Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

klemm, adj.

klemm, adj.
gleich klamm (s. d.), jenes erscheint mehr als oberd., dieses mehr als md. und nur nd., während auch schott. clem gleich clam besteht (sp. 935 unten); vom ursprung s. klimmen. die umlautlose form stellt sich unmittelbar zu klimmen, genauer zum praet. klamm (vgl. klimm), die umgelautete zu dem abgeleiteten klemmen (vgl. unter 3), wie sich ähnlich ahd. chleip klebrig und nhd. kleb klebrig verhalten (sp. 1042). für die mhd. zeit ist klem bezeugt durch namen, wie der beiname könig Ruprechts († 1410) genant herzog Klem Mones anz. 6, 375. 263, herzog Ruprecht der eltest (der vater) und herzog Kleme Janssen Frankfurts reichscorr. 1, 14 in einem briefe der Roten burger v. 1384; Clemme als adelicher beiname Baur hess. urk. 1, 534 u. ö., im habsb. urb. 262, 11 ein mann der Klemme. Ludwig teutsch-engl. wb. gibt auch klemme: das geld ist klemme, es geht klemme bei uns zu, das scheint aber mundartliche willkür.
1)
enge, eingeengt, 'adstrictus, coarctatus' Stieler 965, Steinb.
a)
eigentlich: da ward es ihnen zu clemm. Limburger chron. (1860) 72 § 156, sie kamen ins gedränge, vom rhein. städtebunde der durch übermut sich mächtigere feinde auf den hals zieht, der ausdruck stammt gewiss aus dem kampfgedränge. noch schwäb im Saulgau ein klemmer platz, klemmer sitz (Birlinger).
b)
bildlich, beklommen (vgl. klemmen 4, e):
so musz mein klemmes herz in deiner brust vergehn.
Wiedeman juni 16;
die eure klemme brust zu einem opfer lenkt.
25.
2)
gewöhnlich von mangel, wie klamm 2.
a)
zuerst wol unpers., wie unter 1, a: es sei im her (heer) klemm umb prot und wein. Nürnb. chron. 2, 39, 25, v. j. 1421; im winter, so es allenthalben klem ist, da muͤszen sie (die arbeiter) euch wolfeiler geben. H. Sachs vier dial. 48, 3, wolfeiler arbeiten; es geht klemm bei ihm zu. Stieler 965.
b)
dann von dem zustande wo es klemm ist, wie klemme armuͦt, contracta paupertas. Dasypod. 248ᵈ; a. 1482 ist .. in Schwaben ein so grelle klemme theurung. S. Frank deutsche chronik 1539 270ᵃ; milt, also das er in klemmer zeit sein eigen kleinot verkaufet. dess. chronica (1531) 81ᵇ u. ö.; anno 1434 erfror korn und wein, kam ein gähling klemme theürung. dess. chronica (1536) 1, 240ᵇ; a. Chr. 1482 ist ein schwinde klemme theuwrung gewesen. Rivander exempelb. 2, 352ᵇ;
warumb all hendel ietz auf erden
so klemb, spitzig und zucker werden,
auch speis und trank, auch alle wahr ...
steiget als auf das höhest auf.
H. Sachs 1, 332ᵃ,
es war damals Hanau blocquirt und eine solche klemme zeit bei dem gemeinen mann. Simpl. 1, 78, 24 Kurz; etliche jahre dahero sind die zeiten gar klemm gewesen. Chr. Weise freim. redner 761;
wer kehrt sich an die klemmen zeiten.
bei dermaligen klemmen zeiten. Wieland 20, 245; es war der anfang einer herben und klemmen zeit. Hebel 3, 379; der vogt ist in sehr klemmen umständen. Pestalozzi 1, 312.
c)
endlich von dem, was schwer zu haben ist (wie knapp, das denselben gang nahm): an orten da das holz klemm und theuer ist, sammeln die armen leut das rohr und heizen damit ein. Tabernaem. 575 (1588 706); wann eine theurung das land trucket so dasz die nahrung und decke bei denen geringen leuten sehr klemm und schlecht eine lange zeit gewesen. Muralt pest 29; wo die titul und münzen steigen, da werden die herrschaften und das geld klemmer. Opel u. Cohn 30 jähr. kr. 381 (oder wäre das nicht comp.? s. 4, und klammer rar); die wasser wurden klemm, es ist alles klemm bei ihm. Frisch 1, 518ᶜ; das geld ist klemm. Kehrein 227 aus Nassau (s. geldklemm). es ist auch noch schwäb., tirol., voigtl. (hier neben klamm, wie nass.).
3)
merkwürdig und bedeutsam eine nebenform.
a)
beklemm, klemm (1, 1422), das zeigt wie nahe diese adj. zum verbum gehören, wie klemm zu klemmen, so beklemm zu beklemmen; die form ist noch westerw. in der bed. bedrängt, arm (es geht einem beklemm) und beklommen Schmidt 19, auch in der Zips in bed. 2, das obst ist heuer beklem Schröer 70ᵇ; ebenda beklom und klom (s. klumm).
b)
überaus merkwürdig aber in der betonung bíklemm, selten, theuer, bair. Schm. 2, 356, in Pressburg Schröer 70ᵇ, östr. bíglem Castelli 84, Loritza 25ᵇ, bíchlem Höfer 1, 83. das kann nur alt sein, sicher mhd. bíklem, ja ahd. bíchlem, unmittelbar von bichlémman (eig. ringsum einengen) mit zurückgezogenem tone; es ist ein wertvolles seitenstück zu mhd. bíderbe mit nebenform bedérbe (s. bieder 1, 1811), im subst. bígraft neben begraft begräbnis mhd. wb. 1, 562ᵇ (doch s. beigraft Rothe dür. chr., beigruft oben).
4)
endlich auch eine spur von klemm in der bed. von klamm 4 (c), im ungr. berglande 'lehmig', ein klemmer boden Schröer 70ᵃ, genauer wol feucht; und dazu auch die nebenform mit -er wie bei klamm, in schles. klemmer, s. das adj. klammer 3 sp. 938.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1136, Z. 2.

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Zitationshilfe
„klemm“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/klemm>.

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