Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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buchstab, buchstabe, m.

buchstab, buchstabe, m.
litera, apex, ahd. puohstap pl. puohstapâ, ags. bôcstäf pl. bôcstafas, altn. bôkstafr pl. bôkstafir, schw. bokstaf pl. bokstäfver, dän. bogstav pl. bogstaver, nnl. boekstaf pl. boekstaven, engl. ist das wort erloschen und verdrängt durch letter, obgleich book und staff in der sprache leben. bei den Gothen darf man bôkstabs pl. bôkstabôs vermuten. Die mhd. und nhd. flexion wird schwierig durch übergänge in die schwache form. schon ahd. nehmen einzelne starke subst. in der zusammensetzung schwache gestalt an, z. b. tac und suonatago. zwar ist uns kein ahd. puohstapo überliefert, nach dem alts. bôcstabo Hel. 7, 11 aber möglich. die mhd. dichter schwanken. die meisten und ältesten flectieren stark:
E was der êrste buochstab.
En. 282, 16;
sus sagent die buochstabe.
Parz. 108, 2;
ine kan decheinen buochstap.
115, 27;
geschaffen sô der buochstap,
den got den Israhêlen gap.
Wh. 406, 21;
eʒ ist noch der geloube mîn,
daʒ er buoch und buochstabe
vür vederen angebunden habe.
Trist. 119, 39;
geviel sie an die buochstabe.
254, 37;
der êrste buochstap.
362, 34;
Rudolf und Conrad, geschweige spätere, schwach:
die schrift heiʒ alle tilgen abe,
daʒ im dehein buochstabe
vor dir gebe der sünde vluoch.
Barl. 358, 28 (361, 12);
tiefe an des boumes rinden
begonder schœne buochstaben
mit sînem meʒʒerlîne graben.
tr. kr. 785;
diu rede und dise buochstaben
wâren mit gestein ergraben
ûf des apfels umbekreiʒ.
1466;
si mâlte ûf dem gevilde
vil wunneclîche buochstaben.
10548;
dâ wâren în von golde
geweben dise buochstaben.
Engelh. 2553.
nhd. haftet der starke oder wie brunn abgestumpfte schwache nom. sg.: warlich bis das himel und erde zergehe, wird nicht zergehen der kleineste buchstab noch ein tütel vom gesetze. Matth. 5, 18; alle obliquen casus gehen schwach: ir solt kein mal umb eines todten willen an ewrem leibe reiszen, noch buchstaben an euch pfetzen (euch tatowieren). 3 Mos. 19, 28; der du unter dem buchstaben und beschneidung bist. Röm. 2, 27; im geist und nicht im buchstaben. 2, 29; im alten wesen des buchstabens. 7, 6; nicht des buchstabens sondern des geistes, denn der buchstabe tödtet, aber der geist machet lebendig. 2 Cor. 3, 6; das man euch die ersten buchstaben der göttlichen worte lehre. Ebr. 5, 12. der vocab. 1482 e 4ᵃ hat buchstabe (literas) zusamensetzen. Dasypodius 119ᵃ setzt den nom. sg. buͦchstab, den gen. pl. buͦchstaben; Maaler 82ᵃ ebenso buͦchstab und buͦchstaben, auch 82ᵇ im acc. sg. einen buͦchstaben. in Franks weltbuch kann man 161ᵃ den nom. sg. buͦchstab, gen. buͦchstabens, dat. acc. buͦchstaben lesen. ganz unsicher schreibt Ickelsamer der buͦchstab nom. sg.; solche bilder müste man auf ein tafel oder brief malen und die buͦchstab, einen iegklichen bei oder zuͦ seinem thier oder ding setzen. B 7ᵃ; die subtilichkeit dises griechischen buͦchstabens. A 8ᵇ; dises buͦchstabens nennung. B 1ᵃ; dises buͦchstaben form und gestalt. B 2ᵃ. Helbers silbenbüchlein gibt s. 15 dem gen. sg. buͦchstabes und buͦchstabs, dem dat. sg. buͦchstaben, dem pl. die buͦchstaben. Henisch 547ᵃ, Stieler 2109, Frisch 1, 149ᵇ lassen dem nom. sg. buchstab, dem pl. buchstaben. Adelung in beiden ausgaben: der buchstab, des buchstabens, pl. die buchstaben.
man nehm es nicht buchstäblich an,
der buchstab bringet tod und bann.
Lessing 1, 83;
ehe der setzer den ersten buchstab regt. Herder bei Merck 1, 4; Göthe aber zieht den nom. sg. buchstabe vor: alles memorieren helfe nichts, wenn der schauspieler nicht vorher in den geist und sinn des guten schriftstellers eingedrungen sei, der buchstabe könne nichts wirken. 19, 183; wenn wir zuerst den sinn des buchstabens erklären und ihnen den verstand öfnen ... ich habe keine schlimmere anmaszung getroffen, als wenn jemand ansprüche an geist macht, so lange ihm der buchstabe noch nicht deutlich und geläufig ist. 19. 184. zu verwundern ist, dasz in dieser leidigen formverwirrung wenigstens keiner den nom. sg. buchstaben aufgestellt hat, der doch nicht schlechter wäre als glauben, namen, braten, brunnen, samt den übrigen. Buchstab an sich selbst, gleichviel wie man es decliniere, bestätigt zusehends die von buch gegebne deutung. wenn uns die bôka, d. i. die buche, den gehalt der schrift überhaupt darstellt, so sind die bôkstabôs alle einzelnen vom baum geschnittenen tafeln und reiser. auf die büchnen stäbe wurden die züge geritzt und später gemahlt. bei Ulfilas erscheint uns stabs nur in der abstraction von στοιχεῖον, element, wie die buchstaben element sind aller schrift und rede; unter dem worte stab soll dessen zusammenhang mit staua κρίσις und stôjan κρίνειν entfaltet werden, der richter hält den stab und das urtheil erfolgt, gleich der schrift, durch stäbe. anklage hiesz unserer vorzeit rugstab, eid eidstab, verurtheilung harmstab und dem altn. feiknstafr, dirae, imprecatio würden ags. fâcnstäf, ahd. feichanstap zur seite stehn, dem altn. helstafr die hellirunen, todesrunen, denn auch verwünschungen pflegten mit runen eingeritzt zu sein. an der nahen berührung von runstab und buchstab kann niemand zweifeln. bruder Bertholds rede von gezierten, geflorierten buchstaben (Kling s. 305. 306) erscheint sinniger, wenn man die nachhallende eigentliche wortbedeutung hinzunimmt und selbst in handschriften des mittelalters läszt die laubverzierung ausgemahlter buchstaben sich noch darauf beziehen. im Tristan 362, 30 werden späne 'in lange wîs' aus reisern, um ein T und I zu bilden, geschnitten; das ganze alterthum unserer runen und losze hängt mit dem gebrauch solcher buchstaben genau und vielfach zusammen, wie neuere untersuchungen dargelegt haben, die längst unverstandne benennung wurde in allen deutschen sprachen bis auf heute fortgeführt. Entgegen steht der buchstabe sowol der mündlichen, lebendigen rede als auch dem geist. du sollst es aus meinem munde hören, ich kann es nicht in buchstaben, in briefen ausdrücken; lebendig wird die melodie, über deren todte buchstaben wir uns sonst den kopf zerbrochen haben. Göthe 27, 133;
gedechtnus wirdiglich erhaben,
mündlichen und auch in buchstaben.
H. Sachs III. 2, 163ᵇ.
Jene biblische stelle legt den abstand des buchstabens vom geist schön dar: τὸ γὰρ γράμμα ἀποκτείνει, τὸ δὲ πνεῦμα ζωοποιεῖ, bei Ulfilas untê bôka usqimiþ, iþ ahma gaqiujiþ, bei Luther, denn der buchstabe tödtet, aber der geist machet lebendig, wo buch und buchstab wieder zusammenfallen. nach dem buchstaben nehmen, fassen geht auf strenge, wörtliche, den rechten sinn versäumende erklärung: wann unser keiserlich recht etlich peinlich straf setzen, die nach gelegenheit diser zeit und land unbequem und einstheils nach dem buchstaben nit wol müglich zu gebrauchen weren. HGO. 104; da sprach einer unter ihnen, ir solt einmal dem richter die hände schmieren oder salben. die gut fraw verstund das nach dem buchstaben. sch. u. ernst cap. 82; welche auf dem buchstaben der schrift lagen, als die rabi. Frank weltb. 161ᵃ; am buchstaben kleben. er hat mir keinen buchstaben davon geschrieben; ich habe noch keinen buchstaben davon gesehen, nicht das geringste. Man unterscheidet stumme und flüssige buchstaben (literas mutas et liquidas), Henisch 548, 32 hat ein flieszender buchstab, litera caduca; grosze und kleine buchstaben (grandes et minutas); der kleinste buchstab ist das jota, es darf kein jota fehlen; kein thränichen musz umbsonst geschehen, es wird angesetzt mit groszen, mächtigen buchstaben im himmel. Henisch 548, 22; wer nicht lesen kann, der spricht es sein böse buchstaben. 548, 31. er sieht die buchstaben doppelt, ist betrunken. Lichtenberg 3, 74.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2,3 (1854,1855), Bd. II (1860), Sp. 479, Z. 43.

buchstaben

buchstaben,
hiesz
1)
mhd. literas vesti intexere, einem gewand segensprüche einweben:
gelîstet unde gebuochstabet
was eʒ von wîsen henden
an orten und an enden
mit hôher kunste ruoche.
tr. kr. 20007;
ein grüeniu lîste niht ze smal,
dâ wâren în von golde
als man si wünschen solde
geweben dise buochstaben:
'friunt, got lâʒe dich behaben
heil und ganzer sælden kraft.'
Engelh. 2553.
2)
verbis exprimere:
darumb so wil ich von uch haben,
das ir uwer kunst basz buͦchstaben.
Diocl. 2972.
3)
literas in syllabas cogere: im vocab. ex quo von 1469 sillabicare, i. e. sillabas conjungere, bustaben; puchstaben im voc. 1482 a 1ᵇ; buchstaben oder buchstabe zusammensetzen, colliterare, sillabicare. e 4ᵃ; wie man die teutschen wörter in ire silben theilen und zuͦsammen buͦchstaben soll. Ickelsamer auf dem titel; die buͦchstaben der wörter recht in ire silben abzuͦsetzen ist ein höhere kunst, dann das mans der kinder buͦchstaben, wie mans in der schuͦle nennet, vergleiche. C 3ᵇ; sie können noch nit gar alles buͦchstaben. C 4ᵃ; solches buͦchstaben leret der oftgedacht Quintilianus in den lateinischen wörtern aruspex, abstemius. C 4ᵃ; weisz ich doch nit, ob man es also buͦchstaben möchte: di-ngen, tri-nken. C 5ᵃ; disz sei zuͦm rechten brauch des buͦchstabens in der kürze vermanet. C 6ᵃ; knaben von siben jaren, die solche wort buchstaben lernen in der schule. Luther 3, 343ᵇ; lasz sie brill aufsetzen oder einen knaben buchstaben diese wort. 3, 366ᵇ; das ist der christen schule, an der kunst lernen sie teglich und könnens nicht ergreifen, viel weniger auslernen, sondern bleiben imer kinder und buchstaben abc in dieser kunst. 5, 529ᵃ; ah, das ist entweder ein junger abcteufel oder schulteufelin, die noch nicht recht buchstaben kan, oder ists der rechte gelerte teufel. 6, 317ᵃ; ehe der ander ein wort buchstabet. 8, 138ᵇ; die heilige schrift ist gottes wort, geschrieben und, das ichs also rede, gebuchstabet und in buchstaben gebildet. 8, 312ᵃ; das sie das reine wort aus einem buch möchten buchstaben (lesen) hören. 8, 378ᵃ. br. 5, 69; ein mesz zuͦ lesen und ein psalter zuͦ buͦchstaben und zuͦ singen. kriegsb. des frides 201; buͦchstabet (schreibt) seinen namen wunderbarlich. Katziporus X 7ᵇ;
es vor buͦchstaben
und blettern wol ein halbe stund,
e er die messen finden kund.
Murner narrenb. 1512 n 5ᵇ;
ir fienget kaum
zu lernen an. ach ihr buchstabet noch.
Herder 17, 60.
die nordischen sprachen setzen noch einfacher isl. stafa, schw. stafva, dän. stave, ohne vorausgeschicktes bok. nnl. spellen, engl. spell.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1855), Bd. II (1860), Sp. 481, Z. 33.

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Zitationshilfe
„buchstaben“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/buchstaben>.

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