Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

geifen

geifen,
nebenform zu gaffen (s. d.).
1)
verlangend blicken: also sein es ellende menschen, die stets geifen auf das, das sie nit haben. Pauli sch. u. e. 32 (s. 123 Öst.); s. gaffen II, 4, was auch bei Pauli als var. erscheint (das. c, γ), vgl. auch das. 5, b giffen in gleicher bedeutung. das seltne wort findet eine stütze in dem zweiten geiferig gierig, auch, mit begriffserweiterung, in geife (s. d.), wonach es auch hütend blicken, im auge haben bedeutete, d. h. wie das stammverwandte gaumen sp. 1579, mit nebenform gaimen lüstern blicken (sp. 1581), wonach auch hier die mhd. form geifen, nicht gîfen sein wird, s. auch geifer, mhd. gleichfalls mit ei.
2)
noch ursprünglicher in heutiger bair. mundart gaifen klaffen, z. b. eine wunde gaift, ein schuh der nicht anliegt, s. Schm. 2, 17, tirol. auch von kleidern die nicht anliegen, falten werfen Schöpf 168. bair. auch gaifung das auseinanderstehen, der ausschnitt, gaifen ausschneiden, rund ausschneiden, gaifig rund geschnitten u. ähnl. das ursprünglich dahinter stehende ist der weit geöffnete mund (dann auch blick), der verlangt u. ä., was unter gaffen vollends klar wird; vgl. tirol. geffe f. pöbelhaft (d. h. in unveränderter ursprünglichkeit) für mund Schöpf 182, kärnt. gêfl n. Lexer 111, dazu gäffen (s. d.):
ein fromme fraw soll han gebärd ..
und nicht hofwort mit jederman
treiben und jeden gäffen an.
hasenjagd 56.
3)
zur form.
a)
im vocal steht gaifen wie vermittelnd zwischen gaffen, engl. gape u. s. w. und giffen (sp. 1140), schweiz. gyffelen klaffen, bersten Stalder 1, 445, gifele Fromm. 3, 83ᵇ, gyffen dehiscere Maaler 202ᵇ, nd. gipen, alts. gipan patere, schwed. gipa Rietz 193ᵃ. dem geifen aber gleich stehend und für hohes alter sprechend ist norw. geipa den mund oder das gesicht verziehen (geip m., geiping f. saure mienen, grimassen), sachlich noch ursprünglicher geipla nach luft schnappen, s. Aasen 213ᵇ, der altn. geipa schwatzen dazu stellt.
b)
auch in md. mundarten mit p: oberhess. geipen, maulaffen feil halten, auch gähnen (dafür doch meist gîpen), sieh Vilmar 141; luxemb. geipen, 'giepern, um etwas geilen, nach etwas lungern', also mit beiden ursprünglichen hauptbedeutungen.
c)
aber auch mit b, thür. im 16. jahrh. und noch coburg. geiben (s. d.) lüstern blicken, auch mit offnem munde, hess. geiwen, vgl. im 15. jh. giebin oscitare Dief. 402ᶜ; das schwankt freilich zugleich nach gäuen hinüber (s. dort), aber nach ags. gîfre gierig, gefräszig kann b echt und ei ursprünglich î sein, wie denn ein altes gîpan, gîfan ohnehin dahinter zu stehen scheint. der stamm gehört zu den urältesten und in vocal und stammauslaut entwickeltsten, zugleich mit resten höchsten alters in heutigen mundarten; s. gäuen, gaffen, gaumen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2564, Z. 1.

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Zitationshilfe
„geifen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geifen>.

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