Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

fürsprach, m.

fürsprach, m.
1)
einer der als rechtskundiger für jemand einen rechtsstreit führt, ihn bei gericht vertritt, ein anwalt, ein sachwalter, ein rechtskundiger vertreter. von fürsprachen und procuratoren. dieweil nicht allein durch ungeschicklichkeit, sondern auch durch unfleisz der fürsprachen, und dasz sie sich mit vielen sachen überladen und sich vorher deroselben nicht nottürfftlich berichten lassen, offtmals die partheyen an ihren rechten versehen und verkürzet werden ... als sollen die fürsprachen mit fleisz die sachen vorher erkunden. verordnung des hadlerischen landgerichts thl. 1 tit. 5; es soll auch keinem theil zugelassen werden, mehr dann einen fürsprachen oder redener zu haben. ebenda;
mein fürsprach, artzt und raht.
überhaupt einer der das wort der vertheidigung führt, zu gunsten des rechts in einer sache spricht:
Ihr, guter bruder, müszt mein fürsprach seyn,
wenn hasz und gleisznerey sich gegen mich
erheben sollten.
Lessing 2, 323 (Nath. 4, 7).
2)
einer der für eine gesammtheit von personen, für eine genossenschaft, in ihrem namen spricht, ein wortführer, ein worthalter. der dockmann, der brüderschaft (zunftgenossenschaft) fürsprach, der mittelsmann zwischen eltestenbank und gemeine. bei Gutzeit 1, 302ᵃ. Die beiden bedeutungen sind die ursprünglichen des wortes, das aus dem niederdeutschen, wo es vorsprake lautete, mit übergang des vor in das oberdeutsche und früher nhd. auch da, wo wir es heute nicht mehr setzen, so geläufige für in die schriftsprache vordrang. vorsprake hat jene bedeutungen, deren zweite das brem. wb. 5, 459 in folgender stelle aus einer Bürener urk. v. j. 1507 nachweist: to deme êrsten so schal de dîkgreve ... kesen ute den swornen einen vorspraken und twê rekenslude, de dar nutte to sîn, zum ersten so sol der deichgräfe wählen aus den geschwornen einen wortführer und zwei rechnungsführer, die dazu tauglich sind. hervorgegangen aber scheint dieses masc. vorsprake aus dem ebenfalls im brem. wb. a. a. o. verzeichneten fem. vorsprake, unserm nhd. die fürsprache, indem man dieses auf die sprechende oder das wort führende männliche person übertrug, womit sich dann natürlich verband, dasz das ursprüngliche fem. in ein masc. überschlug. hat doch Herder z. sch. lit. u. k. 11, 152 in der übersetzung der dritten sat. des Persius statt fürsprecher vor gericht, vertreter und sprecher vor gericht, auch das masc. gerichtssprach (s. d.) und nimmt, wenn gleich spät, selbst ohne übertragung auf eine sprechende männliche person und also ohne wandlung des begriffes, sprache in zweisprach, zwiesprach neben und aus zweisprache, zwiesprache männliches geschlecht an:
so dräut' er einst, als er in hartem zweisprach
aufs eis warf den beschlitteten Polacken.
A. W. Schlegel Hamlet 1, 1;
zum zwiesprach musz ich jetzo gehn
in Baldurs hain
mit meinen nornen.
s. zweisprach, zwiesprach. die ältesten belege für das masc. fürsprach sind die oben aus der verordnung des hadlerischen oder Hadler landgerichts angeführten, die 1583 gegeben wurde. es reicht im schriftdeutschen also nicht bis vor die zweite hälfte des 16. jh. zurück, während vorhin das nd. vorsprake bereits aus dem ersten jahrzehent desselben nachgewiesen wurde. das diesem vorsprake in vor treu gebliebene der vorsprach findet sich bei Ludwig (1745) sp. 2348, der aber, obgleich er zwei zeilen vorher in vorsprache oder fürsprache das fem. hat, ein schriftdeutsches masc. fürsprach nicht zu kennen scheint. übrigens führt er neben dem masc. vorsprach in demselben sinne auch vorspruch an, wodurch das hervorgehn jenes wortes aus vorsprache, fürsprache bestätigt wird. aber die volle form scheint sich nur in nd. vorsprake zu finden, schriftdeutsch ist das wort eben so zu fürsprach, vorsprach gekürzt, wie mhd. vürsprëche mit mitteld. vorsprëche nhd. zu fürsprech, vorsprech. s. fürsprech. die declination kann, wie bei diesem, nur die schwache sein, die sich auch in den belegen zeigt. doch macht sich im ungefühle der entstehung des wortes auch ein überschwanken in die starke bemerklich, wie dies die gleich nachher folgende stelle von Schiller zeigt, in der es zugleich eine neue bedeutung hat, die aus den beiden angegebenen bedeutungen spät im 18. jh. sich entwickelte, nemlich die:
3)
einer der zu gunsten oder zum besten, zur empfehlung jemandes oder einer sache spricht, für dieselbe bittet, sich fördernd für sie verwendet.
wer eine gunst bei mir erlangen will,
wird keines andern fürsprachs nöthig haben,
als eines winks aus ihrem schönen aug.
Schiller 606ᵇ (Tur. 5, 1).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 831, Z. 12.

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Zitationshilfe
„fursprach“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/f%C3%BCrsprach>.

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