärt kaum vorkommen wird. wie man aber beide nun auseinandersetzt, zeigt folg.: aller wein, welcher zu markt gebracht werde, solle zuvor seiner natur nach alle fäulnis, gewürmbs und hefen über sich hinaus aus-gegährt haben, wenn man ihn für aufrichtiges kaufmannsgut halten solle. der wein (des beklagten weinhändlers) sei nun aber von dem kelter (weg) als trotten in die fässer geschüttet und der speck hineingehängt worden, sodasz er nicht aus-gegohren und die unreinigkeit behalten habe. P. Wigand denkw. 91, kürzender bericht aus einem actenstücke des reichskammergerichts aus dem 16. jh., also gegährt als trans., ob in der quelle so steht? vgl. das ebenso trans. gebrauchte praes. ausgiert bei H. Sachs unter γ und das alte trans. geren unter 7.
c)
bemerkenswert ist dabei, dasz auch beim intrans. haben steht: bier, das nicht gnug gegoren oder ausgegoren hat, das nicht recht vergoren hat. Ludwig 691; die gärende masse erscheint eben sehr entschieden als ein thätig lebendiges, daher auch bei dems. der most gieret, arbeitet, the wine workes, sein arbeiten ist ein 'klingen und tanzen': bibilio vini, dum sonat et saltat spumando Dief. nov. gl. 52ᵇ aus einem voc. des 15. jh., ja er 'wütet und tobt': in währender gährzeit soll man auch die weinfässer mit dem most oder neuem wein irgendwo an die luft .. und nicht so gleich in die keller bringen lassen, es sei denn dasz er vorher ganz ausgewütet und vertobet habe. öcon. lex. 1653, ist in der brunst (Hohberg unter gäre 1, a). so hat er auch seinen willen für sich: wenn aber der wein nicht mehr gähren oder aufwerfen will. das., vgl. H. Sachs unter δ, das alles dann bildlich verwendet unter 4.
d)
der begriff hat übrigens mehrere seiten.
α)
das eig. gären ist ein doppeltes, nach oben und nach unten, ein über sich giren und unter sich giren (s. I, 2, c, γ) Schm. 2, 62 aus Krenners bair. landtagshandl. 1, 162, daher obergärung und untergärung beim bierbrauen, obergäriges und untergäriges bier. Aber es gibt auch ein drittes sogenanntes gären in sich, wo das eigentliche gären vielmehr verhindert wird; Alberus nennt einen wein süsz ungeghern, oder in sich gegehrn (s. I, 2, b), dem durch verhinderung der ausgärung die süsze des mostes erhalten ist; gezwungener wein, der in sich selbst jeren musz, den man nicht ausstoszen läszt. Frisch 1, 320ᶜ aus Keisersberg post. 217ᵇ, schon im 15. jahrh. als schwefel-süszwein, den man schmir nennt, verboten Nürnb. poliz. 263, vergl. 262 und Brant 102, 13 ff.; der gegensatz ist vergerner I, 2, b, vgl. süsz und unverjoren I, 2, f.
β)
das eigentliche gären wird aber zugleich ein trans. ausgären, ausscheiden, ausstoszen durch die gärung (vergl. stoszen vom gären, anstoszen unter I, 2, b), auch blosz gären genannt, wenigstens mhd. jesen so, s. 4, c; und auch der getrunkene wein setzt nach der alten vorstellung im leibe diesz ausgären fort, wie denn auch das getrunkene bier wirklich ein neues gären antritt:
desgleich so sein (des weins) der mensch trinkt vil,
er unten und oben aus wil (vgl. u. γ),
bleibt so ungstüm, bis er rein wirt,
allen unflat von im ausgiert.
H. Sachs 2, 2, 89ᵃ.
γ)
endlich gilt gären auch von dem was durch das gären ausgeschieden wird, heraus gärt, wie hefe; s. z. b. die dritte und vierte stelle aus Mathesius unter 2, b und Göthe unter 3, b. die hefe heiszt auch selbst gäre, allerdings mehr als bewirkerin weiterer gärung, vgl. gare 5, b.
e)
bei der thätigkeit des mostes o. ä. lag das refl. sich gären nahe, er arbeitet ja an sich selber:
o freund, uns ward dein geist
gutedel schon gekeltert;
er gohr sich klar ...
Voss 1825 3, 223 (1835 204ᵇ).
und so wol schon vor alters nach folg. mhd. bildlicher verwendung von dem durcheinanderwallen auf einem schlachtfelde:
ob eʒ sich mit strît dort undernander girt.
Lohengr. 3679;
vgl. das refl. nord. gjerast, göras I, 3, a.
f)
natürlich wird das gären auch auf das fasz u. ähnl. übertragen: in jedem gährenden fasse. J. Paul (s. 4, b);
was ob annoch die kufe gähret!
Voss 2, 249 (s. u. 5, a).
2)
Mancherlei andres gären noch.
a)
beim backen, der sauerteig gährt Adelung, dann auch auf den brotteig übertragen, der teig ist im gären oder in der gäre, ist übergoren o. ähnl., anderwärts garen (s. d. 1) oder gehn genannt. s. auch vom kohlenmeiler unter gare 5, a, durchgären.
b)
bergmännisch, z. b. bei Mathesius, wo er das wachsen der erze erklärt (vgl. sp. 1229): gott hat seine wunderbarliche laboratoria und distilieröfen under der erden ... so giert und derkreuselt sichs im berge, wie das bier im pottich. Sar. 57ᵃ; die erden .. distiliret und sublimirt (alchymistenwörter) auch safte .. die hernach zu tag wie das petroleum heraus flieszen oder übersich geren. 56ᵇ; spüren doch oft die bergleut auch in verschroten gengen .. eine weisze .. feuchtigkeit, die vom silber giert .. daraus silber wechst. 56ᵇ, die gur genannt, d. h. das ausgegorne, s. I, 2, d; nun bricht der steiger der gure nach übersich .. (und dem splitterlein vom hauptgange), davon dise .. quecksilbrichte feuchtigkeit .. gegoren hatte. 62ᵃ.
c)
eine andere sachliche seite stellt der begriff heraus, wo das gewicht auf das sauer werden fällt (wie auch dem moste das gären seine süsze nimmt): gegorne milch, geronnene Hupel livl. id. 74, das. 73 auch mit alter form (s. I, 1, b) gegäsene oder gegäste milch, sauermilch ('vielleicht sollte sie eigentlich gekäsete heiszen'), übereinstimmend schwed. jäsenmjölk Sahlstedt 254ᵇ (mit verwischung des alten partic. jäsemjölk Rietz 300ᵇ), norw. äsa sauer werden, von milch Aasen² 956ᵇ (vgl. altn. ostr käse), s. dazu auch garmilch. Ebenso von eingemachtem obst, beeren u. ähnl., die säuerlich werden und mit pilzchen 'beschlagen', die heidelbeeren gären, schmecken gegoren u. ä.
d)
ähnlich dann von allerhand fäulnis, die ja der anstosz und das ziel alles gärens ist, z. b.: der mensch entstehet aus morast .. und macht morast, und gährt wieder zusammen in morast. Schiller räub. 4, 3 (Franz Moor), rein chemisch gemeint;
es stand der see, lang' eingehemmt (d. h. Frankreich),
und sumpft' in ödem rohr;
von fäulnis grünt' er, halb verschlämmt,
und hauchte pest, und gohr.
Voss ged. 1802 3, 51 (v. j. 1794),
wie schon mhd. des graben viule jas (von vergossenem blute auf dem schlachtfelde, s. 3, b) Lexer 1, 1480.
e)
ebenso gärt gift, theils als gebräu das bereitet wird, theils in dem fremden körper, in dem es auftritt (wie bier u. 1, c, β): gährend drachengift. Schiller 544ᵃ;
es keimt, es gährt bereits durch alle meine glieder
der same und das gift geerbter sterblichkeit.
fürchterlich gohr das gift der sünde
in den adern der menschheit.
Schubart 1, 442 (1825 1, 327);
diese bildliche verwendung ist ein nachlasz aus alter zeit, eine ahd. glosse nennt den giftmischer danach: eitargerio, veneficus (eitargeri veneficia) Graff 1, 612, einer der gift gären macht oder braut, kocht, wie es auch hiesz (II, 323, kochen 1, b, γ), zu gerio s. unter 7 und vgl. eiter als thierisches gift III, 391, mhd. eiter unde gift krone 11579.
3)
Ein gären in und am menschlichen leibe.
a)
auch vom eiter (s. 2, e) in unserm ärztlichen sinne, eig. als ein im leibe ausgegornes gift gedacht: die wunde gieret mit eiter, vulnus purulentum est, saniem egerit Stieler 608, gewiss auch das eiter aus der wunde, blut das in fäulnis übergegangen, ins gären gekommen ist (wie es auch kocht V, 1559), sanies ist vûl bloet Dief. 511ᵃ, engl. gore (auch kelt. gor), vergl. gare 5, c. ganz alt in form und sinn schles. erjäsen (s. I, 1, b), von eiter aufgeschworen, unterschworen Weinhold 38ᵇ. ebenso gesten (gären), z. b. suppurare, eiteren, gesten Dief. n. gl. 356ᵇ, gisten voc. opt. Lpz. 1501 Dd 3ᵃ.
b)
auch überhaupt vom blute aus der wunde, vermutlich als 'lebenssaft' (vgl. unter kochen 4, b) verglichen dem traubensafte der aus der kelter flieszt und dann gärt (vgl. traubenblut II, 174, weinberblut Fischart bien. 54ᵃ); das blut, das 'vergossen' ist (wie wein aus dem fasse oder becher, vgl. 'bluottrinker' V, 385 und kochen 8, h), gärt dann und gärt dämpfe aus, wie der most, das bier in der kufe, nur giftige, z. b. Otacher von Steier erzählt aus einem blutbade vor Akers:
daʒ daʒ pluot übervlôʒ,
alleʒ daʒ in dem graben was ...
dô daʒ pluot enpor
begunde wallen unde jesen,
waʒ solde dâ genesen
von sô giftigem tampfe?
Pez script. 3, 426ᵃ (Frisch 1, 320ᶜ);
nicht rauschten die wogen der see mehr
leichen- und trümmerbedeckt und vom gährenden blute gesättigt
(in der seeschlacht).
Pyrker Tunis. 4, 410;
wie gährend stieg aus der erschlagnen blut
der mutter geist ..
Göthe 9, 48 (Iphig. 3, 1),
nach dem gären 1, d, γ, aus der gärenden masse sich ausscheiden; vgl. norw. geis dampf aus dem gärbottich I, 3, c.
c)
auch gewisse speise, wie der trank, 'gärt' noch im leibe oder gärt herauf:
(eʒʒen) daʒ nicht blæte noch enjas
umb des herze, der eʒ aʒ,
noch anders keinen bœsen wâʒ (dunst)
iemêr gap von dem munde ..
krone 7654.
noch bair. 's essen girt mer affe (d. i. aufher, herauf) aus dem magen Schm.² 1, 931. bildlich, als rachedrohung: aber wart du, du allerweltweibsstück, das soll dir aus dem halse gähren. Müller Siegfr. v. Lindenberg (1790) 3, 93, das will ich dir eintränken, einbrocken, dasz dirs zu viel wird, vgl. altn. giosa unter I, 3, b und gärben als gären und speien (s. gare 5, c). nd. aber garren, eben in dem bereiche, wo Müllers geschichte spielt: dat schal di upgarren, 'dafür sollst du leiden', eigentlich von zu fettem essen das aus dem magen heraufdampft (garrig genannt) Dähnert 142ᵇ, vgl. dazu garstig.
4)
Ebenso ein gären in seele und geist.
a)
'es gärt' in der seele, wie in der kufe mit most, von allerlei leidenschaft die etwas zu verarbeiten hat, etwas noch halbdunkles herausarbeiten will: doch hab ich .. aus hingeworfnen worten gespürt, dasz es in seiner seele gährt. Göthe 57, 34, Iphig. 1779 1, 2;
mir indessen, dems im busen thatenschwanger wühlte, gohr ..
Platen (1847) 2, 77.
auch die leidenschaften u. ä. selber, oder pläne:
grausamer wüterich, verfluchter ketzereifer!
dich zeugte nicht die höll' aus Cerbers gelbem geifer,
nein, heil'ge zeugten dich, du gährst in priesterblut!
Haller 91,
zugleich: gärst dich aus, wirst ausgegoren, erzeugt, vergl. gären vom blute bei J. Paul unter b; gegen diese (die ketzer) gährte ein unauslöschlicher hasz in seiner seele. Schiller 4, 104 Göd.; während dasz riesenpläne und wüthende wünsche in seinem (Fiescos) brennenden busen gähren. 3, 349; riesenpläne gähren in meinem schöpfrischen schädel. 2, 35; in seinem dritten bruder gährte die vor Rochelle schon gezeigte sucht .. immer aufs neue. 1078ᵇ; dieser verzweifelte plan gohr und rumorte in ihrem pochenden busen. Keller grüner Heinr. 3, 226;
aus der verworrenheit gährendem streben
soll sich die klarheit, die ordnung erheben.
gährendes leben J. Paul bücherschau 2, 28, gährende triebe Platen 278. Auch vom genusse einer leidenschaft, im folg., wo deutlich an schaumwein gedacht ist:
komm zurück, du holder taumel! gähre
wieder auf, du süszer nektarschaum.
Bürger 99ᵃ.
b)
auch herz und seele selber, wie das fasz mit dem moste (s. 1, f): doch vielleicht findet sich diese noch (die hochachtung statt der liebe), wenn nur das gährende herz erst ausgebrauset hat. Lessing 2, 60; er fühlte überschwellende kräfte, die keinen lehrer fanden ... er wuszte oft nicht zu bleiben — phantasie, herz, blut und ehrliebe gohren. in solchem falle ist in jedem gährenden fasse nichts gefährlicher als ein leerer raum ... J. Paul Titan 1, 156 (1800 250).
c)
hier zugleich wieder ganz sinnlich das blut, wie im folg.:
was treibt und tobt mein tolles blut? ...
es kocht mein blut und schäumt und gährt.
Heine buch der lieder 11,
vgl. kochen II, 8 in gleichem gebrauch. auch vom gehirn:
bis hirn und herz hat ausgegohren.
Seume (1853) 7, 169.
d)
auch kurz vom menschen selber: es ist ein trefflicher junge (der herzog) und wird wills gott auch ausgähren. Göthe an Aug. v. Stolberg 134, vgl. so verneüwgäret bei Frisius unter I, 4, unverjoren schon bei Keisersberg II, 2, f, die jugend sei wie ein most, er müsse verjehren und überlaufen Zinkgref 1, 174; ein jüngling der so lebt, ist in der wilden gäre (s. d. 1, d).
e)
überhaupt geht auch diese anwendung auf das innere leben des menschen weit zurück; war doch einst das wirkliche gären den leuten allen weit bekannter und näher, wo in ältester zeit noch im hause gebraut und später fast überall gekeltert wurde; gutes wie böses 'gärt' in und aus dem menschen, vergl. schon I, 2, c aus Konr. v. W. mîn gemüete girt u. s. w.:
dan verræter müeʒen wesen.
swie si vor bôsheit überjesen,
ir ist nôtdurft in der welt ..
lieders. 1, 434,
das böse wird ja gebraut im herzen (s. II, 323), wie das gift im kessel (2, e), vergl. sich ergesten sich erbosen Lenz Schwabenkrieg 36ᵃ. aber auch tugenden gären sich aus im herzen:
diu stæte sol billîchen jesen
ûʒ herzen edel frühte.
lieders. 2, 438,
zugleich 'gärend bereiten', wie 7, c. auch altn. z. b. heiptar jastr, des grolles gären oder übergären Egilsson 449ᵃ (wie er 'schwillt, zusammenrinnt' 314ᵃ), gewiss auch schon ahd.; vgl. lat. fervor, fervere.
5)
Auch im völkerleben, in der natur u. a. kommt gärung vor.
a)
politisch von 'aufgeregten' zeiten:
im norden ists nicht just.   'ich wollte nicht drauf schwören.'
es gährt so heimlich nach.   'wir werden manches hören.'
Göthe 7, 89,
von den nachwirkungen eines krieges, unmittelbar vom most oder wein entlehnt, der auf den fässern ein nachgären hat, wie das jungbier; in Frankreich gährt es. ob wein oder essig daraus werden wird, ist ungewiss. Lichtenberg 1, 232, vergl. aufgähren;
was ob annoch die kufe gähret!
der most verbrauset einst und kläret
den nektartrank.
Voss ged. 1802 2, 249 (von Frankreich i. j. 1794);
vergl. das volksmäszig nordd. gäre 1, d. von dem noch unklaren werden einer sache.
b)
im meere gärt die brandung, im flusse der schwall der schäumenden flut, am himmel die drohende gewitterwolke u. ä. (vgl. kochen so V, 1556):
in wildem aufruhr gor die luft, das meer, das land.
Kosegarten poes. 1, 291;
der wind schwieg, gährend gewölk zog
drohend herauf aus dem süd und dem west.
ders., dicht. (1824) 3, 98;
zuckende flammen
rissen die gährende luft aus einander.
6, 197.
auch das gewiss schon längst, wie brauen (1) von dünsten und wolken alt ist; vgl. norw. asveder unwetter zur see Aasen 15ᵃ (asa stürmen und gären). von der gröszten sonnenglut, wie es glüht und kocht die luft V, 1556, mhd. jësen:
wan eʒ dem imbiʒ (mittag) nâhe was
und diu sunne nâhen (?) jas.
krone 15940,
wie lat. sol fervet u. ä., es wird dabei eig. an das schaumähnliche zittern der luft gedacht sein, das den anblick des gärens gibt.
c)
und sonst noch manigfach anders, z. b.:
trink, Hafis, und ertränk im herzen
die sorg um diese welt,
den gestaltlos gährenden klumpen.
eigen ostpreusz. es gährt bei ihm (d. h. von ungeziefer) Hennig 324, 'es ist alles voll und findet sich immer mehr', wol nach dem bierschaume. dagegen im Schwarzwalde aufgären aufschlagen, abergären (d. i. abher, herab) abschlagen, z. b. die früchte gären aber Schmid 221, die ewige bewegung der marktpreise auf und ab dem gären des mostes verglichen wie es scheint.
6)
Ein thür., osterländ. gären schwatzen, breit und langweilig reden, stellt Stieler 609 gleichfalls dazu, gibt aber eine andere bedeutung an, aus der jene erst abgeschwächt sein müszte: unablässig brummend tadeln, zanken u. ä., er hört den ganzen tag nicht auf zugären, integrum diem mussando et reprehendendo terit; er erklärt es von dem schaume den solche gärer (auch fem. gäre, schwätzerin) am munde entwickeln, auch der zischende klang des gärens im gärbottich könnte der anlasz sein; es heiszt freilich nur er hat gegärt, nicht gegoren.
7)
Endlich ein trans. oder causatives gären.
a)
ahd. bestand dafür eine causative bildung jerian, gerian, die Graff 1, 611 richtig entnahm aus den gl. gijeritiu, gigeritiu u. ä., confecta, mixta, gajeritiu tranch (n. pl.) sicera; dazu ein subst. eitargerio giftmischer (s. 2, e), also von künstlichen tränken, durch gärung bereitet, vgl. sicera ein gemenget trank Dief. n. gl. 338ᵃ; in dem gigerit könnte sich sogar die mischung gären und gärben bereiten schon angedeutet finden (s. I, 3, a).
b)
ein mhd. rest davon trans. geren vom brauer: eʒ ist auch gesetzet, daʒ ein ieclich breuwe, wenne er breuwet, sol daʒ ganze brauwe in éiner kuofen mit einander geren. Nürnb. poliz. 212, obwol auch da geren gleich gerwen (s. gärben 3, c) eingemischt sein könnte. vgl. ausgegährt unter 1, b, und beim Wolkensteiner oben II, 1613 vom schreck, der sel und leib durchgärt, gären macht?
c)
aber auch die starke form mit trans. bed.: etlich meinen, es sei ein natürlich ding (der ausbruch des Vesuvs), das sich ein feur in (d. h. in'n) hölen der erde entzünde und von schweflichten dempfen, die darin gegoren werden, ernere. newe zeitung v. j. 1538, verh. der k. sächs. ges. d. wiss., phil.-hist. cl. 2, 155. so schon mhd. jësen 4, c, wie genësen gleich 'genesen machen', generen Lexer 1, 856.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1349, Z. 19.

garren

garren,
fechten, wie handwerksbursche, s. garten.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1373, Z. 31.

garren

garren,
ein klangwort, von mancherlei scharfen oder widerlichen tönen.
1)
garren selber.
a)
mhd. (s. die wbb.) z. b. von einem jüngling ohne zucht:
der garret als ein orrehan,
der den munt kan offen lân.
Haupt 8, 568,
der den mund gar nicht zuthut (zu kan s. können II, 6); von einer ratte in der falle:
des muostes dâ beharren,
si begunde vaste garren.
lieders. 3, 53;
von ungebildeten pfaffen, die
an der kanzel girren und garren,
gelîch als ander narren.
teufels netz 11731.
b)
nhd. garren, garrulare Dief. 258ᵃ, nov. gl. 189ᵇ, 15. jh.; die schwalmen am morgen so garren sie und schwetzen und ist on end. Keisersb. evang. 1517 119ᵇ (Frisch 1, 321ᵇ, Scherz 473). noch schwäb. garren (auch garen) knarren Schmid 221, mrh. z. b. von neuen schuhen Kehrein 151, davon ebenda garre f., ein garrendes spielzeug der kinder, in der karwoche neben der kläpper gebraucht. bair. mit der dort beliebten endung garrezen, s. dort.
c)
auszer dem hd. nrh. garren Teuth. 100ᵃ (und gherren 60ᵃ) garrire u. ä., mnl. garren z. b. vom sterbenden schweine, vom papagai (s. Oudemans 2, 354):
wi hadden gevaen te samen een swijn,
dat beten wi doot voor't lude garren.
Reinaert 6069;
(der papagai) crist ende garret meer dan singet.
nat. bloeme 2118 (var. garlet).
für hohes alter zeugend engl. yarr knurren, brummen, yar to snarl Halliwell 943ᵇ.
2)
garren hat neben sich girren und gurren (vgl. girren und garren unter 1, c), alle drei aber haben hinter sich ein starkes gërren, gar, gegorren, das noch in der Wetterau und hessisch sich findet für laut weinen (Weigand bei Haupt 6, 486, Vilmar 124), mhd. in der erlösung 144, ags. georran z. b. von den segeltauen im sturme. das alles aber hat neben sich gleichbedeutendes karren, kirren, kurren und starkes kërren (s. d.), also ein stamm in doppelter form ausgeprägt durch scheidung des anlauts in der lautstufe, urspr. vielleicht zur darstellung des stärkeren und des schwächeren im grunde gleichen tones.
3)
auch im auslaut ist eine weitere ausprägung erfolgt (wie bei kerren, s. d. 1, d).
a)
besonders mit liquidis: luxemb. garrlen mit einem stumpfen messer 'geigend' schneiden Gangler 164, eigentlich sicher vom klange dieses geigens selber, mnl. garlen vom papagai (s. u. 1, c), vgl. girlitzen Schm.² 1, 932 und gurlung gargarismus Wack. voc. opt. 33ᵇ. ferner norw. garma brüllen (vgl. schwed. gorma Rietz 209ᵃ), engl. yarm murren u. ä., s. Halliw. 943ᵇ, und anklingend in ahd. garminôn, germinôn garrire, murmurare Graff 4, 263, in dem das mlat. carminare vom raunen oder singen der zauberformeln einen deutschen anhalt fand; vgl. karmen.
b)
auch mit mutis verba, die nahe einschlagen, wie bair. garken sich erbrechen Schm. 2, 66, wenn, wie wahrscheinlich, eigentlich der klang bezeichnet ist (s. dazu unter gärben 2, d), vgl. garxen gargarizare Dief. 257ᶜ, coblenz. gärksen knarren Wegeler 18, und zu girren ein nordthür. girken knirren von thüren; s. auch gargeln 3, gurgeln. dann norw. garpa brüllen, prahlen, garta grunzen, bei uns garzen knarren, rülpsen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1874), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1373, Z. 32.

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„garen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/g%C3%A4ren>.

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