Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

zittere, f., n.

zittere, f., n.,
hautkrankheit. s. zittrach(t).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1956), Bd. XV (1956), Sp. 1685, Z. 66.

zittrach, zittracht, m., f.f., n., (auch m.?).

zittrach(t), m., f.;f., n. (auch m.?).
bezeichnung verschiedener hautkrankheiten; zittrachkraut. ahd. zittaroh, zit(a)roh; mhd. ziteroch(e). das wort lebt heute nur in obd. und westmd. maa., früher war es vielleicht auch im ostmd. verbreitet. vgl.: die Sachsen nennen es (das zittermal) auch sehr undeutsch eine zittracht Alemannia 15, 228. ableitung von germ. *tetru in ags. teter, dt. zitter (s. ³zitter) = ai. da(r)drú- 'art hautausschlag' zur wurzel *der- 'schinden'. (dasz ai. dadruka- und ahd. zittaroh eine idg. bildung *dedrukos erweisen, ist angesichts der häufigkeit des ka-suffixes im aind. und der beschränkung von zittaroch auf das dt. zweifelhaft.) vgl. weiter cymr. tarwyden, bret. dervoeden und lit. dedervinė 'flechte' Walde-Pokorny 1, 800; Specht d. usprg. der idg. deklination 169. altes maskulinum zeigen die meisten mundartbelege (s. u.), ferner: gegen den zitrach arzneibuch a. d. j. 1534 bei Schmeller-Fr. bayer. 2, 1164; und bestreich den zittrach damit Hohberg georg. cur. 1 (1682) 303ᵇ. auf vereinzeltes fem. deuten: für die geflecht und zittracht ... damit bestreich die flecht oder zitterich offt Gäbelkover artzneyb. (Eisleben 1595) 370ᵃ; die schlechte einfache zittere oder geflächt Uffenbach roszb. (1603) 2, 26; die zitterich und andere gebresten der häut Guarinonius grewel d. verwüstung (1610) 813. vereinzeltes neutr. steht wohl analog den kollektiven auf ahd. -ahi, denen sich das wort anschlieszt: zitterê, n. (Wetterau) Diefenbach gl. 288ᶜ; zweifelhaft ist das neutr. in: das versegent oder zytracht impetigo voc. theut. (1482) h 3ᵇ. unverschobenen dental im anlaut zeigt titturuh (9. jh.) ahd. gl. 2, 242, 47 St.-S. andere unverschobene formen s. unter ³zitter. dehnung des stammsilbenvokals, die auf ursprünglich offene silbe schlieszen läszt, zeigen bair.-österr. mundartbelege: beim ziehdrocha Schramek Böhmerwaldbauer (1915) 281; ziedarach Weitzenböck Innviertel 72; dazu auch zietracht Noel Chomel, öcon.-physic. lex. (1750) 4, 173. schwächung des inlautenden dentals begegnet häufig im bair.-österr.: zidərachə ̃, zidrachə ̃ Schmeller-Frommann 2, 1164; zidarich, m. Castelli ma. in Österr. unter d. Enns 272. der mittelsilbenvokal ist sehr labil, wie schon die glossenbelege zeigen: impetigo zitiroch (11. jh.) ahd. gl. 3, 429, 17 St.-S.; impetigo warza citaroc, citaroch, zittaroch (12. jh.), citroh, citroch (13./14. jh.) 1, 351, 49. der ahd. endsilbenvokal o hält sich vereinzelt auch noch in späterer zeit: zytroch vertreiben arzneib. a. d. j. 1505 bei Schmeller-Fr. 2, 1164; zitteroch, m. Schmeller cimbr. 244. sonst hat sich das wort in der endsilbe den neutr. kollektivbildungen auf ahd. -ahi angeschlossen und nimmt an den starken lautlichen veränderungen dieser endsilbe teil. volksetymologisch entstellt ist cittarouga (12. jh.) ahd. gl. 1, 351, 51 St.-S. in frühnhd. zeit lautet die endung meist -ach oder mit anfügung von t -acht (belege s. u.). seit dem ende des 16. jhs. begegnen daneben geschwächte formen mit -ich: zittrach ... zitterich Gäbelkover (s. o.). die modernen maa. haben vielfach -ich: zitterich, zitrich, m. Vilmar-Pfister Hessen nachtr. 345; ziderich Hügel Wien 195; zittrich, m. Schöpf Tirol 829. daneben kommen aber auch noch formen mit -ach vor: zittrich, zittrach, m. Unger-Khull steir. 650ᵃ; zittrach Fischer schwäb. 6, 1246; zittrach, m. Zingerle Lusern 59. umgelauteter endsilbenvokal begegnet in: zitrechten Ruland lex. alchim. (1612) 487. andere hess. quellen zeigen vereinfachung der endung zu e, ê (kontraktion ˂ ehe? vgl. J. Grimm dt. gramm. 2, 296 Scherer): zittere Frischlin (s. u.); zitterê Crecelius Oberhessen 935; zitteree (Wetterau) Kehrein Nassau 453; s. auch oben Uffenbach, Diefenbach. die flexion im sg. ist im allg. die eines st. masculinums: für wilden zitroch qu. a. d. j. 1571 bei Fischer schwäb. 6, 1246; der sulphur vertreibt zitracht Paracelsus opera (1616) 1, 1047 Huser; daneben aber auch sw. flexion: der zīdràchə (n. sg.; Bair. Wald) Brenner-Hartmann Bayerns maa. 2, 450; für den zittrachen arzneib. a. d. 16./17. jh. bei Schmeller-Fr. bayer. 2, 1164; ein zitrachten (acc. sg.) Paracelsus opera (1616) 1, 1047 Huser; ein citrachten (n. sg.) ders., chirurg. bücher u. schr. (1618) 578 Huser. in frühnhd. zeit wird das wort meist im pl. gebraucht. der nom., acc. hat in analogie zu andern pluralisch gebrauchten krankheitsnamen wie blattern, pocken meist die endung -en (beispiele s. u.). demgegenüber ist die endungslose pluralform selten: die bösen zittrach (acc. pl.) Hohberg georg. cur. 1 (1682) 303ᵃ; zitrɐch (sg. und pl.) Bacher Lusern 429.
1)
bezeichnung verschiedener flechten- und krätzeartiger hautkrankheiten; vgl. Höfler dt. krankheitsnamenb. (1899) 856. lexikalisch seit dem ende des 15. jhs. belegt: impetigo zitrach vel zitracht (Nürnberg 1482) Diefenbach gl. 288ᶜ; zitrochen (pl.) impetigo dicitur scabies sicca voc. inc. teut. ante lat. (Straszb. ca. 1495) E 2ᵇ; zittere, gefläht Frischlin nom. triling. (1586) 84ᵃ; zittermal, zittrach mentagra, impetigo, lichen Schönsleder prompt. (1618) Qq 7ᵇ; zitter, zittrich ò zittermal Kramer t.-ital. 2 (1702) 1469ᶜ; das zittermahl ... in einigen gegenden der zitter, zitterich Campe 5, 876ᵇ. literarische belege:
daz ander (der übrige teil des körpers) was belochen (eingeschlossen)
von breiten ziterochen
Heinrich v. d. Türlin crône 19 707 lit. ver.;
item bey dem prinenden hol
der florentzer, ein bad dient wol
für grint, räud, kretz und zitrach
und vil der gleichen ungemach
fastnachtspiele 1257 lit. ver.;
das siebende buch von blatern, lähme, beulen, zittrachen und löcher Paracelsus opus chyrurg. (1566) 357; darumb von zittrachten zu wissen ist, das sie im leib nit mögen ir operation haben und werffen sich auszen auff die haut gleich einem rost ders., chirurg. bücher u. schr. (1618) 277 Huser; für wilden zitroch in den hennden qu. a. d. j. 1571 bei Fischer schwäb. 6, 1246; diese (salbe) ist gantz sicher, magst auch zu rauden, krätzen, schertzen, zitrachen, unnd was dergleichen ist, brauchen Wirsung artzneyb. (1588) 57; eine salbe für die mägere, für zitrachten, und für den fliegenden wurm Bapst v. Rochlitz artzneib. (1599) 459; also ist der speichel eines gesunden menschens ein treffliches cosmeticum, das alle kratzen und zittrach vertreibet Hohberg georg. cur. 1 (1682) 157; welche böse krätze (die man in Crain zittrach nennet) keiner ihm vertreiben können Valvasor herzogth. Crain (1689) 1, 597; flechte, zietracht, schwinde oder vergehe ... ist eine exulcerirte inflammation der haut, und eine art trockener krätze, welche anfangs wie gantz kleine blättergen auffahren, hefftig jucken, und nachdem man nur ein wenig kratzet, die haut gantz rauh und schuppich machen, und sich immer weiter ausbreiten Noel Chomel, öcon.-physic. lex. (1750) 4, 173; der zitrich ist ein besonderer scharfer roter auswurf auf der haut des menschen, welchen die ärzte unter die kräze zählen Popowitsch versuch (1780) 643. ähnlich beschreiben die mundartwbb. die krankheit: eine entzündung auf der haut des körpers, mit aufwallenden roten bläschen, welche sich immer mehr ausbreiten Höfer Österreich 3, 337; ausschlag, flechte am leib Zingerle Lusern 59; das zittermahl, die flechte, erhöhung auf der erhärteten oberhaut Schmeller-Fr. 2, 1164; ein flechtenartiger trockner hautausschlag im gesicht Kehrein Nassau 453. vereinzelt in der bedeutung 'rotes muttermal' neben 'rote hautflecken' bei Fischer schwäb. 6, 1246. auch als hautkrankheit bei pferden und rindern: wilder zittracht (am schweif des pferdes) Sebiz feldbau (1580) 152; es ist der grindt und raude (der pferde) zweyerley art, als der truckene, so keinen eyter unnd feuchtigkeit von sich gibt unnd allein den eussersten theil der haut einnimpt, und wird von etlichen die schlechte einfache zittere oder geflächt genennet Uffenbach neues roszbuch (1603) 2, 26; 'ein hautausschlag des rindes' Unger-Khull steir. 650ᵃ.
2)
eine pflanze, die zur heilung von zittrach verwendet wird, vgl. zittrachkraut; für chrysoplenium alternifolium L. (s. Marzell wb. d. dt. pflanzenn. 1, 984): groszes goldmilzkraut, zittriche Holl pflanzennamen (1833) 132ᵇ; zittrich (goldmiltz) Waldbrühl pflanzennamen (1841) 57; zittriche (Tirol) Rauschenfels in: botan. taschenb. (1801) 219. vielleicht dazu auch: nimb wilden citrich klain zerschniten, sonnenwürbel wurtz Seutter roszarznei (1588) bei Fischer schwäb. 6, 1246.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1956), Bd. XV (1956), Sp. 1709, Z. 10.

zittern, vb.

zittern, vb.,
tremere, contremiscere.
verbreitung, herkunft, form. ein sw. vb. des wgerm.-nordgermanischen: ahd. zitterôn; mhd. zitern, zittern; mengl. titer, engl. dial. titter Murray 10, 1, 80ᵇ; anord. titra Fritzner 3, 705ᵇ; isl. titra Jóhannesson etym. wb. 483; norw. titra Torp nynorsk etym. ordb. 789ᵃ; Shetland: titter Jacobsson etym. wb. 904ᵃ; schwed. (17. jh.) tittra Dahlgren föraͦldrade eller ovanliga ord 870ᵇ. alle in der bedeutung 'zittern' oder nur leicht abweichend. das wort ist in den älteren germ. dialekten mit ausnahme des mhd. nur schwach bezeugt (ahd., mengl., anord. nur je ein beleg), für das dän., ndl., nd. fehlen jegliche zeugnisse. dän. sitre, afrikaans sidder, mnd. setteren (s. unten 5 a), seteren, zetern Schiller-Lübben 4, 195ᵇ; nd. siddern Mensing 4, 484; zittern 5, 761; tsitərən Martin Rhoden (Waldeck) 278 sind aus dem hd. entlehnt. titərən Martin a. a. o. 276 ist junge kontrastform im nd.-hd. grenzgebiet. gleichlautendes westfäl.-waldeck. titᵉrᵉn Bauer-Collitz 104ᵃ, tittern Woeste-Nörr. 272ᵇ 'kichern' ist von unserm wort etymologisch zu trennen und als lautmalende bildung zu engl. titter 'to laugh in a suppressed or covert way; to giggle' Murray a. a. o. und zu norw. titra 'ryste av undertrykt latter' Torp a. a. o. zu stellen. zittern wird von Kluge PBB 8, 342 ähnlich gleichbedeutendem ahd. bibên (angeblich ˂ germ. *bi-ƀai-mi) und got. reiran (angeblich ˂ germ. *rī-rai-mi) auf eine alte präsensreduplikation urgerm. *ti-trō-mi, vorgerm. *di-drā-mi zurückgeführt. vgl. Walde-Pokorny 1, 795. während nach Kluge urgerm. *ti-trō-mi unter übergang in die klasse der schwachen ôn-verben und mit wgerm. geminata tt (vor r), die im hd. wie in bitter unverschoben bleibt, zwanglos ahd. zitterôn ergibt, lehnt Lessiak beitr. z. gesch. d. dt. konsonantism. 261 den ansatz von urg. *ti-trō-mi auf grund von md. und obd. dialektformen (belege s. bei Lessiak) zumindest für das hd. ab. es dürfte aber überhaupt unmöglich sein, alle formen des wortes in den dt. u. germ. dialekten lautgesetzlich aus einer urgerm. form zu erklären, da zittern zur gruppe der den onomatopoetica verwandten ausdrucksworte (vgl. Wissmann zs. f. dt. altert. 76, 5) gehört. vgl. tattern Schmeller-Fr. bayer. 1, 631; dattern 2 teil 2, sp. 828; dottern sp. 1315. engl. didder Murray 3, 1, 332ᶜ; dither 543ᵃ; dadder 4ᶜ; dodder 574ᵇ; totter 10, 179ᵇ. norw. didra Torp nynorsk etym. ordb. 62ᵃ; tutra 820ᵃ. wenn man die annahme der sonst gut zum wortsinn passenden reduplikation aufgibt und wgerm. *tiđrōn ansetzt, erklären sich frühnhd. und mundartl. formen mit langem stammsilbenvokal als dehnungen in alter offener silbe: zietern (15. jh., md.) Diefenbach gl. 594ᶜ; mittelbair. tsīdɐn Lessiak a. a. o. 261; ziədern Schmeller maa. Bayerns 62; Weitzenböck Innviertel 72; zîtrn Göpfert sächs. Erzgeb. 12. in hochsprachlichem zittern sowie in den meisten mundartformen (s. u.) ist die vokalkürze wie in vetter, gevatter bewahrt. auch frühnhd. belege mit inlautendem t weisen auf eine form *tiđrōn: (sie) haben gezytert Albrecht v. Eyb spiegel d. sitten (1511) D 5ᵇ; im zitert (sein leib) Hans Sachs 22, 224 lit. ver.; zitern Brandis ehrenkräntzel (1678) 109. in entlehnungen ins mnd. weist e ˂ i gleichfalls auf alte offene silbe: zetert (ca. 1450) imitatio Christi in mnd. übersetzung 18 Hagen; mit zetteren und beven (Münster 1534) Rotman restitutio 20 ndr. senkung i ˃ e begegnet auch in md. und obd. quellen: zu czetterne (1475) Stolle thür. chron. 129 lit. ver.; was zettrest ... tu? Boltz Terenz (1539) 93ᵃ. ferner in den maa.: tsettərə Enderlin Kesswil 30; 104 u. andere. vereinzelt ist rundung ö ˂ e ˂ i im alem.: aich hunn gezöddert Moscherosch gesichte (1650) 2, 131; sowie diphthongierung ei ˂ i: vor zeittern und zagen Seb. Franck s. unter 5 b. auf wgerm. *tiđrōn läszt sich der inlautende dental zurückführen in mhd. zitern, frühnhd. zitern (s. oben). auf wgerm. đ weisen auch mittelfränk. maa.: zidderen lux. wb. 504ᵃ; Waldbrühl rhingscher klaaf 221; ziddere Hönig Köln 208ᵃ; zëddere Rovenhagen Aachen 166ᵇ. dazu auch ziddern, zedern, cidern (15. jh., md.) Diefenbach gl. 385ᶜ. in den maa. mit konsonantenschwächung (vgl. Lessiak a. a. o. 113 f.) erscheint für wgerm. đ tenuis lenis (in den mawbb. d oder t geschrieben): tsìtərə Martin-Lienhart elsäss. 2, 920ᵃ; zidə'n Schmeller-Fr. 2, 1164; zidern Jakob Wien 226; dsìdərə Follmann Lothr. 559ᵃ; dsędərn Hofmann Niederhessen 270ᵃ; tsetərə Hentrich Eichsfeld 18; dsidr̥n Gerbet Vogtland 64. tenuis lenis geht im östl. moselfr. und rheinfr. vielfach in đ, r oder l über (vgl. Lessiak 120 f.): tsiđərə Christmann Rheinpfalz. in: Teuthonista 1, 215; tserərə 214; zerrern Heinzerling-Reuter Siegerland 339ᵃ; dsilərə Follmann Lothr. 559ᵃ; tselere Christmann 216. dazu auch zirerender trepidus (15. jh.) Diefenbach nov. gl. 370ᵇ. nicht auf wgerm. *tiđrōn zurückzuführen sind allein ahd. zitterôn und mhd. zittern, für die sich eine variante *tiþþrōn ansetzen liesze, während schles. und südobd. maa.-formen keine sicheren rückschlüsse auf die wgerm. form zulassen. in der endsilbe hat zittern sich unter ausfall des vokals der ahd. endsilbe -ôn den verben auf -ern angeschlossen, mhd. und frühnhd. ist dagegen vielfach die ahd. endsilbe noch erhalten: du zitrost liedersaal 2, 183, 220 Lassb.; mit reduziertem vokal: zitrend (part. präs.) Seuse dt. schr. 40 Bihlm.; (sie) zitereten (1509) Fortunatus 58 ndr.; zitterende hend Seb. Franck sprüchw. (1541) 1, 153ᵃ; mit zittrenden henden Eyering proverb. copia 1 (1601) 263. vereinzelt ist l ˂ r: zittelen titubare Diefenbach gl. 586ᵃ. im partizip des präs. ist im 15./16. jh. auslautendes d vielfach geschwunden: zittern mit hangenden lefftzen, kychend (1486) Hans Neidhart Terenz, Eunuchus 62 lit. ver.
bedeutung und gebrauch. auf eine grundbedeutung 'schwanken' scheint der älteste beleg zitterondemo gange lapsanti gressu (11. jh.) ahd. gl. 2, 523, 7 St.-S. zu deuten. in die gleiche richtung weisen auch einige lexikalische belege des 15./16. jhs.: nutare zedern (1414 md.) Diefenbach gl. 385ᶜ; labare zyttern vel rydern (1495) 313ᵃ; nutare cziteren (1502) nov. gl. 266ᵇ. die heutige bedeutung des kurzen, schnellen, rhythmischen sich hin- und herbewegens ist aber, wie die mhd. belege zeigen, schon alt. den zahlreichen ahd. belegen von beben steht nur ein beleg von zittern (s. o. ahd. gl.) gegenüber. die mhd. klassiker gebrauchen nur beben; erst seit der zweiten hälfte des 13. jhs. steht zittern (gegenüber nur vereinzelten früheren belegen) in häufigerem gebrauch. ein unterschied im anwendungsbereich der beiden wörter ist in Luthers bibelübersetzung deutlich zu erkennen: von der erde, den bergen, dem himmel heiszt es vorzugsweise beben, vom menschen (meist mit der nuance der furcht) dagegen vorzugsweise zittern (das umgekehrte ist selten). der heutige sprachzustand, der beben als eine starke, die erde oder den menschen zutiefst erfassende erschütterung, zittern hingegen als eine schwächere, leichtere art der hin- und herbewegung auffaszt, scheint also schon in die frühnhd. zeit zurückzugehen; dem 18. jh. ist diese unterscheidung geläufig; vgl. Stosch gleichbed. wörter 1 (1777) 384; Eberhard synonymik 1 (1795) 248 f. im allgemeinen gilt beben heute als der gewähltere, gehobenere der beiden ausdrücke. lexikalische belege: fluctuare zittern (anf. 15. jh., obd.) Diefenbach gl. 240ᵇ; tremere, tremiscere, tremulare beven, tzeteren, tzetren (15. jh., nd.) 594ᵃ; contremiscere zittern (1440, md.) 147ᶜ; trepidare czytteren (1470) ders., ml.-hd.-böhm. wb. 276; corusco, crispo, vacillo, salio, moveor ich zitter Alberus dict. (1540) bb 4ᵃ; tremo zitteren, schuderen Frisius dict. (1556) 1327ᵇ; das zittern tremor Emmelius (1592) 112; zittern tremare Hulsius (1618) 283ᵇ; zittern, beben to tremble, quake, shake or shiver Ludwig t.-engl. (1716) 2599.
1)
von belebtem. als medizinisches fachwort steht der substantivierte inf. für lat. tremor: ein ader in der höly der oren ... geschlagen, ist guͦt für daz zytteren des haubts Gersdorff wundtartzney (1517) 14ᵇ; bibergeiln ist gut für den schwindel, halszstarren, zittern, für die gicht Heyden Plinius (1571) 163. in einer zusammenstellung von krankheitsnamen: tremor, palpitatio das zittern nomencl. lat.-germ. (1634) 212. in anderem zusammenhang: vor das zittern. gelb-fenchelwasser ist gut denen, die der tropff getroffen, in der seiten, das paralysis genandt ..., vertreibet auch das zittern der hände Hohberg georg. cur. 3 (1715) 1, 234ᵇ; er hat das zittern und kann kein blut sehen Fontane ges. w. (1905) I 1, 280. zu erscheinungsformen und ursachen des zitterns vgl. J. Pelnář das zittern (1913).
a)
infolge seelischer erregung.
α)
anschaulich im sinne einer zitternden bewegung: mit dem kam der gut ritter fur die konigin gegangen und zittert so sere das er die konigin kam mocht gegruszen Lancelot 1, 290 Kluge; (das pferd) zittert und tobet und scharret in die erde Hiob 39, 24;
ich zittert ängstlich, so dasz ich konte weichen kaum,
und seiner mich verwehren
Reinicke Fuchs (1650) 228;
Werther zitterte, sein herz wollte bersten Göthe I 19, 175 W.; da er diesen namen aussprach, ging ein kaum sichtbares zittern durch Barbaras glieder Holtei erz. schr. (1861) 7, 75; Unrat war fahl, er zitterte H. Mann d. blaue engel (1950) 138. die art der seelischen erregung wird häufig durch einen präpositionalen ausdruck mit vor bezeichnet:
und die ziternt vor vorchten
di der werche nie nicht geworchten
die wider gotes hulde sint
kl. mhd. erz., fabeln u. lehrged. 24, 123 Leitzm.;
er aber vor forcht zitterte Barth weiberspiegel (1565) N 8ᵃ; ich ... sahe mein weib an, die vor zorn noch zittert Grimmelshausen 2, 562 Keller; seine (Wilhelms) lippen lechzten, seine glieder zitterten vor verlangen Göthe I 21, 111 W.; mein herz zittert vor freude, wenn ich daran denke, dasz ich ein genosse dieser zeit bin (1848) G. Keller br. u. tageb. 2, 169 Ermat.; zitternd vor vergnügen Rilke br. 1 (1950) 215; zitternd vor triumph Carossa dr. Bürger (1930) 74. bis ins 18. jh. ist neben vor auch für (mit dativ) gebräuchlich: dem d. Fausto gieng solchs also wol ein, dasz sein hertz für frewden zitterte volksb. v. dr. Faust 27 ndr.; der vater Atlas hat für ungedult gezittert Opitz teutsche poemata 190 ndr.; so zitterte er für erschrecken d. Leipziger avanturieur (1756) 1, 21. weniger gebräuchlich sind andere präpositionen:
er (herr Eufemian) tet dem lîbe sêre wê.
dô kom regen unde snê,
daz er zitterte mit grimme
Alexius leben 71, 205 Massmann;
zittert er von uberigem zorn hertzog Aymont (1535) g 6ᵃ;
das hertz in hosen zittert mir,
aus lauter liebestriebe
Chr. Reuter ehrl. frau Schlampampe 56 ndr.;
von geheimen hoffnungen zitterte mir die brust so selig Hölderlin ges. dicht. 2, 100 Litzmann. in dichterischer sprache wird die seelische erregung häufig objektiviert gedacht und zittern, meist als part. präs., unmittelbar darauf bezogen: die zitternde furcht Lohenstein Arminius (1689) 2, 452ᵇ; mit zitternder freude trat er (Wilhelm) mit hinein Göthe I 51, 22 W.; der könig ist in zitternder wuth Varnhagen v. Ense tageb. (1861) 6, 116; sie neigte ihr süszes angesicht zu ihm, und es zitterte freude darin, so wie freude in ihm zitterte Stifter s. w. 3 (1911) 161. gleichfalls nur dichterisch ist eine kompositionsbildung aus dem die seelische erregung bezeichnenden substantiv und dem part. präs. von zittern: wonnezitternd stürzte Zoe ihrem vater in die arme Pfeffel pros. vers. 9 (1812) 186; freudezitternd Redwitz-Schmölz Amaranth (1851) 271.
β)
im sinne eines verbums der gesteigerten gemütsbewegung unter mehr oder minder starkem verblassen des anschaulichen. mit einer nuance im sinne von 'sich fürchten' (s. auch zittern und zagen unter 5 b); lexikalisch: formidare zittern (1476, md.) Diefenbach nov. gl. 179ᵇ; horreo, inhorreo, inhorresco, perhorreo, perhorresco ich fürcht mich, entsetz mich, ich zitter, ich erschreck, bin erschrocken Alberus dict. (1540) ss 3ᵃ; trepidation das zittern, die furcht Spanutius dt. lex. (1720) 477. in literarischen quellen:
und müstist für in zitrind ston
und sprechen: ich hab unrecht geton.
Christus u. d. minnende seele v. 47 Banz;
di kuschen, reinen hertz er (d. hl. geist) sterckt,
das in das zitteren vorgehit
unnd ir liebe veste zu gote sted
Joh. Rothe lob d. keuschheit 2007 Neumann;
under dem schwert dess siglichen fyndes, under dem doch offt die manlichen hercz der starken mann in unmuͦt und zittern verwandelt synd Steinhöwel de claris mul. 116 lit. ver.; mein hertz zittert, grawen hat mich erschreckt Jes. 21, 4; zitterent und erschrocken Schumann nachtbüchlein 64 Bolte; der teuffel glaubt auch, das ein einiger gott ist, und zittert Petri d. Teutschen weiszh. (1605) B 2ᵇ; der gröste staatsmann, dessen weisheit ein reich in wollstand und die benachbarten reiche in zittern gebracht hat Ryssel v. d. seelenfrieden (1685) 292;
scheu wie das zitternde reh, das ihr horn durch die wälder verfolget,
flieht sie im mann nur den feind, hasset noch, weil sie nicht liebt
Schiller 11, 195 G.;
nur weiber zittern in gefahr
Blumauer ged. (1782) 213;
schon zitterten wieder viele treue herzen Arndt s. w. (1892) 1, 193; über die köpfe von zitternden sclaven dahin zu schreiten Scherer litt. gesch.⁷ 21; sowie ich zehn schritte gehe, denk ich, er steht vor mir. und da bin ich in einem ewigen zittern Fontane ges. w. (1905) I 5, 245. besonders deutlich ist die bedeutungsnuance der furcht in den wendungen mit zittern, ohne zittern (s. auch mit furcht und zittern unter 5 c):
sie schray und ruͦfte lut ze im
mit citteren und mit klæglicher stim
Wernher d. Schweizer, Marienleben 9864 Päpke-Hübner;
mit zitteren, forchtsamlich, mit schräcken trepidanter Maaler teutsch spraach (1561) 522ᵈ; prediget die warheit ... ohne zittern Abr. a. s. Clara etw. f. alle 2 (1711) 31; so kann ich sie, ohne zittern, in die ansehnlichsten gesellschaften führen Schwabe belust. (1741) 1, 317; ihr braucht nicht mehr dem herrn mit zittern zu dienen Cl. Viebig d. schlaf. heer (1904) 1, 95. hierher auch die wendung zittern vor (bis ins 18. jh. auch für) jemandem oder etwas:
er ist ein zwelfjæriger knabe,
des ellent mâze niht enhât.
schouw al diu welt an sîne getât
und zitter vor der hende sîn
Konrad v. Würzburg trojan. krieg 6359 lit. ver.;
die zagen zittern, erplassen fur dem tod und gehn dennoch hindurch, die sihe ich gern Luther tischr. 1, 177 W.; zittern vorm galgen hilfft vor hencken nicht Lehmann floril. polit. (1662) 3, 503; Arminius, vor welchem das weltbeherrschende Rom mehrmals gezittert Lohenstein Arminius (1689) 1, b 1ᵃ; hunde heulen und zittern auf kreutzwegen für gespenstern Göthe I 39, 68 W.; wir werden dann nicht mehr vor dem fatum zittern Bettine dies buch geh. d. könig (1843) 2, 448; die juden, die vor diesem triumph der antisemitischen partei gezittert hatten Stefan Zweig welt v. gestern (1947) 84. in dichterischer sprache auch mit dativ:
kommt traulich näher, junge dichter;
vertraut auf seinen rath und zittert nie dem richter
Kretschmann s. w. (1784) 2, 246;
nie hab ich dem tod gezittert
und auch jetzt schreckt er mich nicht
Grillparzer s. w. 4, 51 Sauer.
mit folgendem dasz- oder infinitivsatz: ich zitterte, ... er möchte sein wort wiederrufen Lessing 2, 357 L.-M.; wehe mir! ich zittere, dasz du recht hast Raupach dram. w. kom. gattung (1829) 4, 208; ich ... hatte jetzt gezittert, die schmale, fast wesenlose gestalt des kindes zu umfangen G. Keller ges. w. (1889) 1, 235. mit einer nuance im sinne von 'ängstlich besorgt sein'; gewöhnlich in den wendungen zittern um, zittern für jemanden oder etwas: du wirst mich verstehen! zittre für deine Bella Lessing 2, 295 L.-M.;
wie oft hab ich
um euch gezittert, eh das feuer mir
so nahe kam
ebda 3, 11;
Luise ward bleich und gestand, dasz sie für das leben ihres bräutigams zittere Göthe I 18, 148 W.; alles was aristokrat war, oder wegen seiner existenz von aristokraten abhing, zitterte für das ehrwürdige, alte gemäuer der feudalität J. G. Forster s. schr. (1843) 6, 128; er hatte schon einmal ... für einen kaiser gezittert Binding erlebtes leben (1928) 19; (sie) zittern um ihr geld Werfel geschw. v. Neapel (1931) 420. mit einer nuance im sinne von 'begierig sein auf, verlangen nach'; in der wendung zittern nach jem. oder etwas: was bin ich für ein kindischer mensch: mein herz zittert nach dir (1866) Stifter s. w. 21 (1928) 193. mundartlich: das kind zittert nur so nach der brust Bernd Posen 362; ebenso Anton Oberlausitz 15, 20. mit folgendem infinitivsatz:
ach wie zittr ich, dich zu küssen!
kehre wieder, Selino!
J. H. Voss s. ged. (1802) 2, 10;
ich zittre, ihn wieder zu sehn Kotzebue s. dram. w. (1828) 18, 248; bald nach unserer ankunft fuhren wir durch die stadt dem papstpalaste zu, den wir alle in der nähe zu sehen zitterten M. Hartmann ges. w. (1874) 3, 103. vereinzelt zittern auf: so stand er, ... überwältigt von sehnsucht, zitternd auf den triumph über ein liebendes weib Gutzkow ritter v. geiste (1850) 2, 249.
b)
aus andern gründen. der grund des zitterns kann auch hier wie in 1 a α durch einen präpositionalen ausdruck mit vor, für bezeichnet werden. infolge kälte, frost, fieber:
man muoste ime (Kai) erlouben
daz zittern an der wahte,
wan elliu sîn ahte
stuont nâch hitze einen wîs,
wan tiefer snê und dickez îs
tet im alsô grôze nôt
Heinrich v. d. Türlin krone 665 lit. ver.;
ich zittere für kelte S. Brant v. d. losen füchsen (1546) N 2ᵃ; von frost zitteren frigutire Maaler teutsch spraach (1561) 522ᵈ; so ein pferdt erkalttet unnd mit zittern umbfangen were Seutter hippiatria (1588) 97; zitternd vor frost kam sie nach hause br. Grimm kinder- u. hausmärchen (1812) 1, 46; da sasz ich, schweiszbedeckt, vor kälte zitternd A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. (1878) 2, 114; sie zitterte, sie fror Kahlenberg Eva Sehring (1901) 36. auch: da hilft kein zittern für (gegen) den frost Schellhorn sprichw. (1797) 69; 'es ist unvermeidlich' Schmeller-Fr. 2, 1164; 'da ist kein ausweg, das musz durchaus sein' Spiesz Henneberg 291. infolge körperlicher anstrengung, krankheit oder entkräftung: (die selbstkasteiung) treib er, unz im die hend und arme waren vast zitrend worden Seuse dt. schr. 40 Bihlm.; so machet das perli (schlagflusz) einen den es trifft, zittern oder schlottern mit den henden oder mit dem haubt Keisersberg brösamlin (1517) 2, 41ᵇ; meine knie zittern noch von der anstrengung Bettine Goethes briefw. (1835) 1, 274; die hand zittert noch eine weile nach der abgelegten last Raupach dram. w. ernster gattung (1835) 16, 64. als folge von trunksucht: du sihest wol wie sie (trunkenbolde) so bald alt werden, blind werden und zittern Pauli Keisersbergs narrenschiff (1520) 50ᵇ; dasz zittern, so ewer armer bruder in den gliedern gehabt, kame gewisz von viellem weindrincken Elisabeth Charlotte v. Orleans br. (1707—15) 294 Holland. als alterserscheinung:
gepogen ist mein gank,
das zittern swecht mir all gelit
Oswald v. Wolkenstein 93, 15 Schatz;
tremere seniliter zittern wie ein alter schwacher mann Faber thes. (1587) 740ᵇ;
flusz, husten, zittern, schwindel, kretz,
das sind gewisz desz alters schetz
Petri d. Teutschen weiszh. (1605) Dd 7ᵇ;
für alterthum zittern tremare di vecchiaia Kramer t.-ital. 2 (1702) 1470ᵃ; ein alter zitternder mann Löwen schr. (1765) 4, 269; die steinalte, zitternde frau H. Heine s. w. 3, 32 Elster. als willentlich hervorgebrachte bewegung: du gebest ein guͦten fischmenger. also spricht man zuͦ Cöln, so einem die hend zitteren, dann die dar fisch verkauffen, zittern trüglich mit der handt, das die fisch vor zweyen tagen todt, lebendig scheinen S. Franck sprüchw. (1541) 2, 18ᵇ; das schnelle, zitternde spiel der finger (bei den tanzenden Indianerinnen) J. G. Forster s. schr. (1843) 2, 108.
c)
aus den zu a oder b gehörenden belegen hebt sich eine gruppe heraus, in denen zittern ausdrücklich auf den ganzen körper oder einen teil von ihm bezogen wird. von einem intensiven zittern des ganzen körpers, bes. in den wendungen am ganzen körper, am ganzen leib zittern; an allen gliedern, an händen und füszen zittern:
wie zittern mir mein füss und hend
Hans Sachs 9, 29 lit. ver.,
contremiscere omnibus artibus in allen glidern zitteren Frisius dict. (1556) 123ᵃ; ich zittre an händen und füszen Meisl theatr. quodlibet (1820) 1, 133; Lotte hört die schelle ziehen, ein zittern ergreift alle ihre glieder Göthe I 19, 190 W.; ich zitterte am gantzen körper (1784) Caroline br. 1, 10 Waitz; Pipping hat angst, dasz er an allen gliedern zittert Sperl söhne d. hrn Budiwoj (1927) 154. von einzelnen teilen des körpers: ich horte und getruͦbet ist buch miner: von der stimme citeroten leffse mine (vulgata: audivi et conturbatus est venter meus: a voce contremuerunt labia mea Habacuc 3, 16) Millstädter cantica in: cod. pal. Vind. 2682 (1934) 246 Törnqvist; vgl.: weil ich solchs höre, ist mein bauch betrübt, meine lippen zittern von dem geschrey Luther; sie keuchte und zitterte ziemlich mit dem kopfe Rabener s. schr. (1777) 4, 212. bes. von händen und knien: oder so er ... mit seinen füszen stolpret unnd mit den henden zittert Wickram w. 2, 395 Bolte; der alte graue vater nahte sich mit zitternden knien Klinger w. 3 (1815) 91; wenn ich nur sein bild erblicke, zittern mir die knie vor ehrfurcht Feuchtwanger d. falsche Nero (1947) 160. von der hand beim schreiben: (er) schreibt mit zitternder hand einige worte Göthe I 11, 325 W.; wohl zittert die hand mir beim schreiben Th. Mann Faustus (1948) 244. von der zitternden hand auf die von ihr hervorgebrachten schriftzüge oder werke übertragen: und von letzterer (art, nämlich bücher über d. ästhet. seite d. tonkunst) besitzen wir kaum einige matte zịtternde versuche Schubart ästhetik d. tonkunst (1806) 1; eine zitternde, ungleiche linie Schopenhauer s. w. 1, 395 Gr.; die schrift war augenscheinlich die ... eines alten mannes, wie die ... zitternden züge verriethen Stifter s. w. 3 (1911) 133. vom herzen, im sinne des klopfenden herzens: als diss Oriana sahe, fieng ir das hertz so hefftig an zu zittern Amadis 225 Keller; das herz zittert mir im leibe Göthe I 8, 23 W.; aber vor dem schicksalsgespenst da an der schreibmaschine beginnt sein herz zu zittern Fr. Wolf zwei a. d. grenze (1948) 31. von den nerven im sinne eines äuszersten angespanntseins: ich bitte dich, frage jetzt nicht, mir ist alles sonnenklar, nur zittert jeder nerv in mir Stifter s. w. 2 (1908) 80; (Winfrieds) nerven zitterten, aber das durften sie nicht A. Zweig einsetzg. e. königs (1950) 441. bei insekten und vögeln von den flügelbewegungen: (vögel) die sich erschwingen in die höch und an ainer statt mit zitterenden fettachen unbeweglich beleyben Keisersberg granatapfel (1510) H 1ᶜ; (die bienen) heben gemächlich an zu fliegen, mit zittern der flügel, dann sie seind noch zu schwach zu dem fliegen M. Herr d. feldbau (1551) 181ᵃ; mit zitterndem gefieder E. v. Kleist w. 1, 53 Sauer. im vergleich: aufwuchs ... die schwermut ... eines stückchens klang, ... steigend wie auf zitternden flügeln A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 53.
2)
von gegenständen und sachlichen objekten.
a)
anschaulich im sinne einer zitternden bewegung. vom erdboden, von gebäuden und anderen festen körpern: das meer und erden beben, berg und tal zittern, wenn er (gott) heimsucht Sirach 16, 18; ein büxenpulver, dasz der büxen unnd dem bodem ein zittern macht Paracelsus opera (1616) 2, 83 Huser; das haus zitterte manchmal und die balken dröhnten, wenn der ton zu seiner gröszten kraft stieg Göthe I 25, 69 W.;
(Alpenjäger:) es donnern die höhen, es zittert der steg,
nicht grauet dem schützen auf schwindlichtem weg
Schiller 11, 397 G.;
ein kegeln und ein tanzen, dasz alle scheiben zitterten A. v. Arnim s. w. (1853) 5, 287; das dumpfe pochen mächtiger dampfhämmer erschütterte weithin den boden, dasz in den wohnhäusern gegenüber die fuszböden zitterten H. Seidel Leberecht Hühnchen (1899) 21; zittern der magnetnadel balottement, trembling (vgl. zitternadel 2) Blaschke wb. d. elektrotechn. (1901) 144; das fortwährende zittern der erde unter den eisenbahnzügen A. Seghers d. siebte kreuz (1950) 13. übertreibend ist zittern gebraucht in der redewendung: er redt das das gewelb zittert Seb. Franck sprüchw. (1541) 1, 40ᵇ. ähnlich: die flüche donnerten heraus, dasz die fenster zitterten Klinger w. 3 (1815) 159. von einer gallertartigen masse (vgl. ⁴zitter 2 b): dar umb vint man ain vaizt ziternd dinch, sam dâ die frösch auz werdent in den pächen maienzeiten Konrad v. Megenberg buch d. natur 77 Pf.; eine zitternde gallerte Sprengel chemie f. landwirthe (1831) 2, 93. das für die gallerte bes. charakteristische zittern veranlaszt die redensart: er zittert wie ein gallertjürgel Karl Rother schles. sprichw. 218ᵃ; ähnlich: der leib ... hat gezittert, wie eine gallerte Prätorius anthrop. pluton. (1666) 1, 212; da zitterte mir der ganze leib vor zufriedenheit wie sülze Eichendorff s. w. (1864) 4, 485. von halmen, gräsern (vgl. zittergras, ⁴zitter 2 a), bäumen, laub (vgl. zitterbaum, -esche, -espe, -pappel):
dort stehet in dem feld in blaich und gelber farb,
gleich einem lantzenheer manch zitterende garb
Weckherlin ged. 2, 377 Fischer;
durch die zitternden cypressen bebten ungewisz die sterne Tieck schr. (1828) 8, 4; ich wollte, ich säsze schon aufrecht im bettchen ... und sähe das weinlaub vor den fenstern zittern Raabe s. w. I 6, 318; zitternde gräser Wölfflin d. klass. kunst (1901) 223; besonders vom espenlaub: das bewegliche laub des espen zitterte Musäus volksmärchen 1, 41 Hempel; der vergleich zittern wie espenlaub ist redensartlich:
ich bin auch an den synnen tǎb
und zitter als ain espin lǎb
liederbuch d. Hätzlerin 42 Haltaus;
diese wort redet sie mit solcher begirde, dasz sie zittert wie ein espin laub Amadis 23 lit. ver.;
er zittert wie das espenlaub
Chamisso w. (1836) 3, 198.
von wasser oder wassertropfen; in zittern klingt das spielen von lichtreflexen (vgl. unten 4 b) mit an:
das leichte segel weht. es zittern well und flut,
und Phöbus wirft darinn den abdruck seiner glut
Drollinger ged (1743) 75;
da zitterte gestern ein tropfen auf einem vergiszmeinnicht und der in meinem auge bebte eben so lange Hippel lebensläufe (1778) 3, 2, 44; ähnlich von tränen im auge: in dem auge des grauen dieners zitterte eine freudenträne Eichendorff s. w. (1864) 3, 415. in freiem sprachgebrauch: auch Dankmars augen zitterten (von tränen). auch ihm feuchteten sie sich Gutzkow ritter v. geiste (1850) 1, 92.
b)
mit verblassen der anschaulichen bedeutung. im sinne eines verbums der gemütsbewegung bei fühlend gedachten gegenständen (vgl. 1 a β): die seulen des himels zittern und entsetzen sich fur seinem schelten Hiob 26, 11; und die heyligen vetter ... liegen szo bepstlich eynher die aller groszisten lugen, das die steyn tzittern und schwitzen mochten Luther 10, 1. 1, 663 W.;
sie (die lotosblume) duftet und weinet und zittert
vor liebe und liebesweh
H. Heine s. w. 1, 69 Elster.
besonders vom erdboden: ich wolt solchs grewels wol mehr exempel erzelen, aber es ist allzu schendlich, muste sorgen, das unser deudscher erdboden dafur zittern mochte Luther 30, 3, 305 W.; Fridericus der die erden vilmal gleichsamb zitern machen Brandis ehrenkräntzel (1678) 109. in anderem zusammenhang steht der zitternde boden häufig für 'unsichere verhältnisse': wenn wir uns erinnern, aus wie vielen dutzenden von geistlichen stiftern, herzogthümern, grafschaften, herrschaften und unterherrschaften dieses burgundisch-fränkisch-sassische reich ... zusammengebacken worden ist, so fühlt man wohl, dasz man auf zitterndem boden ... steht Immermann memorabilien (1843) 3, 207. ähnlich:
nord und west und süd zersplittern,
throne bersten, reiche zittern
Göthe I 6, 5 W.
übertragen besonders in der wendung der boden zittert unter mir, unter meinen füszen: mit diesem hasz beladen, indem der boden unter ihm zitterte, wälzte Buckingham gleichwohl die gröszten unternehmungen in seinem kopfe Ranke s. w. (1867) 15, 205. zur häufigkeit der übertragung vgl. den zusatz von buchstäblich: bei mir geht es jezt sehr lermend zu, da oben und unten gehämmert wird, und der boden zittert, ganz buchstäblich genommen, unter meinen füszen (1802) Schiller br. 6, 396 Jonas.
3)
von instrumenten, saiten, tönen, lauten, von der (menschlichen oder tierischen) stimme.
a)
von instrumenten und saiten. noch wie in 2 a stärker das visuelle einer gegenständlichen bewegung wiedergebend: schlag darauff mit dem daumen allein, also, das die seyt zittert und brummet Agricola musica instr. 80 Eitner; damit die sayten (des klaviers) genugsam zittern können Ph. Bach art d. clavier zu spielen (1759) 1, 5; (die lieder) enthalten die bewegung tanzender gruppen und das zittern der balalaika (1900) Rilke br. 1899 —1902 (1931) 25. von saiten im übertragenen sinne:
so bebt das herz vor lust, wie seine saiten zittern
König ged (1745) 65;
es sollen also gewisse saiten in den sinnlichen organen zittern Schiller 1, 88 G.
b)
als ausdruck akustischer erscheinungen kaum noch mit der visuellen vorstellung einer bewegung ('tremulieren'). zur übertragung von zittern auf das akustische beachte den zusatz von gleichsam: man kann eben nur sagen, dasz er (d. affenschrei) aus einer reihe ... gleichsam zitternder ... laute besteht Brehm tierl. 1, 47 P.-L. einen schnell zwischen zwei tonhöhen oder zwei schallstärken wechselnden laut wiedergebend, vgl. zitterend ton vibrans sonus Maaler teutsch spraach (1561) 522ᵈ: wenn er (die steineule, lat. strix) schreit, sô schreit er zitterent hu hu hu, als ob ihn friese oder er zandklaffe vor froscht Konrad v. Megenberg buch d. natur 224 Pf.; dieses ungeziefer (schreit) fast wie eine grille, doch etwas heller, mit einem zitternden getöne Noel Chomel, öcon.-physic. lex. (1750) 8, 259; ein zitterndes gesinge (der heuschrecken) Stifter s. w. 1 (1904) 176. von der menschlichen stimme (zu den gründen des zitterns und den nuancen vgl. 1): zitterende und bebende stimm une voix tremblante, vox tremula et vox tremens Duez germ.-gall.-lat. (1664) 717; doch lallete ich endlich mit einer aus forcht, hoffnung und kälte verursachter zitterender oder babender stimme so vil daher Grimmelshausen 2, 12 Keller; (Wilhelms) ton hatte etwas unsicheres, zitterndes, das glücklicherweise dem inhalt der geschichte gemäsz war Göthe I 21, 308 W.; von der rede des siegelbewahrers, mit leiser zitternder stimme verlesen, ward wenig verstanden Dahlmann gesch. d. frz. revol. (1845) 192; mit seiner gewöhnlichen stimme, nur dasz sie zitterte, sagte er H. Mann d. untertan (1949) 97. in der fachsprache der musik im sinne von 'tremulieren': das zittern den gesang zirt Agricola musica instr. 171 Eitner; anno d. 1576 ... hat der wolgelert kunstreich m. Tomas Grebisch ... den zitternden zug in die orgel gemacht S. Hüttel chron. d. st. Trautenau 221 Schles. (vgl. zitterregister); das ist eine pfeiff die da anders nichts thut als zitteren, oder tremuliren Spee güld. tugendb. (1649) 625; auf geigen kann dergleichen zittern auch mit den bögen in einem strich, auf einem ton bewerckstelliget werden Mattheson vollk. capellm. (1739) 114; es ist ... furcht und zagen, welche in den zitternden geigenfiguren ... sich vernehmen lassen O. Jahn Mozart (1856) 4, 424. allgemein im sinne von 'unruhig klingen'. häufig von tönen im übertragenen sinne: jedes bild Homers ist eine musikalische malerei: der gegebene ton zittert noch eine weile in unserm ohre Herder 3, 133 S.; es erhob sich ein ruf des jubels und der freude, der in den lüften zitterte Stifter s. w. 11 (1932) 59; lange zittert der traurige grundton fort in seinem herzen Scherer kl. schr. (1893) 1, 63.
4)
von lichtern, licht- und farberscheinungen, von der luft bei schlierenbildung.
a)
noch wie in 2 a stärker das gegenständliche sichbewegen eines flackernden lichtes oder der luft bei schlierenbildung wiedergebend: die kühle nachtluft, die ... die wenigen lichter ... in ein angstvolles zittern versetzte O. Ludwig ges. schr. (1891) 2, 115; in den vor hitze zitternden luftschichten bildeten sich mannichfache luftspiegelungen Ritter erdkde (1822) teil 2, 756; die von der sonnenhitze durchwärmte luft zitterte über der weiten ebene Wasmann dt. künstlerleben (1915) 88.
b)
aufs optische übertragen als ausdruck flackernder, tanzender, unsicherer, zwischen hell und dunkel schwankender licht- und farberscheinungen; kaum noch mit der vorstellung eines gegenständlichen sich bewegens (vgl. zitterglanz, -licht, -schein, -strahl): wenn ... von der hinabgewichenen sonne ein zitternder schein am horizont heraufdämmerte Göthe I 21, 33 W.; die farben, die vor unsrem auge zittern, wenn es lange in die sonne sieht Hölderlin s. w. 2, 179 Hell.;
und in zitterndes licht stehn die gewölbe getaucht
Geibel w. (1883) 5, 155;
über ihm flammten und zitterten die sterne in der grimmen winterkälte Storm s. w. (1898) 6, 145; an der wand von Anacapri zitterten, wie in der luft schwebend, die lichtpünktchen von fackeln Colerus Tiberius (1927) 151. besonders von lichtreflexen im wasser: vibrare dicitur mare erglantzen, wenn die sonn darauf kumpt, zitteren, schwancken, sich bewegen Frisius dict. (1556) 1375ᵃ;
in seinen fluten zitterte
des sternenreichen himmels wiederschein
Blum idyllen (1773) 22;
und der schweigende mond zittert auf bläulicher flut Pocci lust. komödienbüchl. (1859) 1, 137; in stiller sommernacht, wenn das mondlicht breit auf dem strome zittert Allmers marschenb. (³1900) 102. vom flimmern der luft bei der schlierenbildung: das zittern der anbrütenden lenzwärme über den noch schwarzen feldern Stifter s. w. 1 (1904) 44; nur die gluthheisze luft zitterte flirrend und blendend vor seinen augen Storm s. w. (1898) 2, 232; es war heisz. die hitze zitterte in der luft Kahlenberg Eva Sehring (1901) 46.
5)
in zwillingsformeln.
a)
zittern und beben. beide wörter treten schon früh nebeneinander auf, im mhd. jedoch noch nicht formelhaft: den herren si nihne ladeten — niht anerieffen — da bibeten si — da citreten si — mit uorhten (vulg.: trepidaverunt timore, ps. 13, 9) Windberger psalmen 42 Graff; passional 189, 13 Hahn;
allez biben und allez zittern
unde alle totliche gicht
vortribet sin (gottes) angesicht
Heinrich v. Hesler apokalypse 20 958 Helm;
der heysen gicht, der zcetternen gicht, der bebenden gicht (aus e. Breslauer hs., geschr. 1361—65) anzeiger f. d. kde d. dt. vorzeit 18, 304. auch später stehen die beiden wörter, den gleichen begriff variierend, auszerhalb der formel häufig nebeneinander: wenn er ... in das heilige unterirrdische hinab stieg, so trat beben in seine glieder und zittern in seine gebeine allg. dt. bibl. (1765) 1, 2, 148;
er geht und alle sterne zittern.
die sonne bebt. es bebt die welt.
Göthe I 37, 4 W.
als formel ist zittern und beben seit der mitte des 15. jhs. belegt, für beben steht bis ins 17. jh. häufig bidmen: ich kan nichts don wan setteren unde beven, so grot noet hebbe ich van dem steyne unde van dem blode (Zerbst 1443) privatbr. d. mittelalters 2, 24 Steinhausen; da ward er zu hand bidmen und zittern und mocht von der stat nit kummen summerteil d. hl. leben (1475) 18ᵇ; he begunde to tzeterende und to bevende (1522) Mark. 14, 33 Halberstädter bibel. Luther verwendet die formel nur auszerhalb der bibelübersetzung: da er (Jesus) sie (die jünger) wol zitteren und bedment gemacht hatte 10, 3, 54 W.; unnd der herr Christus wirdt ... das urteyl uber die verdampten sprechen, welche unden auff erden bey dem teuffel stehen, zittern und bidmen werden 52, 19; zittern und beben 20, 255; beben und zittern 54, 227; solchs zittern und beben herzuͦ schlecht, in hefftiger bewegung des gemüts Ryff anatomi (1541) H 5ᵇ;
sein göttlich haupt und gelbes haar,
zerschüttet er (Jupiter) so kräfftig gar,
das gleich darob des himmels saal
bidmet und zittert uber all
Spreng Ilias (1610) 11ᵇ;
seht das arme geschöpf vor seinem schicksale zittern und beben Göthe I 23, 95 W.; ist es dir nicht genug, dasz du vor dem oheim zitterst und bebst? Raupach dram. w. kom. gattung (1829) 1, 11; der organist, ein alter gebrechlicher mann, ... kam mit zittern und beben Handel-Mazzetti Stephana Schwertner (1927) 2, 181.
b)
in formeln mit alliteration. zittern und zagen (vgl. lat. timidus ac tremens) ist zuerst bei Luther belegt, vielleicht auch von ihm geprägt: und fieng an zu zittern und zu zagen (1530; καὶ ἤρξατο ἐκθαμβεῖσθαι καὶ ἀδημονεῖν) Markus 14, 33; anders noch 1522: und fieng an zu ertzittern und zu engsten (vgl. auch: und er begunde zeerpidmen und zuͦ derschrecken erste dt. bibel nach vulg.: et coepit pavere et taedere). weitere stellen bei Luther: und er sprach mit zittern und zagen apostelgesch. 9, 6; das zagen und zittern (1543) br. 10, 490 W. später auch sonst häufig belegt: da wolt er sich selbs tödten, das konde er vor zeittern und zagen nit Seb. Franck Germ. chron. (1538) 19ᵃ; die magd hub an zu zittern und zagen (ca. 1575) B. Hertzog schiltwacht L 3ᵇ; auff dem richtplatz aber ist ihm alles hertz entfallen, hat zu zagen und zu zittern angefangen Prätorius glückstopf (1669) 160; demohnerachtet betrat der assessor nur mit zittern und zagen das freiherrliche castell Gaudy s. w. (1844) 24, 57. andere alliterierende paare sind weniger gebräuchlich: das hertz zitterte und zappeltte Luther 47, 590 W.; zittern und zappeln mustu vor der hell ebda 17, 1, 250; weil sie dass dann nicht vermögen, zapplen und zittern sie Dannhawer catech.-milch (1657) 4, 486; zittern und zappeln Spiesz Henneberg 291; hellisch fewr, zittern und zeen klappen ynn der helle wird yhr lohn seyn Luther 18, 401 W.; ein öffters zittern und zehnklappern Guarinonius grewel (1610) 480; auf furcht folgt zittern und zänklappern Stieler stammb. (1691) 2638;
ich sah ihr angesicht vor zorn und zittern brennen
Gryphius trauersp. 282 lit. ver.;
mit zittern und zorn Grimm dt. sagen (1891) 2, 107; Wilhelm zauderte und zitterte Göthe I 22, 227 W.
c)
in andern formeln. furcht und zittern, schon seit der 2. hälfte des 14. jhs. belegt: vorht und czittern sint kumen uber mich (timor et tremor venerunt super me) Johann v. Neumarkt schr. 1, 119 Klapper;
was sol ich reden oder tuͦn?
forcht und zittern hand mich umbgeben
schausp. d. mittelalters 2, 327 Mone.
an der bibelstelle Phil. 2, 12 hat die erste dt. bibel mit vorcht und mit klophen (cum metu et tremore), die Zainerbibel (1475) setzt mit vorcht und mit zittern ein, wie später Luther mit furcht und zittern. auch sonst reich belegt: ein wort, das billich jeder man mit furcht und zittern annemen und behalten solt Luther 51, 22 W.; da doch ein jeder mit forcht und zittern sein heil wircken solte Grimmelshausen 1, 388 Keller; hier ist alles froh des schönen wetters, genieszt es aber nur in furcht und zittern Göthe IV 37, 131 W.; meine mutter, die immer in zittern und furcht lebte Kerner bilderb. (1849) 141. weniger gebräuchlich sind schrecken und zittern, angst und zittern: drum kam sie (das weib) hernach uber etliche tage grosz schrecken und zittern an Luther tischr. 3, 519 W.; mit zittern und schrecken bewegestu alle meine gebein J. Arndt nachf. Christi (1631) 84; worauf er mit angst und zittern sehr viele submissions gemachet (1716) Berliner geschr. zeitungen 34 Friedl.; mit angst und zittern Hufeland menschl. leben (1797) 393; sie hat nicht angst noch zittern Handel-Mazzetti Stephana Schwertner (1927) 1, 278.
6)
besondere gebrauchsweisen.
a)
nur dichterisch im sinne von 'sich zitternd fortbewegen'; hierzu die komposita: auf-, durch-, ent-, nach-, über-, um-, weg-, zurückzittern. von personen (vgl. 1): da ihr ein haufe eingeschrumpfter matronen an stäben und krücken entgegen zitterte Musäus volksmärchen 1, 12 Hempel;
wenige holde gestalten begegnen uns; freudig erschreckend
zittern wir ihnen ans herz, schmiegen uns innig an sie
Kosegarten poesien (1798) 2, 323;
kaum hatte Amandus den gemisshandelten jugendfreund über die gasse zittern sehen, so ging er in sein zimmer Jean Paul w. 1, 179 Hempel. von gemütsbewegungen (vgl. 1 a α):
noch zittert ihr der schreck durch jede nerve
Lessing 3, 6 L.-M.;
eine unbestimmte angst zitterte plötzlich über das gesicht der frau Cl. Viebig die vor d. toren (1949) 125. ähnlich von einer erregung, die durch ein land geht: bis nach Rom und Neapel zitterte die angst vor der revolution Häusser dt. gesch. (1854) 2, 56; obwol noch vor kurzem selbst theologe, hatte ich ganz aus den augen verloren, dasz diese bewegung in Preuszen durch das land zitterte H. Laube ges. schr. (1875) 1, 214. von sachlichen objekten (vgl. 2 a):
hier zittert mir der griffel aus der hand
Wieland s. w. 20 (1856) 195;
thränen zitterten seine wangen herab maler Müller w. (1811) 1, 261; ein durchsichtiger nebel zitterte durch die warme gegend Sturz schr. (1779) 1, 7. von akustischen und optischen erscheinungen (vgl. 3 b und 4 b): so zittert diese erscheinung als ein umgekehrtes flämmchen in die tiefe Göthe II 5, 1, 352 W.; ein rother schein zitterte durch das haus Immermann w. 5, 53 Hempel; der melancholische ton einer ziehharmonika zitterte durch den abend Polenz Grabenhäger (1898) 1, 90.
b)
in freiem sprachgebrauch als transitives verbum, im sinne von 'zitternd hervorbringen': meine nerven zittern einen ton Klinger w. 1 (1815) 8;
der baum, der mir den schatten zittert,
der quell, der mir sein mitleid rauscht
Lenz ged. 112 Weinhold;
meine lippen zitterten ein freudiges gebet Iffland theatr. w. (1827) 10, 335.
c)
unpersönlich. nur selten gebraucht: 'mich zittert ist undeutsch, es musz heiszen ich zittre' Heynatz antibarb. (1796) 2, 670; ich kann diese saite nicht berühren, ohne dasz es mir inwendig zittert, und mir thränen in die augen kommen Jacobi w. (1812) 1, 48; ich fühlte, dasz mich zitterte qu. bei Sanders erg. wb. 678.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1956), Bd. XV (1956), Sp. 1692, Z. 69.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
zipf zoll
Zitationshilfe
„zittere“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zittere>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)