Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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klettern

klettern,
klecken, maculare, s. kletter klecks, vgl. kletterwerk. klettern gleich kleckern, klecken gibt Stieler 974, dazu beklettern: (will weiter erzählen) damit das übrige weisze papier vollends über und über beklettert werde. Simplic. (1713) 3, 507, verklettern 1, 418; schwäb. verklettern tropfenweise verschütten, kletterlen kleckern Schmid 316. s. auch kletteln, klittern.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1155, Z. 5.

klettern

klettern,
scandere.
1)
Bedeutung und gebrauch. klettern heiszt auf steilem, eig. unwegsamen wege steigen, wie klimmen, doch drückt es kräftiger als dieses die arbeit des steigens aus und ist jetzt das eigentlich herschende wort dafür, während klimmen in die höhere sprache zurückgetreten ist. aber auch klimmen ist brauchbar als steigerung von klettern, eben seiner gröszeren seltenheit wegen, Seume erzählt von seiner besteigung des Ätna: von hier aus kann man nicht mehr gehen; man musz steigen, und zuweilen klettern, und zuweilen klimmen. spaziergang n. Syr. (1803) 287, klimmen von noch steilerem wege.
a)
es ist wesentlich intr. und erscheint zuerst im 15. jh.: klebern, klimmen, klettern, scandere. voc. theut. 1482 q 7ᵇ; geisz .. die da hoch klettern. Keisersb. irrig schaf A 5ᵃ, noch els. klättre pfingstm. 74; da sprach Jonathan zu seinem waffentreger 'steige mir nach' ... und Jonathan klettert mit henden und mit füszen (den felsen) hin auf, und sein waffentreger im nach. 1 Sam. 14, 13; klätteren etwar an, arreptare, repere, aufhin klätteren wie die katzen Maaler 244ᵇ; das er wie ein katz widerumb auf den (päpstlichen) stul kletterte. Fischart bienenk. (1588) 242ᵃ; ob wir nun gleich des klettern und steigens halben fast müde waren. Opitz 2, 288;
der klettert auf die ficht', ein andrer auf die buchen.
1, 246;
sie klätterten nicht anders als die katzen über die klippen. Happel kriegsroman 1, 509, mit ä wie Maaler (s. 2, a);
tief unter ihm klettern die ziegen
an jähen wänden von stein und reiszen an bitterm gesträuche.
Kleist frühling (1754) 35;
sonst so keck und verwegen, wenns gilt in die bäume zu klettern.
Voss Luise 1, 580.
b)
mit bloszem acc.: da solten die armen soldaten .. durch frost und schnee die Schweizergebürge hinanklettern. Chr. Weise erzn. 68; wir musten die klippen hinauf klettern, als wenn wir den (l. dem) monden wolten die augen ausgraben. 69; doch ist der acc. da durch hinan, hinauf herbeigeführt. aber auch klettern selbst als reines trans., wie steigen auch, nach gehen u. dergl.:
es ist so unbequem den dornenpfad zu klettern.
einen jähen berg zu klettern ist dann meine freude. Göthe 16, 80, wie erklettern;
durchschleiche nicht thäler und klettre nicht berge.
Haug (1807) 2, 271.
c)
ungewöhnlich mit haben statt sein:
ich habe gestern tag und nacht
auf dem gebirg herumgeklettert.
Göthe 33, 255.
sonst mit sein, z. b.: die zwei ältesten knaben waren auf die kutsche geklettert. 16, 28.
d)
ganz eigen mit gen.: (er) klettert auf maximilianisch oder teurdankisch der gemsen. Fischart Garg. 178ᵃ, bei Scheible 327 nach den gemsen.
e)
übertragen auf ähnliche bewegungen: rosenbäume kletterten an den triumphbogen (im garten) hinauf. J. Paul Titan 3, 38, wanden sich umklammernd dran empor (vgl. sp. 1045 unten). trefflich von der lerche (vgl. klimmen ebenso sp. 1164 unten):
an ihren bunten liedern klettert
die lerche selig in die luft.
Lenau ged. (1855) 1, 65.
f)
unsinnlich, wie klimmen: klügelen und kletteren mit der vernunft, bis sie uns stürzet. Luther (Schottel 567); das sie (die vernunft) wil gen himel klettern und göttlich ding unterstehet zu ermessen. 6, 67ᵃ; so magst du wol (mit eignem denken) hoch klettern und gaffen nach der maiestet, wirst aber weidlich mit dem kopf anlaufen und dich stürzen. 6, 188ᵃ;
wer heiszt oft grosz? der schnell nach ehren klettert,
den kühnheit hebt, die höhe schwindlicht macht.
Hagedorn 1, 12;
täglich wird das werkchen höher klettern, aus lesebibliotheken in leihbibliotheken. J. Paul flegelj. 1, 21; die actien klettern, gesprächsweise für langsam steigen.
2)
Formen und verwandtschaft.
a)
die aussprache mit tiefem e (daher klättern unter 1, a) weist auf ursprüngliches klëteren, frequentativum eines ältern kleten, das im 16. jh. schwäbisch bezeugt ist (ahd. chlëtên? s. kleben I, c): do hat im der graf zu ainer straf die wal ufgeben, eintweders in turn (zu kommen), oder aber er soll ain sorglichen (gefährlichen) felsen zu Lichteneck hinab kleten. Zimmernsche chronik (hs.), s. Pfeiffers Germ. 1, 18. noch bei Stalder 2, 108 schweiz. kletten, kletteisen für klettereisen. Stieler 969 gibt auch klatten an, das aber zu den nd. formen unter c gehört, falls es echt ist.
b)
eine andre einfache form ist schwäb. kletzen klettern, mit demin. kletzlen Schmid 317. das tz käme nach den folg. nd. formen dem hd. worte überhaupt zu; aber das nd. wort ist schon nach dem vocal eine andere bildung, und kletzen kann auch eig. kletsen sein, wie oberd. kleppen klettern auch als klepsen erscheint (sp. 1052, vgl. klatzen 3, a zuletzt).
c)
nd. heiszt es vielmehr klattern brem. wb., Dähnert (auch bei Stieler); wangerog. klatter Ehrentraut fries. arch. 1, 80, und mit einfachem t wie unter a klâtern Schamb. 101ᵇ, waldeck. Curtze 476ᵇ, sodasz urspr. klateren anzunehmen ist, von dem urspr. hd. klëteren in vocal und auslautstufe unterschieden. noch anders im vocal nl. klauteren 'unguibus fixis conscendere felium more' Kil. (er gibt auch klouteren, und hd. kletteren); ebenso ostfries. klautern, auch klaustern Stürenb. 109ᵇ. nur entlehnt ist schwed. klättra (nicht dän., norw.).
3)
Herkunft. dabei mischen sich neckisch wie selten zwei möglichkeiten.
a)
wie nd. klauern klettern zu klaue stimmt, schwed. klona sej klettern zu klo klaue (klona kratzen) Rietz 326ᵃ, altfranz. ramper klettern zu it. rampa kralle Diez 280, zu nd. kleggen klettern (und kratzen) klegge klaue Curtze 476ᵇ, zu fränk. klepern klettern (sp. 1052) klaper kralle (mehr sp. 1052 unter g), so erinnert klettern an klater kralle, kleten an klate kralle, kletzen an zu vermutendes klatze kralle (sp. 1008), die krallen, beim menschen die finger und zehen (einst 'klauen' genannt) thun ja auch beim klettern die hauptarbeit, vgl. klimmen.
b)
anderseits erinnert klettern an klette, und ebenso stimmt klebern klettern zu kleber klette, bair. kleppen klettern zu bair. kleppe klette, nd. klatern klettern zu ags. clate klette, selbst nl. klauteren vielleicht zu altengl. schott. claut klette (sp. 1152), auch zu kletzen kletz klebrig, und man wird sich für dieses zu entscheiden haben. denn das zu vermutende mhd. klëteren stimmt genau zu mhd. klëte klette, und obwol dabei die bezeichnung der bewegung fehlt, ist doch erweislich das klettern wiederholt als ein kleben aufgefaszt, ja selbst kleben genannt worden, s. die beweise sp. 1045 unten und 1052 mitte; die dort vermisste brücke von altn. klîfa klettern zu ahd. chlîban kleben findet sich in mnl. clîven, das noch zugleich kleben und klettern bedeutete. der stamm von klettern, klette (klit, klat) scheint selbst ein bruderstamm zu dem von kleben, mit auslautwandel (sp. 6); auch die dritte mögliche gestalt liesze sich finden in nd. kleggen klettern (s. a) verglichen mit engl. clag kleben (Halliwell 251ᵃ), vgl. ags. clæg (cläg?) sp. 1064 unten und gael. glaogh sp. 1152 mitte.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1867), Bd. V (1873), Sp. 1155, Z. 11.

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Zitationshilfe
„klettern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/klettern>.

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