Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)

WDG, 2. Band, 1967

gehen

WDG, 2. Band, 1967
gehen, ging, ist gegangen
1. sich zu Fuß fortbewegen: wenn ich nicht mitfahren kann, gehe ich; das Kind lernt g.; langsam, schnell, aufrecht, barfuß, eingehakt, rückwärts, vorwärts, geradeaus, straßauf, straßab g. /sprichw./ wer langsam geht, kommt auch zurecht; es geht sich angenehm im Park; ein paar Schritte, drei Kilometer, zwei Stunden, die Straße hinunter, ein Stück, einen Gang, den gleichen Weg, (ruhig) seines Wegs g.; wo ich gehe und stehe, denke ich daran (ich denke immer daran) er alarmierte die Polizei, wie er ging und stand (sofort, ohne Aufenthalt oder Vorbereitungen) ; an jmds. Arm, Seite, am Stock g.; auf den Zehen, Fußspitzen, Händen, auf Krücken, auf allen Vieren g. auf der rechten Seite g.; durch den Wald, den Abend g. Wenn wir sonntags durch die Felder gehn R. Dehmel 2,171; Arm in Arm g. in einer Reihe, im Zickzack, Gänsemarsch, Schritt, Trab g.; über die Straße g. Und ein Mensch geht um die Ecke / den man Mackie Messer nennt Brecht Mackie Messer; /bildl./ er geht seine eigenen Wege; den Weg des geringsten Widerstandes, den Weg alles Fleisches, den goldenen Mittelweg g.; jmdm. aus dem Wege g.; hier bist du zu weit gegangen (hast zu viel gewagt, dir zu viel erlaubt) umg. er geht auf Freiersfüßen, auf Brautschau (sucht eine Frau) mit jmdm. durch dick und dünn g. (in jeder Lebenslage zu jmdm. halten) für jmdn. durchs Feuer g. (alles für jmdn. tun) er geht mit ihr (sie sind ein Liebespaar) salopp er geht über Leichen (nimmt keinerlei Rücksicht auf andere) jmdm. nicht vom Leibe, salopp von der Pelle⌝ g. (jmdn. nicht in Ruhe lassen)
2. sich irgendwohin begeben: baden, schlafen, hausieren, tanzen, einkaufen, umg. stempeln⌝ g.; ich gehe, meine Tante abzuholen; an die Luft, an Land, Bord g.; auf sein Zimmer, aufs Feld, Rathaus, Standesamt g. auf Arbeit, Schicht, Posten, auf die Jagd g.; die Arbeiter gingen auf die Straße (demonstrierten) ; nicht aus dem Haus, salopp dem Bau⌝ g.; der Läufer, Radfahrer ging als erster durchs Ziel; ins Kino, Büro, Bett, Freie g. umg. in die Pilze g.; verhüll. ins Wasser g. (sich ertränken) ; unter Leute, Menschen, zu guten Freunden, zu Bett, zur Ruhe, zur Kirche, Beichte, Bahn, zum Arzt g. derb geh zum Teufel; /bildl./ umg. unter die Räuber g.; vor die richtige Schmiede g. (sich an die richtige Stelle wenden) in den sichern Tod g.; /sprichw./ der Krug geht so lange zu(m) Wasser, bis er bricht; etw. geht irgendwohin etw. gelangt irgendwohin, wird irgendwohin gegeben: der Antrag ist durch viele Hände gegangen (von vielen bearbeitet worden) eine Meldung geht durch den Äther; das Buch geht in Druck, Satz; ein Produkt geht in Serie; Lieder g. von Mund zu Mund; umg. etw. geht hier hinein und da hinaus (wird wohl gehört, aber nicht behalten, nicht befolgt)
3. eine Einrichtung (regelmäßig) besuchen: geht das Kind schon in die, zur Schule?; in den Kindergarten, die Lehre g. /bildl./ er ist durch seine Schule gegangen (hat von ihm gelernt)
4. /g. + Präp. / mit etw. beginnen, in etw. eintreten: an die Arbeit, Ausführung, ans Werk, Erzählen g.; auf (Entdeckungs)reisen, Tournee, Fahrt, auf die Suche, Wanderschaft, salopp Walze⌝ g.; in Urlaub, Pension, Stellung, in die Industrie, in den Staatsdienst g. Sport dreißig Fahrer gingen ins Rennen; er geht ins sechzigste Lebensjahr; zum Theater g. (Schauspieler werden)
5. sich (zu Fuß) entfernen: die einen kommen, die anderen g.; es ist ein ewiges Kommen und Gehen; gerade bist du gekommen, nun willst du schon wieder g.; ich ging, er blieb; sich zum Gehen anschicken, wenden; von dannen g.; Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder Schiller Jungfr. v. Orleans, Prolog4; /bildl./ der Diener geht (verläßt seine Stellung) am 31. Dezember der Offizier mußte g. (seinen Abschied nehmen) umg. scherzh. der Beamte wurde gegangen (entlassen) geh. verhüll. er ist von uns, aus der Welt gegangen (gestorben) süddt. österr. umg. /abgeblaßt im Imp. als Ausdruck des Zweifels, Unwillens/ Aber gehts mir mit eurem Geschichtsunterricht Kasack Stadt 379; (ach) geh!; /übertr./ der Herbst ging, der Winter kam; die Tage gingen; die Jahre kommen und g.
6. /abgeblaßt/
a) /in besonderen Redewendungen/ schwanger g.; bankrott, salopp pleite⌝, in Konkurs, zugrunde g.; papierdt. einer Sache verlustig g. (etw. verlieren) salopp hops g. (verlorengehen; sterben) jmdm. an die Hand gehen (helfen) ; einer Sache auf den Grund g. salopp jmdm. auf den Leim g. (auf jmdn. hereinfallen) aufs Ganze g. (alles riskieren) salopp auf Nummer Sicher g. (nichts riskieren) die Vorräte g. auf die, zur Neige (sind bald verbraucht) umg. jmdm. auf die Nerven g. (jmdn. nervös machen) ; aus den Fugen, Nähten, salopp aus dem Leim⌝ g. (zerbrechen, zerreißen) ; etw. geht jmdm. durch den Kopf, Sinn (etw. beschäftigt jmdn. in Gedanken) ; umg. der Tadel ging ihm durch und durch (berührte ihn tief) ; in die Luft g. (wütend werden) ; jmdm. ins Netz, ins Garn, in die Falle g. (auf etw. hereinfallen) ; in sich g. (etw. bereuen) ; in Führung g.; umg. für etw., jmdn. (scharf) ins Zeug g. (sich für etw., jmdn. einsetzen) salopp sie war in die Breite gegangen (dick geworden) ; er ist hart mit ihm ins Gericht gegangen; der Bericht geht zu sehr ins Detail; sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen; die Preise g. in die Höhe (steigen) ; der Angriff geht ins Leere; Wochen waren ins Land gegangen (vergangen) ; etw. geht in Trümmer, Scherben, umg. in die Binsen, salopp in die Wicken, in den Eimer; umg. das geht in Ordnung; die Briefe gingen in die Hunderte (es waren mehr als hundert) umg. der Umzug ist ins Geld gegangen (hat viel gekostet) ; er ließ, hieß etw. mit sich g. (stahl etw.) ; etw. geht mit etw. Hand in Hand (eines bedingt das andere) mit jmdm., etw. konform g.; über Bord g. das Drama ist über die Bretter, Bühne gegangen; etw. geht über jmds. Begriffe, Horizont, Vermögen, Kraft (übersteigt sie) ; salopp das geht (mir) über die Hutschnur (ist unglaublich, unerhört) der Wein geht ihm über alles (ist ihm mehr wert als alles andere) salopp jmdm. um den Bart g. (jmdm. schmeicheln) ; wie die Katze um den heißen Brei g. (vor etw. ausweichen) ; der Roman geht unter die Haut (ergreift seine Leser) ; die Arbeit geht (mir) nicht von der Hand (ich komme mit der Arbeit nicht voran) ; /sprichw./ Gewalt geht vor Recht salopp er ist vor die Hunde gegangen (ganz heruntergekommen) umg. mit etw. zu Markte g. (etw. öffentlich ausposaunen) ; jmdm. zu Leibe g. (jmdn. angreifen) ; einem Problem zu Leibe g. (es zu lösen versuchen) ; salopp zu Bruch (entzwei-) g. mit jmdm. zu Rate g. (sich mit jmdm. beraten) etw. geht zu Lasten von jmdm.; zu Ende g.
b) /in Sonderbedeutungen/ umg. er geht als Bäcker (arbeitet als, wird Bäcker) sie geht als Spanierin (kostümiert sich als Spanierin) der Besuch ist über das Essen, die Vorräte gegangen (hat viel verbraucht) der Hund geht auf den Mann (ist darauf dressiert, Menschen anzugreifen) der Fuchs geht auf Kaninchen; die Mauer geht (zieht sich) um die ganze Stadt es, die Uhr geht auf Mitternacht (es wird bald Mitternacht) es geht schon gegen Mittag (wird bald Mittag) sein Wunsch, seine Meinung geht dahin, daß … (er wünscht, meint, daß …) ; die Musik geht (rührt) ans Gemüt, geht zu Herzen umg. der Rhythmus geht in die Beine; wie geht (lautet) der Vers, das Lied? das Gedicht geht so: …; ein Lächeln geht (breitet sich) über jmds. Gesicht ihre Blicke gingen über die Auslagen; das geht nicht nach dir (richtet sich nicht nach deinem Wunsch)
7. gerichtet sein nach: die Fenster g. nach der Straße, dem Garten, nach Süden; die Front des Hauses geht nach der Hauptstraße;
8. laufen, in regelmäßiger Bewegung sein, arbeiten: Maschinen g.; In einem kühlen Grunde / Da geht ein Mühlenrad Eichendorff 1,299; die Uhr geht gut, richtig, tadellos, genau, falsch; d. Radio, Springbrunnen geht; umg. der Apparat, die Bremse geht (funktioniert) nicht /bildl./ das Herz geht schwach; das Herz fing mit kleinen, hastigen Schlägen wieder zu gehen an Langgässer Siegel 41; der Atem geht gepreßt, stoßweise; das Geschäft geht gut, schlecht; umg. die Ware geht leidlich (wird leidlich abgesetzt) dieser Artikel geht schwer; der Teig, Kuchen geht (bläht sich) sich bewegen, rühren: kein Lüftchen ging; Regen, Sturm geht; wo Quellen rauschten und Bächlein gingen Eichendorff 3,65 (Taugenichts) ; in Bewegung gesetzt werden: In diesem Augenblick ging draußen die Klingel Fontane I 4,46 (Poggenpuhls) ; wir hörten die Tür g.;
9. etw. geht etw. verläuft: alles geht nach Wunsch, umg. wie am Schnürchen, wie das Brezelbacken⌝; alles geht seinen alten, normalen Gang; umg. es geht glatt, salopp wie geschmiert ; das ist noch einmal gut gegangen; es wird schon alles gut g.; umg. es geht alles drunter und drüber; etw. ist (jmdm.) verquer (schief-) gegangen er läßt alles g., wie es Gott gefällt; wie soll das vonstatten g.?; die Verhandlungen g. schleppend; was geht hier vor sich (geschieht hier)? umg. es geht hart auf hart; Und als es am Zoll sehr lange ging (dauerte) Frisch Stiller 359
10. umg. (ab)fahren: wann geht der nächste Zug?; jetzt geht keine Bahn mehr; das Schiff geht nach Afrika; das Rennauto ging in die Kurve; wohin geht (führt) die Reise? die Ware geht (wird geliefert) in viele Länder
11. umg. passen: ich gehe nicht durch die Tür; in dieses Faß g. zwölf Eimer; salopp das geht auf keine Kuhhaut (ist zu viel)
12. bis an, zu etw. g. bis an, zu etw. reichen: ich gehe ihm bis an die Schultern; das Wasser geht ihm bis an die Brust; der Rock geht bis ans Knie; Sie hatte eine lange Schürze umgebunden, die vom Hals bis zu den Füßen ging Flake Schritt 27; der Saal geht (erstreckt sich) durch zwei Stockwerke
13. etw. geht etw. ist möglich: es geht leider nicht anders; auf diese Weise geht es nicht; das geht doch nicht!; das wird schwer, schlecht g.; das geht bestimmt; so lange es geht, helfe ich dir; umg. der Mantel muß diesen Winter noch g. (noch einmal getragen werden) diese Witwe selbst möchte noch gehn Fontane I 4,59 (Poggenpuhls)
14. jmdm. geht es gut, schlecht jmd. befindet sich gut, schlecht, ist in guter, schlechter Verfassung: mir geht es glänzend, großartig, erträglich, salopp dreckig⌝; wie geht es dir?; mir geht es ähnlich (ich bin in ähnlicher Lage) jetzt geht's dir schlecht (kannst du etwas gewärtigen) mit jmdm. geht es bergab, bergauf (jmds. Lage verschlechtert, verbessert sich) mit ihm geht es zu Ende (er stirbt)
15. etw. geht gegen, auf jmdn., etw. etw. richtet sich gegen jmdn., etw.: das geht gegen meine Ehre, mein Gewissen; umg. das geht gegen dich!; salopp das geht mir gegen den Strich (paßt mir nicht, ist mir zuwider) umg. diese Bosheit, Bemerkung geht auf dich
16. es geht um etw. es handelt sich um etw., etw. steht auf dem Spiel: es geht um Tod und, oder Leben; es geht um mehr, um alles, ums Ganze, umg. um den Hals, um Kopf und Kragen, salopp um die Wurst⌝; es geht um Pfennige; jeder weiß, worum es geht

Im WDG stöbern

a b c d e f g h i j
k l m n o p q r s t
u v w x y z - ' & µ
Gefühlsschwelgerei Genickfänger
Zitationshilfe
„gehen“, in: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1964–1977), kuratiert und bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/wdg/gehen>.

Weitere Informationen zum Zitieren …


Weitere Informationen zum Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)