Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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klette, f.

klette, f.
ein wort mit sehr verschiedenen bedeutungen, die dennoch nicht verschiedene wörter darstellen.
I.
klette f. als thiername.
1)
hessisch der maikäfer, so auf der Rabenau bei Gieszen, auch hühnerklette (weil man die hühner damit füttert), wie westerw. hühnerkleber, von kleber fem. maikäfer sp. 1051.
2)
vom mauerspecht in baumklette, auch baumkletterlein, deutlich zu klettern (s. d.). da das klettern erweislich auch als 'kleben' benannt ist (s. klebern 1) und die form mit den beiden folg. genau stimmt, wird klette urspr. eben 'die klebende' meinen.
II.
klette beim vogelsteller, ein gestelle worein die leimruten befestigt werden, z. b. auf dem Harze, s. Kohl deutsche volksbilder u. naturansichten aus dem Harze (1866) 237. da es auch klettenstange heiszt, müszte mit klette eig. die leimrute selbst gemeint sein, und so ist es wol noch im folg.; Ringwald sagt von seiner lauteren warheit in der vorr. A 3ᵇ (1621): so hoffe ich .. etlichen hartneckischen und hochtrabenden sündern eine klette oder leimspille in den bart zu werfen, das ist ihnen ins gewissen zu reden und aufs wenigste gedanken .. zu machen; die leimspille ist die leimrute, 'leimspindel', und das oder wird ein sive sein, trotzdem dasz die redensart auch von der folg. klette gilt. in der Oberpfalz heiszt die klettenstange kleppe Schm. 2, 360, deutlich zu kleben (s. d. I, d), die folg. klette heiszt aber eigner weise bair. auch kleppe (s. klebe 2); aus Ostpreuszen gibt Hennig 125 kleppe fischergarn das im sommer gebraucht wird, gleich klebenetz?
III.
klette, f. arctium lappa, der samenkopf wie das kraut.
1)
Formen und verwandtschaft.
a)
ahd. in zwiefacher doppelform, ein fem. chlettâ und chleddâ, und ein masc. chletto und chleddo Graff 4, 554; mhd. klette wb. 1, 840ᵇ, gewiss auch noch in beiden geschlechtern. ahd. selbst eine fünfte form in kleta Haupt 9, 395, gestützt durch denicleta agrimonia Graff 4, 555 (vgl. agrimonia gârclife ags. Dief. 19ᵇ, clife ist klette), und dazu wahrscheinlich wieder auch chleda nach chledwurz lappa Graff 1, 1051. welcher reichthum der entwickelung bei einem so geringen dinge, und er wächst noch im folg.
b)
die letzte form musz nämlich chlëta sein, also mit urspr. i, während das tt und dd der ersten formen auf entstehung aus ti, di weist, also mit urspr. a aus chlatio u. s. w. (Weigand 1, 594). das bestätigen denn andere mundarten, das urspr. i erscheint rein in ags. cliþe lappa Mones anz. 7, 144, altenglisch clithe Halliwell 256ᵃ, nl. klit (s. c), das urspr. a in nl. ostfries. kladde klette (Kil., Stürenb., Fromm. 4, 348), ags. clate Dief. 318ᶜ. 127ᶜ (cliton), Mones anz. 7, 137. daneben altengl. clete und clote, auch claut (vgl. unter kletten 1) Stratm. 111. 113, noch jetzt clot in clotbur klette, man sieht eine reiche ablautsentwickelung.
c)
auch der stammauslaut zeigt die möglichste manigfaltigkeit (vgl. sp. 1008 unten), denn wie da chlëda, ags. cliþe die erste lautstufe darstellen, chlëta, engl. clider (s. u. d), vielleicht nl. kladde die zweite, so musz die dritte vertreten sein in ags. clate, auch mnd. klette Dief. 318ᵇ, glis clette vel clive 265ᵇ, nl. klit f., eig. klitte Kil.; das zu erwartende hd. tz erscheint eigner weise nd. in brandenb. klitz klette, klitzenbusch klettenstrauch (neben klîs, s. kleise) Danneil 105ᵇ, gleiches nd. tz s. unter klatz zuletzt, ebenso erscheint md. tz wo es strenghd. fehlt, s. klatzen 3, b.
d)
mit einer weiterbildung der endung durch r (vgl. sp. 1008. 1025) schwäb. kletter fem. klette, kletterstock klettenstrauch; das ist ganz wie al. kleber f. neben klebe klette. gewiss schon ahd. chlëtarâ und wol chlëtaro o. ä., denn altfranz. gletteron klette, auch gleton Diez 2, 313 bezeugen den bestand der einfachen und der erweiterten form bei den Franken, wie neufranz. glouteron, im 16. jh. gloteron die engl. form mit o als auch fränkisch ausweist. die erweiterte form zeigt sich auch engl. in dial. clider, alt clitheren (pl.?) goose-grass (auch clite, cleden) bei Halliwell, wie cliver goose-grass das., d. i. hd. kleber, klebekraut (1), kleine klette. auch bei dem vorigen klette ist diese nebenform vorhanden in kletterlein (s. I, 2).
e)
aus alle dem spricht ein stamm klit klat klut mit wechsel der auslautstufe, und wie hd. klebe, klibe, nd. klive klette deutlich vom hängen bleiben, kleben benannt ist, nl. klisse klette (s. kleise) von klissen, kleben (vgl. auch lat. lappa mit dem wörtern unter kleiben II, c), so ist auch für klit, klid u. s. w. diese bed. bezeugt genug durch andre reste, wie ags. cliđa, cleođa wundsalbe, pflaster Haupt 9, 453ᵃ. 527ᵃ. 455ᵇ (vgl. Ettm. 395), schwedisch kleta schmieren, sudeln (z. b. von schlechten malern) Rietz 326ᵇ, nd. klidderig klebrig (brem. wb.); aus dem hd. gehört bes. kletz klebrig her, mit der bei klette im hd. vermissten dritten lautstufe (s. auch kleit, bes. kletteln, wo mehr). auch urverwandt zeigt sichs in gael. glaodh glue, cement, bird-lime, litt. glitùs klebrig, und in lat. glus glutis, gluten leim selber, s. mehr unter kleiben II, b sp. 1066 und unter a daselbst. das gael. wort heiszt auch glaogh, was zu clag dort stimmt.
f)
die ahd. doppelform mit t und tt scheint übrigens bis ins 16. jh. lebendig, die vocc. bei Dief. geben neben klette auch klete 234ᶜ, klet 318ᵃ, dazu kletecht lapposus 318ᶜ; das alem. klätte (2, a) musz dem ahd. chlëta entsprechen, noch jetzt sind z. b. in Sachsen beide aussprachen vorhanden, klëtte (mit ä) und mit hohem e klette, bei den bauern selbst noch klæte, d. i. ahd. klëta.
g)
eigen kärnt. klinzl n. (auch keanzl, keazl) Lexer 160. 157.
2)
Bedeutung und gebrauch.
a)
cletten lappa, glis. voc. inc. teut. d 6ᵃ, ruella klätten Dief. 503ᵃ aus Gesner, rubea minor klette 505ᵃ; labacium spicig klet 318ᵃ, philantropos grosze klete 234ᶜ, klein klätten lappa Maaler 244ᵇ; die kleine klette, xanthium strumarium, heiszt auch spitzklette, kropfklette, igelklette, die grosze oder gemeine klette auch hopfenklette, rossklette, butzenklette, leberklette in verschiednen arten, vgl. klettendistel, klettenkraut:
swer sich ze kletten mischet,
unsanfte ers abe wischet.
Freidank 118, 7;
diu klette und der hagedorn,
diu tuont gæhen liuten zorn.
118, 13.
werfen in die bösen knaben vol kletten. Keisersb. bilg. 167ᵈ; wie sol ich mich doch halten gegen solche köpfe? .... es sind kletten und distelköpfe, wie (für mhd. swie) man sie wirft, so keren sie die stacheln uber sich und umb sich. Luther 3, 334ᵃ, von gegnern denen er es so und so nicht recht machen kann, es kann übrigens auch klettenköpfe gemeint sein.
b)
daher einem kletten anwerfen, ihm etwas anhängen, 'etwas am zeuge flicken', besonders ihn verleumden, verunglimpfen:
beschreit mich, wirft mir kletten an.
fastn. sp. 269, 13;
dann wo ich wirf mein kletten an,
die hangen fast, das macht mein gelt.
262, 19;
sprichw. gott henkt einem jeden sein kletten, schellen und schlötterlin an. Frisch 1, 519ᵇ, s. dazu klemperlein. kräftiger merkw.: ba, denen hab ich noch müssen die klett vors loch henken (sagt einer nachdem er sich gegen seine feinde ausgeschimpft hat). J. Faber, Chr. Neuter hist. von bruder Cornel. Lpz. 1613 K 3ᵃ, aus dem nl., wo dien (sg.) moste ick noch die kladde aen sijn gat hangen Neuter Amst. 1698 1, 63, wäre das eine leimrute (s. II)? besonders eine klette in den bart werfen (vgl. klettenbart):
beʒʒert er mir niht, ich wirfe im einen stein in sînen garten
und eine kletten in den bart.
MSH. 3, 104ᵇ;
(will) mit dreien derben und scharfen fabeln beschlieszen und mit dem krebs, fuchs und sperling manchem ein kletten in bart werfen. Schuppius 835 (fabulhans);
gewiss er wird mit groszem schrecken
ihm eine klett im (für in, in'n) bart anklecken.
Brodtkorbs umarbeitung von Ringwald laut. warheit 42,
vgl. klettenbart, s. übrigens auch unter II. ist die klette, die im schwerinischen rechte mit 15 mark lübisch gestraft wird (s. Frisch 1, 522ᶜ), eine verläumdung? vgl. kletten 3.
c)
aber auch als bild unlösbarer anhänglichkeit: das kind hängt wie eine klette an seiner mutter; meine mutter fiel mir als eine klette an den hals. Pierot 2, 121;
küsten immer in die wette,
einer war des andren klette.
Logau 3, 6, 10 s. 100;
lasz uns, mein theurer, an einander hangen
wie klett und kleid.
Göthe 1836 Iᵃ, 135 (1850 6, 200).
d)
das nl. klit klette heiszt auch verwirrung im haar, garn u. dgl., und ebenso klisse klette, sodasz deutlich dabei an die klette gedacht ist, vgl. hier klettenbart. es gehört aber offenbar mit dem klatte sp. 1009 zusammen.
IV.
fragweise sei noch ein viertes klette (klede) angesetzt nach einer angabe in einem nach dem Niederrhein neigenden voc. des 15. jh.: trulla, kled. Diefenb. 599ᶜ, d. i. maurerkelle. wie diese rhein. auch kleibscheit heiszt, so wird in kled der angenommene stamm von klette versteckt sein, vgl. kletteln.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1151, Z. 35.

kletten

kletten,
1)
bei den tuchwebern, die wolle zerfasern um das unreine auszuscheiden, daher kletter m., kletterin f. die diese arbeit verrichten. Adelung. Krünitz 40, 398. man musz einst eine grosze klettenart zum ausziehen der wolle gebraucht oder eine karde klette genannt haben. Jamieson suppl. gibt schottisch clauts und clatts pl. als künstliche wollkardetsche, zwei hölzerne bretchen mit eisernen zähnen, vor einführung der maschinen gebraucht; aber claut ist eig. nichts als klette (s. d. III, 1, b). ein nd. name der klette ist krasse Dief. 234ᶜ. 318ᶜ, das kardetschen aber heiszt nd. auch krassen. M. Kramer 1787 gibt allgem. kletten, reinigen, s. auch klettenwolf, 'wolf' als klette, kardetsche.
2)
sich kletten, wie eine klette anhängen: o wie viele andere stachlichte empfindungen kletteten sich nicht an dieses belastende gefühl von trennung und einsamkeit. Thümmel 2, 372 (in der neueren ausg. v. 1853 ketteten); ebenso sich ankletten morgenbl. 1859 s. 2ᵃ. von disteln selbst:
also treibt im herbste der nord die verdorreten disteln
durch die gefilde dahin, sie entfliehn in einander geklettet.
Voss Od. 5, 329.
schon im 16. jh. vom widerhaken eines pfeils sich angletten 1, 355; auch die klette hat widerhaken, und doch wäre ein selbständiges kletten kleben nach dem unter klette III, 1 erörterten denkbar. das gl- ist wie in franz. gleton dort, vielleicht echt.
3)
merkwürdig folg.: jurgari, kletten, schelden vel strafen. Bresl. voc. aus dem 15. jh. (hs.), vgl. das klette III, 2, b zuletzt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1153, Z. 40.

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Zitationshilfe
„kletten“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/kletten>.

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