Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geheien, keien

geheien, keien,
ein altes wort mit überaus merkwürdiger geschichte, nubere, coire, stuprare, vexare, angere, molestare, prosternere, ruere, corrumpere, bedeutungen, die, so weit sie zum theil aus einander liegen, sich an dem faden des einen wortes und begriffes aufgereiht haben, theilweis unerquicklich bis ins ekelhaft abscheuliche, aber tief eingewachsen in die sprache, und auch wieder zum harmlosen zurückgekehrt.
1)
a)
ahd. vom stamme hî (hîw), der uns noch in heirat greifbar nahe liegt, in doppelform hîan oder hîjan und hîwan, verstärkt gihîan oder gihîjan (auch gihîgan) und gihîwan nubere, uxorem ducere Graff 4, 1063 ff.; dazu hîunga, hîwunga connubium, matrimonium, auch einfach hîwi, hîgi o. ä. ehe, heirat, und hîwun, hîun, hîon pl. ehepaar Graff 4, 1067, auch genauer sinhîun (sin- zur bezeichnung des dauernden, vgl. sinhîlîh conjugalis Haupt 5, 202ᵇ), wie alts. sinhîwun, ags. sinhîwan (hîwan familiares, domestici), nebst alts. gihîwian nubere, ags. hîwunge matrimonium u. s. w. (vgl. Diefenb. goth. wb. 2, 548 fg.). jenes ahd. hîun, hîon die gatten noch jetzt norw., nur mit verschobenem ton, der auf die endung gekommen, hjon, hjun n. ehepaar Aasen 294ᵇ, schwed. hjon n. ehegatte, altn. hjú n., hjún, hjón n. pl. eheleute, altschwed. hion n., warda hion von zweien die sich heiraten Rietz 258ᵇ, altdän. hion, hyon Molbech dansk gl. 1, 347 fg., ursprünglich doch auch hîu, hîun; auch das n. übrigens wie ahd., beide geschlechter zusammenfassend: thiu hîun Otfr. II, 8, 9, vom hochzeitspaar von Cana, auch nachher siu n., vorher thiu zisamane gihîtin, vergl. auch alts. thiu sinhîwun Hel. 1035, sodasz die einheit des nord. und deutschen wortes nicht gröszer sein kann. So ist aber das wort von haus aus durchaus rein, ja es war erweitert zu einem begriffskreise, der die familie, das hausverhältnis überhaupt umspannte, in ahd. hîwiski n. familie, sippe, auch hauswesen, haushaltung (domus Graff 4, 1068, patria Haupt 3, 461ᵇ), altn. hŷski, mit einbeschlieszen der knechte und mägde, auch der unfreien, ganz wie lat. familia, denn ahd. hîwon, hîon bezeichnete neben dem hausvater und der hausfrau als paar auch die familie und das gesinde (hîon mancipia, widemhîon mancipia dotalia, als mitgift, hîwon familia denkm. lxv I, 3), merkwürdig genug, ja unmöglich erscheinend: herrschaft und dienerschaft mit demselben worte bezeichnet, was sich doch mit dem hausverhältnis als innerstem kern des begriffes als möglich darstellt, wie es auch u. gehaus 2, a auftritt, zugleich von den gatten und dem gesinde. und ebenso galt altn. hjú, hjún auch von frau und kindern, knechten und mägden, wie altschwed. altdän. hion (auch geschlecht, stamm), und so schon bei den Gothen nach heivafrauja hausherr, paterfamilias (Marc. 14, 14). so war der kern des begriffs der edelste im alltagsleben, der der häuslichen einheit im zugleich weitesten und innigsten sinne, auch die knechte inbegriffen als familienglieder, hausgenossen (vgl. u. gehause 2, b). und doch war im 15. 16. jh. bei uns in geheien nur der ekelste oder gröbste kern, gleichsam das weggeworfene kernhaus, der gröbs davon übrig geblieben, in widerlicher weise weitergebildet, und noch heute lebend, nur in glücklicher verwischung des eigentlichen sinnes.
b)
auch mhd. noch (s. wb. 1, 698 fg.) hîwen, hîen plur. sowol vom hausherren und hausfrau, diu zwei hîwen n., als vom gesinde, vihe unde hîen (mnl. huwen, s. c a. e., mnd. hîen, hygen Sch. u. L. 2, 264ᵇ), auch hîwisch n. familie, gesinde, haushalt, haus (vgl. noch heiwisch bei Schm. 2, 259) und gehîwen, gehîen heiraten (nicht hîen), genauer zesamene gehîen von beiden theilen, zu einander heiraten, wie schon ahd. (s. Otfr. u. a), auch vom einzelnen entsprechend mit zuo (wie gleichfalls schon ahd.), z. b. von Jakobs heirat, wobei Rebecca dem Isaac anliegt, nicht zu dulden,
daʒ Jakob ûʒ deme chunne (s. künne) gehîte.
er hieʒ in ime gewinnen (holen)
und gebôt joch bat in mit minnen,
daʒ er niene gehîte
zuo deheinem ungeslahten wîbe (das nicht vom geschlechte wäre).
fundgr. 1, 40, 29 ff.,
mit einer bedeutsamen änderung in der späteren fassung, obwol zunächst des reimes wegen:
daʒ er niht gehîete
ze deheinem ungeslahtem liute.
Diemer gen. 53, 5,
der begriffskern also: einen hausstand gründen ('in den hausstand treten' Diemer 2, 137ᵇ), was schon u. a deutlich genug ist; die heirat führt zwei zusammen in ein haus, den einzelnen aber auch in ein anderes geschlecht (daher das liute für wîbe) und zwei sippen zusammen zu einem hîwiski u. s. w. (ags. hîwræden auch stamm, tribus). so hat man wol mit recht den wortstamm urverwandt in lat. civis gesucht (Diefenb. a. a. o.), ja bei uns in heim und haus selber; vergl. mnl. gehusd verheiratet Oudem. 2, 428, gehuizen ehegatten u. gehaus 2, a, span. casar heiraten von casa haus. wie edel auch das zeitwort im engeren sinne noch um 1100 war, zeigt z. b., von der empfängnis der Maria und der geburt Christi:
dô gihîte der himil zuͦ der erde.
Diemer ged. 231, 2;
iʒ gihîte alsô werde
der himel zuͦ der erde.
85, 26;
duo trante sih der alte strît (zwiespalt in der welt),
der himel was ze der erde gehît.
323, 18,
deutlich mit vollem bewusztsein von der denkbaren allerletzten einheit, zwischen himmel und erde.
c)
auch den engsten sinn hatte schon das ahd. wort nach kehîgan coire, kehîginnes lust delectatio carnis, ungehîte eunuchi (kihîetin conjuges), ungehîta intacta, innupta, auch von thieren gehîen, wie noch mhd., aber offenbar als gewählter, schonender ausdruck (wie coire auch), von thieren, sofern sie auf gleichem fusze mit den menschen behandelt wurden (vgl. sich paaren, begatten); jener sinn war nicht das ursprüngliche, nicht die hauptsache, erst die folge, wie bei gatten. aber im 13. jh. musz es sich darauf entschiedener verengt haben, denn es ist sonst da für uns im verschwinden, auszer im part. gehît (nicht gehîwet), im alten sinne, verheiratet, aber auch vom coitus an sich, eben mit dem part. pass. bezeichnet, in einer warnung vor übermasz:
swer aber sich kan enthalten
an der minne, der muoʒ walten
rîches muotes und ringer zît
von dem daʒ dâ heiʒet gehît.
Haupt 7, 343.
im 14. jh. in wissenschaftlichem tone, von frauenkrankheiten: der siechtuͦm geschicht aller meist den witwen .. dô sich der sâme in in gemêret, des sie mit geheien solten ân werden, und meiden die heiber sint (seitdem). Schm.² 1, 1027, wo in heiber das ältere hîwen nachklingt (vergl. geheier). im 15. jh. in volksmäsziger form: minnen, vulgar., helsen, brauten, keien, coire, futuare. voc. inc. teut. q ijᵇ (n 7ᵇ);
gange zu schwester Seyen,
die laszt sich gerne nacht und tage keyen.
Schm.² 1, 1027 aus einer hs. d. 15. jh.
aber die wbb. wie die schriftsteller meiden es offenbar. im 18. jh. bringt es Frisch wieder, in voller form: geheyen, stuprare, coire, corrumpere virginem 1, 450ᶜ, ohne quelle, vielleicht aus seiner oberd. heimat, falls er es nicht aus dem kuhgeheyer im 16. jh. entnahm (2, b). nl. dagegen noch jetzt im alten sinne huwen heiraten, verheiraten, huwelijk n. heirat, bei Kil. houwen, houwelick conjugium, mnl. hiwelek, huwelek Oudem. 3, 124. 198, huwen verheiraten, auch noch huwen pl. familie das., aber auch hiwen, coire Dief. 130ᶜ. auch nrh. 15. jh. huwen, hijlken ter echt (ehe) Theut. 132ᵇ, sonst hylick ehe, hylicken connubere, aber auch coire 123ᵇ.
2)
im 15. jh. aber taucht es hd. wieder auf, in neuer entwickelung, aus dem gröbsten schmuz heraus, geheien, auch geheuen, d. h. aus gehîwen, wie jenes aus gehîen (s. u. g).
a)
als höhnendes drohwort z. b.:
ich torst dir wol dein muter geheien,
ee ich dirs wechselt nach deinem mut.
fastn. sp. 272, 24,
es handelt sich nur um eine zahlung für einen hasen, wobei der verkäufer die pfenninge zu genau prüft (beit, freunt u. s. w. z. 21) und u. a. zwei für kupfrein erklärt, worüber des käufers ungeduld in jenen worten ausbricht; die wendung ist an sich zu stark für den fall, sodasz sie schon halb abgebraucht sein muszte; weniger im folg.:
er sprach: daʒ ich dein muoter ghey!
maynst daʒ ich ein vogel sey?
ring 53ᵈ, 14 nach Schmellers besserung (2. ausg. 1, 1027).
dasz sie aber nichts anderes meint, als was eben die worte sagen, verbürgt ihr weiteres auftreten; mit serten (s. u. b):
ich sirt dir noch die muoter dein u. s. w.
Wittenweiler ring 39ᵈ, 12 ff.
in nd. wendung im 18. jh., noch unvergleichlich schlimmer, doch schon verwischt: brüe dine moor, lasz mich ungeschoren, als abfertigungsformel aus der niedrigsten pöbelsprache im Brem. wb. 1, 146 (wo doch noch 'etwas unflätiges' dahinter gespürt wird); im 17. jh.: hey mach sik beschyten ende sine moer bruen H. J. v. Braunschw. 315, vgl. bei Schiller u. Lübben 1, 435 (wo etwas ganz harmloses, ja gutes dahinter vermutet wird): ga hen unde brüde dine moder (môr), geh zum henker. im Simplic. 3, 23 wird aus dem Bergischen von einem schweinehütenden bauernbuben erzählt, wie ihm die magd sein fluchen verweist, aber zur antwort erhält, sie solte ihn im hintern lecken und ihr mour dartho brühen, wie ihn darauf aber der vater züchtigt, jeden streich mit strafenden worten begleitend, darunter: ick sal di im arse lecken, ick sal di leeren dine mour brühen. 1, 343 Kz.; auch ins hd. aufgenommen, gewiss aus dem lagerleben, wie andere nd. kraftworte damals: ja ja! du alter hosenscheiszer, gehey dich nur hin und brühe deine mutter. 3, 266 (Springinsf. 23 a. e.); vgl. unter brühen 2, c, wo J. Grimm auf 'unzüchtige bedeutung' riet. nd. brüen, eig. brüden, ist das mhd. briuten nubere, s. brauten 2, auch Schm.² 1, 371 f. bei den Russen ist ein fluch im gange gleich scheuszlichen inhalts, aber der teufel als thäter eingesetzt.
b)
noch mehr ekelhaft als scheuszlich thiere geheien als hohnwort, nd. hîgen (vgl. ahd. gihîgan 1, a), im 16. jh. als hohn im kriegsleben, und zwar gegen bundesgenossen:
ach der unnutten wort,
de van dem folke worden gehort!
se repen to aller stund:
gi Hessen, higet uns den hund!
Lüntzel stiftsfehde 234,
d. h. macht uns junge hunde, das versteht ihr ja, eine anspielung auf die blinden Hessen, da die hunde blind geboren werden (vgl. J. Grimm gesch. d. d. spr. 566, auch H. Sachs u. engsten), vergl. vorher v. 116 auch als hohn gegen die Hessen: se leten dar hinken den hund, auf dasselbe deutend (vergl. hund I, 9, hundsfott, hundehochzeit und hundsbrautlauf); die Hessen verlieszen darauf das heer. ähnlicher hohn ergieng gegen die Schweizer in den kriegen der zeit:die Schweizer wurden bei Randeck von der besatzung mit dem 'unchristlichen' wort kuhgeheyer beleidigt“. Frisch 1, 450ᶜ nach Stettler 333 (zu unchristlich vergl. u. ketzer 2), kuͤgehyer Tschudi 2, 335ᵇ; zur sache vergl. auch kuhketzer, kuhgeiger, geiszbuhler (schneider), und aus dem rechtsbuche Ruprechts von Freising aus dem 14. jh., lehenrecht § 99, wo vom 'schelten aus der christenheit' oder viehlichen scheltworten die rede ist: swer den andern einen zohensun haiʒet (zohe hündin), oder er hab einen hunt gesorten oder ein ros oder ein kue .. Schmeller 3, 283 (2, 327), denn mhd. serten hiesz ebenfalls stuprare, coire, mnd. serden, ags. serđan, altn. serđa.
c)
als grobes scheltwort auch geheind, d. i. geheiend (vgl. geheiendig), eine bäurin klagt vor dem richter gegen ihren mann:
nu kan ich doch kaum die torin (scham) bedecken,
so verderbt mich der geheind schalk mit seim wuten.
fastn. sp. 55, 31;
auch schon als hohles schimpfwort überhaupt:
ach thut die schemlichen kron naher!
hat sie denn her pracht der geheind haher (henker)?
661, 20.
es ist wol aber eigentlich gemeint wie mädchenjäger, fututor, vergl. im 17. jh. mägdegeheyer W. Scherfer 476 (Weinhold schles. wb. 34ᵇ), s. auch unter geheier. in einem Ayrerschen fastnachtspiel wird eine vom markte heimkehrende bäuerin von einem buben verfolgt, der ihr nachjagt ('du must mir erst recht katz halten'), ihr sohn aber schützt sie:
ey was! muͤsz dein der teufel waltn!
wolstu hudlen die mutter mein ..
Ayrer 2646, 33,
es kommt zu schlägen, der sohn triumphiert:
lasz sehen! keu mir mein mutter mehr!
2647, 9.
vergl. die klage einer mutter vor gericht gegen einen bauernknecht Rumpolt, der ihrer tochter die ehe versprochen und sie nun zur ehe nehmen soll:
Rumpolt. herr officagel (official), das thuen ich nicht,
oder ich sei ein verhayt pöswicht ..
mater. ey das dich der teufel reyt!
wie hastu mir dy tachter keyt!
fastn. sp. 992.
jenes verheit (s. d.) ist sehr geläufig, wieder mit eigner vielfältiger entwickelung, die eigentliche bedeutung zeigt verhyter zers Frisch 1, 450ᶜ aus Tschudi 2, 239ᵇ, als schimpfwort (vgl. Germ. 16, 78), das gegenstück zu ausgeheite fut (futil. germ. s. 8), aber auch verhîte huor Altswert 54, 24 mit var. versorteniu, vgl. Schm.² 1, 1027. ebenso wieder nd. verbrüdt, jetzt für stolz, trotzig Richey 25, auch een verbrüet mäken, ein stolzes, naseweises Brem. wb. 1, 147, hd. im 15. jh. üppig und versorten M. Beham bei Schmeller 3, 284, eigentlich offenbar von der stimmung und haltung eines roué und ähnlicher weiber. s. auch u. 4, d sich geheien, prahlen u. ä.
3)
geheien vexare u. ä., aus dem vorigen entwickelt.
a)
die entstehung zeigt das vielgebrauchte lasz mich ungeheit, eigentlich nur in frauenmund passend, wie deutlich bei derselben wendung mit ungesorten:
du kümpst mir nit in meinen schlitz
mit deinen groszen worten,
davon so lasz mich ungesorten.
Schm. 3, 284 aus Rosenblut,
doch auch hier schon in plagen überhaupt übergehend: lasz mich ungeplagt mit bulerei, wie ein bauer vor dem eherichter über seine frau klagt, z. b. dasz sie spät heim kommend ihn abweise mit seinen forschenden fragen:
so spricht sie lasz mich ungeheit!
fastn. sp. 49, 4.
ursprünglich aber ist es gewiss das mishandeln beim stuprum, wie denn auch lat. vexare vorkommt, eigentlich hin und her zerren (frequent. zu vehere), wie mhd. nôtzogen eigentlich ein herumzerren (zogen) bezeichnet zum zwecke der gewalt (nôt). ebenso wieder nd. ungebrüet laten, 'ungehudelt' Richey 25, Brem. wb. 1, 147, lât mi ungebrüt Sch. u. L. 1, 435ᵃ. aber schon im 15. 16. jh. auch arglos für lasz mich ungeschoren, unbehelligt, nur noch als derb abweisendes kraftwort: will er aber nicht aufhören, so lasz er mich mit seinen büechlein, die der teufel aus ihm speiet und scheiszet, ungehewet. Luthers antw. an Schwenkfeld, Schm.² 1, 1027 (nach bair. abschrift);
lasz mich ungheit.
H. Sachs III, 3, 68;
lasz mich un keit und hab dirs gicht.
das.
noch jetzt in mundarten, bair. la mi unkeit! Schm. 2, 132, tir. Schöpf 253, auch entstellt zu lasz mich inkeit das., diesz aber aufgefaszt als in keit, in ruhe Lexer kärnt. wb. 137, so kann das schlimmste durch abschleifen wieder zum harmlosen kommen; auch schweiz. lasz mich ungheit, plage mich nicht Stalder 2, 32, schwäb. Schmid 269, elsäss. Arnold pfingstm. 182 (umkeit), auch fränk., henneb. (unvexiert) Reinw. 1, 42, am Mittelrhein, auf dem Westerwalde lasz mich ungeheit Schmidt 282, der es auch aus der Pfalz, aus dem Bergischen kennt, in Luxemburg loszt mech ongeheit, ungeneckt, unangefochten Gangler 316, auch siebenb. (âgehaͦt) Schuller 21, zum theil eben nur in dieser wendung, z. b. elsäss. nach Scherz 502, henneb., westerw.
b)
daher dann zunächst von thätlicher mishandlung überhaupt, z. b. als redensart, wenns zum kampfe geht, wird folg. angeführt:
glück zu! sagt Hebenstreit (als vorbild eines kampfhahns),
nu laszt sehen, wer den andern geheit!
Schade sat. u. pasqu. 1, 57 (123), Wolff hist. volksl. 127, v. j. 1542,
wer des andern herr wird, genauer: ihn als sieger nach belieben behandelt, höhnend mishandelt (auch beim vorigen geht ein kampf oder ringen voraus), übrigens im munde eines teufels, mit rohestem klange. gerade auch der teufel geheit seine opfer (vgl. c a. e.), daher der fluch, in narrenmunde:
ei leug, das dich der teufel ghei!
fastn. sp. 175, 4.
in höhnischer ironie als lob der tapferkeit im felde:
ach ir verheiten jungen tiltappen,
was möcht ir ausrichten mit eurem schreien?
wol würdt ir ein (feind) in eim veld geheien!
man solt euch neur an die Türken schicken!
fastn. sp. 88, 24.
schwächer, in bloszes plagen übergehend, doch noch thätlich, in der flohiade (flochia) von 1689, in macaronischem latein:
nunc quoque per bartum kriechunt, dant vulnera menschis,
vulnera quae schmerzunt, augos nasosque geheiunt.
weimar. jahrb. 2, 438.
schläge mögen auch bei folgendem noch mit sein, wenn eine bäurin klagt:
mein mann der gheyd mich alle tag,
wenn ich wahr in die statt rein trag,
sagt, ich komm stets zu langsam nausz (wieder heim).
Ayrer fastn. 59ᵈ (2636, 8).
c)
dann von anderem mishandeln, mit wort und witz, zum hohngelächter der andern (wie unter a und b gleichfalls), was eben auch vexieren eigentlich bedeutet, zum gespött machen, verhöhnen, foppen, äffen, narren, zum besten haben u. ä.; so im 15. jahrh. hessisch mit dem alten vocal gehîgen ( : blîen), im handel zwischen Caiphas und Judas, der sich den verräterlohn auszahlen läszt und die silberlinge scharf prüft und ausmustert, am ende:
Judas. dér (pennig) ist blien (von blei)!
C. wiltu uns dissen tagk gehigen?
Alsfeld. pass. 3227,
wie nd. im 16. jh. gehygen äffen Sch. u. L. 2, 33ᵇ, dazu hîerie f. (hd. keierei, s. geheierei), auch einem de hîhasen antên, die vexierhosen, narrenstrümpfe anziehen das. 2, 264 (vergl. hijen unter g a. e.), z. b. ein bauer zum andern, der einen bürger mit dem holzkauf angeführt hat:
ho ho! wo (wie) hefstu en bedragen (betrogen),
ja wo hefstu em de hihasen angetagen!
fastn. sp. 963, 1.
so für betrügen auch hd.: der wil mich geheyen mit dem leberlein. wegkürzer 15 (29ᵇ) eigentlich als gefoppten nachher zum gespött machen; du wilt uns lauter geheien mit dem wucher. es ist gült und nit wucher. Schade sat. u. p. 2, 76, uns aufs eis führen, es ist selbst nicht dein ernst. so weist ein reuter einen wahrsagenden zigeuner ab: was gheist mich? H. Sachs IV, 4, 2, ich wäre lächerlich, wenn ich dir glauben wollte. auch vexieren und geheien verbunden: das gefelt mir wol, wenn ein teufel den andern vexirt und geheyet. Luther tischr. 219ᵃ; (ein guter prediger) sol sich von jederman lassen vexiren und geheien. 180ᵇ, Luther wuszte gewiss dabei nichts mehr vom ursprünglichen sinne (vgl. dens. unter gehei, gespött). Henisch 1436 kennt es nur, noch weiter verdünnt, als verspotten, illudere, er führt einen spruch an:
wer sich nicht will lassen geheyen,
der musz die welt meiden.
auch Stieler kennt den eigentlichen sinn nicht mehr: geheyen subsannare 31, aber auch impedire, remorari, prohibere, parvi facere, wenn er das nicht blosz aus der wendung 4, e entnahm. auch aus derberen kreisen im 17. jh. verrät sich unkenntnis des ursprungs im folgenden, wo im andern falle die gelegenheit zu einem derben witze gewiss benutzt wäre:
so gehts, wenn sich die alten narrn
wolln setzen auf frau Venus karrn
und wollen junge weiber freien,
so thun dieselben sie geheien.
engl. komöd. II, Ee 3ᵇ;
noch wolt ihr (alter) eine junge frein,
stattlich wird sie euch gehein.
Ff 4ᵃ;
ich will ein hübsche junge freien.
'wie stattlich wird sie euch geheien'.
Oo 6ᵃ.
gemeint ist ehelicher betrug, wie schon im folgenden:
o herr, nun lasz uns nit geschehen
mit unsern weiben als den dreien,
das sie uns auch nit also geheien.
Folz bei Haupt 8, 528.
d)
früh doch auch schon in allgemeiner, auch ernstester verwendung, selbst in sittlichster stimmung, für plagen, quälen, alem. gehîgen, geschrieben gehyggen (d. h. nach viel späterer abschrift):
eigen nutz, gunst, verbunst (misgönnen) und gelt,
die vier gehygen jetzt alle welt.
S. Brant s. 155ᵃ Zarncke;
in einer mahnung, nicht über seine berufung hinaus zu streben:
der fürwitz uns so sehr geheit,
verblendet also gar die leut,
das uber sein ampt ein jeder klagt ..
Waldis Es. II, 49, 45;
ich bin selber der herr im haus,
dennoch die armut mich geheyt.
H. Sachs II, 4, 2ᵈ;
die armut hat uns lang geheit.
5, 339;
ein todkranker bauer sagt von seinem weibe:
ich hab erst grosze lieb zu ir
und gheyt mich ietzund nichs als wol,
als das ich von ir sterben sol.
fastn. sp., nachlese 11, 30.
auch für ärgern, ganz arglos, nur als kraftwort geheien, keyen, geheuen:
ein mayrin hab ich mir erkoren
schön, von guten sitten ..
sie ist mein und ich bin ihr,
das thut manchen gehewen,
schaut mich an von hinden und für,
im herzen thuts mich frewen.
flieg. bl. um 1600, zwey schön new weltl. lieder;
nein, auf mein eid, es gheud mich hart,
das er nicht wolt zum gfattern mich.
Ayrer 2484, 21;
secht wunders zu, wie keyts den pfaffen?
1308, 31;
ein bauer, der von seinem schwiegervater vorwürfe erhält, dasz er seine frau schlecht halte, erwidert ärgerlich:
so geheit ir mich gleich heur als fert,
die weis hat ie und ie gewert u. s. w.
fastn. sp. 42, 25;
und in summa fast alles zu thun, was andere leute geheyet und deiner seele schädlich, der göttlichen majestät aber misfällig ist. Simpl. 1, 153 Kz. (2, 11). auch unpersönlich, es geheit mich:
es gheit mich, das ir so grob mügt sein.
fastn. sp. 335, 22.
auch abgeschwächt was geheit es mich, was kümmerts mich (vgl. 4, e), was gehts mich an: aber was geheyte es mich (dasz die mir untreu war), sie war doch nicht meine ehefrau. Simpl. 1685 2, 44;
ein jeder dächte nur hin weck!
ey was geheuet mich der dreck.
1, 12.
da musz denn schon Brant die eigentliche bedeutung gar nicht mehr im sinn gehabt haben; aber auch serten war schon früh im 15. jh. zu dieser bed. gekommen: vexare, muen oder serten. Fromm. 4, 305ᵇ.
e)
doch haftete dem worte der geruch seiner herkunft noch im 16. 17. jh. an, wie folgendes beweist: 10 albus (gestraft) Joh. Ernstheuser, das er zu Hans Kochen gesagt hatt, was er ihn viel gehey. Vilmar hess. id. 157 (aus Estor t. rechtsgl. 3, 1409), der danach eine schwere beschimpfung darin wol fühlt, wozu doch seine annahme von schlagen als grundbedeutung nicht ausreicht; man sieht da vielmehr das gericht gegen die vordringende roheit kämpfen. ebenso in Schwaben im 16. jh. nach einer erzählung der Zimmerischen chronik II, 406 fg. von gueten schwenken am hofgericht zu Rottweil, darunter von einem doctor juris, der einen handel führt für ein bös alt geschwetzig weib, die ihn dabei immer von hinten zupfend anspornt, ihm einbläst u. dergl., bis er dafür hülfe sucht beim vorsitzenden, ist aber dabei so irrig geworden, dasz er diesen anspricht: wolgeborne gnedige fraw. des ward er von iederman verlacht, derhalben der doctor übel geschampt sich entschuldigen wolt, spricht in der gehe (s. gähe) und unverdacht: 'gnediger herr, das alt weib geheit mich dahinden'. und wiewol er noch mehr verlacht, iedoch ward er darnach von den urthelsprechern ... umb etliche gulden gestraft, und ward hieraus ein sollichs gespai über in, das er hernach sein procuratur aufgab. 407, 31; man sieht, weshalb die lacher nun noch mehr lachten, weil man den eigentlichen sinn von geheien noch wuszte, dasz aber auch eben das die strafe herbei zog, wie dort in Hessen. noch im 17. jahrh. kämpfte auch das gebildete bewusztsein damit, wovon wir ein wertvolles zeugnis aus dem j. 1673 haben in Grimmelshausens teutschem Michel im 10. cap. (Simpl. 4, 399 fg. Kurz), das ganz davon handelt (überschrieben was gehey ich mich drumb?), zugleich ein wertwolles zeugnis aus der geschichte des sprachgefühls überhaupt, welchem von einem rohen worte der eigentliche sinn verschwinden, der abscheu aber bleiben kann (wie ein gestank länger bleibt als das stinkende): das wort gehey ist bei uns Teutschen so verhasset, dasz sichs ein ehrlicher mann (ungefähr: ein gebildeter, doch auch bürger und bauern an sich nicht ausgeschlossen) schämbt auszusprechen, und wann es jemand ungefähr im zorn oder sonst entwischt, so wirds einem vor eine schändliche red gerechnet, dahero es etliche verzwicken, wann sie es jemand also nachsagen: was geschneids mich? ist aber gefählet, weil dieses schöne wort jetziger zeit unter vilen tausend Teutschen kein einiger mehr recht verstehet; folgt eine verhandlung darüber vor gericht, da einer von einem priester verklagt worden war, von dem er gesagt hatte: was gehey ich mich umb den pfaffen? der verklagte redet sich mit einer wunderlich gelehrten etymologie heraus, der priester aber bleibt dabei: es sei landkündig, dasz disz garstige (ekelhafte) wort niemahlen gebraucht werde, es geschehe dann jemand damit zuverschimpfen, dahero scheuten sich ehrliche leut solches nur ins maul zunehmen, weisz aber offenbar die eigentliche bedeutung doch nicht mehr, wie Grimmelshausen selber; der verklagte gibt dann als bedeutung an, begrifflich verdünnt: was geheyts mich heists: was kränkts mich? was gehey ich mich umb ihn heists: was hab ich mich umb ihn zu quelen (was doch keinem abscheu erwecken konnte), gibt aber endlich wunderlich genug zu, es sei von unsern vorfahren verworfen als unchristlich, aber nicht als unhöflich, wovon jenes eigentlich noch das richtige trifft (s. aus Stettler unter 2, b). s. auch lasz mich ungeheit unter 3, a.
f)
dennoch drang der reiz des kraftwortes durch gegen den abscheu, nicht blosz im leben, es erscheint auch bei hofe und vorübergehend in der gelehrten dichtung. das letztere bei Schlesiern, als kraftwort für ärgern, auch noch höhnen, narren:
auch die juden es geheyet,
da gott sprach: es ist vollbracht.
Büttner Bunzl. quäckbrun 1662 s. 143 (Fromm. 4, 171);
kein monath sich verschleichet,
dis und das uns geheit.
Sylvanders feld- u. hirtenlieder 1670 (das.);
wo man mit solchem schminke
mich nicht nur spöttlich schmink, und äffet und geheih't.
Lohenstein Ibrah. Bassa 2, 29.
im lustspiel, in A. Gryphii seugamme (2, 5), da ist eine falsche anweisung auf 500 ducaten ausgestellt worden und der betrug ans licht gekommen, als rettung wird vorgeschlagen: Musca. wir wollen vorgeben, als hätten wir den fremden ein wenig in die zähne geheyen wollen? Gismund. geheyen? es ist der warheit nicht ähnlich! Gryphius 1, 886, zum gelächter machen, seinen witz auf die probe stellen (gleich dem jetzigen mystificieren), in die zähne eigentlich offen ins gesicht, vor den leuten. so in schles. volksrede: Salome. o harzes kind, du krigst Durnrusen nicht. Kornblume. je se hot mers ju zugesait. Salome. se geheit dich in de zähne ney. Dornr. 51 (94 Palm). so besonders in liebessachen, wo denn auch vom ursprünglichen sinn der gerade gegensatz erscheint, in einem bäurischen hochzeitsliede (als schlesische polognoise), der bräutigam singt seiner Grete:
wenn mer warn eis himmelbette
medanander schluffa gihn,
o do war ich wacker mitter freya,
gleb mers ack, ich war dich ne (nit) geheya.
D. Stoppe ged. (1728) 1, 66.
vom hofe bezeugt es Elis. Charl. v. Orleans, als kraftwort für plagen: aber man ist hir so geplagt (hette schir auf gut Pfälzisch geheyt gesagt), dasz man nicht weisz was man thut oder schreibt. briefe 2 (1871), 631; wenn ihr, liebe Louise, sehen soltet, wie man in diesem Paris geplagt wird (hette schir auf gut Heidelbergisch geheüt gesagt). 688; man ist, wie man in der Pfalz sagt, gar zu übel geheydt hir. 3, 1; freilich schmerzts mich, dasz man die armen alten einwohner zu Heidelberg so plagt, hette schir auf gut pfälzisch gesagt: so geheydt. 4, 281.
g)
noch jetzt in Schlesien, denn wie es Steinb. 1, 751 angibt, geheyen illudere, so bei Weinh. 34ᵇ verspotten, im benachbarten Kuhländchen gehaye quälen, necken, unpers. verdrieszen (auch rutschen, rücken), s. Meinert volksl. d. Kuhl. 395, auch weiter im osten, in der Zips gehain vexieren, betrügen Schröer 59ᵇ. dann in Kärnten gihain, ghain, kain, quälen, z. b. in der arbeit stören (also necken), bair. keien plagen, kümmern Schm. 2, 132, der auch östr. beispiele aus Abr. a S. Clara bringt, wie: nit umbsonst hat der erste baur Cain gehaiszen, maszen es schon ein halbe propheceyung gewest, dasz der bauersmann werde keyt genug werden. schwäbisch es gheit mich, ärgert, reut (gheiig verdrieszlich, ärgerlich). Schmid 269, wie schweiz. das gheyt (keit) mich), macht mich gheyig, ungehalten, s. Stalder 2, 31 fg., dazu besonders Tobler 98ᵇ. ferner in Oberhessen geheien (doch schwindend) Vilmar 157, auch im Rheinlande hie und da, z. b. auf der Eifel quälen Schmitz 225ᵃ, luxemb. quälen, ärgern Gangler 170. auch nl. bei Kil. hijen, quellen, vexare, molestare, bei Binnaert (1702) N 1ᶜ als holl. bezeichnet, d. h. nicht fläm., vergl. hijlick (hielick) conjugium Kil., auch bei Halma neben huwelijk (s. 1, c am ende); auch im nd. gebiete z. b. in Danzig hijen necken Firmenich I, 94. 28. 49 (Schm.² 1, 1026), s. nd. gehîgen unter c, auch heigen unter 9, b. auch in wbb. einzeln noch lange: geheyen, plagen, ontrusten, was geheiet es mich? wat bruyt my dat? Moerbeek M. Kramer (1787) 167; geheuen, molestum esse Haas (1808) 2, 228ᵇ.
4)
sich geheien, wieder mit sehr verschiedener bedeutung.
a)
der älteste gebrauch musz sich gleichfalls an die rohe ausartung des wortes anschlieszen, in welcher weise, wird deutlicher bei dem entsprechenden nd. brüen (s. 2, a): brüe dinen buk! lasz mich ungeschoren, geh deiner wege! Brem. wb. 1, 146, bei Sch. u. L. 435ᵃ loop hen unde brüh den bukk, aus dem 16. oder 15. jh.: vulgus ita loquitur, quando irati aliquem repellunt, brye dinen buck; das ist aber eigentlich: stupra te ipsum, zuerst in frauenmunde (dinen, statt minen), als abfertigung eines zudringlichen geheiers; auch das brüde dine moder unter 2, a wird zum theil so gemeint und so entstanden sein, womit auch die entsetzliche roheit milder, ja begreiflich wird als hohnwitz zur abwehr. entsprechende belege für geheien werden sich finden.
b)
die abweisung, das fortschicken trat dann in den vordergrund, von frauen auch auf männer übergegangen; eine frau weist nächtlichen buhlbesuch als lose hudler (vgl. a. e.) ab:
ir losen hudler, thut euch weg gheüen!
ich hab kein mann unter euch dreyen.
Ayrer 2387, 19;
fort unthier! geheue dich fort! Filidor Ernelinde 20; sie antwortet: ja ja, du alter hosenscheiszer, gehey dich nur hin und brühe deine mutter. Simpl. 3, 266 Kz.; da hörete ich erst, dasz es kein teufel war .. sagte demnach, er solte sich aus dem trog geheyen. 1, 276 (3, 8);
ey key dich wegk! es kan nicht sein ...
das musz ich thun, darumb geh hin!
Ayrer fastn. 115ᶜ (2913, 25);
key hin (gedr. keyhin), darfst nicht reden mit mir.
2837, 5.
wie früh aber auch das abgebraucht war, d. h. wie viel gebraucht, zeigt, dasz es im 15. jh. auch schon als verächtliche aufforderung, näher her zu kommen erscheint (und zwar ohne sich, s. c):
geheit naher, ir verfluchten hunt (juden)!
fastn. sp. 175, 10.
auch nur als grobe aufforderung überhaupt: holla, ir stallbrüder (ruft der überfallene Keibkamp die feinde an), holla, hüpschlich! .. was wolt ir mit mir anfangen! ihr secht doch, ich bin nur ein armer teufel (der keine beute verheiszt, dann zu einem, der ihn antastet), hei, pfei, gehei dich! thu mir disen treck von der nasen (als deine beute). Garg. 228ᵇ, Sch. 427 (37. cap.). noch jetzt z. b. bair. kei di furt, packe dich Schm. 2, 132. schwäb. 17. jahrh. sich aus da füesza keyha, aus dem wege gehn o. ä., s. Fromm. 4, 95. 112. ebenso wieder nd. brüe darhen H. J. v. Braunschweig 324, brüdet darvan, schert euch davon Richey 25, vgl. diesz schert euch neben scheren plagen, auch sich hudeln, sich packen IV², 1864, sich forthudeln oben sp. 20 neben hudeln mishandeln, ausdrücklich auch buhlerisch Ayrer 2646, 33 unter 2, c (hudel auch hure).
c)
aber auch mit auslassung des sich, wie vorhin in geheit naher, so im 16. jh. (Schm.² 1, 1027):
thu nur bald aus dem schlosz geheyen
oder ich stosz mein schwert durch dich.
H. Sachs II, 3, 25;
ghey aus dem kloster, lasz mich unplagt.
II, 3, 79;
key weck in aller teufel namen.
III, 3, 68;
khey naus, hack holz, du fauler tropf.
III, 3, 45ᵃ;
vergl.mach fort! gleich mach dich fort! Höfer Germ. 15, 79 zieht auch hierher:
hiet usz, arm und rich,
wichem (so l.) mir usz dem pfad und stig.
Uhland volksl. 7,
aufforderung des sängers, ihm raum zu geben; doch klingt mir dasz zu roh hier, und bloszes hîen ist hd. sonst nicht bezeugt.
d)
aber auch ganz anders, sich brüsten, prahlen u. ähnl., besonders in bezug auf buhlerei; bauernbursche erzählen sich buhlerabenteuer (der rohesten art), einer am ende seines berichts:
was gheit ir euch mit euer puolerei?
kum einer, dem ain söllichs begeget sei!
fastn. sp. 335, 17;
was geheit ir euch mit solcher lepperei?
sagt, wem solch pulschaft geschehen sei!
274, 24.
auch mit an, also sich angeheien:
was geheustu dich mit deiner puolschaft an ..
330, 26;
was mugt ir euch all geheien an?
275, 20.
dazu ungeheit sein, d. i. sich nicht geheien:
seit mit eur pulschaft vor ungheit.
287, 6,
prahlt erst nicht so u. s. w. aber man rühmte sich auch als ungeheit, im Neidhartspiel:
so bin ich doch der Eltschenbrecht
und bin ein ungeheiter knecht.
194, 6,
wie sonst verheit (s. 2, c), wol auch für prahlerisch fastn. sp. 88, 22 (s. 3, b). man sieht, dasz das wort noch mehr falten hat; vgl. auch versarten, auszer sich vor freude oder übermut Schm. 3, 284. das prahlen, übermütig sein ist eigentlich vielleicht wie der haber sticht ihn, vgl. unter kitzel 2, b. c der kitzel sticht u. ähnl., besonders auch sich kitzeln (s. d. 6, c. d), sich heimlich ein gütchen thun, hämisch freuen u. ähnl. zu dem zweiten ungeheit gehört wol bair. ungeheit, unkeit ungeheuer, ungemein, s. Schm. 2, 132, schwäbisch z. b. es regnet ungheit Schmid 269, schweiz. aber überhît, überheit übermäszig, sehr Stalder 2, 32.
e)
auch zu der bed. 3, plagen, ärgern, gehört sich geheien, sich bekümmern u. ä.: was gehey ich mich umb ihn, was hab ich mich umb ihn zu quelen? Simpl. 4, 400, 23 Kz. (s. u. 3, e); da geheyen sie sich den teufel darum. 1, 111; das (geld) darf ein politicus nicht achten, wer geheyt sich ums geld. Weise erzn. 142, cap. 12 (s. 74 Br.); wer geheyet sich umb eure briefe. complimentircom. 413; was gehey ich mich um den narren? überfl. ged. 2, 299; was geheye ich mich drüm, cur talia curem? Stieler 31; ich geheye mich nichts üm dich, nihil te moror, flocci te habeo. das. noch bair. ich keie mich um ein ding Schm. 2, 132, auch östr., kärnt. si gehain, kain, sich kümmern, betrüben Lexer 137; auch auf der Eifel seg jeheien Schm.² 1, 1026. auch ungeheit, z. b.: er soll uns mit dem befehle ungeheyt lassen. Weise Machiavell 41.
5)
wieder anders keien, keuen, geheuen, werfen, schmeiszen.
a)
im 16. jh., keuwen, bair.: von dem her (von der verwirrung beim babylonischen thurmbau her) wird obgenannte erste statt geheiszen von dem jüdischen wort babel, so durcheinander gieszen, mischen, keuwen und werfen heiszt. Avent. chron. 19ᵃ; vergl. östr. sich zerkeyen, sich zerwerfen, uneins werden (keierei verwirrung) Höfer 2, 130, kärntisch si zerkain Lexer 137, zwei liebende zkein, entzweien Fromm. 5, 246ᵇ (51). 254, vgl. auch schweiz. ein gheyen, streit, zank, gelärm Stalder 2, 31 (s. doch Tobler 99ᵃ, dazu keden 4, b). im 17. jahrh. geheuen: gehewte sie zum fenster hinaus. Harnisch 73.
b)
noch jetzt landschaftlich, z. b. luxemb. geheien werfen Gangler 170, schweiz. gheyen, ghyen, keyen, kyen, auf den boden werfen in ausgedehntem gebrauch (auch nider- an- abeghyen u. s. w.) Stalder 2, 31, ghia, kia, keia, 'in der unfeinen sprache', werfen, schmeiszen, keis of de boda, schmeisz es auf den boden Tobler 98ᵇ. auch schwäb. gheien, keien Schmid 269 (nâu gheien zu boden werfen Germ. 16, 79), bair. Schm. 2, 132, östr. kaien Castelli 178, z. b. etwas vom fenster herab keyen Höfer 2, 130. es ist aber fast überall pöbelhaft, in der Schweiz z. b. auch bei bauern gemieden, die auf anstand halten, d. h. es hat unbewuszt doch noch immer von dem geruch seiner entstehung an sich, wie bei Grimmelshausen unter 3, e.
c)
denn es geht gleichfalls auf das mishandeln beim stuprum zurück; es ist auch nicht eigentlich werfen überhaupt, sondern auf den boden werfen, hinschmeiszen (s. unter b). so galt lat. prosternere, auf den boden, unter die füsze werfen u. ä. auch geradezu für stuprare (vgl.prosternere hostem, dazu 3, b), und landschaftliche ausdrücke, wie eine umstoszen nordd., sagen im grunde dasselbe; vgl. fällen, zu falle bringen. vgl. geheugen von mishandlung unter 9, a a. e.
6)
aber auch fallen, fast überall in den unter 5 angeführten mundarten, luxemb. z. b. en as de lange wee doir geheit, er ist der länge nach hingefallen, schweiz. besonders auf den boden fallen (auch durregheyen, bei einer wahl durchfallen), von thieren verrecken, s. Stalder, schwäb. herabkeien, alem. bei Hebel keje (doch von gheie unterschieden). bair. östr. zwar nicht, aber wieder im Kuhländchen (s. 3, g) gehaye z. b. von einem wagen, der rutschend in den abgrund fällt Meinert 395, also zugleich mit verderb (s. 8). die einheit mit dem vorigen begriffe zeigt auch z. b. stürzen und md. hinschmeiszen als derber ausdruck für gefährlich hinfallen, eigentlich hinwerfen. merkwürdig aber wieder auch nd. brüden, brüen, z. b. den barg henunner, vam peerde Brem. wb. 1, 146, also von menschen, mit gefahr und schaden.
7)
im bair. gebirge auch für schlagen, z. b. der pfarrer keit auf die kanzel. Schm. 2, 132, auch in der Heanzenmundart kaia, z. b. einen ins gesicht, s. Fromm. 6, 332, in deutsch-ungrischen mundarten, s. Schröer weihnachtssp. aus Ungarn 204. so ist das md. schmeiszen auch grobes kraftwort für schlagen. sich geheien, platzen, schmeiszen o. ä., schlesisch 17. jh., in gröbster verwendung:
biszweilen lach so sehr (bei tische), das, was du schon gekäut,
sich wieder aus dem maul ins essen hin geheüt.
W. Scherffer grob. 157 (Fromm. 4, 171).
in der 2. ausg. von Schmeller 1, 1026 wird eine stelle aus dem Simpl. beigebracht: zu jenen zweyen aber sagte er, warum sie sich nur so von mir geheyen lieszen und mich nicht wieder schlügen. 1, 253, 26 Kz. (3, 2); aber das geheien ist da nur ein vexieren mit witz und drohung, um einen zum zweikampf zu zwingen, dessen er sich eben weigert. doch ist eine entstehung aus dem geheien des feindes im kampfe 3, b wol denkbar. aber ein ähnliches eingeheien, mit gewalt 'hinein bringen' knüpft auch noch im 17. jh. an den garstigen ursprung bewuszt an:
diesz alles sachen sind, nicht blosz allein zum däwen,
besonders (sondern) die das fleisch auch statlich eingeheyen (zum essen reizen),
wie jene dirne sagt, sie hett' es nicht gedacht,
der kreen, der kreen hett' ihr das fleisch hinein gebracht.
W. Scherffer grob. 128 (Fromm. 4, 171),
d. h. kreen, meerrettich, aber zugleich ein knecht mit namen Kreen.
8)
auch eine bedeutung verderben schlieszt sich noch an jenen ursprung an, in welcher weise, zeigt z. b. die klage der mutter unter 2, c wie hastu mir die tochter keyt? schwäb. verheien verderben, zerschlagen, zu grund richten Schmid 269, schweiz. verhyen, verheyen Stalder 2, 32, bair. erheien, dergheien, z. b. e dergheite gsundheit Schm. 2, 132, auch zgheien (zergeheien) das. vergl. wieder auch verserten, versarten vor leid, angst Schm. 3, 284, und nd. verbrüden verhunzen, corrumpere Richey 25, verhudeln Brem. wb. 1, 147.
9)
zur form ist noch zu erinnern, wegen der nebenformen,
a)
wie sich eine doppelheit im vocal aus dem adj. her ins nhd. fortsetzt, indem neben dem vorherschenden geheien, ahd. gihîan, in fast allen bed. geheuen, keuen hergeht, auch gehewen 3, a, keuwen 5, a, d. i. das ahd. gihîwan; noch jetzt in Kärnten keuen neben kain Lexer 137, im Riesz es kuit mich gleich keit, ärgert Schm. 2, 132, vgl. auch pfälz. unter 3, f. das bürgt zugleich für die einheit der verschiedenen bedeutungen, es ist wie in heurat neben heirat (s. auch nl. u. 1, c. 3, g), wie in mhd. gesiune gesicht neben gesihene (goth. saíhvan sehen); vgl. auch gedeuen gleich gedeihen (s. d.). Daher erklärt sich auch geheib (nachträglich zu sp. 2340) für gehei, ärger, gegenseitiger verdrusz: des bunds krieg gegen den Schweizern hett nit so treffenlich ursach (triftigen anlasz), sondern war sonst ein groll und geheib, den das mererteil des keisers räth .. anrichten (praet.). S. Frank Germ. chron. (1538) 231ᵇ, im b das alte w erhalten, mhd. wol gehîwe. Aber auch mit -g für -w, wie so oft: wird man doch von einer ecken zur andern geheuget und gestoszen, wie eine ackermähre. Filidor Ernelinde 15, zur bedeutung s. 5, c.
b)
auffallender und fraglich ist eine andere doppelheit im vocal, hd. wie nd.; mnd. heigen neben hîgen, in einem liebesbrief des 15. jahrh.: myn lewe frunt .. (wähnet nicht) dat ek iw heigen wylle. Germ. 10, 392, zum narren haben (s. 3, c); wore Hans enwech, gy scholden wol sen, ef ek iw heygede. das. ebenso noch schweiz. neben ghia auch gheia (keia) Tobler 98ᵇ. 220ᵃ, ghyen und gheyen Stalder (s. z. b. 5, b). entsprechend auch im bair. gebiete kärnt. ghein, kein und kain Lexer 137, die zweite form hier wie dort sogar vorherschend. sie reicht aber zurück ins 15. jahrh. nach der schreibung verhait fastn. sp. 399. 991, 28 u. ö.
c)
dabei eine spur starker bildung, elsäss. 15. jh.: in dem habe Ulrich über Hanman kummen laufen und zu im gesprochen, wer dich, du gehigener bœsewiht, du must sterben! Scherz 502 aus Straszb. ratsacten vom j. 1439; wol uf, du gehingener (so) bœsewiht und wer dich. das. (zur sache s. geheiendig), d. h. wie von starkem gehîen, vermutlich nur so im part., wie oft, z. b. zu heien, heigen hegen ein part. geheien IV², 813, erheien III, 846 (vergleiche schon ahd. 'nutritur, wirt kehagin' Schm. 2, 129). das aufkommen jenes geheien neben gehîen wird mit diesem übertritt in starke form zusammenhängen, vgl. mhd. beiten neben bîten warten, ahd. bîtan und beitôn, ohne sichtbaren unterschied der bedeutung (vgl. gefäsz 5, b). merkwürdig übrigens erscheint hegen, sonst pflegen, schwäb. auch für plagen, gleich geheien, s. Schmid 268. 269, wie nrh. heghen gleich plagen, moeyen, vexare, sauciare, irritare u. a. Teuth. 21ᵃ, als ob in hegen sich heien pflegen und geheien, gehîen vexare gekreuzt hätten trotz entgegengesetzter bedeutung.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1,2 (1879,1880), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2340, Z. 69.

keien

keien,
mundartliche zusammenziehung von geheien (gheien, heien), werfen, schlagen, fallen, plagen, bekümmern, verdrieszen, ärgern: es (ihr) sollts noch zum gspöddel werdn, dasz enk die gassenbuebmer mit budelgaisz keien (bewerfen). Schwabe tintenfäszl 74; bisz mich die galgenschwengel mit samt dem gerbenhäferl in d'rinne gworfn habn und noch oben drauf mit treckbätzel keit habn. B 3ᵇ;
secht wunders zu, wie keyts (ärgerts) den pfaffn.
J. Ayrer 262ᵃ;
also thut man die juden keyhen
mit schweinenfleisch, würsten und seüen.
358ᵇ,
das könnte dem reim nach keuen meinen, das sich auch findet;
dasz sie flux mein bixen (büchse, geschütz) richten,
ich will die statt recht thun besichten,
das wir den grafen drinn keien (ängstigen).
Fadingerlied (1626), hist.-polit. blätter 33, 956;
laszt in und den esel ohn keit (mit reiten),
der esel ist krank.
S. Wildt 12 comöd. 1566 Mmm 5ᵃ,
'ohne geheit', ungeplagt (vgl. keit Lexer 157); lasz dichs nicht zu arg keien. Auerbach dorfgesch. 1, 221 (214). sich heim, weg keien, sich fort packen:
ei key dich weg, es kan nicht sein.
J. Ayrer fastn. 115ᵇ;
khey nausz, hack holz, du fauler dropf.
H. Sachs 3 (1588) 3, 33ᵃ.
Es ist, mit zahlreichem zubehör und manigfacher abschattierung der bed., noch bair., östr., schwäb., schweiz. (kîen), alem. (keje fallen, werfen Hebel); s. geheien. Anders im voc. inc. teut.: helsen, minnen, keien, coire Dief. 130ᶜ, das ist aus mhd. gehîen, wie mnl. hiwen coire das.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1865), Bd. V (1873), Sp. 440, Z. 68.

kein

kein,
s. gegen (kegen), und keim.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1865), Bd. V (1873), Sp. 457, Z. 48.

kein

kein,
eine art flachs, der früher reift und haupts. des samens wegen gebaut wird, aus dem die bauern sich speiseöl pressen, so besonders in den dörfern am Drömling. Danneil 98ᵇ, auch kînlîn (kein-lein) 265ᵇ. vgl. das bair. auskeinen vom flachs sp. 455.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1865), Bd. V (1873), Sp. 457, Z. 49.

kein

kein,
nullus.
1)
Das mhd. kein bedeutete nicht nur nullus, sondern auch das gegentheil, ullus, irgend ein: eine zweiheit der bedeutung in einem so wichtigen worte, die auf den ersten blick höchst seltsam aussieht, als müszte damit alle sicherheit der rede wankend werden. im gebrauch jedoch, unter mitwirkung der syntaktischen gesetze, verschwindet diese unsicherheit; dasselbe zeigt sich übrigens im altfranz. (und provenz.), wo der nachkomme von lat. nullus, nul nicht nur kein, sondern eben auch irgend ein bedeutet (ullus war untergegangen), ja bis heute z. b. in sans nul effet (und span. ninguno keiner und einer, nunca niemals und jemals). hat diesz doppelte franz. nul unser doppeltes kein herbeigeführt? oder haben sich beide zufällig neben einander, oder an einander entwickelt? unser doppeltes kein ist ungezwungen aus zwei älteren formen hervorgegangen, die darin zusammenflossen.
a)
ahd. war nullus nihein, nihhein und nohein, nohhein, später auch schon nehein, nechein, ullus aber dihein, dihhein und dohein, dohhein, auch dehein, dechein. jenes ist geworden aus nih ein, 'neque unus'; nih ahd. zwar schon erloschen, aber goth. nih dem neque genau entsprechend (gramm. 3, 69. 66), mit nih-ein war eig. gemeint 'ne unus quidem'. nohein sagt dasselbe, denn auch noh, noch, ist neque, ne quidem (goth. ni ne und uh que). das andere, dihein, enthält nach J. Grimm gramm. 3, 39. 40 dih te, wie das entsprechende sichein aliquis s. 41 sih se, dohein aber entstand nach ihm durch einflusz von nohein, und dasz das möglich war, zeigt das merkwürdige sohein in der md. hs. A des Iwein 95. 375. 813. 1608. 1892. 4373 u. ö., sochein 237, das ebenso aus sihein geworden scheint durch einflusz von nohein, dohein. nach Wackernagel enthält dohein vielmehr doh, doch, dann müszte dihein die übergangsstufe zu dehein sein, mit schwächung des vocals in der unbetonten ersten silbe. diesz nih- und doh- liegen nun auch vor in nihie nie, dohie 'doch immer' Müllenhoff und Scherer denkm. 518. Jenes nihein, nohein, 'auch nicht einer' entspricht der neigung, die verneinung in widerspruchslust besonders kräftig zu machen, wie sie sich bei frischen menschen mit ungezügelter leidenschaft immer findet. ebenso sagten die Griechen für keiner 'auch nicht einer', οὐδὲ εἷς, οὐδείς (οὐδέποτε, οὐδαμῶς u. a.); ebenso haben roman. sprachen ihr 'keiner' gebildet aus 'neque unus', d. i. ne unus quidem, prov. negun, span. ninguno (vgl. ningulus nullus bei Ennius?), walach. nici un Diez 239, die also auch körperlich unserm nihein genau gleich stehn. Dem entsprechend darf man in dohein einen ähnlichen nachdruck suchen, für den widerspruch passend und ihm entsprungen; 'doch einer' kann meinen 'wenigstens einer', 'allenfalls einer', da ahd. doh mit saltem, utique glossiert wird, noch unser doch heiszt auch wenigstens; und dieser widerspruch klingt noch nach in der mhd. betonung déhein (neben dehéin), z. b. Iwein 2394. Lanz. 4291. Serv. 75. Neidh. 22, 30. 64, 1. minn. frühl. 76, 33.
b)
mhd. bestehn anfangs beide wörter noch neben kein: dehein, dechein, dekein und nehein, nechein, nekein, doch schon in der vermengung begriffen, dasz dekein auch nullus bedeutet, und ebenso inkein (d. i. nekein) sich auch für ullus findet, z. b. myst. 1, 254, 26. Die kürzung zu kein vollzog sich bei beiden gegen ende des 12. jh., wie schon etwas früher hein für nehein erscheint: bei nekein wol dadurch, dasz dabei gewöhnlich noch die alte negation ne stand, dem verbum zugegeben, oder eine andere verneinung, sodasz man von nekein das ne als überflüssig wegliesz, in der meinung es sei die einfache negation. dasz man das ne so ansah, zeigen die formen enkein, enhein. übrigens gab es, aus diesem enhein mit dehein vermengt, auch denhein hs. B des Gregor. 212 (Haupt 5, 36), s. Feifalik zu Wernhers Marienl. s. xvi, weisth. 4, 157, denkein das. 334, und umgekehrt endehein weisth. 1, 64 (endhein), enthenn 4, 345. diese überfülle von sich verwirrenden formen machte aber eine vereinfachung nötig.
c)
für die kürzung von kein aus dikein (z. b. im passional), dekein aber ist eine zwischenform ikein, ekein anzunehmen (wie ähnlich umgekehrt die vorsilbe er- auch als der- vorkommt), und sie besteht wirklich in der mhd. zeit, bis jetzt eigner weise noch nicht beachtet oder doch verzeichnet: ichein in der hs. C Freidank 151, 11. 179, 20 (2. ausg.), in dem mitteld. Sachsenspiegel II, 2. 15, 2. 60. III, 80 überschr. (daneben meist chein, seltner kein), auch im lehnrecht daselbst öfter, und im Magdeb. dienstmannenrecht derselben hs.: ob ichein urteil beschulden wird, ob ichein dînstman wîb nimt. anz. f. kunde des d. m. 1833 sp. 257. 258, und so häufig in mitteld. rechtsquellen. auch in urkunden: gînge der burgen ichein abe (stürbe einer der bürgen). thür. urk. von 1316, Höfer auswahl 116. 171 (icheinre anderleie das.); daʒ wi (wir) die lûte an icheime gûte .. nîmanne vorkoifin, 57. vom j. 1300; sîner dîner ichhein. 286, auch thür. aber auch im Elsasz: wer es dʒ ichein tagwohner mante zu mehen (mähen). weisth. 4, 210 v. j. 1480 (neben khein nullus). und am Niederrhein, in der form egein, weisth. 4, 767. 772. 800 (auch egên). 803. 805. Freid. 119, 22 in hs. G (2. ausg.). Mones zeitschr. 9, 175 (für nullus). weiteres aufachten wird wol den kreis erweitern. Mit dem vergessen des urspr. dichein muszte aber diesz ichein weiterer ausdeutung unterliegen: wan ein man lît .. an sîme tôde, der enmag sich nichts vorzîe (verzîhen, sich lossagen) ichkeiner sache (vom erbe). Michelsen rechtsd. aus Thür. 190; wô der râtliute ichkein sitzet von der stat wegen. 196. 197 u. ö.; auch in der hs. des mhd. Reinhart 1980 'ich kein': man faszte es als icht kein, d. i. irgend einer auf, wie auch iekein Ebernand 1508. 3439. 4055. 4547 (vgl. 4045) gemeint ist, auch das md. ichein vorhin läszt dieselbe auffassung als îchein zu, vgl. 2, f a. e. übrigens nahm mans auch für nullus, wie schon dechein selbst: nâch der bierglocke sal ichkein man lenger zû deme biere sitzen. rechtsd. aus Thür. 197; daʒ ichhein burger noch nîmand .. 269; daʒ ickein meister ein knecht sal neme .. 273, aus Weimar 14. jh.; 'nullus icht kein' Dief. 384ᶜ 14. jh. So sind denn die beiden kein, das von enkein nullus und das von ichein ullus ausgegangene, einander begegnet; beim zweiten sieht man den letzten übergang in dem chein des mitteld. Sachsensp. z. b., das für ullus wie nullus steht (daneben noch nichein), während der anlaut ch- der mundart sonst ganz fremd ist. kein hatte aber noch mehr landschaftliche manigfaltigkeit zu besiegen:
d)
eine einfachere darstellung des begriffs zeigen die sprachen der nd. lautstufe: alts. niên, mnd. nên, nein, altfries. nên, ags. nân, schott. nane, engl. none, altn. neinn (heiszt aber ullus), gemacht aus ein mit der alten negation: ni-ein; aber auch diesz ni ist urspr. auszer 'nicht' zugleich 'auch nicht' oder 'nicht einmal', so im gothischen. noch jetzt in nd. mundarten nên, nein, doch weichend vor dem vordringenden kein, kên oder gên (s. z. b. Schambach 98ᵇ). früher ist es selbst auf md. boden zu finden, z. b. in Hessen: von groʒer kuldene (kälte) enwos (wuchs) nein gras noch worzekrud noch früchte. Mones anz. 4, 286, hess. chron., z. j. 1460; der anderen bussen enwas nen zal (keine zahl, zahllos). 283, v. j. 1456; nein auch Freid. 108, 1. 110, 2. 113, 27. 153, 3 in hs. e. alts. heiszt es meist vielmehr, dem hd. nihein entsprechend, nigên; daher mnd. negein, auch engein, engên, dann gein, gên, und unter hd. einflusse kein, kên (wie auch dekên einzeln); mnl. neghên, enghên, ghên, nnl. geen; vgl. das nrh. egein vorhin u. c. altn. eingi, engi, isl. einginn, schwed. dän. ingen (betont íngen). goth. aber noch unvereinigt ni ainshun, d. i. '(auch) nicht irgend einer'.
2)
Aus den alten formverhältnissen des kein haben einzelne mundarten einzelnes bis in die nhd. zeit bewahrt.
a)
so ist dehein nullus, gewöhnlich dhein (auch tein s. c a. e.), besonders im südwesten noch im 15. 16. jh. gebraucht, wie es scheint zu besonderem nachdruck statt des gewöhnlichen kein, gleichwie deweder neuter (s. unter 20): und sust an dheinem andern tage. weisth. 4, 535, in der nähe von Darmstadt, von 1429; in dheinen wege. 536; und (soll) dehein teil kein forderunge noch ansproch darumb an das ander niemer haben noch gewinnen. Straszb. urk. um 1470, anz. des germ. mus. 1857 sp. 359; zu den selben ziten .. sie dehain bildhower alhie gesin, das si aber dehain bild geschnitten habint. Konstanzer urk. v. 1490, das. 1861 sp. 53; dehein burger noch burgerin sollen von buszen wegen nit gebunden sin eim gast zu leisten. Lucerner stadtrecht, herausg. von Segesser, § 139; das sol dehein kraft haben. § 40; (ein fremder soll) ouch uns und unser burger mit deheinen andern gerichten ersuchen. § 28; desglich sol man hinfür kein unelichen me uf kein pfrund nemen .. inen ouch dehein wart (anwartschaft darauf) geben. § 30;
vil nemen arzeny sich an,
der dheiner etwas domit kan.
Brant narr. 55, 8;
so ist im nit so lieb dhein schlof.
112, 23, sonst immer kein;
das die stosz würden abgestallt
und furthin kein solcher gewalt
mit den synen solt gbrucht werden
in dheinen weg mit geferden.
J. Lenz Schwabenkrieg 32ᵇ;
ouch soll dheiner sin huͦb verkoufen. weisth. 4, 170, elsässisch v. 1514; so nun das gsatz alle menschen schuldig macht, hat der mensch dhein sichren trost weder (als) in dem somen in dem das heil verheiszen ist. Zwingli bei Wackernagel leseb. 3, 1, 245, 39; welicher ein sölichen glouben hat, der bedarf dheines gsatztes. 243, 5. 12; es wer doch dhein übertretten wenn das gsatzt nit wäre. 243, 23; das dhein lutre (blosze) creatur ein mitler mag sin. 250, 1 u. o.
die nit zerbrach durch dhein ungmach.
und wäre also dehein biderb mensch einigs stats seiner eeren und glimpfs deheiner zeit frei noch sicher. Reuchlin augensp. (Tüb. 1511) 1ᵃ u. ö.;
umb dhein guͦt noch weltliche eer.
Teuerd. 10, 135 in A;
dweil kain treffenlicher widerstand von den Türken mer verhanden sei und des römischen reichs hilf dehains wegs mit fugen getrennt mög werden. Schertlin briefe s. 31 (v. j. 1532), kurz zuvor kains wegs; es soll sonst in dehainem gezirk beschehen sein. 4; das dhainer, wer der ist, so in unser stat Villingen tuͦchen und das handwerk treiben will, die fuͦtertuͦch .. nit schmeler .. machen (soll). Villinger urk. v. 1536 in Mones zeitschr. 9, 147; (wer gemeindeglied werden will, soll beweisen) das er .. mit deheiner lybeigenschaft gegen niemands verbunden sige. weisth. 4, 312, schweiz. v. j. 1581.
b)
merkwürdig auch schweiz. ghein, bei Zwingli a. a. o.: dann sie gheinen man erkennet hate. 236, 37; welcher hett uns mögen bringen zuo dem erb ewigs lebens? dheine (creatur). so ist ouch gheine die mitlerin denn der ewig Christus. 251, 6; darzuo das unser bürg ghein Moyses, dhein tödtlicher (sterblicher) priester, dhein vihisch opfer sye. 250, 23; möcht ich es zuo gheiner zyt verenden. 236, 19. diesz ghein, das er auch für ullus braucht (s. sp. 461), lehnt sich wol an das mhd. hein an, es vermittelnd mit kein und dhein.
c)
sogar dehein als ullus kennt noch das Schweizer deutsch kurz vor 1500: welcher unser burger (dazu hülfe) .. das dehein gast in unser statt keme, der unser statt oder den burgern gemeinlich oder deheim (ulli) sunderlich ubel tun welte oder däte. Lucerner stadtrecht § 144; und was im (dem betrüger) demnach deheiner unser burger von der statt zufügt oder tut, des söllen und wellen wir uns nit annemen. § 42; ob ieman deheinerlei pfandung oder verbottes tut. § 178. aus dhein ward auch tein (dh zu t, wie gh zu k sp. 3): (wäre) dʒ dera teiner ein busz verschulte oder ein frefel, der sol .. weisth. 4, 432, aus Unterwalden; sturb aber der kinden theines. 369.
d)
auch dekein nullus besteht schweiz. bis heute, Stalder 2, 439 gibt auf dkei weg, auf keinen weg, keineswegs.
e)
enkein nullus, noch im 15. 16. jh.: da sol im nieman enkein leid tun. weisth. 4, 332, schweiz. 16. jh.;
Aurspurger und auch Herder, der
waisz ich ieczund enkainen mer.
Behaim Wiener 80, 31;
woluf ir lieben gsellen,
dasz er enkeinen spieszt.
Rochholz eidgenöss. liederchronik 216;
wer dʒ schlöszli Gottlieben nit gesin,
enkeiner wer entrunnen.
223;
die hand ir all ufgriben
und gfangen nie enkein (gar keinen).
375,
in der fassung des liedes bei Grüneisen, N. Manuel s. 406 und nie gefangen kein. daher bei Tschudi enkeinerlei (Frisch 1, 508ᶜ). es ist das noch jetzt geltende schweiz. ekein, echei' (Schmeller 2, 304. Fromm. 2, 409ᵃ. 3, 293ᵇ). auch ein hessisches unkein des 15. jh. kann nicht wol etwas anderes sein: anno dom. 1459 was ein bose unfruchtbar mei, do engab god der here unkeinen regen. hs. chron. bei Mone anz. 4, 286, das u kann nicht befremden in der flüchtig gesprochenen unbetonten und unverstandenen silbe, bemerkenswert daneben noch das alte en (nicht) in engab, wie noch im Eulenspiegel ich en isz sein nit Lapp. s. 12, das wir nicht en hinken Soltau 2, 252 v. j. 1549 (vgl. 3, 445).
f)
die formen unterlagen bei ihrem absterben der entstellung und umdeutung. so erscheint enkein als einkein, enhein als einhein: so het der vogt einhein recht zu dem ligenden guot. weisth. 1, 310, schweiz. 14. jh.; die (verschenkungen) hânt ein kein kraft. weisth. 4, 377, schweiz. anfang 14. jh., auch 1, 311. 314 u. ö.; der drier ein keiner. 4, 376 (339), ebenda enkein, kein, dekein; ein vogt sol och einne keinne vogtkneht nemun âne eins probsts gunst. 1, 311, 14. jh., für einen keinen (wie keinre 4, 114 für keiner nom.), ein deutlich als art. aufgefaszt (so vielleicht auch in die heine wise für deheine 4, 636 zweimal).
muͦsz ich ontrunken sin, botz sägen?
das mirs einkeiner bringen wil!
trag. Joh. Q 5.
auch für ullus: wen dʒ gotshus sust im jare des gerichts notdurftig .. wer oder der huͦber ein keiner. weisth. 4, 116 (53 u. ö.), elsäss. 15. jh. (bald darauf enkeiner nullus, vorher keiner ullus). es ist aber älter (s. z. b. gramm. 3, 39), und dasselbe merkw. ein in einweder für enweder, z. b. Freid. 61, 20 in C (vgl. keintweder). Das im 14. 15. 16. jh. so häufige 'nie kein' (s. unter 4, niechein neben nichein schon in dem md. Sachsenspiegel) mag urspr. ein verkleidetes nekein sein; findet sich doch nie gleich ne vor dem verb: unde des roubes nie kann nimant geachten (zählen, die zahl schätzen), dan god der here alleine. hess. chron. Mone anz. 4, 283 (niekann für nekan), nie ist da nur starkes 'nicht', wie schon mhd. diesz 'nie kein' ist der sache nach wie eine auffrischung des ahd. nih-ein. Ebenso findet sich dekein, älter dochein, in alter frische hergestellt in 'doch kein', z. b. Freid. 12, 1. 64, 6. 103, 16. 110, 2. 171, 7 in der hs. b (neben dochein 37, 20, vgl. dokein 110, 2 in einer andern hs.), und nekein, urspr. nochein, in 'noch kein' 5, 9 in C, sodasz die formen dochein, nochein mit dem ahd. vocal durchaus die mhd. zeit über fortbestanden haben müssen. hierher gehört auch das ichkein sp. 458 unten, und dem 'nie kein' entsprechend 'ie kein' irgend ein (ie irgend), z. b. Ebernand sp. 458 unten, fastn. sp. 422, 24, Soltau 2, 71 unter 3.
3)
Auch die alte bedeutung von kein gleich dechein, ullus (s. dehein so 2, c) ist bis ins 16. jh. gekommen. der vocab. incip. teut. m 6ᵇ (c. 1470) erklärt noch ausdrücklich keiner vel yemant, ullus nullus, beispiele aus dem 15. jh. einige bei Schmeller 2, 303. 304: ja vil mer ist ir (der göttlichen liebe) von herzen laid, so iemant in kain sund valt. christenlehre, hs. v. 1447; und ob er (der wächter) keinerlei unfur, feur etc. vermerkte. Nürnb. chron. 2, 325 u. ö., mitte 15. jh.;
ob an den dingen ie kain (irgend eine) schult
unser kainer hab und nie (ie?) gewan,
des solt ir nit uns entgelten lan.
fastn. sp. 422, 24, vgl. 2, f a. e.;
ob sich kainer von uns in were wolt stan,
den sullen wir pald nider schlan.
419, 29;
sin gleichen kan man nit finden
in der alt und nüwen ee
und auch im buch der küngen
das ie kein keiser me
verachtung schmoch hab glitten
als er (Maximilian) dann hat gethon.
Soltau 2, 71, vom jahre 1512;
ich halts dafür, wenn wir es wagten,
einr dem andern die (unsre) sünde klagten,
es solt wol sein so angenem,
als ob keiner (einer von uns) gen Rome kem.
Waldis Esop 4, 1, 80.
elsässisch noch 1568: ob sie (die banwarten) .. findent khein pflügend vihe, ehe die sonn ufgat, das soll besseren .. weisth. 4, 236. bei Zwingli so ghein: was ich aber gelesen hab (von Luthers schriften) .. das ist gemeinlich so wol besehn und gegründt im wort gottes, dasz nit müglich ist, dasz (es) ghein creatur umkeer (verdrehe). uslegung der 67 art., vom j. 1523 (18. art.). Eine seltsame aber erklärliche wirkung dieses kein ullus dauert bis in unsre zeit, dasz nämlich bei der einmal bestehenden verwirrung von kein ullus und nullus auch ein die bedeutung nullus bekommen konnte; so bair. an der obern Isar aen kenn i net, keiner ist den ich nicht kenne, ae's net, keins das nicht, nihil non. Schmeller 1, 65.
4)
Zur verstärkung hat kein oft noch andere negationen neben sich. denn in unserer sprache ist es hergebracht, in einem negativen satze auszer der hauptverneinung auch andere der verneinung fähige wörter negativ zu fassen, sodasz diese gehäuften verneinungen nicht auf einander wirken, einander aufhebend, sondern einander unterstützend auf den einen punkt wirken, der zu verneinen ist. die deutsche sprache hält sich darin von haus aus zur griechischen, hat aber im lauf der nhd. zeit durch die lateinische regel eine gegentheilige einwirkung erfahren, die lateinisch geschulten deutschen schulmeister haben die angeborne deutsche regel ausgetrieben, so dasz heute der gut geschulte mann darauf schwört, keiner .. nicht könne ja blosz bedeuten 'einer' oder 'jeder', sei also 'unlogisch'. schüler, denen man als lehrer 'keiner .. nicht' als ursprünglich und auch logisch richtig vorstellt, lächeln ungläubig dazu (falls sie nicht griechisch können), und auch der besser unterrichtete musz es als 'plebej' verschmähen, denn der gemeine mann, der sich trotz der schule gehen läszt, hat die alte heimische regel festgehalten, die übrigens auch der lat. sprache keineswegs fremd war. da es nun hier gilt, bei den lesern, die etwa in éinem falle mit jenen schülern sind, die überzeugung vom gegentheil zu erwecken, mag es einmal erlaubt sein mit den beispielen den platz nicht zu sparen.
a)
ahd. mhd. genügen ein paar beispiele, weiteres bei Grimm gramm. 3, 727, Wackernagel in den fundgr. 1, 269 ff.: der sîner (gottes) wundero ist sô vilo, daʒ ih ne mac noh ne wil necheinemo dumben nimêr vor gelesen noh gesagan .. Haupt 8, 274; eʒ sol kein fleischhäckel keinen nieren niht machen an keinem vihe, jungem oder altem, wan als eʒ got gemachet hât, mit keinerlei gemächte (künstlicher zurichtung) ... ouch sullent si kein nunne (castriertes schwein) noch kein rint nicht abslahen (schlachten) noch ûf tuon, eʒ sîn denne ... Meraner stadtrecht, Haupt 6, 417, und so besonders oft in gesetzen bei negativen verordnungen, oder in urkunden bei negativen versprechungen, wo zu sicherstem nachdruck die negationen zusammengesucht werden, z. b. in einer nrh. urk. v. 1272 bei Höfer auswahl s. 20: dat wir noch unse kint noch unse nâcomelinge noch nîman van unser wegen op si noch an nîmanne van iren wegen nimmermê gevorderen sal bit (mit) geinerhande vorderunge; in einem weisthum des 14. jh.: und sol kain herr .. kain ligend gut noch kain hus von kainem (unterthan) noch kainer ze Nuwkilch erben in kainem weg. weisth. 1, 295.
b)
im 15. 16. jh. in poesie und prosa allgemein:
es sol kein man nimmer nicht
sein guͦt meren mit usuran (wucher).
Vintler bei Haupt 9, 99;
das got kein guͦttat
laszet unbelonet nicht.
102;
wer den frid erkennet, der hat
kein sin ze kriegen an keiner stat.
97;
wann mich keins dings nie wundert mer.
fastn. sp. 15, 31;
freud, wollust die kein end nem nicht.
14, 2;
auf erd kein frau nie schoner wart.
128, 14;
kain ritter nie geleichet wart.
448, 26;
dein liebes kind ich meine (die h. Maria)
das keinem nie verseit.
Wolffs hist. volksl. 504;
hab ich in all mein tagen
kein mensch nie lieber gehabt.
Uhlands volksl. 132;
ich hab euch nie kein leids getan.
143;
so ward mir in keim jare
kein nacht noch nie so lang.
194;
ist mir in keinem jare
kein nacht nicht worden so lang.
Ambr. lb. 41, 28;
es sol sich nimmer keins königs kind
umb meinen willen sterben.
Uhland 194;
was mir von gott bescheret ist,
mag mir kein mensch nicht weren.
136;
ich bin so ferr in tiefem tal
dasz mich kein mensch nicht hören mag.
143;
sie ritten in der kül genuͦg
und da sie nie kein (gar keine) strasz hin truͦg.
Haupt 8, 493
im was laid und also schwär,
dasz in nie kein man empfieng (gar niemand).
Uhland volksl. 780;
es macht (gebirt) kein wolf kein lemblin nit.
Brant 49, 20;
Tereus wer ouch kein widhopf nit.
13, 41;
den acht ich für kein wisen nicht.
110ᵃ, 214;
vil hand erkunt verr frömbde lant,
do keiner nie sich selbs erkant.
66, 132;
der fuchs wolt nit inn berg, umb das
nie keiner wider kumen was.
40, 35;
das gelück wirt euch warlich nicht
zuͦ kheiner zeit nimer verlan.
Teuerd. 85, 87;
ir werdt auch khein widerstand han
ganz von keinem man in der stat.
darumb so ist mein trewer rat,
ir saumet eüch in kein weg nit.
91, 30;
volgent nach seinen fuͦsztritten, der da nie kein sünd gethon hat. Keisersberg irrig schaf A 4ᵇ; sie thät auch nie keiner kein schmach. eschengrüdel a 7ᵃ; und soll damit (mit der einzahlung) kainer lenger noch auf den andern verziehen, sehen noch warten in kain weis. reichstagsabsch. Augsb. 1500 E 1ᵃ; es sol kein wirt, auch kein burger odder bawr, des gleichen kein burgkman oder freier .. in seinem haus kein gelacke von gebrantem wein halten .. in ganz kein weise. landgr. Philipsen reformation und ordenung 1526 A 4ᵃ, und so immer auch im amtlichen stil, in verträgen, eidesformeln u. s. w.; denn es hat nie kein heide, nie kein Türk, nie kein bapst, nie kein keiser und nie kein mensch auf erden gesetzt oder gethan, das man jemand umb der ehe willen hette getödtet. Luther 5, 90ᵇ; ich habe nicht einen esel von inen genomen, und habe ir keinem nie kein leid gethan. 4 Mos. 16, 15 (in der schweiz. übers. ihrer keinem niemals ein leid); wenn sie mich bünden mit newen stricken, damit nie kein erbeit geschehen ist. richt. 16, 11; es ist nie kein schermesser auf mein heubt komen. 16, 17 (ebenso schweiz.); zwo junge seügende küe auf die nie kein joch komen ist. 1 Sam. 6, 7; hab ich doch nirgend keine hülfe, und mein vermügen ist weg. Hiob 6, 13; ich gehe schwarz einher und börnet mich doch keine sonne nicht. 30, 28; ein betrübter hat nimer keinen guten tag. spr. Sal. 15, 15; ob er auch zwei tausent jar lebete, so hat er nimer keinen guten mut. pred. Sal. 6, 6; der hat nimer keinen friede. 59, 8; und dachten nie kein mal, wo ist der herr der uns aus Egyptenland füret. Jer. 2, 6; ist denn keine salbe in Gilead? oder ist kein arzt nicht da? 8, 22; ir und ewre kinder sollet nimer mehr keinen wein trinken. 35, 6; wenn er aber .. dieser stück eins thut und der andern stück keines nicht thut. Hesek. 18, 11; und sol auch kein priester keinen wein trinken. 44, 21; und denke keiner kein arges. Zach. 8, 17; so weis man keinen nicht der aus der helle widerkomen sei. weish. Sal. 2, 1; und Jhesus antwortet und sprach zu im (dem feigenbaum) 'nu esse von dir niemand keine frucht ewiglich'. Marc. 11, 14; habt ir auch je mangel gehabt? sie sprachen 'nie keinen'. Luc. 22, 35; schweret nicht, weder bei dem himel noch bei der erden noch mit keinem andern eid. br. Jac. 5, 12, und sonst unendlich oft;
dadurch der nie kein sunde that,
von sunden uns gewaschen hat.
Luther bei Mützell geistl. lieder 7;
es thät ihr keiner doch kein gut.
27;
es ist ja doch kein ander nicht
der für uns künte streiten.
34;
ihr Nürnberger söldner seind nicht ehren werd,
ewer keiner hat kein (Uhland 343 ein) guͦtes reuter pferd.
Körners hist. volksl. 197;
junker, hat ewer ross mit wissen
keim kaufman nie kein tasch abbissen?
H. Sachs 1 (1590), 353ᵈ;
kein seel ist nie verlorn worn.
3, 1, 261ᵇ;
kan keiner kein liedlein? Fischart Garg. 84ᵃ; mancher der nie kein pferd beschritt, singet doch ein reuterlied. 21ᵃ; auszerhalb welchem (Christo) keine seligkeit, keine rantsonnung noch ablösung die welt nicht hat. bienenk. 95ᵃ (1588 102ᵇ); ein gans kan kein eulenei legen, wie auch kein ku kein ganseier. 206ᵃ; oder anders gnade were kein gnad nicht. 1588 103ᵃ; das kein hurnausz kein honig mache. 132ᵇ; dan so sinlos und toll war nie kein mensch. 1582 174ᵇ;
so lang man würd den Rein abfaren,
würd keiner ewer lob nicht sparen.
gl. schiff A 4ᵃ;
ein haderer bei dem sie nimmer kein gute stund noch tag hat. ehz. 524 Sch.; hat nie kein wasser betrübt. 523; wans an arglist gehet, so ist keine (frau) kein thor. 565; und bestimpten mier die herren deputaten für min besöldigung 40 pfd., so vil, sprachen si, hette man keim vor mir nie gen. Th. Platter (1840) 68; dieses korn kann keinen frost nicht leiden. Tabernaem. 616; kein schöner weib ward nie gesehen. buch der liebe 265ᶜ; du solt mir schweren .. dasz du an keinem samstag mir nimmer nachfragen noch mich ersuchen wöllest. 264ᵇ;
desgleich können sie kein gschutz her
an unsre stadt nicht bringen.
Soltau 2, 277;
der winter ward nimmer so kalt,
desgleich kein pfaff auch nie so alt.
Eyering 1, 604;
darauf kein schutz (schusz) mehr gar nit troffen.
Grob ausreden der schützen, Haupt 3, 252;
wann schon kein kugel nicht ist drin.
260.
c)
ebenso im 17. jh. und der nächsten folgezeit, auch die neue gelehrte dichtung behielt die alte weise bei, doch schon mit unterschied; während es bei Opitz sehr häufig ist, fast auf jedem blatte zu finden, schwer zu finden ist es z. b. bei Fleming, A. Gryphius, Günther, das grammatische gewissen aus der lateinischen schule her macht sich geltend:
(ich) ruf im so manche stunden,
doch nie kein tritt (accus.)
sich nahet (er) nit.
Spee trutzn. 38;
kein härlein kränkens nicht.
129;
sie nie noch keine mütterlein
noch keine brüst gesogen.
180;
sie scharren aus der erden
wordurch sie mehr und mehr dem himmel frembde werden,
darein kein gold nicht kompt.
Opitz 1, 54;
o wol dem der wie du
kein anders nicht beginnt.
1, 60;
kein plitz ist der dein kleid zerbricht,
du achtest keinen regen nicht.
1, 82;
kein öhle nicht gespart.
1, 94;
worauf du einen schrei von solcher kraft gethan
als sonst kein heer nicht thut von zehen tausend mann.
1, 97;
und wenn du viel uns nimbst, so nimbst du uns das leben,
das keiner nicht behält.
1, 109;
o Amor, den kein mensch bezwinget ...
für dem kein gott nicht rath erkiest
damit er sich genugsam hütet,
für dem kein mensch nicht sicher ist.
1, 186;
ich sehe nun zum letzten an
der sonnen schönes liecht
und ferner nimmer nicht ...
man stimmet mir kein hochzeitlied nicht ein,
der Acheron wird selbst mein bräutgam sein.
1, 187;
gehst frei, kanst lebend unter hin,
als keine nicht, zur höllen ziehn.
das.;
ist dann kein frommsein nicht,
kein hoheit noch gestalt die euch das herze bricht?
2, 99;
vermag nicht zu erbleichen
für keiner sterbens angst.
2, 105;
den tod ruft keiner nicht.
2, 138;
kein goltdurst ist nicht hier.
2, 158;
allhier in dieser wüsten heid
ist gar kein mensch nicht weit und breit.
2, 201;
es lass euch recht die liebe Christi kennen,
wiewol ir masz kein mund gar nicht kan nennen.
3, 140;
durch wüsten da kein mann vor jemals ward gespüret,
da nie kein mensch gewohnt.
3, 218;
stecht gar kein lamb nicht ab, schlagt keinen ochsen nicht.
3, 219;
ja in Europa ward nicht abgestellt die pflicht
durch keine Griechenkunst noch Römersatzung nicht.
4, 320;
da solche herrlichkeit sich findt die nie zufor
kein aug hat angeblickt ....
..... die nie kein herz erwogen.
dasz seine wunden sich lobwirdig all befinden
davornen uf der brust und keine nicht dahinden.
Zinkgref vermanung zur tapf.;
es jammert keine nicht mein kläglich angstgeschrei.
Fleming 118;
hier nützt kein Peon nicht.
221;
weil keins nicht war gemein.
330;
seit hat man ganz von keiner lust ...
in dieser gegend nichts gewust.
444;
der in allen seinen sachen
nimmer kan kein ende machen.
Logau 1, 2, 33;
ein reicher hat es arg, ist keine zeit nicht frei.
1, 4, 2;
jeder mensch hat sein gesicht,
keiner wie der andre nicht.
1, 7, 19;
im Opplischen fürstenthum, ist es nicht schade?
hat jungfer noch fraue nie keine gerade.
1, 7, 90;
Casca ist an jahren alt, ist am willen aber jung,
weigert keinem keinen kuss, scheuet nimmer keinen sprung
2, zug. 14;
Ronchus ist alleine klug, klugheit bleibt ihm auch alleine,
denn es sucht und holt bei ihm nun und nimmer keiner keine.
3, 1, 58;
wann der satan gieng von Job, ist sein anwalt dennoch blieben,
Jobs sein weib, er hatte nie keinen bessern aufgetrieben.
3, 2, 49;
fett aber siht ihn keiner nimmer.
3, 2, 56;
Gniscus thut niemanden nichts, dennoch ist ihm niemand gut
eben darum weil er nie keinem etwas gutes thut.
3, 6, 84;
spart keines ziraths nicht.
A. Gryphius (1663) s. 506;
das keinen leib nicht hat.
685 (sonn. 1, 44);
hie hilft kein klagen nicht.
5 (Leo 1, 169);
nie keine mutter war für freuden so entzücket,
wann sie ihr einigs kind und lieben sohn erblicket.
Werder Ar. 1, 53;
mit guter leute nahm soltu kein schimpf nicht treiben.
Olearius pers. ros. 1, 43;
den der da liegt und schläft, erweckt kein schläfer nicht.
2, 32;
kein bogen der Kianier
wird dir denn nicht viel helfen mehr.
3, 24;
so lange du im haus auf deines vaters erden
wirst sitzen, wird aus dir kein tapfrer mann nicht werden.
3, 27;
maszen er nirgend keine lebensmittel mehr sahe. das. (57ᵇ);
auch euch, ihr meine lieben,
soll heute nicht betrüben
kein unfall noch gefahr.
P. Gerhard 'nun ruhen alle wälder' str. 9;
wüste aber von keinem geschrei nichts. Simpl. 1, 298; keine gebratene taube kommet auch keinem in das maul geflogen. 1, 235;
wer sich solch einen mann mit recht will lassen nennen,
der musz kein narr nicht sein.
Rachel 8, 98;
ich wer nimmermehr kein geistlicher worden, wann mich nicht meine selige eltern .. Schuppius 15; er thut keinem menschen kein leid. 297; es ist kein mensch nicht in der welt gewesen, der nicht etwas vom ehrgeiz gehabt. Butschky Patmos 973;
der himmel lasse doch um deine scheitel schweben
was keine schönheit nicht bei einem helden fand.
Hoffmannswaldau heldenbr. 83;
und deinem haupte wächst hier keine krone nicht.
56;
denn was unmöglich ist, kan keiner nicht begehren.
hochzeitged. 9;
weil keiner morgenröthen,
ja keiner sonnen nicht, kein tag nicht ist von nöthen,
wo du o sonne bist (Venus).
Lohenstein in Hoffmannsw. u. and. D. ged. 1, 245;
kein stern war hier nicht nütze.
das.;
wo Cynthius erwacht, wo er zu golde geht,
sol kein altar nicht sein, wo nicht dein bildnis steht.
266;
ich bin begarnt, bestrickt, allein kein band, kein seil,
kein netze schau ich nicht.
271;
dasz der Rheinwein .. keine wasservermischung, wie die meisten andern weine, nicht bedarf. Lohenstein Arm. 2, 300;
so will der marmorschlusz des schicksals nicht verschonen
auch keine majestät.
Ziegler asiat. Ban. (1738) 665;
dasz euch des höchsten hand mit freuden kröne
die niemahls keine welt kan fassen.
Morhof ged. 200;
gold und schätze der verschwender
halten keinen tod nicht auf ...
und ihn hindert kein kalender.
315;
ich bin kein medicus nicht. Ettner unw. doctor 716; vor keine schande wird (in Paris) kein laster mehr gehalten. Elisabeth von Orleans 42;
nun sind sie ja ein geist, das leugnet keiner nicht.
Brockes 1 (1728), 420;
auf auf! es gibt kein mensch kein acht.
weihnachtsspiel im weim. jahrb. 3, 413;
dasz auch kein fehltritt nie dein hohes amt entehrt.
Canitz (1734) 201;
von unserm und des feindes fechten
hat man noch keine zeitung nicht.
361;
kurz! ihr pfleget in dem lieben
nie kein wasser zu betrüben.
kein fernglas braucht er nicht.
675;
wie dörft ihr viel von regeln sagen,
und folgt doch selbsten keiner nicht?
kein Hymen knüpft dies band und keine Venus nicht.
287.
d)
auch die neue schule des 18. jh. hält anfangs dran fest, die doch mit neuem eifer dem 'classischen' vorbilde nachstrebte; doch ist die beeinträchtigung der altheimischen art immer mehr zu spüren. schon Gottsched erklärt (sprachkunst 1762 s. 500): „die verdoppelte verneinung, die noch im vorigen jahrhunderte bei guten schriftstellern gewöhnlich war .. musz itzo in der guten schreibart ganz abgeschaffet werden .. heute zu tage spricht nur noch der pöbel so, artige leute vermeiden es, und zierliche scribenten noch mehr“, in der anm.ich würde es auch gewiss nicht thun (es abzuschaffen), wenn es nicht schon von sich selbst abgekommen wäre“. aber selbst unsre groszen brauchen es noch oft genug, dasz kein heutiger dichter sich davor zu scheuen brauchte (den prosaisten darf mans kaum noch zumuten); gerade der schulgelehrteste unter ihnen, Lessing, scheint es sogar geflissentlich der schulregel zum trotz aufrecht halten zu wollen:
hat keine mutter nicht, kein vetter, kein geschlecht
an ihrem wolsein theil, an ihren stunden recht?
sollt ihrer keiner nicht ihr dasein nöthig haben?
Hagedorn 1, 63,
und zwar in der nachbildung eines lat. vorbilds, einer satire des Horaz (1, 9);
der liebling des Mercur, den fleisz und glück erhöhet ...
verdrängen keinen nicht der einem Brocks gefällt.
1, 65;
o sieh in uns gerührter herzen regung,
die überschwemmt mit wallender bewegung
in ungesuchte worte bricht:
das wagt kein schmeichler nicht.
Haller (1777) 239,
diesz in einem gedichte zur einweihung der Göttinger universität im j. 1737, also in einem festgedichte höchsten stils, und im namen einer gelehrten körperschaft; in der stube neben derjenigen, wo er lag, stund ein clavier, darauf habe ich einige choräle und lieder gespielt, weil er es verlangte. keine andere gefälligkeit habe ich ihm nicht erzeigt. Gellert 3, 231 (1784 257, loos in der lotterie 2, 4); sie hat fünf unerzogne kinder, und in keiner hand nichts als armuth. 1784 3, 158 (betschwester 1, 6);
sein gestriger verlust gibt ihm (dem spieler) den kunstgriff an,
wie man kein setleva nie mehr verlieren kann.
ders. in den belustig. des verst. u. witzes 1742 1, 566;
ihre gestade, die sich wie welten zusammengebirgten,
hörten sie (gottes stimme), noch kein unsterblicher nicht.
Klopstock Mess. 1, 271;
dasz ich deinen besitz ... durch keinen fehl nicht entweihte.
4, 834,
in der 1. ausg. durch keinen fehltritt entweihte, 1769 und 1780 dann durch einen fehl nicht entweihte, also kein .. nicht erst zuletzt (1800) hergestellt;
der anderer schicksal
zwar entschied, doch auf mich mit keinem blicke nicht schaute.
16, 517;
niedergeschreckt hebet kein baum an den wassern
so sich mit stolz! und es ragt bei den strömen
keines wipfel nicht mehr aus dichten
zweigen der kühlung empor.
20, 361;
(die stimme) die sonst keine geschöpfe nicht hörten.
ders.;
ach du liebest! so wahr die natur kein edleres herz nicht
ohne den heiligsten trieb ... schuf!
oden (1798) 1, 31;
denn wer ihn (den gürtel) um hat, fürchtet keinen unfall nicht.
sie hat alles was zu einer vollkommenen frau gehört, nur kein geld hat sie nicht. Lessing 1, 467;
wofür kein titel nicht, nicht königsgunst bewahret.
1, 172;
wenn deinem herzen sonst
nur kein verlust nicht droht!
2, 354;
Damon! Damon! ich befürchte, ich befürchte ich werde eifersüchtig werden. keines frauenzimmers wegen zwar nicht, aber doch gewiss Leanders wegen! 2, 385; wo ist der witzige kopf unter ihnen, der, wenn er dichtet und wenn er briefe schreibt, so systematisch ist als nimmermehr kein compendium der wolfischen philosophie? 3, 188; sind dás die leute, mit welchen man etwas streitiges aus den alterthümern beweiset? keine bessern wissen sie nicht? 3, 422; dasz steine von vögeln herabgeschmissen werden, dieses ist zwar etwas wundersames und mag es immerhin gewesen sein, aber kein wunder ist es nicht. 4, 50 (aus des Cardanus latein übers.); an keine gewisse zeit werde ich mich dabei nicht binden. 4, 108; keinen würklichen nebel sahe Achilles nicht. 6, 455; wir werden eine beleidigte zürnende liebhaberinn in ihr erblicken, nur keine Elisabeth nicht. 7, 112; dasz auch die Franzosen noch kein theater haben. kein tragisches gewiss nicht! 7, 359;
wenn schon kein gott nicht wäre.
Lichtwer recht d. vern. 10;
keine leute sehen mehr verdienste an sich selbst als diejenigen, an denen sonst niemand keine sieht. Wieland 11, 43;
(sieht) der anstalt zu und rührt euch keinen finger nicht.
18, 176;
sehe keine dame nicht. 21, 89; sprach keine nicht ein wort. 21, 153; zeigt sich ihr bisher kein ausweg nicht. 21, 170; ich für meine person habe nie keinen (wechselbalg) gesehn. Claudius 6, 99; dasz nie keine hätten sein sollen. 6, 16; nicht die erde, die wir itzt bewohnen, ist das gränzort unsers daseins, nicht die ungleich schönere sonne, nicht irgend eine paradiesische welt, die nie durch keine übertretung entheiligt von einer schönheit und vollkommenheit zur andern fortreift. Lavater aussichten in die ewigkeit (1773) 1, 140; solchen jünglingen möchte ich darum immer mit Rousseaus feuerzunge sagen: hätte nie kein geiler gegenstand euren augen sich gezeiget, wäre kein unanständiger gedanke nie in eure seelen gekommen, so hätte sich das angebliche körperliche bedürfniss der liebe niemals in euch gereget. Zimmermann einsamkeit (1784) 2, 271; dasz allenthalben einer bei des andern frau schläft und dasz kein mensch nichts daraus macht. 2, 200; haben gar keine schwarze galle und keine melankolie nie gehabt. 1, 356; ruhmbegier, die bei ihm niemals keine melankolie .. schwächte. 2, 217; er verfiel dadurch lange nicht in keine krankheit. 2, 221; dasz es weder in Zürich noch auszerhalb keine wunder mehr giebt. 2, 107; ein undankbarer mensch ist kein mensch nicht. Sturz 1, 248; sie kennen so gar das mechanische keines silbenmaszes nicht. 2, 85; ich bin doch kein lasterhaftes mädchen nicht. 2, 188;
dasz ich, von freiem biedersinn,
kein bube nimmer war und bin,
nie werden kann mein leben lang.
Bürger 12ᵇ;
sie löffeln wol und wandern
von einer zu der andern,
und freien keine nicht.
29ᵇ;
jetzt giebt er keinem nichts. Klinger 6, 141; so keinen mann hatte ich noch nie gesehen. theater 3, 393; von dem neuen pasquill hab ich nirgends kein wort gehört. Merk briefs. 3, 132;
keine luft von keiner seite!
todesstille fürchterlich!
Göthe 1, 73;
E. ich dank den göttern die mir dieses glücke gaben,
doch ich verlangs allein, kein andrer soll es haben.
A. nun gut, was klagst du denn? kein andrer hat es nie.
7, 23 (laune des verl. 5);
keine schulden hatte er nicht. 57, 110 (Erwin und Elmire);
man sieht dasz er an nichts keinen antheil nimmt.
12, 183;
thut keinem dieb
nur nichts zu lieb,
als mit dem ring am finger.
12, 194 (Faust);
so macht man schelm und bösewicht (als schauspieler)
und hat davon keine ader nicht.
13, 11 (jahrm. zu Plundersw.);
mit unsern weibern auch ist es ein übel spiel,
sie haben nie kein geld und brauchen immer viel.
13, 23;
keine weitere überredung mag ich nicht anfügen. Göthe in Merks briefs. 3, 188 (v. j. 1776); keine neuen begriffe habe ich bis jetzt noch nicht erobert. in Herders nachlasz 1, 117 (v. j. 1790); es ist kein haar an keinem unter euch, das nicht in die hölle fährt. Schiller 123ᵃ (räuber 2, 3);
alles ist partei und nirgends
kein richter!
382ᵇ (Wall. tod 3, 15);
'in schnee und eis treibe man sie hinaus, und nirgends kein dank für diese unendliche arbeit'. 972ᵃ (30 jähr. kr. 4. buch);
so sag ichs euch in versen heute,
damit es keiner nicht vergiszt.
Novalis (1846) 3, 94;
drum weil nicht weinmond alle tage,
kein solcher stock nicht überall ..
s. 96;
wir haben wol hienieden
kein haus an keinem ort.
Eichendorff ged. (1843) 82;
es ist kein blümlein nicht so klein,
die sonne wirds erwarmen.
226;
kein stern wollt nicht die nacht erhellen.
483;
weil nie kein mann an seltnem werth dir glich.
Heinr. Voss briefe, her. v. Albr. Voss (1838) s. 122;
wie sind mir geworden die locken so grau?
das ist doch ein garstiger staub ...
und ist es kein staub nicht, was sollt es denn sein?
Chamisso ged. (1852) 70;
kind, ein freundliches gesicht
ist ja keine sünde nicht.
Wilhelm Müller (1837) 1, 323;
er weisz von keinem stehen bleiben,
von keinem ziel und halt nicht mehr.
Dingelstedt ged. (1845) 34;
kriegsschiffe nahn, kriegsschiffe gehn (bei Helgoland),
kein deutsches hab ich nie gesehn.
ders. in Poccis Münchner album 1856;
dieser name Ludwig graf Dohna werde nimmer von keinem tapfern Preuszen vergessen. E. M. Arndt wanderungen (1858) 140; wir haben darüber noch kein wörtchen in keiner zeitung des nationalvereins vernommen. Spenersche zeitung 1861 8. nov.
ist keiner kein müller,
ist keiner kein beck?
thür. volksl., weim. jahrb. 3, 326;
wir wollten beide heim gehn,
wir hatten keins kein haus.
schles. volksl., Hoffmann 166.
Adelung meinte, um der gehäuften negation zu entgehn, diesz kein bei nicht sei eigentlich noch das alte ullus; aber wenn mans auch im 15. jh. noch als ullus fühlen mochte oder konnte, so gilt das doch schon vom 16. jh. nicht mehr. die grammatiker haben da eine der deutschen natur von haus aus einwohnende regel bekämpfend verfolgt, gewiss schon vom 16. jh. an, und doch war sie bis heute nicht todt zu machen; nur das haben sie erreicht, dasz die regel eben nicht mehr als regel galt, meistens ist der gebrauch vielmehr der schulregel abgestohlen, die natur, unter dem bedürfnis des nachdrucks, schlägt damit über die fremde fessel hinaus. bestimmt dagegen zu streben scheinen z. b. A. Gryphius (selbst im Peter Squenz kommts nicht vor), Günther, und doch ist es auch ihnen entschlüpft. unsere volkssprache ist aber in dem punkte bis heute so zu sagen unverdorben, wie die englische volkssprache (z. b. I don't believe it nor nobody never didn't).
e)
strenge regel war es schon im anfang der nhd. zeit nicht mehr, z. b. bei Brant:
aber der dot macht es alls glich,
dér ist ein richter, der ganz nit
etwas abloszt durch iemans bit.
dér ist allein, der all ding lont,
dér ist der nie keim ie hat gschont,
nie keim gehorsam er ie wart.
narrenschiff 85, 82,
ieman, ie nach nit, nie kein. auch Luther geht ihr oft genug aus dem wege, z. b. kurz vor dem denke keiner kein arges Zach. 8, 17 steht denke keiner wider seinen bruder etwas arges 7, 10. und Opitz, bei dem es sonst von häufung wimmelt:
kein ort wird irgend je gefunden weit und breit.
2, 215.
selbst schon mhd., z. b.
ich wæne volk enheineʒ grœʒer angest ie (B nie) gewan.
Nib. 2048, 4.
Das ist aber genauer besehen nicht willkür, vielmehr ist diesz die form, mit der man eigentlich die verneinung noch stärker ausspricht als mit jener gewöhnlichen häufung, schon mhd., besonders wenn das ie, einer vor der negation steht:
lât der Hiunen éinen komen niht derfür.
Nib. 1894, 2;
wan ich gast nie éinen sô rehte leiden gewan.
1939, 4;
und lieʒen des gesindes nindert éinen genesen.
1871, 4;
lât éinen ûʒ dem gademe niht komen über al.
2046, 1;
die mit im dar în kômen, der ist éiner niht genesen.
2180, 1;
der éiner mich erkante niht.
Lichtenstein 227, 7;
doch jemand nit beschweren,
verschonen land und leut.
Spee trutzn. 128.
und kan mit aller mîner fürnunft und mit allen mînen sinnen ein einiges wort weder gesagen noch dervon geschrîben. Merswin neun felsen 125; und es doch mit aller mîner sinnelîchen fürnunft ein einiges wort niut kan dervon gesprechen. 126. Besonders dieses einig diente so im 15. 16. jh. zur stärksten verneinung (fehlt oben 3, 207), meist in der merkw. form einich, namentlich im canzleistil, z. b.: es soll auch niemands ainichem man oder frawen, die nit sein gepröt zugehörig sein (in seinem brote stehn), weder schilt, wappen, ring noch dergleichen anhengken oder geben. reichstagsabsch. von Augsburg 1500 D 3ᵇ; (kaiserl.) warnung .. ainiche kriegsrüstung aus unserer stat nit zu verschicken noch zu verkaufen. ains raths der stat Nürmberg bericht der landfridbrüchigen empörung .. so marggraf Albrecht u. s. w. 1553 B 2ᵇ; daraus wir uns abermaln ie ainicher ungenad oder unnachpaurschaft, vil weniger getätlichen und vheindtlichen handlung .. nit gefart (besorgt). B 3ᵃ; das wir demnach von keinem stand des reichs ainicher entsatzung gewertig sein dörften. C 4ᵃ; denselbigen auch in einigen wege kein abgang dardurch ervolge. abschied des reichstags zu Augsburg 1566 (Mainz 1566) 15ᵇ; das sie (die obristen rittmeister) .. sich auch gegen niemants nit dermaszen versprechen oder einichen (dat.) stand und dessen underthanen zuwider .. reiterdienst leisten oder in einigen wege .. nicht gebrauchen lassen sollen. 18ᵃ; und sich daran einige affection oder bewegnus, wie die geschaffen sein möchte, nicht verhindern noch irren lassen. 22ᵇ. diesz 'einig (ein, irgend ein, jemals) .. nicht' als stärkstes verbot oder verneinung ist von da noch auf den heutigen amtlichen stil vererbt.
f)
daraus erklärt sich die sonderbare erscheinung, dasz iemand, einig selber negativ klingend vorkommen:
doch solt er komen newr allein
und sonst gar kein mensch bei im sein,
auch von iemands einich hilf han.
Teuerdank 85, 43,
das nicht, das in der letzten zeile nötig wäre, klingt zwar aus dem kein der vorigen herüber, aber doch ist aus der gewohnheit jenes 'einich .. nicht' auf das iemands, einich selbst etwas verneinendes übergegangen; item soll ein iede oberkait der bettler halben ernstlich einsehen thuͦn, damit iemands zu bettlen gestatt werde, der nit mit schwachait oder geprechen seins leibs beladen und des nit nottürftig sei. reichstagsabsch. Augsb. 1500 D 3ᵇ; s. dazu gehöriges aus jetzigen mundarten unter 3. unter ähnlichen verhältnissen sind romanische indefinita auch zu negativen geworden (wie frz. jamais, rien, aucun) und schon im mhd. ebenso in abhängigen sätzen.
g)
übrigens ist auch die lat. art, dasz zwei verneinungen sich aufheben, indem sie in scharfen gegensatz zu einander treten und so eine stärkere bejahung schaffen, uns nicht fremd:
irn ist niht deheiner,
ir ist maniger und einer.
Gottfried Trist. 446, 21.
sehr gewöhnlich ist diese form in der weise: keiner blieb ungerührt, jeder war gerührt.
5)
Wirklich steht kein, wo ein das logische wäre, nach comparativen: und der krieg zu der selben zeit mer uff uns lag, dann uff keiner einigen stat in dem punde. Nürnb. chron. 1, 165; du (gott), der da allein warlichen bist mein vatter, der mich mee lieb hast, weder ie kein leiblicher vatter seinen liebsten sun. Keisersberg eschengr. (4°) b 6ᵃ (bemerkenswert das der .. bist, hast, s. 2, 972); onzalichen mee wert und lieb sind wir der götlichen maiestat .. weder ie kein sun seiner leiblichen muͦter. c 4ᵇ; man sech die (jungfrauen) an, die in der ee sind, ee si ain halbjar darinn sind, so würt dʒ ermest ellendest ding darausz .. und koment dort her und seind gelber und häszlicher dann nimmermer kaine im closter wirt. granatapfel (geistl. spinn.) O 1ᵃ; ain künglin (zaunkönig) ist dʒ aller kleinest vögelin das man findt, und fleügt doch höher dann kain anderer vogel. O 1ᵇ; auch bin ich ehe denn nie kein tag war. Jesaia 43, 13; scheide dich nicht von einer vernünftigen und fromen frawen, denn sie ist edler weder kein gold. Sirach 7, 21; sein sinn ist reicher weder kein meer, und sein wort tiefer denn kein abgrund. 24, 39; samle dir einen schatz nach dem gebot des allerhöhesten, der wird dir besser sein denn kein gold. 29, 14; es wird fur dich streiten wider deinen feind, besser denn kein schild oder spies. 29, 17; das wort gottes ist .. scherfer denn kein zweischneidig schwert. Hebr. 4, 12; des vatterunsers ist kein gleich unter allen gebetten, ich bete es lieber denn keinen psalm. Luthers tischr. 151ᵃ; der man trawen und glauben mag mehr denn keinem notario. briefe 5, 424 (in s. testament); dasz wir Teutschen mehr pracht, stolz und hoffart mit den kleidern treiben denn schier kein nation. Aventin chr. 325ᵇ;
wiewol wir unserm kaiser her
mit leib und gut gedienet mehr,
denn keinem deudschen keiser nie,
auch mehr dann seine pfaffen ie.
Wolffs hist. volksl. 97;
der besten federn eine
so sies in irem flügel trug,
war besser dann sunst keine.
Uhlands volksl. 565;
es (das licht) ist weiszer als kein ding. Fischart Garg. 125ᵇ; das zaumdänzelen ... kond er .. besser als kein anderer reutersman. das. 324 Scheible (1594 176ᵇ ein für kein);
auch der poet Ovidius
das zaignis ihnen geben musz,
dasz ir gemerk vil schärfer sei
dann keines hundes.
Spangenberg ganskönig G 3ᵃ;
wir haben mehr gehofft,
als unsrer keines glükke zu geben ist vermocht.
wann uns gott, was wir verdienen, sonsten nichts nicht solte geben,
würden wir von unsren diensten ärmer als kein betler leben.
Logau 3, 1, 68;
(Wieland) der stolz seiner nation und ein schriftsteller von mehr griechischem geiste als vielleicht kein Italiener, kein Engländer, kein Franzose. Zimmermann einsamkeit (1784) 1, 115; er (Winckelmann) hat, mehr als kein anderer im geist mit den alten verwandt, immer das rechte geahnet. Göthe 37, 75; das neue jahr bietet mir einen anmuthigern anblick als noch keines. br. an Knebel 46;
(der könig der) jede von mir aufgefangne silbe
dem hinterbringer fürstlicher bezahlt,
als er noch keine gute that bezahlte.
Schiller 244ᵇ;
ein schöner jüngling, reizender als keiner
Auroras schosz entflossen.
14ᵃ;
ich habe zu meiner gesundheit ein weit besseres vertrauen, als ich seit langer zeit nicht hatte. an Körner 3, 130; ein böser wind, den man la bise nennt, durchschneidender und gefährlicher als keiner auf unserm Riesengebirge. Thümmel 2, 236;
blond oder braun, und lockender und neuer
als mir der schelm (Amor) noch keins gewährt.
3, 306;
ein herzdrückender seufzer, der aber auch dafür mehr erleichterung nachliesz, als keiner der bis jetzt in meinem tagebuche vorkommt. 4, 218. Man hat darin einen gallicismus des 18. 17. jh. gefunden, und wol mögen schriftsteller dieser zeit dabei die französische negation nach comparativen vor sich gehabt haben; aber schon im 16. jh. scheint es volksmäszig, auch reicht es zurück in die mhd. zeit: wie lieplîchen er uns in im selben getragen hât, noch lieplîcher danne kein muoter nie ir kint getruoc. myst. 1, 402, 29;
er gap im aquilônen art
mêr danne keinem.
Lohengrin 269.
es liegt aber der mehr anschaulichen als logischen denkweise nahe, den gedanken während des sprechens auf die wichtigere negative seite zu wenden, anzufangen 'er ist klüger als irgend einer', aber in der zweiten hälfte umzuspringen in 'er ist so klug wie keiner (weiter)'. die letztere wendung ist denn auch gern gebraucht: ich wil .. eben so edel sein, als kein jüde. Luther 8, 52ᵇ, worin sich doch wieder zweierlei zu mischen scheint, 'edel wie irgend ein jude' und 'edler als ein (kein) jude'; er war so schön als kein bawm im garten gottes. Ezech. 31, 8; dann, gleich zum eintritt einen so lustigen streich, als keiner derjenigen, die gestern belacht worden waren! Göthe 25, 355; es ist eine wildniss wie keine. 15, 303;
das muster eines königlichen priesters,
ein fürst der kirche wie ich keinen sah.
Schiller 410ᵃ;
und er will ihr eine schale reichen,
silbern, künstlich wie nicht eine war.
Göthe 1, 245.
6)
Was den gebrauch von kein betrifft, so hat es sich von jeher nach seinem vater ein als seinem vorbilde gerichtet. es theilt dessen eigenthümlichkeiten in der flexion, wie dieses (gramm. 4, 453. 454) hat es selbstständig gebraucht die volle starke flexion keiner keine keines (gesprochen meist keins), einem nomen beigegeben aber theilweis gar keine flexion, nämlich im nom. masc. und neutr. (doch z. b. bei Neidhart 64, 1 in R deheiner lôn), sonst auch die starke. die schwache flexion, die das mhd. dehein dekein einzeln hat (wb. 1, 421ᵃ), ist jetzt ganz unbekannt, aber spuren davon finden sich wol früher:
do bei entbeisz (genosz) ich nie kein weins (: Reins).
Rosenblüt, fastn. sp. 1138;
kein kriegs sie sich befahren.
Soltau 2, 299 (v. j. 1606),
das musz doch keinen weins, kriegs meinen, es ist gewiss mehr zu finden; vgl. keinenfalls. mhd. ist kein oft auch in andern als den angegebenen fällen flexionslos, wie ein (s. Lachmann zu Iwein 511), und so noch im älteren nhd. zuweilen:
da ihn der doppelsoldner kein (keiner)
zum schutz viel kont behülflich sein.
Rollenhagen froschm. Yy 5.
kein für keine kann auch blosz die gewöhnliche abwerfung des e sein:
so hab ich aller sorgen kein.
Brant 99, 188;
kein' (so) händeküplerei.
da ist keine genad gottes. wo kein gnad gottes ist, da ist .. Schuppius 389, so sehr oft im 16. jh., im 17. auch bei Logau; ich kann kein mährchen machen, weisz auch kein'. Göthe 1850 13, 13, Gottfried von Berlich. (in der ausg. letzter hand 42, 25 keine, vgl. sein mutter 42, 21).
a)
in selbstständigem gebrauch: naiv musz jedes wahre genie sein, oder es ist keines. Schiller 1193ᵇ;
herr, diesen fisch hab ich gefangen,
wie keiner noch ins netz gegangen.
57ᵇ;
(wenn ich) nach namen suche, keinen finde.
Göthe 12, 159;
welche religion ich bekenne? keine von allen
die du mir nennst. 'und warum keine?' aus religion.
Schiller 91ᵇ;
wird er sie achten, groszmuth an ihr üben,
die keine gegen ihn bewies?
594ᵇ;
natur?
ich weisz von keiner.
301ᵇ;
behalt es, lieber freund, denn itzo brauch ich keins:
so bald ein band mir fehlt, so bitt ich dich um eins.
Gellert (1784) 3, 347;
doch ach! was sing ich in den wind (vom liebchen)
und habe selber keins!
o Evchen, Evchen, komm geschwind,
o komm und werde meins.
Bürger 4ᵇ;
es kommen, es kommen die wasser all,
sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
den jüngling bringt keines wieder.
Schiller 64ᵇ;
ich hab zwei frische augen
und kann dem blinden vater keines geben.
523ᵃ;
grillen? ich mache keine. Lessing 1, 564. s. auch unter c.
b)
attributiv, vor substantiven und adjectiven:
dort drüben
ist kein verräther, so verabscheut ist
die tyrannei dasz sie kein werkzeug findet.
Schiller 524ᵃ;
und keines christen andacht hat ihn mehr
als dieses freigeists lästerung gepriesen.
279ᵇ;
vor keinem könige der erden.
Göthe 12, 156;
ich habe keinen namen
dafür, gefühl ist alles.
12, 181;
keine luft von keiner seite.
1, 73.
Das adj. folgt auf kein im sing. nom. und acc. jetzt nur in starker form, aber früher auch schwach, und im masc. (neutr.) nom. sogar auch flexionslos wie kein selbst, so noch im 17. jh. (ebenso bei ein):
wer selbsten witz nicht hat,
dem dient kein witzig rath.
Logau 3, 7, 90.
im gen. und dat. und im pl. tritt schwache form ein, alles wie bei ein (gramm. 4, 571). doch findet sich die starke form des adj. im pl. noch im 18. jh. und später, z. b. keine eigentliche Socinianer Lessing 9, 290, keine schlimme absichten 10, 327, das kann keine zarte gesellen machen Göthe 42, 24, sie vermuthet wol keine andere als freundschaftliche gesinnungen in mir 7, 127, hier gab es keine faule 47, 224, keine eigne könige Schiller 451ᵇ, keine streng individuelle charaktere 1233ᵇ, keine böse menschen Hegner molkenkur 3, 78, was die schullehrer u. a. jetzt als fehler rechnen.
c)
besondre erwähnung verdient kein vor dem neutr. des adj., das dadurch um so sicherer substantivische natur erhält, wie durch ein (3, 134 nr. 14): er ist nicht sein feind, hat ihm auch kein ubels gewolt. 4 Mos. 35, 23; treu ist gott und kein böses an im. 5 Mos. 32, 4; er weissaget mir kein guts sondern eitel böses. 1 kön. 22, 8. 2 chron. 18, 7; du solt kein geseurts auf das fest essen. 5 Mos. 16, 3; sie achten keines rechten. Amos 3, 10; thut kein arges. Zeph. 3, 5; noch kein grünes noch keinen baum. offenb. 9, 4; in ihrem munde ist kein falsches funden. 14, 5; es ist nie kein gemeines noch unreines in meinen mund gegangen. ap. gesch. 11, 8; und gedenkt ir in keinem guten. Fischart ehz. 559 Sch.;
das pfäfflein antwort zu der sach,
das er hierin kein newes mach.
Rollenhagen froschm. J 3ᵃ;
kein begehrtes nie verwiedern (verweigern),
kein verwiederts nie begehren.
Logau 1, 8, 64;
es giebt in der natur kein leeres. Bödikers grundsätze der teutschen spr. (1729) 321;
hinter ihm wird kein guts geschafft.
Göthe 13, 54;
aber die sonne duldet kein weiszes.
12, 53;
es ist kein kleines, gottes diener zu sein. Hippel lebensl. 3, 1, 274. jetzt doch lieber nichts kleines, nichts gutes (vgl. e), aber noch 'das thut auf die länge kein gut', das adj. ohne flexion. besonders bemerkenswert: und wird kein verbantes (κατάθεμα) mehr sein. offenb. 22, 3, das part. substantivisch für den absoluten begriff des verbs, wie mhd., 'keine verbannung mehr'. s. auch keinnütze, und vgl. e sp. 471.
d)
rein substantivisch, keiner gleich niemand, vor dem es jedoch eine gewisse kraft voraus hat (das volk braucht entschieden lieber keiner als niemand, wie einer statt jemand, s. 3, 121 fg.); aber auch das masc. gilt, gleich niemand, nicht blosz von männern, eben wie einer:
keiner so lieb sin nechsten hat
als dan im gsatz geschriben stat.
Brant narr. 10, 17;
drinnen gefangen ist einer,
bleibet hauszen, folg ihm keiner.
Göthe 12, 67;
ich soll mich in den höllenrachen stürzen?
das thäte keiner der bei sinnen ist.
Schiller 518ᵃ.
nu ermane ich euch, das ir unverzagt seid, denn keines leben aus uns wird umkommen. apost. gesch. 27, 22;
glück ist keines lehnsmann worden.
Logau 3, 2, 2;
und keines vaterland ist so entfernet,
das nicht Georgens lob gelernet.
Haller (1777) 284;
sie ist frei so wie die sonne ..
doch keines sclavin und leibeigenthum.
Schiller 590ᵃ.
dann ich das rat in truwen keim,
das er vil gest fuͦr mit im heim.
Brant 33, 59;
keim sein ehr abschneiden .. keinen ubervortheilen. Fischart ehz. 528. 529 Sch.; die keinem die tanzenden bären weisen als der geld darzehlet. Schuppius 411;
und sich als hagestolz allein zum grab zu schleifen,
das hat noch keinem wol gethan.
Göthe 12, 161;
es preise sich, wer keinem
mit seinem leibe pflichtig ist auf erden.
Schiller 258ᵃ.
bei zeiten sich nach einem umgesehn,
der mit uns um die wette leben will!
kennst du (Recha) noch keinen?
Lessing 2, 353;
noch keinen sah ich fröhlich enden,
auf den mit immer vollen händen
die götter ihre gaben streun.
Schiller 57ᵇ.
keiner von mann und frau zugleich (s. aber f):
sie liebten sich beide, doch keiner
wollt es dem andern gestehn.
Heine buch der lieder 202.
keine fem.:
Paetus lobt der keuschheit gaben,
dann es wil ihn keine haben.
Logau 1, 4, 19;
wenn wir alle ihn unter uns hätten (als bacchantinnen, wünscht die gräfin Orsina), ihn unter uns zerrissen ... um das herz zu finden, das der verräther einer jeden versprach und keiner gab. Lessing 2, 175.
e)
besondere aufstellung verdient das neutrum: ir solt der keins thun, das wir heute alhie thun, ein iglicher was in recht dünket. 5 Mos. 12, 8, wo jetzt nichts stehen würde, wie in den meisten folgenden fällen (vgl. c a. e.); und alles was Mose der knecht des herrn geboten hatte, der hatten sie keins gehorchet noch gethan. 2 kön. 18, 12; so würde ire wonung nicht ausgerottet und der keines komen, damit ich sie heimsuchen werde. Zephanja 3, 7; und mangelt im keins das sein herz begert. pred. Sal. 6, 2; er aber nam zu sich die zwelfe und sprach zu inen .. 'denn er wird uberantwortet werden den heiden und er wird verspottet und geschmehet und verspeiet werden, und sie werden in geiszeln und tödten und am dritten tage wird er wider auferstehen. sie aber vernamen (verstanden) der keines. Luc. 18, 34; thun groszes und verheiszen kleins oder keins. Fischart ehz. 529 Sch.;
man machs mit den (bösen frauen) nu wie man wil,
so schafft (bewirkt) man doch mit keinem viel.
Rebhun 172, 356;
thust du nit bscheid,   es ist mir leid,
ich darf dir gar keins mehr bringen (wie eins 3, 258).
Hoffmann gesellschaftsl. 165;
ich antwortete, wann die wahl bei mir stünde (zwischen ehe und concubinat), so begehrte ich deren keins. Simpl. 2, 135, auch diesz deren, vorhin der als neutr. ist jetzt verloren, man sagt davon. jetzt fast nur noch in 'keins von beiden', und im gegensatz zu eins (s. weder eins noch keins 21, a):
nicht zu grosz und nicht zu klein,
keins von beiden möcht ich sein;
was ist er, dieser bruder? ein soldat?
ein geistlicher? ... 'ich glaube dasz er keines
von beiden — oder beides ist'.
Lessing 2, 342;
sie sei
nun eure tochter, oder sei es nicht!
sei christinn oder jüdinn, oder keines!
2, 340;
da müssen herz und kopf sich lange zanken,
ob menschenhasz, ob schwermuth siegen soll.
oft siegt auch keines (von beiden).
2, 197;
und neun ist eins,
und zehn ist keins.
Göthe 12, 130.
f)
doch noch in einem falle ist das neutrum bis jetzt in frischem gebrauche; wo leute, thiere verschiedenen geschlechts, oder dinge verschiedener art in kein oder sonst zusammenzufassen sind, tritt als aushülfe das neutr. ein nach einer alten regel (s. gramm. 4, 279 ff.):
α)
leute verschiednen geschlechts:
an wîbe und an manne
under ougen eine spanne
hât neheinʒ gelîchen schîn.
Freidank 12, 1;
was für armselige ehe und haushaltungen weren diese .. wann keins dem andern nachgebe, keins sich nach dem andern mäszigte? Fischart ehz. 531 Sch.;
dich (eine jungfrau) preist man unter deinen,
ihn rühmt man unter seinen,
weil keins nicht war gemein' (d. i. gemeine).
Fleming 330;
weib, kind und kegel drang an port
und keins verstund sein eigen wort
vor jauchzen, fragen und verlangen.
knaben, männer und frauen, keins blieb ungerührt. Göthe 17, 406; wir (Wilhelm und Mariane) gehören einander an und keins von beiden verläszt oder verliert etwas, wenn wir für einander leben. 18, 97;
und es hielt das gedräng keines der liebenden auf.
1, 313;
kommt alle herein, väter, mütter, kinder. fürchte sich keines. Schiller 313ᵇ; Solina. getrennt kann keins von uns leben. Julio. wie könnte eins ohne das andre diesen geist herumtragen? Klinger th. 2, 259, auch eins, das andre, und das ist allgemeine redeweise;
ich liebe sie, sie liebet mich,
doch keines sagt 'ich liebe dich'.
Uhland ged. 32;
und wie der tanz am besten war,
so war das geigen aus,
wir wollten beide heim gehn,
wir hatten keins kein haus.
Hoffmann schles. volksl. 166.
β)
ebenso dann von leuten, wesen, dingen verschiedner art:
eins dinges hân ich grôʒen nît:
daʒ got gelîche weter gît
kristen, juden, heiden,
der keinʒ ist ûʒ gescheiden.
Freidank 26, 27;
kneht âne herren ist kein kneht, ir keinʒ ist ân daʒ ander.
Frauenlob spr. 68, 6;
der kuehirt sal .. den alten und jungen stiehern und den reitochsen stro in die raufen .. tragen .., die auch anbinden, das keins dem andern schaden thun moge. N. Engelmann bei Michelsen Mainzer hof in Erfurt 42; also errettet David alles, was die Amalekiter genomen hatten, und seine zwei weiber, und feilet an keinem, weder klein noch grosz, noch söne noch töchter, noch raub noch alles das sie genomen hatten. 1 Sam. 30, 19, wie alles, es eben auch;
es war da keines stille stan.
Wolff hist. volksl. 390
aus einem reiterkampfe, rosse und reiter in keines umfaszt; gleiche geschicklichkeit sagt man auch von den böcken, widern und gaiszen, unter welchen wann zwei einander auf eim schmalen steg bekommen, und keins meh hindersich kan, so leget sich das ein nider, das das ander uber es hinaus springe. Fischart ehz. 490 Sch.;
der küster und des küsters knabe,
keins wollte mehr zum morgenlauten gehn.
Gellert (1784) 1, 299;
der mann und der hund rangen mit einander, keins konnte das andere bewältigen (doch auch keiner den andern, vgl. Heine sp. 471); mann und ross stürzten mit einander, keins konnte wieder auf. ebenso von todten und abstracten dingen, von begriffen, eigenschaften (vgl. gramm. 4, 279): ich wünschte einen tisch und einen stuhl, keins von beiden war zu haben; bande und trübsal warten mein daselbs. aber ich achte der keines (als gen.). apostelg. 20, 24; ist aber der keines nicht das sie mich verklagen. 25, 11; im sei der keines nicht verborgen. 26, 26, jetzt wäre es nichts davon; der nach eigener wahl einher gehet in demut und geistligkeit der engel, des er nie keins gesehen hat. Coloss. 2, 18; zu der aufgabe gehört mut und eifer, er hat keins von beiden;
zweierlei dinge lass ich passieren, die welt und die seele,
keins weisz vom andern und doch deuten sie beide auf eins.
Schiller 95ᵃ (xen. 378).
γ)
endlich selbst von menschen, ohne dasz an eine verschiedenheit gedacht wird, nur um die bezeichnung ganz allgemein zu halten (vgl. eins gleich jemand 3, 256):
keins mit dem andern hat gedult ...
jeder wolt, das es (d. i. er) gröszer wär.
Brant 99, 72;
dise dreierlei mönschen, die dreü geschwüsterd, sind allesammen lieb gott dem herren, und darumb sollend sie auch einander liebhaben, in geschwüsterlicher lieb mit einander leben, und keins das ander verachten noch wider das ander murmlen. Keisersberg eschengrüdel a 3ᵃ;
es sei in Beiren, Franken, Schwoben,
und darzu auch am Rhein,
ganz Deutschland unden und oben,
würt ir keins sicher sein.
Soltau 2, 69,
von den raubrittern, die kaiser Maximilian bedroht;
keins wird vom andern wünschenswerth ergänzt.
Göthe 3, 21;
ein präceptor, der eben vor seinen untergebenen das sechste gebot austrommelte und durchpeitschte, das doch, ihn ausgenommen, keines in der ganzen klasse trotz seines unterrichts weder zu begreifen noch zu übertreten in dem falle war. Thümmel 2, 295; der grosze mann, der keines seines gleichen um sich leiden kann. Klinger 5, 178; 'keins von euch läszt sich mehr sehen' zu einem seltnen besucher, die familie andeutend. Diesz neutr. geht selbst auf ein zutretendes adj. über: kein gescheides kann so reden; kein verliebtes sieht so aus; fast kein fremdes, kein besuch aus der nachbarschaft kommt zu ihr. Göthe 10, 139 (Stella, im munde der postmeisterin). auch jemand fremdes (schon 15. jh. weisth. 4, 515. 521).
g)
wie ein, hat kein auch einen gen. bei sich, der gern voran steht wie dort (3, 118), vgl. 19. schon ahd. tâtô dehheina Graff 1, 322:
unser kein was sô laʒ.
Iwein 128
(vgl. unser einer);
sît unser keiner sine sach.
132;
iwer keinem ich gestaten wil
daʒ er für mich vehte.
Parz. 701, 24;
des wolte sich ir keiniu schamen.
585, 23;
er was gewahsen alsô hôch,
daʒ er verre langer schein
danne türne dehein.
Lanz. 7550;
der keineʒ lebet âne haʒ.
Walther 8, 35.
dasz unser kainm der spiegl werden kan.
fastn. sp. 452, 9;
das der stück kains darausz müg reisen.
Rosenblüt das. 1085;
ich sich die fuͦszstapfen der hiningonden, aber der herausz gonden fuͦszstapfen sich ich keinen. Keisersberg hell. löw a 4ᵇ;
man findt der fründ, als David was,
ganz keinen me, mit Jonathas.
Brant narr. 10, 9;
so hab ich aller sorgen kein,
du gebst uns sig in kurzen tagen.
99, 188;
ir söldner, ir seind nit eren wert,
eur keiner hat ein guͦt reuterpfert.
Uhland volksl. 343;
unser keiner lebet im selber. Röm. 14, 7. Ebr. 4, 1; ich habe ewer keines silber noch gold .. begert. Joh. 20, 33; und habe ir keinem nie kein leid gethan. 4 Mos. 16, 15; der andern apostel aber sahe ich keinen. Gal. 1, 19; sei der keinem gnedig, die so verwegene ubelthetter sind. ps. 59, 6; wenn er aber .. diser stück eins thut und der andern stück keines nicht thut. Hesek. 18, 11; darumb das sie von im gewichen sind und verstunden seiner wege keinen. Hiob 34, 27. spr. Sal. 3, 31; sie aber vernamen der keines (verstanden keine der äuszerungen). Luc. 18, 34, vgl. sp. 471 unter e;
ich kenne deren keine.
Lessing 2, 237. 244 u. ö.;
indesz, er ist mein freund, und meiner freunde
musz keiner mit dem andern hadern.
2, 313;
solcher väter gibt es keine mehr! 2, 188;
keines der viere
steckt in dem thiere.
Göthe 12, 68;
der das vermag, was unser keiner kann.
41, 18;
oder sonst auf keines ihrer güter?
Schiller 377ᵃ.
jetzt doch auch mit von oder unter (aus), ja von, das so vielfach jetzt den gen. umschreibt, ist jetzt das vorherschende: keiner von uns, keins von beiden, der gen. gehört dem höheren stil: keiner von den seinen. Jer. 36, 30; so ist er keiner von den schlechten schulmeistern. Lessing 1, 215. aber auch bei einem singularbegriff erscheint der gen., der schon mhd. bei negationen aller art gern unerwartet eintritt: das wir itzt solchs regiments keines sehen .. wie bei den Jüden unter Mose. Luther 8, 265ᵃ (1580), vgl. den ähnlichen fall unter 12, b.
7)
Auch im sinn und gehalt, wie syntaktisch richtet sich kein nach ein, und ist in seiner entwickelung neben diesem hergegangen, dann aber noch darüber hinausgeschritten; überhaupt ist kein eine art lieblingswort der sprache geworden (vgl. besonders g sp. 477), sodasz ihm ein gröszerer spielraum eingeräumt ward als eine strenge grammatische logik gestattet hätte.
a)
das älteste nihein war das verneinte zahlwort ein, 'auch nicht éiner', und das ist noch das heutige kein, auch mit dem höheren oder hohen tone, den ein als zahlwort hat:
und hat der lämmer keins verloren.
Schiller 73ᵇ;
herr, diesen fisch hab ich gefangen,
wie keiner noch ins netz gegangen.
57ᵇ;
noch keinen sah ich fröhlich enden ...
das.;
síe können der meinige in éinem falle nicht sein, ích kann der ihrige in kéinem sein. Lessing 1, 472, auch nicht in éinem, in gar keinem;
sollte denn
von allen rittern dieses hofs nicht éiner,
von allen damen kéine — sie zu heilen,
sie zu verstehen wollt ich sagen — keine
von allen würdig sein?
Schiller 261ᵇ;
da ist kéiner der guts thue. ps. 14, 1, nachher im 4. verse verdeutlicht: da ist kéiner der gutes thue, auch nicht éiner, und dieser zusatz, der den wahren gehalt dieses kein noch ausdrücklich nachbringt, ist beliebt:
kéin mensch, dem nicht dein ruhm so wehrt als seiner ist,
nicht éiner, der dich nicht so grosz wünscht als du bist.
Haller (1777) 242;
vom staube hat er manchen aufgelesen,
zu hoher ehr und würden ihn erhöht,
und hat sich kéinen freund damit, nicht éinen
erkauft der in der noth ihm farbe hielte.
Schiller 388ᵃ;
als von allen meinen vorübergehenden bekannten keiner mich nur eines gruszes gewürdigt hatte, auch nicht einer. 708ᵃ. Ist diesz kéin einem substantiv zugesetzt, so musz es seinen hohen ton mit diesem theilen, gerade wie éin: ich bereue die that keinen augenblick; ich habe keinen roten heller dabei verdient; ich begreife kein wort. Göthe 11, 112;
von hier ins ewige ruhebett
und weiter keinen schritt.
12, 243,
beide worte, keinen und schritt, werden stark betont, manchmal das eine, manchmal das andre mehr, gewöhnlich das subst., bei höchstem nachdruck aber kein (ganz wie nicht èinen schrítt oder nicht éinen schrìtt): keinen stein auf dem andern lassen. Luc. 19, 44 (gr. nur λίθον ἐπὶ λίθω, goth. stain ana staína), Luc. 21, 6, Marc. 13, 2 steht nicht ein stein wird auf dem andern bleiben (gr. wieder nur λίθος ἐπὶ λίθω); wiewol sie keinen zan im hals hat. Garg. 125ᵇ (227);
macht doch auch die ganze zeit
keinen punct der ewigkeit.
das, sprach der staar, das weisz ich nicht zu sagen,
denn keine seele redt von dir.
Gellert (1784) 1, 28;
sie haben mich ja noch kein jahr, und sind meiner schon satt? ich unglückliche frau! 3, 405 (die kranke frau, 9. auftr.);
der himmel ist hell, es ist kein wölkchen zu sehen.
Göthe 40, 235;
in der ungeheuren weite
reget keine welle sich.
1, 73;
alle diese langen stunden
konnt ich ihr kein wörtchen sagen.
11, 82;
er sprichts und tritt ins gotteshaus,
kein laut ist hier noch reg'.
Schiller 68ᵇ;
er zählt die häupter seiner lieben,
und sieh, ihm fehlt kein theures haupt.
79ᵃ.
b)
dem nachdruck, den diesz kéin braucht, hilft man aber auch auf andre weise nach.
α)
das auch von 'auch nicht éin' vorhin setzt man auch zu kéin: ich habe auch keinen groschen dabei verdient; er hat auch kein mal nachgegeben; ich habe auch kein wort verstanden, gleich 'auch nicht éin wort';
liebe müsse sein ein leben,
dem auch keins auf erden gleicht.
Fleming 359.
zu noch gröszerem nachdruck tritt aber oder doch vor auch, z. b. ich habe aber auch keinen pfennig dabei verdient; es war doch auch kein wort wahr. vgl. f am ende sp. 477.
β)
deutlicher kein einziger, früher einiger (vgl. sp. 467 unten): und der krieg zu der selben zeit mer uff uns lag dann uff keiner einigen stat in dem punde. Nürnb. chron. 1, 165;
noch (doch) wil, was ewig ist, kein einig mensch betrachten.
A. Gryphius sonn. 1, 8.
γ)
im 15. jh. auch nindert keiner fastn. sp. 422, 4, kein puestabn ich halt nindert kan 433, 29, nirgen kain Beheim Wiener 19, 29. das gleicht dem nie kein sp. 460 insofern, als aus nindert, nirgen da der ortsbegriff gewichen ist, wie aus nie der zeitbegriff, beide sind nur noch 'omnino non'. s. auch k sp. 478.
c)
kein dem ein entsprechend, das 'irgend ein' bedeutet, als pronomen indefinitum, zwischen zahlwort und artikel in der mitte schwebend; kein ist auch da noch stärker betont als wenn es nur dem artikel entspricht: wir dürfen kein opfer scheuen; da kann kein doctor helfen; meine art ist wol keine von den besten. Lessing 1, 224; ein geheimnis .. welches kein mensch auf der welt sonst von mir erfahren hätte. 1, 472; ich bin keiner von den groszen. Göthe 12, 83; einen so lustigen streich als keiner derjenigen, die gestern belacht worden waren. 25, 355;
o mein vater! sie ist nicht hergelaufen, das mädchen,
keine die durch das land auf abenteuer umherschweift.
40, 281;
was! nicht ein schaustück? kein geschmeid!
12, 152;
des lebens ungemischte freude
ward keinem irdischen zu theil.
Schiller 57ᵃ;
dort wo keine thräne wird geweint.
84ᵇ.
d)
endlich kein dem artikel ein entsprechend; hier wird kein ohne hervorhebenden ton gesprochen (falls nicht ein gegensatz ihn doch hervorruft, und in dem falle unter f): aber ich bin ein wurm und kein mensch. ps. 22, 7. manche der folg. beispiele lassen sich leicht auch zu den vorigen ziehen, dann erhält kein den ton von dort; einen äuszeren maszstab dafür kann lat. nullus abgeben, denn wo kein nur den art. enthält, steht lat. nicht nullus, sondern blosz non beim verbum: er hat keine ehfrau, uxorem non habet, sie hat keine mutter im (jetzt am) leben, non habet matrem. Frisch 1, 508ᵇ;
du siehst! ein hund, und kein gespenst ist da.
Göthe 12, 63;
es ist kein krieg von dem die kronen wissen,
es ist ein kreuzzug, s'ist ein heilger krieg.
Körner leier u. schw. 37;
nun, so wiszt denn: Recha
ist keine jüdinn, ist — ist eine christinn.
Lessing 2, 293;
siegen ist
kein werk des augenblicks.
2, 510;
ein vater schuf die welt,
kein gott des strafgerichtes.
Voss (1825) 4, 70,
genauer und nachdrücklicher wäre nicht eine jüdin, nicht ein gott des strafgerichtes, und so sagt man auch, wol eben so oft;
ich hab ein leben dran zu wagen,
kein leben zwar des glücks, doch ists mein alles.
Schiller 590ᵃ;
nachdem als die bauren keins meszners kunten entberen. Eulensp. hist. 11, genauer eines m. nicht entbehren konnten;
'wie finden sie den Brocks, Hammoniens Mäcen?'
ich find und ehr in ihm den weisen unsrer zeiten,
allein er wird daher kein (darum noch nicht ein) freund von allen leuten.
Hagedorn 1, 64;
wer mäszig leben kan und wer ihm lest genügen,
wird leichtlich, wird man sehn, zu keinem schmeichler tügen.
Logau 3, 2, 14;
Lottchen ist ein ruiniertes mädchen und ist keine frau für deinen sohn. Lessing 1, 539, kaum jemand würde da sagen nicht eine frau, wol weil das verbum dicht bei kein steht; ihr seid kein paar für einander;
o nein, nein, das war nichts für sie! das war
kein mensch für sie!
Schiller 302ᵃ;
nun dann! so hätte
ich keines hauses mehr bedurft.
Lessing 2, 191;
ich habe ihrer jungfer tochter noch keinen guten morgen gesagt. 1, 539; Homer mag doch wol kein (nicht ein) narr sein. 1, 221; sei kein thor! Göthe 11, 102; sei kein kind. das. (hier wol nie sei nicht ein kind); der verzweifelte Valer! er hätte mir zu keiner (nicht zu einer) ungelegnern zeit kommen können. Lessing 1, 225; im vorbeigehen zu sagen, ich bin mit unsern theologen gar nicht zufrieden, dasz sie den ehestand für kein (nicht für ein) sakrament wollen gelten lassen. 1, 229;
es war von keiner (nicht von einer) kleinigkeit die rede.
Schiller 283ᵇ;
wer für sein lieb nicht sterben kann,
ist keines kusses werth.
Körner leier u. schw. 30;
hier wird keine halbe maszregel helfen; wir dürfen uns mit keinem halben erfolg begnügen; ich kann das für kein glück halten;
den darf man keinen christen nennen.
Logau 1, 5, 62;
die kunst bleibt kunst! wer sie nicht durchgedacht,
der darf sich keinen künstler nennen.
Göthe 13, 159;
das war kein heldenstück, Octavio.
Schiller 379ᵃ;
du muszt ihm kein finster gesicht machen. 7, 125; sie können kein reineres band denken. 7, 132; wollte mein rosenfarbnes kleid nicht anziehen, weil ich kein feuerfarbnes hatte. 42, 93;
doch keine seele wärmt das eingeweide.
378ᵇ;
es lebt kein zweiter Friedland.
375ᵃ;
und er fühlt dasz ihn kein wahn betrogen.
84ᵇ;
es ist kein bettel, es ist ein sehr kostbarer ring. Lessing 1, 552; nein, liebe närrin, éines fehlers wegen entsagt man keinem manne. 1, 563; in dém anzuge suchte der henker und seine groszmutter keine gnädige frau. Weisze kom. op. 1777 3, 186 (ärntekranz 1, 5), in den frühern ausg. steht wirklich nicht eine gnädige frau, der verf. machte es volksmäsziger;
so gehts! ein einzger hut bedeckt kein dutzend köpfe.
Man kann sagen, dasz in diesen fällen die negation streng genommen zum verb gehört, wie sie der Lateiner, Grieche dahin setzt, und auch bei uns liebt das der amtliche und der wissenschaftliche stil, z. b. zu sagen: ein triftiger grund läszt sich dafür nicht anführen, wol nicht ohne einflusz der lat. grammatik. genauer, sicherer ist das gewiss ausgedrückt (vgl. die letzte nummer); aber die art unserer sprache ist entschieden die, dasz auch der artikel ein die negation, die irgend im satze vorkommt, an sich zieht (der lat. gr. sprache entgeht ja dieser art.), und das ist sinnlicher, farbiger, unlogisch aber gar nicht.
e)
in manchen fällen gehört die verneinung mehr zu conjunctionen und ähnlichen satzführern; aber auch da springt sie gern, sobald ein als unbestimmter artikel oder indefinitum in der nähe steht, zu diesem:
ouch der sich kratzet in dem grind (kopf)
und luͦg ob er kein wiltpret find.
Brant narr. 110ᵃ, 128,
für ob er nicht, wie auch oft genug gesagt wird;
jedes blat von deinen händen
ist ein blat voll klag und weh,
und ich kan es niemahls wenden
dasz kein stich ans herze geh.
für dasz nicht (quin) ein stich;
ich möcht mich gleich dem teufel übergeben,
wenn ich nur selbst kein teufel wär.
Göthe 12, 144;
ich kann mir nicht denken, dasz das kein böses ende nehmen soll; ich bin doch begierig, ob das zu keiner entdeckung führen wird; aber hier ist eines schönes kind zur stelle .. das mag sagen, ob ich kein freund von dem herrn major bin? ob ich ihm keine dienste erwiesen habe? Lessing 1, 550; sag du mehr, ob das kein leben ist? Schiller 118ᵃ; sieh nur zu, dasz kein unglück geschieht; dasz du mir keinen hund mit nach hause bringst!;
o dasz kein flügel mich vom boden hebt!
Göthe 12, 59.
sogar so: zehntens (wird bestimmt) dasz keiner oder der andere (huber) währendem huebgericht zuem fenster hinausz sehen soll. weisth. 4, 236, 17. jh., für dasz nicht einer oder der andere.
f)
auch dieses kein, das nur den artikel enthält, kann doch einen hervorhebenden ton erhalten, wenn nämlich 'nicht einmal' darin verborgen ist, kein gleich 'nicht einmal ein'; die fälle berühren sich jedoch mit denen unter a sp. 474 ('nicht einmal éin') und gehn leicht darein über:
dein herz ist ausgestorben. keine thräne
dem ungeheuren schicksal der provinzen,
nicht einmal eine thräne mehr!
Schiller 270ᵃ (Carlos 2, 15),
es ist nicht gemeint nicht einmal éine thräne, sondern thräne enthält den ganzen hochton, aber keine wird doch auch hervorgehoben;
diesz kind, kein engel ist so rein.
69ᵃ;
weit herum ist in der ganzen aue
keine feder mehr, keine klaue (zu essen).
319ᵇ;
sollen wir ...
erleiden von dem fremden knecht, was uns
in seiner macht kein kaiser durfte bieten?
529ᵇ;
der stolz und steif und bürgerlich
im schmausen keinem fürsten wich.
Hagedorn 2, 67;
und es bezahlt den kuss kein königreich.
2, 78;
das nenn ich noch
ein brautkleid! keine königinn verlangt
es besser.
Lessing 2, 316;
die träge zeit! kein jahr ward mir so lang
als dieser morgen.
2, 508;
und weiche keinen finger breit
von gottes wegen ab.
Hölty 52;
es möchte kein hund so länger leben!
Göthe 12, 30;
von einem wort läszt sich kein jota rauben.
12, 98;
aber, aber keine lehren!
lehren nützen mir kein haar!
11, 82;
wenns mir nachgeht, sollst du keine gräte davon zu sehen kriegen. 11, 112; holz, das keinen dreier kostet, ist gnug hier. 47, 107;
so macht man schelm und bösewicht (als schauspieler)
und hat davon keine ader nicht.
13, 11;
denn von gasthofsküchen ist auf dieser seit
keine spur zu riechen hundert meilen weit.
47, 108;
kein eisengitter schützt vor ihrer list.
Schiller 406ᵇ;
dessen namen noch keine katze kennt, geschweige denn ein mensch. J. Paul Fibel 2; bei dem kanns kein teufel aushalten; kein narr wird das glauben; es ist kein tropfen wasser da; sie haben oft keine krume brot im hause. Jenes keine spur, kein haar tritt zugleich über in die alte volksmäszige art, ein nichts in sinnlich nachdrücklicher weise zu umschreiben, s. unter bohne und gramm. 3, 728 ff. Auch dieses kein, wie das unter b, wird durch das auch aus 'auch nicht ein' verstärkt: ich hatte auch keine ahnung davon, nicht einmal eine ahnung; denn wir feilen alle manchfeltiglich, wer aber auch in keinem wort feilet, der ist ein volkomener man. ep. Jac. 3, 2;
die zeit, der kleine punct, den auch kein luchs ersieht.
schmachten? ich bin ganz ruhig, Amalia! nur die umwölkung
spar ich, bis auch kein lüftchen die gaukelnden wirbel gefährdet.
Voss Luise 2, 487;
von meiner liebe sagt das nicht!
denn die läszt nichts sich unterschlagen, nichts,
es sei auch noch so klein!   auch keinen namen!
Lessing 2, 343;
so musz ich hier verlassen sterben,
auf fremdem boden, unbeweint,
durch böser buben hand verderben,
wo auch kein rächer mir erscheint!
Schiller 58ᵃ;
s'isch nummen au kei möseli (fleckchen) dra.
Hebel 102.
g)
die vorliebe der sprache für kein wird recht deutlich in kein jeder für nicht ein jeder:
den tod verachten können
ist keines ieden thun.
Fleming 220.
und in so kein für nicht so ein: ich bin sonsten in Frankreich .. ofters in den catholischen kirchen gewesen .. und haben mir weder arme noch beine gebebet, wie du schreibest dasz dir (in Lissabon) widerfahren. man musz so kein banghase sein, sondern allemahl ein bestendiges standhaftes herz haben. briefe des Hamb. bürgerm. J. Schulte an seinen sohn (1681) s. 22, statt man musz nicht so ein banghase sein, wie wol auch der gewöhnliche gebrauch sagt (in Sachsen wenigstens); das nicht gehört da notwendig zu musz und ist überdiesz von dem ein durch so getrennt, und trotzdem vereinigen sich beide, über das so hinweg. das 'so kein' musz aber in vielen strichen heimisch sein:
es kühlt den brand, es hilft im seitenstiche,
und kurz, so gibts kein pflaster in der welt.
Wieland neuer Amadis (1771) 2, 193,
später geändert als zu volksmäszig;
so kein gesicht sah ich in meinem leben.
Göthe 12, 144,
für so ein gesicht sah ich in meinem leben nicht;
schneide so kein gesicht!
4, 346 (zahme xenien);
ist dir kein mann mehr recht, und ein rechtschaffener kerl nimmt dich nicht. wirst doch so keinen belletristen haben wollen? (Klinger) das leidende weib, ein trauerspiel. Lpz. 1775 s. 15, für wirst doch nicht so einen b. ...;
zu einem schmause,
den die natur
auftischet nur
für unser einen,
lad ich so keinen (keinen solchen, wie beschrieben).
Gökingk ged. (Frankf. 1780) 1, 314, an Boie.
diesz so kein ist das verneinte 'so ein', talis (3, 124). aber auch umgekehrt kein so, wie eben auch 'ein so' 3, 300 (vgl.'so leute' tales homines, thür., bair., schwäb.):
schatz, sei net so traurig
und mach kein so gsicht.
Meier schwäb. volksl. 56.
und mit dem nomen zwischen beiden: sie wird hoffentlich kein narre so sein. Merk br. 2, 60. s. auch unter 21.
h)
kein ist aber nicht blosz nicht ein, sondern auch 'ein nicht', d. h. auch wenn die negation nah zu einem folgenden adj. gehört, verschmilzt sie gern mit ein; man sagt der einfall ist nicht übel, dann das ist kein übler einfall, das genaue 'ein nicht übler einfall' ist etwas schleppend und wenig gebraucht, im gespräche wol von niemand: es (das gefundne geld) würde alsdann als keine unebene aussteuer anzusehen sein. Lessing 1, 485; das ist kein unebnes frauenzimmerchen! 1, 553;
dasz sie ein mensch
gerettet, welchen selbst kein kleines wunder
erst retten müssen? ja, kein kleines wunder!
2, 200;
kein kleiner raub, ein solch geschöpf.
2, 333;
du vogel! es war kein feiner spasz. Göthe 11, 112; der erwählte prophet .. sei kein gemeines werkzeug. 49, 185, ein 'ungemeines', seltenes ist gemeint, nicht 'sei nicht ein gemeines', obwol beide wendungen leicht in einander flieszen;
das mädchen ist kein übler bissen!
Schiller 321ᵇ;
auch mir ...
schlägt in der brust kein minder treues herz.
417ᵇ;
ihr nennt mir keinen unbekannten namen.
528ᵃ;
es ist daher keine geringe aufgabe für ihn ... 1199ᵃ; wie sehr sich auch hr. Bürger in dieser erfindung gefallen haben mag, so ist ein zauberblümchen an der brust kein ganz würdiges und eben auch nicht sehr geistreiches symbol der bescheidenheit. 1233ᵇ, da wird vor dem zweiten adj. das nicht wiederholt, wie eigentlich vor eben das ein aus kein wiederholt sein sollte (was doch wol niemand thäte). man sieht aber daraus, wie deutlich das ein in kein noch gefühlt wird.
i)
selbst vor substantiven erscheint kein ähnlich, dasz die verneinung darin dem subst. gilt:
dem man dem sol kein heil bestan,
der do wolt pfenning von mir han.
fastn. sp. 105, 30,
sachlich ist gemeint ein unheil, wozu schon das bestan (s. 1, 1670 unten) allein passt;
se hin, trink ain guten Pernhart,
dasz dir kain geluck schad!
432, 11,
so wünscht Neidhart als beichtvater seinem feinde, der ihm hasz gegen ihn selbst beichtet, nach dem schade ist mit kein glück deutlich ein unglück gemeint. doch scheint diese wendung, die sonst zu sonderbar wäre, nur gebraucht als mittel, den schlimmen klang einer verwünschung zu mildern, wie das sitte war.
k)
verstärkungen (s. schon unter b und g). am gewöhnlichsten jetzt gar kein, früher auch ganz kein, noch im 17. jh.:
in leid das ganz kein hoffen kennet.
A. Gryphius (1663) s. 494,
wie noch in ganz und gar kein. auch durchaus kein schon im 17. jh.:
von aller menschen orden
gibt keiner mehr durchaus was gutes an.
nur (auch) nicht éin man.
Opitz 4, 29.
auch überall (omnino) kein:
wer aber der keins über al
kan, der ist in der narren zal.
Brant 108, 148;
ohne das würden sie überall keine dichter sein. Schiller 1202ᵃ. im alten canzleistil auch zumal kein: noch ichts dawider furzunemen in zumal kain weg. reichstagsabsch. 1500 B 2ᵃ; in zumal kain weis. E 6ᵇ. auch wird kein wiederholt:
Nathan. wenn deinem herzen sonst
nur kein verlust nicht droht! dein vater ist
dir unverloren! Recha. keiner, keiner.
Lessing 2, 354;
so weit die schiffahrt unsre flaggen sendet,
ist keine stelle, keine, keine wo
ich meiner thränen mich entlasten darf,
als diese.
Schiller 245ᵃ;
und keine, keine schlachten mehr,
nur dich in meinem arm.
Göthe 2, 186.
Im 15. 16. jh. ist das gewöhnliche nie kein (nie gleich 'gar nicht', beispiele s. sp. 462 fg.), schon mhd. nie kein und nie dehein (wb. 1, 422ᵃ). Jenes nie keiner heiszt jetzt vielmehr keiner je (jemals), jenes nindert (niergen) keiner jetzt keiner irgend, irgend keiner, und zwar auch so, dasz in diesen je, irgend der zeit- und ortbegriff oft zurücktreten:
und keiner jemals ist aus sorglichkeit gestorben.
Göthe 1, 21;
Saturnus eigne kinder friszt,
hat irgend kein gewissen.
3, 152;
kein ort wird irgend je gefunden weit und breit,
der ihnen gleichen mag an güt und freundlichkeit.
Opitz 2, 215.
freilich gehören diese irgend, je mehr zum verbum, aber die stellung bei Göthe zeigt, wie sie zugleich zu kein gezogen werden zu dessen verstärkung. das ie .. kein ist übrigens älter, als noch stärkere wendung denn nie kein (wie unter 4, e sp. 467):
ich hab das allerschonste har,
so es ie gewan kein weip.
fastn. sp. 105, 26,
das liesze sich freilich noch fassen als 'je irgend ein weib', aber es wird so gut negativ gemeint sein wie folg. gewiss: jha die menscheit Christi was und stund also gar an sich selber und on all, als ye kein creatur. Luthers ausg. der deutschen theologie Wittemb. 1520 C 3ᵃ (cap. 13), im alten texte bei Pfeiffer c. 15 als nie kein mensche. wunderlich beide nachdrucksmittel gehäuft 'nie keiner ie':
dér (tod) ist der nie keim ie hat gschont,
nie keim gehorsam er ie wart.
Brant narr. 85, 82,
man wird um so mehr daraus abnehmen dürfen, dasz nie kein da noch als eins gefühlt ist, als nachkomme des alten nichein, s. 2, f sp. 460.
8)
Kein tritt aber auch ein, wo ihm ein ein im gewöhnlichen sprachgebrauche nicht entspricht:
es gibt kein mensch kein acht.
weinachtspiel im weim. jahrb. 3, 413;
ich habe keine acht darauf gehabt, auch nicht acht, aber nie eine acht; es war keine aufmerksamkeit da;
ir ougen füllt kein richtum ouch.
Brant narr. 67, 81;
über die hab ich keine gewalt.
Göthe 12, 134;
treibe keinen spott mit mir; (das) hat keine noth. Lessing 2, 343; er hat keinen sinn für das;
dem ist kein sinn in dem haupte, der nicht um sein eigenes wol sich
und um des vaterlands wol in diesen tagen bekümmert.
Göthe 40, 267;
er hat keine freude an etwas (nichts); er kennt keinen kummer; er kann keine ruhe finden;
die gassentretter und die göffel,
die durch die nacht kein ruͦw went han (halten).
Brant narr. 62, 5;
auch da wird keine rast geschenkt.
Göthe 12, 80;
er hat keinen schlaf; kein neid soll mir die freude stören; ich nehme keinen theil an solchen dingen;
man sieht dasz er an nichts keinen antheil nimmt.
Göthe 12, 183;
es leidet keinen aufschub. Schiller 296ᵃ;
hier ist kein aufschub.
438ᵇ;
er hat keine zucht genossen; an gedanken fehlt es diesem künstler nicht, aber er hat keine schule; sein unterricht ist gut, hat aber keine methode; das alles kann keinen erfolg haben; das wird keine zustimmung finden; ich habe keine lust dazu, keine zeit, keine gelegenheit, keinen mut, keine stimmung u. s. w.; freilich tritt bei fast allen diesen auch schon in der bejahenden fassung ein dazu, sobald sie durch ein adj. oder sonst näher bestimmt werden. Ebenso bei stoffen: es ist kein wasser da, besorge mir doch wasser; ich darf keinen wein trinken. Göthe 42, 12 (gleich wein darf ich nicht trinken); ich finde keine tinte im tintenzeug; sie haben kein brot im hause; er hatte kein geld. aber auch hier heiszt es bair. östr. ein wasser, eine tinte, ein brot, ein geld u. s. w., wie mhd. (s. 3, 128. 129, gramm. 4, 411) und auch hd. z. b. im ausruf dás ist ein bier (bierchen)! Ähnlich: versteht er (anrede) denn kein deutsch! Lessing 1, 466, sonst v. e. nicht deutsch;
steht aber doch immer schief darum,
denn du hast kein christenthum.
Göthe 12, 181.
9)
Aber auch da erscheint kein, wo ohne die verneinung nicht ein, sondern vielmehr der steht.
a)
man sagt er kommt nie in die kirche, aber auch an orten, wo nur éine kirche ist, 'er kommt in keine kirche'; so in einem singspiel, dessen schauplatz ein dorf ist, vom schulmeister: keine schule hält er (anrede), in keine kirche kommt er, in die gerichten nun auch nicht. J. B. Michaelis 4, 139 (der einspruch, letzter auftritt), es konnte ebensogut auch noch heiszen in keine gerichten auch nicht, das ist wirklich der stil der gesprochenen sprache. freilich kann man da in dem keine kirche vielmehr die einzelnen gottesdienste denken, wie deutlich in dem keine schule. indessen ist es wirklich eine beliebte form des nachdrucks, deren sich besonders die erregtheit bedient, bestimmte dinge, die sonst mit der zu fassen sind, im verneinen so zu verallgemeinern: ein mensch, der da geistliche ding betrachtet, der vertreibet dick den hunger, das er an kein essen denkt. Keisersberg sünden d. m. 10ᵇ, sonst heiszt es nicht an das essen denkt, das bestimmte, um das sichs zu bestimmter tageszeit eben handelt; laszt sie nun laufen die Hugonoten und Lutherischen, die stets schreien dasz man mit keiner schrift des papst gewalt uberweisen möge. Fischart bienenk. (1588) 132ᵃ, schrift ist 'die bibel', freilich könnte auch bibelstelle gedacht sein;
(kaiser Karl) der sechst an zahl, der erst an ruhm,
ihr zeiten! lernt dén titul fassen!
er zieret noch kein alterthum,
er fliegt allein in unsern gassen.
wer seiner unschuld traut und sich gerecht verweisz,
der scheuet keinen gott.
1009;
er denkt an keinen gott (vgl.allen gott Lessing 10, 310);
gold und schätze der verschwender
halten keinen tod nicht auf,
seine zeit hat ihren lauf
und ihn hindert kein kalender.
Morhof ged. 315;
von keinem tode mehr getrennt.
Schubart (1825) 1, 72;
zinn, wie sichs auch leicht hammern läszt,
doch erträgt es keinen test.
Brockes 9, 16 (s. 9 den test);
er nimmt keinen hut vor jemand ab; er beugt kein knie;
ich biege keine knie und rücke keine kappen
für aufgeputzter ehr und angestrichner gunst.
Logau 1, 5, 3,
beuget auch kein knechtisch knie
für der runden menschen gunst.
3, 212;
éine schwalbe macht keinen sommer;
und die blumen, die dort blühen,
werden keines winters raub.
Schiller 47ᵇ;
doch hat sie auch ein fläschchen balsamfeuers,
dem keiner erde honig gleicht.
Göthe 2, 94;
ich lebe nicht, beglückt zu leben,
das echte glück gibt keine welt.
Burmann ged. ohne R 17;
der mond war auch gekommen,
die sternlein hinderdrein ...
ich sah nach keinem monde,
nach keinem sternenschein,
ich schaute nach ihrem bilde,
nach ihren augen allein.
Wilh. Müller ged. 1, 26;
nicht hinter mich begehr ich mehr zu schauen,
in keine heimat sehn ich mich zurück.
Schiller 498ᵇ;
ich kenne
mich selbst nicht mehr — ich ehre keine sitte
und keine stimme der natur und keinen
vertrag der nationen mehr.
287ᵇ;
könig. sind wir
nicht sohn und vater? ich will doch erwarten,
zu welcher schandthat die natur —
Carlos. natur?
ich weisz von keiner. mord ist jetzt die losung.
301ᵇ;
hier sei kein priester, sagst du, keine kirche,
kein leib des herrn?
442ᵇ.
so sagt man: die alten hatten noch keine integralrechnung; das mittelalter kannte keine polizei wie wir sie haben; das alte testament weisz von keiner unsterblichkeit der seele. Lessing 10, 25; es wuszte von keiner unsterblichkeit der seele, es sehnte sich nach keinem künftigen leben. 10, 312; er glaubt an keinen persönlichen gott, wie freilich auch schon an einen persönlichen gott glaubt er nicht, eine integralrechnung kannte man nicht. 'zu dem kaufmann Lelio? .. ich kenne in der ganzen stadt keinen kaufmann Lelio'. Lessing 1, 501, freilich auch einen kaufmann Lelio kenne ich nicht, aber gemeint ist doch den, den du nennst; damals gab es noch kein königreich Belgien; heute früh war ich im arsenal (in Venedig), mir immer interessant genug, da ich noch kein seewesen kenne Göthe 27, 122;
ich müszte keine schiffahrt kennen:
krieg, handel und piraterie,
dreieinig sind sie, nicht zu trennen.
41, 304;
der tod führt einst von ihrer seite
dich auf zum englischen gesang,
dich zu des paradieses freude,
und du fühlst keinen übergang.
47, 11;
und hoch weg über ihn geht die gewalt
der rosse, keinem zügel mehr gehorchend.
Schiller 394ᵃ;
dem tauben grimm, der keinen führer hört,
soll die entscheidung übergeben sein?
385ᵃ;
Östreich will keinen frieden: darum eben,
weil ich den frieden suche, musz ich fallen.
382ᵃ;
will er genieszen den vatersegen,
kinder und enkelein um sich pflegen,
treib er sein ehrlich gewerb in ruh.
ich — ich hab kein gemüth dazu.
329ᵃ,
d. i. 'nicht das gemüt das dazu gehört';
doch hier ist keine wahl,
ich musz gewalt ausüben oder leiden.
368ᵃ;
hab ich die kraft dich anzuziehn besessen,
so hatt ich dich zu halten keine kraft.
Göthe 12, 40;
er spricht wol gut und ich höre ihn gern, aber er kann immer kein ende (das ende nicht) finden; ich habe in dieser nacht kein auge zugethan, wobei doch niemand eines von den beiden meinen wird; ich habe kein auge von ihm verwandt, vergl. 1, 791;
ein altes sprichwort sagt: kein auge sieht,
wenn das gemüt
beschäftigt ist mit andern dingen.
Brockes 2 (1727), 103;
mit meinem willen soll er keinen fusz mehr in das vermaledeite haus setzen. Lessing 1, 510;
fürchtet nichts,
ich lege keine hand an ihn.
Schiller 301ᵃ;
beim trunk geht vieles drein, ein ordentlicher
bedienter musz kein ohr für so was haben.
353ᵇ.
b)
selbst dann, wenn der sprechende bei dem kein eine bestimmte person im sinne hat: ich hoffte meine frau bei dir zu finden, aber wie ich sehe ist keine frau da, d. i. 'meine frau' nicht da; er hatte seinen Johann bestellt auf ihn zu warten, aber es war kein Johann da; der professor Schmidt sollte den ersten toast ausbringen, aber ich sehe keinen professor Schmidt. auch in diesem sehr 'unlogischen', aber sehr beliebten kein macht sich eine gemütsbewegung luft, verdrusz, bitterkeit, neckerei oder ähnlich, zumal wenn mans dem betroffenen ins gesicht sagt: er hat es aber so kaltsinnig angehört, als ob er niemals keinen Ramsey gekant hätte. Simpl. 1, 82 (1, 79, 30 Kurz, cap. 23), aber gewiss viel älter;
denn sucht sie ihren Cephalus,
Auror' und sucht und weint:
vergebens flieszt ihr thränengusz,
kein Cephalus erscheint.
Chr. F. Weisze amazonenlieder (thränen der amaz.);
aber Blount sasz stöckisch im winkel, als ob kein Mowbray mehr bei ihm wäre. Engel philos. f. d. welt 2, 190 (1777); in den koncertsaal versprach Fiesco zu kommen, und kommt nicht. eilf uhr ist vorüber ... und kommt kein Fiesco? Schiller Fiesco 4, 11 (1783 s. 137); ich stand auf .. rief, schrie (nach dem vater), nirgends kein vater. Bräker 11; da kein Uli erschien, trippelte er hinüber zum hause. Gotthelf 3, 123;
kein Maro, kein Homer, kein hoher Pindarus
hat vor sein heldenlied so reich und starken zunder.
doch was ist der, den kein geschmack beglücket,
kein Opitz rührt und Haller nicht entzücket?
Hagedorn 1, 124;
denn eben dieses, dasz er (Gottsched) den Addisonischen Cato für das beste englische trauerspiel hält, zeigt deutlich dasz er hier nur mit den augen der Franzosen gesehen und damals keinen Shakespear, keinen Johnson, keinen Beaumont und Fletscher u. s. w. gekannt hat. Lessing 6, 42; die nur an einem correcten Racine geschmack finden und so unglücklich sind keinen Shakespear zu kennen. 6, 144, ebenso hier ein, doch mehr nach den beispielen unter c. jenem kein ist das der bei eigennamen zu vergleichen, s. 2, 998 ff. Ebenso engl. no, none, z. b.: Lysander, keep thy Hermia, I will none. Shaksp. midsumm. 3, 2, 'ich mag keine' für 'ich mag sie nicht'; Friedrich .. surprised to find no Loudon meddling with him. Carlyle Frederick the Great 12, 218 (Tauchn. ed.); clearly enough there is no Wesel to be had. 12, 143. und lat. nullus, z. b. Cic. ad Att. 11, 24 Philotimus non modo nullus venit, sed ne per litteras quidem etc.
c)
anders ist kein bei eigennamen, wie ein (3, 132), wenn weniger der mann, als die art gedacht wird als deren vertreter man ihn braucht; z. b. jedes jahrhundert könnte einen Washington brauchen, Rom hat nur éinen Caesar hervorgebracht, 'einen mann wie Caesar' wie man auch sagt:
ern dörfte niht sîn leben geben
umb keines Tristandes leben.
Gotfrid Trist. 454, 24;
wie vrîet si in (die frau den geliebten) vor herzenôt
sô wol sô nie dehein Isôt
deheinen ir Tristanden baʒ.
454, 34;
ich wil einen edeln kneht,
kein Gôʒbreht (bauername)
kumt ze mînem lîbe.
Neidhart ⅬⅠⅠ, 5;
sie (die Niniviten) nomen uf noch gröszer we,
des schickt in gott kein Jonas me.
Brant narr. 25, 20;
die stadt (Rom) die aller welt für diesem vorgeschrieben,
vollbrachte was hernach ihm éiner liesz belieben.
es half kein Cicero noch tausend zungenschar,
es half kein Cato zu, wie sauer er auch war ....
da war kein Scipio, kein Fabius gehöret,
kein bürgermeister mehr noch rathesherr geehret.
da war kein Cassius, kein Brutus in der stadt,
der feindlicher gewalt frei unter augen trat.
Opitz 3, 273;
kannst du kein Opitz sein, kein theurer Flemming werden,
o es ist raum genug vom himmel bis zur erden.
Rachel 8, 241;
ich bin kein Opitz nicht, der bleibt noch unser meister.
Chr. Weise überfl. ged. (1701) 194;
er will, er kann (wie oft trifft beides ein!)
kein Cineas von einem Pyrrhus sein.
Hagedorn 1, 57;
und göttern etwas abzuschlagen
sei auch an keiner Daphne schön.
2, 76;
mich soll auch most und wein von keiner Doris trennen.
3, 94;
war für dich kein Thermopylä?
Chr. F. Weisze amazonenlieder (empfind. der amaz. nach einer verlornen schlacht);
wir werden eine beleidigte zürnende liebhaberinn in ihr erblicken, nur keine Elisabeth nicht. Lessing 7, 112, von der rolle der königin Elisabeth in Corneilles Essex; ich werde es zuverlässig besser machen, und doch lange kein Corneille sein. 7, 455; doch alles dieses macht ihn zu keinem Garrick. 7, 34;
ist denn kein hügel in der welt,
kein Ararat der auf mich fällt?
Schubart (1825) 1, 235;
da kann die kunst das edle nicht gestalten,
von keinem Ludwig wird es ausgesät.
Schiller 99ᵇ;
Fiescos schande macht keinen Calcagno bei mir steigen. 154ᵃ;
ihr treffet einen guten tausch. kein karger,
kein Ferdinand ists, dem ihr euch verpflichtet.
352ᵃ.
Auch im pl., wie lat., das neunzehnte jahrhundert bringt keine Shakspeare hervor, wie auch mit dem bestimmten artikel (2, 1002), und dieses schon mhd.:
ahî waʒ man ir noch hiute siht,
der Marke und der Îsolde ...
Tristan 446, 17;
waʒ man der Êven vünde
noch hiutes tages!
451, 10.
d)
wieder anders sind die fälle, wo kunstwerke, bücher u. dgl. mit einem eigennamen bezeichnet werden: das kann kein Dürer sein, kein werk von Dürer; dasz es (das buch) kein Reineke Fuchs ist. Lessing 6, 54.
10)
Kein als verneintes ein sollte streng genommen keinen plural haben, wie ein keinen hat (ein vorwurf, aber nur vorwürfe); dazu kommt dasz ja der verneinte sing. mit dem éinen die ganze art verneint, und wirklich stehn sich im gebrauch gegenüber alle jahre (jedes jahr) und kein jahr, auf alle fälle (auf jeden fall) und auf keinen fall; und dasz kein mit einem subst. im sing. oft vielmehr pluralisch gedacht wird, zeigen fälle wie Branders grundsatz in Auerbachs keller:
ein ächter deutscher mann mag keinen Franzen leiden,
doch ihre (nicht seine) weine trinkt er gern.
Göthe 12, 114.
Trotzdem ist der pl. keine für gewisse fälle in gebrauch, wenn nämlich das subst. eben nur plural ist, oder in einem gewissen sinn als plural gebräuchlich, in welchem falle auch ein früher den pl. zuliesz (s. 3, 134. gramm. 4, 397. 411), oder wenn eine bestimmt gedachte mehrheit als solche verneint werden soll, manchmal wol auch, um die verneinung scheinbar kräftiger zu machen. so stehn sich gegenüber ein vorwurf und kein vorwurf, aber auch vorwürfe und keine vorwürfe, oder viele (manche u. a.) vorwürfe und keine vorwürfe.
sô er sînen gelingen
mit keinen schînlîchen dingen
niht erziugen möhte.
Iwein 1526;
daʒ sich noch nie gehabten deheine liute baʒ.
Nib. 1382, 1;
den hêrren muoten selten deheiniu herzeleit.
45, 1;
keiner bluomen ist sô vil
sô der brûnen dâ.
Neidhart ⅩⅩⅠⅩ, 5;
ich sachs (die rosen) an keinen örten val.
Hätzl. 234ᵃ;
und wirt sich in kein dingen sparen (vgl. dazu 2, 1166 fg.)
und in dem narrenschiff ouch faren.
Brant 5, 25;
hatte keine söne. 4 Mos. 26, 33; hat er keine tochter, solt irs seinen brüdern geben, hat er keine brüder, solt irs seinen vettern geben. 27, 9. 10; thut dieser grewel keine. 3 Mos. 18, 26; nach diesem kamen auch andere (liebhaber an die reihe), und zwar keine die nicht tapfer spendieren konnten. Simpl. 2, 133;
die welt kan nicht bestehn, die länder nicht in ihr,
in ländern keine stadt, in keinen städten wir.
Opitz 3, 284;
überhaupt läszt sich von keinen briefen weniger hoffen als von denen, die der geist des ceremoniels und der mode eingeführt. Gellert 1784 4, 67, da wäre der sing. geradezu unmöglich, denn es ist 'eine art von briefen' gemeint und diesz durch den pl. briefe ausgedrückt, und derselbe fall kommt im folg. öfter vor; da hat man dir nun wol keine lügen gesagt. Lessing 1, 235; oder halten sie es für keine wolthaten, der armuth und allen ihren unseligen folgen entrissen zu werden? 1, 238;
sie schlief und weit und breit
erschallten keine nachtigallen.
1, 58;
weil du denn deiner freundschaft gegen mich durchaus keine schranken willst gesetzt wissen. 1, 483; aber ich habe heute keine thränen. 1, 517; ob ich ihm keine dienste erwiesen habe? 1, 550; sie haben vor dem herrn wachtmeister keine geheimnisse? 1, 560; solcher väter gibt es keine mehr. 2, 188; Horaz versichert gleich anfangs den Mäcenas, dasz keine gedichte lange leben könnten, welche von wassertrinkern geschrieben würden. 3, 425; sind das die leute, mit welchen man etwas streitiges aus den alterthümern beweiset? keine bessern wissen sie nicht? 3, 422; des abends aber fällt (bei der von putzsucht bekehrten frau) der nachttisch von selbst weg, indem keine tausend nadeln (wie vorher) auszuziehen und keine hundert kostbare kleinigkeiten wegzukramen sind. Möser patr. ph. (1778) 1, 5; keine leute sind eingebildeter als die beschreiber ihrer empfindungen. Lichtenberg 1, 164; keine leute sehen mehr verdienste an sich selbst als diejenigen an denen sonst niemand keine sieht. Wieland 11, 43; welches bei keinen begriffen .. statt findet. Kant 4, 175; sie vermuthet wol keine andere als freundschaftliche gesinnungen in mir. Göthe 7, 127;
oberleder bringen sie,
aber keine sohlen.
3, 149;
auf der bühne lieb ich droben
keine redumschweife.
3, 148;
mich plagen keine scrupel noch zweifel.
12, 29;
mein busen, der vom wissensdrang geheilt ist,
soll keinen schmerzen künftig sich verschlieszen.
12, 89,
schmerzen keiner art, 'keinerlei schmerzen', wie man gern sagt;
das preisen die schüler aller orten,
sind aber keine weber geworden.
12, 96;
und dasz, so lieb sein kopf ihm ist,
die hosen keine falten werfen!
12, 111;
denn ein geschäftiges weib thut keine schritte vergebens.
40, 265;
blumenkohl und artischocken wie keine in Europa. 42, 14; ich kenne keine weiber. 42, 17; dafür bin ich mit kartoffeln und rüben erzogen, das kann keine zarte gesellen machen. 42, 24;
so schreiten keine irdischen weiber.
Schiller 58ᵇ;
wir sind keine lohnknechte. 313ᵇ;
und schnell, als wär es ewig so gewesen,
schlosz sich der bund, den keine menschen lösen.
498ᵃ;
dem mimen flicht die nachwelt keine kränze.
318ᵃ;
o eile, geh! mach keine worte mehr!
395ᵇ;
ich trage keine lehen als des reichs.
530ᵇ;
herr, ihr habt keine kinder.
536ᵇ;
mach nur keine umstände!; er hat wenig oder keine aussichten; wenn du keine besseren gründe hast!
11)
Diesz kein steht sogar vor zahlwörtern, doch nur wenn die vielheit darin als eins gedacht wird, wo auch die artikel der (s. 2, 985) und ein (3, 137) vortreten können: 'ich habe nur noch ein paar nummern zu erledigen'. wie viel denn? 'ach es sind keine drei'; in einem ganzen glaskram findet man keine zwei gläser, die von einerlei ton sind. Mattheson organistenprobe, Hamburg 1719, theor. vorb. s. 109; noch sind es keine vierhundert jahre, dasz der hanseatische bund den Sund und die handlung auf Dännemark .. behauptete. Möser phant. (1778) 1, 258; ich sehe meinem processe unter keinen vier monaten ein ende. Lessing 12, 94; versetze ihn (den ring)! lasz dir achtzig friedrichdor darauf geben. die rechnung des wirths kann keine dreiszig betragen. 1, 522; von da bis zur wüste Paran hatten sie keine vierzig meilen. Göthe 6, 173. 174; es ist noch keine zwei stunden her; es sind keine drei viertel stunden bis dahin.
12)
Bemerkenswert ist kein mit dem infinitiv, z. b. da (bei dem) hilft kein singen und sagen, d. i. wás man ihm auch sage (vorstellend, zuredend), oder wér es ihm auch sage, es hilft alles nichts; ebenso wieder ein (3, 133), z. b. da konnte man ein herzen und küssen sehen!;
dás war ein spazieren,
auf dorf und tanzplatz führen!
Göthe 12, 187,
d. i. eins wie es selten vorkommt, worüber man sich wunderte.
a)
dâ wart dehein wider streben.
pf. Amis 908;
der burger het kein widerstreben.
Vintler bei Haupt 9, 90;
wenn es euch kein verschmahen wär,
wolt euch mein gut verschreiben.
Uhland volksl. 436;
van werfen und auch schieszen
sah man da kain verdrieszen.
Behaim Wiener 82, 2;
und ker dich auch an kain ornkrauen!
fastn. sp. 785, 11;
kein bliben han uf diser erden. Keisersberg bilg. 2ᵃ;
das unsers zuͦlend (landung) ist kein hoffen.
Brant narr. 108, 44;
ein tag (verhandlung) thet man beschriben
gon Zell an (d. i. an den) Undersee,
ob mans möcht bringen zum friden,
sunst wer kein feiren me (würde man durchaus nicht mehr zögern),
das schlosz das müest zerbrechen.
Soltau 2, 65;
es darf (bedarf) süst keines fächten.
2, 143;
wo got hüt, darfs kein sorgen.
2, 146;
darbei so ist ein nasz morasz,
kein schanzen kond ihn gelingen.
2, 277;
und sind noch fünf jar, das kein pflügen noch kein erndten sein wird. 1 Mos. 45, 6; denn hie wird kein entrinnen sein fur Absalom. 2 Sam. 15, 14; bis der grim des herrn uber sein volk wuchs, das kein heilen mehr da war. 2 chron. 36, 16, keine möglichkeit zur rettung; meine augen flieszen und können nicht ablassen, denn es ist kein aufhören da. klagl. Jer. 3, 49; wenn er zubricht, so hilft kein bawen. 12, 14; weiter hin aus wird kein widerkeren sein. 40, 5 (auch weish. Sal. 2, 5); es sollen weinleser uber dich komen, die dir kein nachlesen lassen. 49, 9; fur im gilt kein ansehen der person. Sir. 35, 15, vgl. Röm. 2, 11; dich hilft kein ausred tichten. Wickram rollwagen 67ᵇ;
es ist kein immer leben,
es musz gescheiden sein.
geistl. lied bei Mützell 1063;
nach mals was kein beleiben,
sie musten all darvon.
Körners hist. volksl. 109;
das (für des) ist kein lachen.
Soltau 2, 249;
Nepos ist ein roher mensch, weisz und helt von keinem schämen.
Logau 3, 7, 91;
in leid das ganz kein hoffen kennet,
in wonne die kein sorgen trennet.
A. Gryphius (1663) 494;
es ist kein trauen mehr (im lande).
Fleming 116;
kein mund zu munde kehren (küssen),
kein' hände-küplerei, kein dienen forn' und hinden
befreundet uns mit uns (macht wahre freundschaft).
60;
vor Sittah gilt kein winseln, kein
verzweifeln.
Lessing 2, 347;
hier gilt kein flehen, hilft kein sagen,
so wag ichs dich hinweg zu tragen.
Göthe 12, 245;
und da galt kein vorbereiten.
1, 199;
hier hilft nun weiter kein bemühn.
2, 310;
kein zweifeln mehr! sie tritt ans himmelsthor.
3, 24;
drum thu wie ich und schaue froh verständig
dem augenblick ins auge! kein verschieben!
3, 28;
kannten sie doch kein verschonen.
4, 374;
spaszt nur! so lange dér thut walten,
denk ich euch mein seel an kein entlaufen.
Schiller 322ᵇ;
dem alten manne, den am grabesrand
kein irdisch hoffen mehr verführen kann.
418ᵃ;
wo keine schuld mehr sein wird und kein weinen.
444ᵃ;
er sparte kein locken, die schüchterne scham
zu seinem gelüste zu kirren.
Bürger (1789) 2, 169;
mit dem ist kein fertig werden; ich leide kein drein reden; ich sehe kein durchkommen. ebenso mnl.:
hier ne mach sîn gheen langer staen.
Reinaert 631;
doe ne was daer gheen langer staen.
712.
b)
dieser inf. aber tritt merkwürdiger weise auch im gen. auf. die gaben im zu erkennen, da wer kaines fechtens (ein kampf nicht möglich). Wilwolt von Schaumburg 100;
gar bald sie eilten von der stat,
es was keins beitens mere.
lied vom herzog Ernst str. 55 (Haupt 8, 495);
ob mir die königin würd zu theil
in freundlicher lieb und bulerei.
ich hoff sie zu erwerben frei,
denk dasz da keins abschlagens sei.
H. Sachs 3, 2, 65ᵇ (1588).
zuerst hiesz es wol keins beitens, fechtens nicht (nihil). Noch heute, doch mit unverändertem kein, sodasz die genitivform des inf. wunderlicher weise als nom. (acc.) gefühlt wird: da half kein knüpfens. Simpl. 1, 182; auf diesem punkt ist kein säumens mehr. Fr. Müller 3, 249;
mein ort hat ke bleibens,
mei bleibens ken ort.
Göthe 3, 64;
hier ist kein bleibens mehr. 42, 427 (s. mehr oben 2, 95); herzogin Luise läszt ihnen sagen, sie möchten bald wieder gesund werden, denn ohne sie sei kein auskommens. an frau v. Stein 1, 4. und so sagt man mach nur kein aufhebens (sogar kein groszes aufhebens), oder kein wesens davon, mach nur kein redens weiter; mit einer pfeife kann man sich hier kein ansehens geben. Malsz volkstheater in Frankf. mundart (1850) bog. 35 s. 51. Ebenso heiszt es aber auch ein wesens, aufhebens machen, schon im 16. jh.: wenn es abend ward, so bat er verzeihens. Keisersberg granatapfel P 7ᵈ; hast du es um verzeihens gebeten. P 8ᵃ; und des in iren ampten und bevelhen fleiszig aufsehens zuhaben. reichstagsabsch. Augsb. 1500 B 3ᵇ. C 1ᵇ. E 2ᵃ; aufmerkens haben. C 4ᵇ; so seind wir (k. Maximilian II.) .. des genedigen erbietens, das wir (für diese sache) .. ganz christlich, trewlich, emsig und vätterlich nachdenkens haben wöllen. abschied des reichstags zu Augsb. 1566 (Mainz 1566) 3ᵇ; dieser tyrannische feind, von dem man seiner gewonheit nach anderst nichts denn grimmigen tyrannischen wütends, genzlich (adv.) verwüstens land und leut (acc.), und sonderlich entlichs ausztilgens ... zu erwarten. 11ᵇ, hier stehn auch die adj. noch im gen.; weiter anlangens und ersuchens bei anderen gleicher gestalt zu thun. 17ᵃ; alles möglich einsehens zu haben. 17ᵇ; in unser verner genedigs, getrewes, sorgfeltigs nachdenkens gestelt. 29ᵃ; (beim empfang war) ein solch handgebens, hendschlagens, hendtruckens, die hend auf die knie stoszens, als ob alle metziger zu Lins auf den viehmarkt zusammen kommen weren ungerisch vihe zukaufen, ein solch umfangens, rückenklopfens, röcklinzerrens, höfischen anlachens, hingebens dasz ein wunder war. Fischart Garg. 239ᵇ (450 Sch.); wann .. er zu antworten nit bedenkens (hat). Winkelfelder 185; ohne schnaubens und bartwischens. Simpl. 2, 37. s. auch u. dillendellen, besonders einsehen 3, 291. vielleicht schon mhd. in den Mariengrüszen:
geboren ûʒ dirre werlde vluot,
diu sam daʒ mer nû wüetens tuot.
Haupt 8, 284.
Diese genitive werden sich nicht, wie vor essens (s. 3, 1168) durch ausfall eines subst. erklären lassen, es sind wol meist genitivi partitivi, viel, wenig wesens machen u. dgl. war die anfängliche redeweise; und auch kein war als ein wort gefühlt das ein theilverhältnis ausdrückt, theils wegen des stillschweigend darin ausgesprochenen nicht (das, ursprünglich nihil bedeutend, den gen. regierte, vielfach noch im 16. jh.), theils als eine art verneintes zahlwort, s. das beispiel 6 a. e. sp. 473. noch deutlicher in einem briefe des L. Cranach Wittemb. 1568 an h. Albrecht von Meklenburg: e. f. g. wollen meins schreibens kein ungemaches tragen. Lisch jahrb. des vereins f. mekl. gesch. 21, 309, kein ungemaches für nicht ungemaches. der genitiv war im munde unserer vorfahren ein sehr beliebter casus, umgekehrt gegen jetzt, wo er vorm aussterben nur durch die schriftsprache gerettet wird.
13)
Wie die andern negativa bildet auch kein fragen, in dem nicht darin ruht ein theil der fragekraft, das meist genauer zum verbum gehört, s. sp. 476: ist hie kein prophet mehr des herrn, das wir von im fragen? 1 kön. 22, 7;
sagt, menschen, ists kein (nicht doch ein) glück, sein schicksal nicht zu wissen?
Gellert (1784) 1, 61;
ich kein freund vom herrn major? Lessing 1, 550;
das wär kein wunder, wundersüchtges volk?
2, 202;
er hat
ihr einen vater aufgebunden — wird
er keinen (nicht auch einen) bruder für sie finden?
2, 356;
ist keine hülfe gegen solchen drang?
Schiller 529ᵇ;
'sie haben doch keine (nicht etwa eine) intrigue hier gehabt?' sagte endlich der prinz zu mir. 717ᵃ;
o ihr herren, o ihr werthen
groszen reichen herren all,
braucht in euren schönen gärten
ihr denn keine nachtigall?
Rückert liebesfrühling 2, 11.
14)
Beachtenswert sind gewisse fälle bei denen kein mitwirkt, wo in gekürztem ausdruck das verbum unterdrückt wird, besonders bei einem ausruf, verbot, warnung, erstaunter, vorwurfsvoller, hastiger frage oder in sprichwortsfassung: keine ausflucht, keine einwendungen! kein wort weiter! kein leichterer tod dan eim alten man ein jung weib. Fischart ehz. 522 Sch.;
kein gröszer freud
als wo zwei gleiche herzen
einander lieben beid.
518;
kein wunder dasz ein leirer bist,
dieweil du auch die saiten friszt.
groszm. 576;
holdseligste! kein wort!
A. Gryphius (1663) 306;
kein doctor der beste doctor. Gellert (1784) 3, 406; nur keine vorwürfe, herr Philto! Lessing 1, 480;
dem guten boten
kein botenbrod?
2, 330;
dein (Carlos) herz ist ausgestorben. keine thräne
dem ungeheuren schicksal der provinzen,
nicht einmal eine thräne mehr!
Schiller 270ᵃ;
und keine rettung? 'keine'.
295ᵇ;
da wird es nacht vor meinen sinnen.
nichts, nichts, kein ausweg, keine hülfe, keine
im ganzen umkreis der natur!
299ᵇ;
kein zweifel mehr, sie drang
in deiner liebe innerstes geheimnis!
269ᵇ;
jetzt keine antwort!
257ᵃ;
drum keine zeit verloren!
339ᵇ;
doch keinen spott!
346ᵃ;
kein lächeln, gräfin!
das.;
es geht zurück
mit diesem edlen haus — kein masz noch ziel!
352ᵇ;
versiegelt hab ichs und verbrieft dasz ér
mein guter engel ist, und nun kein wort mehr!
369ᵇ;
drum keine furcht mehr!
404ᵇ;
bst! keinen lärmen!
597ᵇ;
darum kein unversöhnlicherer feind, kein neidischerer amtsgehülfe, kein bereitwilligerer ketzermacher als der brodgelehrte. 1002ᵇ; kein gerechterer beurtheiler fremden verdienstes als der philosophische kopf. das.; freund, keinen abschied! Göthe 8, 296;
keine luft von keiner seite!
1, 73;
drum thu wie ich und schaue froh verständig
dem augenblick ins auge! kein verschieben!
3, 28;
heuer nur, um gotteswillen,
liebe mutter, keinen kohl!
3, 60;
nur kein düster streben!
5, 21;
aber, aber keine lehren!
11, 82;
nur keine furcht dasz ich diesz bündnis breche!
12, 88;
was! nicht ein schaustück? kein geschmeid?
12, 152;
von hier ins ewige ruhebett
und weiter keinen schritt.
12, 243.
15)
Kommen mehrere begriffe zusammen die mit kein zu verneinen sind, so gibt es dafür mehrerlei formen.
a)
entweder kein wird mehrmals wiederholt, besonders gern dreimal: und ist keiner unter inen müde oder schwach, keiner schlummert noch schleft, keinem gehet der gürtel auf von seinen lenden und keinem zureiszet ein schuchrime. Jes. 5, 27; nu aber kompt uber in kein rüstung, kein heer, kein kriegsvolk, kein stöszer, sondern schlecht ein stimme oder geschrei. Luther vorr. zum Daniel, Bindseil 7, 389; es hilft keine kunst, kein witz, kein tichten wider gott. werke 3, 59ᵇ;
kein Türk, kein heid, kein Tatter
solchen unflat erfindt.
Uhlands volksl. 528;
kein westerhembde nicht,
kein nagel von der hand, kein haar, kein blut, kein liecht.
Opitz 2, 280;
kein stand, kein ort, kein mensch ist seines creuzes frei.
A. Gryphius sonn. 1, 10;
alles ist finsternis um sie her, keine aussicht, kein trost, keine ahnung! Göthe 16, 71;
da war kein profaner, kein eingeweihter zu sehen.
Schiller 87ᵇ;
kein rufen hilft, kein zügel hält es an.
98ᵇ;
keine zeit, keine reue, kein noch so vollwichtiger ersatz konnte diese verschuldungen aus dem gemüthe ihres herrn vertilgen. 835ᵇ;
dir blüht kein frühling, wann du gestorben bist,
dir weht kein schatten, tönet kein becherklang,
dir lacht kein süszes mädchenlächeln,
strömet kein scherz von des freundes lippe.
Hölty 112.
b)
oder éin kein, das erste (wie bei ein und der), wirkt auf mehrere folgende begriffe fort:
kein hasen, repphuͦn vohet (fängt) man.
Brant 74, 9;
hie ist kein achse, deistel, gestell, lonsen, leiter, woge, seele (siele) noch strenge, sondern der geist inwendig treibets alles gewiss. Luthers vorr. zum Hesekiel, Bindseil 7, 351.
c)
oder aus dem ersten kein wird zwar nicht der artikel, der aus jenem fortwirkt, aber doch die negation wiederholt in noch (neque); das ist früher die häufigste form:
kein zucht noch ere ist me uf erd.
Brant 49, 5;
kein frid noch früntschaft me do blibt.
52, 16;
so lieb ist ir kein schlof noch freyd.
53, 13;
und er hatte sonst keinen son noch tochter. richt. 11, 34; auch kein schaf noch rind las weiden gegen diesem berg. 2 Mos. 34, 3; keine widwe noch verstoszene noch geschwechte noch hure. 3 Mos. 21, 14; hie ist kein Jüde noch Grieche, hie ist kein knecht noch freier, hie ist kein man noch weib. Gal. 3, 28; das kein mittel noch raht einiger bezahlung .. zufinden sei. Fischart bien. (1588) 101ᵇ; das kein schlechter priester noch (ein schlechter) pfaff sich solches weihens unterstande. 132ᵃ;
und auszer ihrer hülf allhier kein weib noch mann,
kein dorf noch stadt noch land erhalten werden kann.
Opitz 2, 81;
der keinen fusz noch hand hat. Olearius pers. ros. 3, 24;
sein eigne witz hat keine kraft noch that.
Logau 1, 8, 25 (s. 171);
mich plagen keine scrupel noch zweifel.
Göthe 12, 29;
hier braucht es keine kunst noch list.
13, 162;
dasz uns keine gewalt noch list
von dem Friedländer weg soll treiben.
Schiller 329ᵇ;
es geht zurück
mit diesem edlen haus — kein masz noch ziel!
352ᵇ.
d)
es tritt dann gern (nach 4) vor dem zweiten nomen wiederholtes kein auf:
als ob kein got wer noch kein hell.
Brant 11, 4;
ja wer kain himel noch kain hell.
das kein pflügen noch kein erndten sein wird. 1 Mos. 45, 6; ich bin kein prophet noch keins propheten son. Amos 7, 14; sein (des pabstes) hochheit und würde ist so grosz, dasz sie kein zung auszsprechen noch keins menschen verstand begreifen kan. Fischart bien. (1588) 134ᵃ.
e)
es wird nach einfachem kein blosz und gesetzt:
so soll die welt auch sehn, dasz keine noth und leiden,
dasz keine tyrannei gott und sein volk kan scheiden.
Opitz 3, 275;
wollen dieser guten zeit (lust)
kein gebot und weise setzen.
3, 81;
euch ist kein masz und ziel gesetzt.
Göthe 12, 88.
f)
kein bei und wiederholt (jetzt die gebräuchlichste form): keiner lebet im selber und keiner stirbet im selber. Röm. 14, 7; das kein auge gesehen hat und kein ohre gehöret hat und in keines menschen herz komen ist. 1 Cor. 2, 9;
kein würgen, keine schlacht, kein marter und kein pressen.
Opitz 3, 275;
wohin kein lichtstrahl und kein auge dringt.
Schiller 599ᵃ;
da rann kein sand und keine glocke schlug.
346ᵇ;
da ist kein widerstand und keine wahl.
502ᵇ;
Blücher liesz dem fliehnden feinde
keine zeit und keine ruh.
Soltau 2, 481.
g)
auch folgt oder nach kein: du solt auch dem herrn kein zustószens oder zuriebens oder das verwund ist opfern. 3 Mos. 22, 24, und wird früher auch da kein wiederholt:
mein lieb wil ich euch machen kunt,
die hat kein end oder kein grunt.
fastn. sp. 132, 15.
h)
die in diesen formen gebotene manigfaltigkeit (kein - kein, kein - noch, kein - noch kein, kein - und, kein - und kein, kein - oder, kein - oder kein) wächst noch durch verbindung derselben: man spricht das ein sperwer nit den andren isset noch ein hund den andren noch kein thier das ander das seiner lei ist. Keisersberg klappermaul B 3ᵃ; ir solt kein frembd gereuch drauf thun, auch kein brandopfer noch speisopfer und kein trankopfer drauf opfern. 2 Mos. 30, 9; sie sollen keine hure nemen noch keine geschwechte oder die von irem man verstoszen ist. 3 Mos. 21, 7.
16,
a)
'Keiner mehr' ist das gewöhnliche, um den letzten mit ausschlusz jedes folgens zu bezeichnen, wie nicht mehr u. s. w.:
(der hat) ein guͦten tag und keinen me.
Brant narr. 52, 4;
das reden wird mir sauer, ich kann kein wort mehr aufbringen. Gellert (1784) 3, 405;
und nun kein wort mehr!
Schiller 369ᵇ.
hier nehmen kein .. mehr ihr nomen in die mitte, wie kein .. nicht unter 4; wenn aber das verbum nachfolgt, zieht es gern mehr (und nicht) zu sich:
kein zucht noch ere ist me uf erd.
Brant 49, 5;
mein schlosz, fürcht ich, wird bald kein aufenthalt für weiber mehr sein. Göthe 42, 112;
kein gott erscheint, kein engel zeigt sich mehr.
Schiller 482ᵇ;
kein auswärtiges schiff erschien mehr in seinen häfen, kein abenteurer zeigte sich mehr. 1021ᵃ. Logau, der in der wortstellung so viel neuerte, setzt auch mehr nachdrücklich voran:
ich mein ein eigen haus, daraus mich mehr kein tod,
kein teufel, kein tyrann vertreibt und keine noth.
1, 8, 70.
b)
auszer mehr dienen auch sonst, fürder, anders, jetzt hauptsächlich weiter, und von den beiden letzten auch die adj.: er hatte sonst keinen son noch tochter. richt. 11, 34;
und sie beneidete sonst keine königinn
als dich, du königinn der bienen.
Hagedorn 1, 119;
ich wil dir kein leid fürder thun. 1 Sam. 26, 21;
so gewinn ich gerne einen
und anders deheinen.
Iwein 1912;
kein sacrament anders dann den tauf und das nachtmal. Fischart bien. (1588) A 5ᵃ;
es kennt die creatur fast anders keine freuden.
Brockes 1 (1728), 410;
kein ander (auszer Aaron) sol es essen. 2 Mos. 29, 33;
kein anderes war meines vaters unrecht.
Schiller 523ᵇ;
Dorant, ein reicher mann, der weiter keinen erben
als einen vetter hinterliesz.
Gellert (1784) 1, 196.
c)
die genannten wörter gemischt und gehäuft:
wer durch kein ander ursach me
dann durch guͦts willen grift zuͦr ee.
Brant narr. 52 überschr.;
da kund er fürder im kein wort mehr antworten. 2 Sam. 3, 11; ich bin der herr und sonst keiner mehr. Jes. 45, 5; haben wir fürder kein ander opfer mehr fur die sünde. Hebr. 10, 26;
bisz sonst kein pferd mehr bleib als kinderpferde.
Logau 1, 7, 82;
er schien keine thräne mehr zu haben, keines schmerzes weiter fähig zu sein. Göthe 17, 412;
kein andrer sonst als der Wallenstein.
Schiller 327ᵇ.
17)
Kein hat, wie die andern verneinungen, ausnahmeworter nach sich, mhd. gewöhnlich wan nisi, auch danne, âne.
a)
so noch im ältern nhd. wen, denn, ohne:
kein liebern will ich wen dich han.
Brant 33, 46;
und ist kein gott denn du. 2 Sam. 7, 22; keinen mittler haben dann Christum Jesum. Fischart bien. (1588) A 5ᵃ;
und solt keim andern beichten gar
denn unserm caplan hinderm altar.
H. Sachs 4, 3, 8ᶜ;
kein gott ist on ich. Jes. 45, 5, und so meist in der bibel. ebenso auszer (s. 1, 1031).
b)
jetzt ist das herschende als und wie; als ist älter als 1, 250 angenommen ist (vgl. oben sp. 338 aus Teichner): das also kein ermer .. discipel nicht ist auf erden, als gott. Luther 8, 305ᵃ (Wittenb. 1581 4, 603ᵇ, Wack. leseb. 3, 1, 199); kein feiner noch meisterlicher gedicht als das buch von Reinicken. Alberus Es. 9, diesz kein ärmer, feiner musz eigentlich und zuerst gedacht worden sein als 'kein so armer, so feiner', und das als nach comparativen ward vielleicht erst durch diesen fall herbeigeführt wo comparativ und negation zusammen vorhergehn:
und dasz man keine sonne findt
als (auszer) bei Neptunus scharfen quellen.
Hoffmannswaldau sterb. Socr. (1700) 136;
die keinem die tanzenden bären weisen als der geld darzehlet. Schuppius 411;
da bleibt kein rath als gränzenlose thränen.
Göthe 3, 28;
ich habe kein gebet mehr als an sie. 16, 79; der müller denkt, es wachse kein weizen als damit seine mühle gehe. 49, 50; kann ich dir auf dieser welt noch einen dienst erzeigen? 'keinen, als an dich selbst zu denken'. Schiller 721ᵇ;
ich trage keine lehen als des reichs.
530ᵇ;
so ist für ihn kein leben als im licht.
542ᵃ;
den gatten raubte dir der tod. diesz unglück
ist kein geheimnis mehr, als dir allein.
612ᵇ.
die volkssprache zieht jetzt auch hier wie vor: ich habe keinen tag frei wie den sonntag; keiner hats gesehen wie du.
18)
Kein mit subjunctiven sätzen, wie die andren verneinungen.
a)
mit relativsatz: da ist keiner der guts thue. ps. 14, 1;
kein künstler glaub ich ist, der schwarzes färbe weisz.
Logau 1, 8, 85;
ist hier kein andres auge,
das mitleid für mich hätte?
Schiller 387ᵃ;
es ist kein gesicht in dieser versammlung, das mich zum rückfall bringen könnte. 314ᵃ. mit verneinung im zweiten satze:
ich gib dich keinem manne,
den ich selbs nicht erkennet han.
lied vom h. Ernst 64 (Haupt 8, 198);
kein zitlich wollust würt so suͤsz,
do von nit gall zuͦ letst usz fliesz.
Brant 50, 29;
kein übel läszt sich erdenken,
wofür sie kein mittel wuszte.
Wieland Amadis (1771) 2, 192;
keine stadt war so klein, worin in diesem mörderischen jahre nicht zwischen fünfzig und dreihundert wären zum tode geführt worden. Schiller 850ᵇ.
b)
mit beschränkungs- oder bestimmungssatz:
kein hasen, repphuͦn vohet (fängt) man,
es stat ein pfund den jäger an.
Brant 74, 9,
d. i. dasz es (oder das) ihn nicht ein pfund kostet (oder kostete), wie die schulgerechte wendung jetzt ist (sie stammt wol auch nur aus der schule, vom lat. quin); aber Brants wendung ist noch heute die volksmäszige und im gespräch und bei dichtern herschend. sie gehört zu den merkwürdigkeiten unserer syntax, als eine fügung von solcher einfachheit, dasz es eigentlich keine fügung mehr ist, denn nur der ton der stimme bindet die beiden gedanken. Doch ist sie nur verderbt aus einer feinen mhd. fügung, die in der übergangszeit verloren gieng. denn im mhd. erforderte der beschränkungssatz den conjunctiv und, was dem gedanken nach eig. gar nicht fehlen kann, eine negation (die beide zusammen gewissermaszen die fehlende conjunction ersetzten), es hiesz da: eʒ enstâ (danne) den jeger .., quin constet, wie auch in der zweiten fügung unter a mhd. gern gesagt wurde, z. b. in dem liede vom h. Ernst wäre es da ich enhabe in selbe erkant (doch auch mit relativ, z. b. Flore 5116, s. Wackernagel in den fundgr. 1, 279). Daraus kam die heutige fügung, theils durch das schwinden der dem gefühl gleichgültig gewordenen negation en (vgl. 3, 445), theils durch die neigung den conj. durch den gröberen, aber lebhafteren ind. zu ersetzen. aber schon in der mhd. zeit, ja früher (Wackernagel a. a. o.) erscheint das weglassen der negation; doch hielt man wenigstens den conj. lange fest, z. b.:
daʒ man sach selten chainen,
er lite schaden dô zestunt.
Suchenwirt 10, 152,
für er enlite, quin pateretur. bei vielen verben war aber in der zeit der verwirrung der übergang vom conj. zum ind. so leicht. eigen ist aber der ind. mit en-, was in der übergangszeit auch vorkommt, z. b. nrh.:
ghein (keiner, der belagerten) mocht sich wenden noch keren
im wall, er enwart erschossen.
Wierstraat Neusz 2281,
was mhd. er enwürde wäre, nhd. er ward oder der (dasz er) nicht erschossen wurde (worden wäre). Die heutige fügung steht aber schon im 15. jh. fest (ein verwandtes vorbild dazu schon aus dem mhd. s. bei Wackernagel a. a. o. 281. 282):
es stuͦnd auch niendert da chain ros,
si stuͦnd (mhd. sine stüende) prähent uf dem zwei.
Hätzl. 234ᵃ,
die nicht leuchtend auf dem zweig stand, 'gestanden hätte';
under euch ist mir nindert kainer so lieb,
ich lasz in henken als ain dieb.
fastn. sp. 422, 5;
das under uns hie kainer ist,
er mag (mhd. er enmüge, quin possit) wol schweren ainen aid.
422, 30;
hie vor in kurzen jarn
was kain paur so reich,
si muosten all geleich
grabe (graue) mäntl an tragen.
440, 2;
es war kein Ulmer grosz noch klein,
er thet sich des mannes freuen.
Adrian mitth. 130;
es sei kein man (sagt das sprichwort), er hab ein wolfzan. Fischart ehz. 500 Sch., der conj. ist aber nicht der alte, sondern von der abhängigen rede bedingt, es ist kein man, er hat ein wolfszan das. s. 563;
kein weib ist itzt so gut und artig, kein schönes kind so fromm und jung,
ein meistersänger macht sich drüber und führt es durch die musterung.
es kann in meinem hirn sich kein gedanke regen,
du (gott) weist und kennest ihn.
Brockes 1 (1728), 424;
kein thal war so versteckt, ich späht es aus.
Schiller 527ᵇ;
kein dach ist so niedrig, keine hütte so klein,
er (der sänger) führt einen himmel voll götter hinein.
51ᵃ;
s'kommt keine fliege ins serail, sie wird
erst wol besichtigt und beschaut, ob sie
ein männchen oder weib.
597ᵇ;
es ist kein vöglein so gemein,
es spürt geheime schauer,
wenn drauszen streift der sonnenschein
vergoldend seinen bauer.
Eichendorff ged. 226.
Nur in bedingungssätzen gleicher bildung hat sich der conj. erhalten, durch denn verstärkt (vgl. 2, 746. 949):
die Nürnberger hängen keinen,
sie hätten ihn denn vor.
Schiller 119ᵇ.
19)
Bemerkenswert ist eine besondere stellung die dem kein angewiesen wird, wenn es zugleich mit dem zu verneinenden dinge recht kräftig hervorgehoben werden soll, man stellt es dann möglichst an den schlusz des satzes, sein nomen an die spitze.
a)
am wenigsten auffällig im pl.: lohnkutscher gibt es hier keine; resultate aus den beobachtungen der witterung sind keine gezogen. neue allg. d. bibl. 14, 497; druckfehler sollten in einem solchen schulbüchlein, wie dieses ist, billig keine sein. Layritz lexicon manuale (diese beispiele bei Heynatz antibarbarus Berl. 1797 2, 177); ausschweifungen gab es fast keine. Herder phil. 10, 47; exemplarien hat mir .. Michaelis noch keine gesendet. Schiller an Göthe 8. dec. 1795; narren kann man im himmel keine brauchen. Felder Nümmamüllers 30.
b)
auffallender im sing., aber eben das ist in Süddeutschland sehr beliebt: ich habe allerlei bekanntschaft gemacht, gesellschaft hab ich noch keine gefunden. Göthe 16, 11 (Werther 1775 s. 13); nachahmer fand er jedoch keinen und wenig gesellen. 25, 60; andre aufmunterung hab ich noch keine. Wieland in Mercks briefs. 2, 179; geld hab er keines. Hebel 3, 23; carriere sollte er also keine machen. Gotthelf 10, 59; teufel aber sei keiner (gäbe es keinen), das wisse man längst. 8, 231; noth sei keine da .. rückstände hätten sie ja keine. 3, 206; unterschied ist keiner. 3, 299;
die gräfin wars die man zur ruhe trug,
doch ruhe fand sie keine bei den todten.
Geibel ged. (1850) 321.
kein ist da gestellt wie sonst nicht steht, aber auch zahlwörter und adjectiva, z. b. lohnkutscher gibt es hier an die hundert (viel, genug), lohnkutscher gibt es hier recht gute (gut), und kein ist eben alles dreies, negation, zahlwort und adjectivum. es ist schon mhd., z. b.:
küener (kühnerer) videlære wart noch nie dehein.
Nib. 1772, 2.
ähnlich ist auch schon, und wie der ansatz dazu, folg.:
des ist zwîvel dehein.
Iw. 916. Nib. 939, 8;
doch versaum ich im arbeit kein.
fastn. sp. 564, 16.
und ahd.: wir eigun (haben) kuning einan, anderan niheinan. Otfried IV. 24, 21, wobei in kuning einan zugleich für ein unus dieselbe wortstellung vorliegt, die der von nihein, kein als vorbild diente; auch kuning eigun einan oder niheinan war schon ahd., z. b. ander skef (schiff) ni was nibi (nisi) einaʒ Graff 1, 309. Beim pl. steht aber das nomen sonst im gen. (solcher väter gibt es keine mehr), s. sp. 473. und auch beim sing. findet sich früher der gen. des subst., wenn es ein theilbarer begriff ist:
trôstes hab ich keinen.
Kellers altd. ged. 72, 27;
zart vögly min, wie sitzst allein
und alles trost (für trosts) hast niendert kein.
Murner geuchmatt 953 Scheible,
s. dazu sp. 473 unten aus Luther, und 12, b; kein ist da wie niht nihil gefühlt, oder als verneintes zahlwort. auch engl., z. b. bei Shakspeare answer made it none Haml. 1, 2, und schon ags.
c)
ganz merkwürdig aber wird landschaftlich dabei auch der unbestimmte artikel zum subst. gesetzt, der doch in kein schon enthalten ist: ein kühle vermöge man keins mehr zu kaufen. Felder Nümmamüllers 10; wenn ich ein bub wär, einen alpknecht gäb ich schon keinen (würde keiner). 17; einen doktor hatte man damals im ganzen revier noch keinen. 80; so einen unglückstag habe der liebe gott gar keinen gemacht. 134; zu dieser (frau) trage sorge, so eine kriegst du keine mehr. Gotthelf 2, 400 (Uli d. kn. c. 26), talem invenies nullam. aber wie dort vorarlbergisch von heute bei Felder, gerade so schon altenglisch bei Chaucer:
a fairer saugh I never noon than sche
(ein schöner weib sah ich nie keins denn sie).
Canterbury tales 8909.
20)
Das mhd. kein hatte noch ein paar eigenheiten in der fügung mit ein gemein, die sich auch im ältern nhd. noch finden werden.
a)
zwischen ein und sein subst. konnte wie jedes andere adj., so auch das adjectivum des persönlichen pronomens eingefügt werden; man sagte nicht schleppend wie heute einer von meinen freunden, sondern kurz ein mîn vriunt, und so noch im älteren nhd., z. b.: (wenn der gestorbene erkaltet ist), neet man ihn in ein sein weisz kleid. Frank weltb. 153ᵇ; s. mehr 3, 137. ebenso dann bei mhd. kein (s. gramm. 4, 419): dehein unser vîant. fundgr. 2, 86, 32; deheinen mînen friunt. Nib. 2043, 4;
umb keine dîne wirdikeit.
Kellers altd. ged. 199, 23.
b)
in gleichem verhältnis erscheint der bei ein (s. 3, 136) und bei kein: dehein der gast. Iw. 375, 'keiner von den gästen, die ..', kein gast der art (is hospes nullus); deheinen den gewalt. minn. frühl. 152, 17 (den in den hss. fehlend, von Haupt ergänzt), keinen einflusz der art; an gein dat gût, dat si ane hôret. Höfer urk. 20, an keines der güter, die ..; ob iemans wisse kein das eigen, das dem closter enpfüret si. weisth. 1, 677, 'irgend ein besitztum der art' (denn das demonstr. der mit einem folg. relativsatz nahm wie lat. is die bed. talis an). ebenso schon ahd., z. b. Graff 1, 324 aus Notker.
c)
kein wunder demnach, wenn auch ein so erscheint:
Hagene sprach zem künige 'eʒ solde ein frumer man
deheinem einem wîbe niht des hordes lân'.
Nib. 1070, 2,
'keinem einzigen weibe', oder 'keinem weibe allein'? in jenem sinne noch nnd.: kên ên, nicht einer. Danneil 99ᵃ; ebenso holsteinisch. s. auch 21, c.
21)
Endlich ein paar merkwürdigkeiten.
a)
merkwürdig ist eine kräftig ausschlieszende negative disjunction weder eines noch keines, die ja begrifflich eigentlich unzulässig ist; ganz ähnlich aber sagten die Griechen ἤ τις ἢ οὐδείς so gut als keiner, ἤ τι ἢ οὐδέν so gut als nichts Plato apol. 17ᵇ: so wie wir sie (die übersetzung aus dem franz.) jetzt lesen, findet man auf allen seiten die gröbsten spuren, dasz ihr urheber weder französich noch lateinisch, weder eines noch keines, musz verstanden haben. Lessing 5, 49; dasz er solcher leute einen noch keinen in seinem land nicht halten wolle. Krenner bair. landtagshandl. 4, 38 (Schm. 1, 65). auch Fischart braucht es und im munde des volkes lebt es, es ist wol entstanden aus dem gegensatze eines oder keines (vgl. sp. 471 unten), als antwort darauf: du muszt dich entscheiden, welches du willst, entweder eins oder keins! ähnlich ist eins wie keins:
s'is mr oan ding wia koan ding,
s'is mr aͦllas oan ding.
Tschischka östr. volksl. 207;
und: 'kein trinkgeld und kein gar nichts' (ist da zu bezahlen), wie engl. z. b. 'there was (bei einer hochzeit) no breakfast and no nothing'.
b)
Logau erlaubt sich ein keiner, freilich ist auch der fall ein auszerordentlicher, unter der überschrift 'hofegunst':
der unter zehnen vor in gunsten war der einer (unicus),
wird unter zehnen hier in gunsten bald ein keiner.
2, 7, 52,
der der einzige war, alles in allem, wird zu einem der 'keiner' ist, also richtig 'ein keiner', kein als reines adj. behandelt; vielleicht schwebte dem dichter auch vor das lat. nullus sum, ich bin verloren, vernichtet. vgl. das äuszerlich gleiche 'ein kein' sp. 460.
c)
dem kein ein 20, c ist ähnlich kein dehein, durchaus kein: man schol auch kain dehain ungerische riemen mit alûn machen. Baaders Nürnb. poliz. 158, 14. jh., die beiden nebenformen der übergangszeit zu höchstem nachdruck gehäuft, falls nicht dehein noch als 'irgend ein' gemeint ist.
d)
nachträglich auch ein paar formelle merkwürdigkeiten. das alemann., auch das rheinische (s. keinest a. e.) macht aus keins keis (s. eis 3, 113), z. b.:
wer aller wiber untrüw weisz (gedr. weiszt),
der ruͤmt sich dés bescheiden keisz.
Murner geuchm. E ijᵃ (kloster 8, 1088),
hier als gen. neutr.; der dichter setzt aber gleich entschuldigend hinzu für seine heimatliche form, die ihm entschlüpft ist:
das keisz ist mir entpfaren hin,
das (weil) ich ein Kochersperger (s. d.) bin.
ebenso erklärt sich alem. keir gleich keiner, entstanden aus der form keinre (z. b. weisth. 4, 114, vgl. einne keinne 1, 311. 310. 313):
hab keir gnummen ein gut end.
Gengenbach Nollhard 346;
keir hat so vil bosheit triben.
761;
mag auch keir kummen nie zum brät.
gouchm. 166,
und so oft, auch als gen. sing. fem. im alten eidgen. 304;
und ist keir nit der das betracht.
Ruff etter Heini 238. 82,
wie daselbst eir einer 67 (éinre myst. 268, 34, unterschieden von einer als art. Merswin 55), auch deir deiner (aus deinre) 278. der dativ hiesz auch keim (aus mhd. keime, d. i. keinme, keineme):
lug nur du, das dú lockest keim (: heim).
Murner geuchm. 936 Sch.
Auch noch einige belege für das merkwürdige ein kein sp. 460:
wir möchten hüt den tag ein kein (keine)
erwöltere (ausgesuchtere, passendere) zit erwartet han.
Daniel (1545) O 3ᵇ;
bringen si her, lond (laszt) gon ein kein (keinen).
X 1ᵇ;
ir herren, das ein keiner zirn (zürne).
X 2ᵇ. L 2ᵃ;
da ist ganz deutlich ein als art. verstanden. dasz man auch in dekein sich das de als artikel ausgelegt hat (sp. 460 f, 'die keiner' Freidank 5, 9 var.) wird weiter bestätigt durch dieselbe auslegung von deweder: den wedern keinen von beiden Berthold 265 Kling (dewedern Pfeiffer 239, 24), s. noch bair. der wedere Schm. 4, 30 und vgl. der aintweder 1, 67. endlich sogar entkein, entstellung von enkein:
das du vieh weder grosz noch kleins
hin magst ankommen gar entkeins.
H. Haberer Abraham (1592) H 1ᵃ.
ganz merkwürdig aber akein:
damit akeiner usz euch decht,
ich wer ein umbkant man.
Daniel (1545) B 4ᵇ;
das nun akeim zuͦ thuͦn gebürt.
B 3ᵃ.
ist es schon das heutige schweiz. ekein sp. 460 e? es erinnert doch auch an das merkwürdige nrh. egein, md. ikein 458.
22)
Zuletzt einige proben, wie doch auch nicht erscheint, wo man kein der regel oder gewöhnung nach erwarten muszte:
es wer (ohne das) geschehen nit ein mort.
Brant narr. 51, 28;
man spricht das ein sperwer nit den andren isset noch ein hund den andren noch kein thier das ander das seiner lei (art) ist. Keisersberg klappermaul B 3ᵃ; hat denn Israel nicht kinder, oder hat er keinen erben? Jer. 49, 1; arglistigkeit ist nicht weisheit und der gottlosen tücke sind keine klugheit. Sirach 19, 19; das nicht mehr hinfurt eine sindflut kome. 1 Mos. 9, 15; wie holz nicht stein, feur nicht eisen, wasser nicht erden sei. Luther 3, 79ᵇ;
ich suche nicht metall, nicht jaspis, nicht demant.
Opitz 2, 280;
(die arge welt) ist nicht ein ding für mich.
Logau 1, 8, 97;
das ist nicht guter spasz. Lessing 1, 550;
du hast wol recht, ich finde nicht die spur
von einem geist, und alles ist dressur.
Göthe 12, 63;
hast du noch keinen mann, nicht manneswort gekannt?
12, 87;
nicht eine dummheit, keine sauerei.
12, 103;
nicht eine fliege konnt er leiden sehn. Schiller 132ᵇ; sonst hat es nicht gefahr? 289ᵇ; damit hats nicht noth. 346ᵃ;
ich bin în deiner hand, ich will nicht schonung.
473ᵃ;
folgt mir, graf Dunois, ihr habt nicht ehre (keine ehre davon)
hier länger zu verweilen.
480ᵃ;
gibts länder, vater, wo nicht berge sind?
535ᵃ;
so trägt die unthat ihnen keine frucht ...
den mördern bringt die unthat nicht gewinn.
549ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2,3 (1865), Bd. V (1873), Sp. 457, Z. 53.

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Zitationshilfe
„keien“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/keien>.

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