Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geil

geil,
hilaris, petulans, lascivus.
I.
Form, verbreitung, verwandtschaft.
a)
goth. gails fröhlich blickt aus gailjan εὐφραίνειν, ahd. keil, gail elatus, petulans Graff 4, 182, mhd. geil, auch geile (wäre ahd. geili); ags. gâl lustig, ausgelassen, übermütig, noch in engl. gole (s. II, 5, b); alts. gêl ebenso, mnd. mnl. geil, nrh. gheil Teuth. 101ᵇ, nnl. geil (volksmäszig auch geel und gail) wb. III, 904; altn. mangelnd, aber dän. geil, schwed. in mundarten gail, gäl, gel, gil lustig, toll, geil, brünstig, s. Rietz 189ᵃ, das letzte vielleicht mit norw. gilda freude, gildast lustig sein, dän. dial. gield brünstig (das. 189ᵇ) davon zu sondern (s. u. gall n. 3).
b)
auch auf roman. boden lebt es noch, ganz ein und weiter gewachsen, in anknüpfung an die erste bedeutung, von da auch wieder zu uns gekommen, denn gala und damit galant stammen wahrscheinlich von geil, s. schon Frisch 1, 335ᶜ, Diefenbach goth. wb. 1, 381, dann Diez wb.² 1, 197 fg.; vgl. besonders altfranz. gale f. lust, freudenfest, schmaus u. ähnl. (s. geile f.), galer feste feiern, lustig schwärmen (s. geilen 3), ital. di gala munter, lustig, 'ein deutsches geilhart (vgl. z. b. gebhart) liegt zu grunde bei mlat. galliardus, goliardus joculator, scurra, prov. galhart, franz. gaillard, it. gagliardo' u. s. w. munter, frisch u. ähnl. Diefenbach 1, 382, vgl. älter nl. geilaard m. übermütiger mensch, s. wb. III, 907 (vgl. unten geilart).
c)
urverwandt stimmt, wie Benfey bemerkte, lat. hilaris mit seinem stamme hil, der auch altind. überliefert ist für lustig sein, tändeln, hêlâ lust, übermut (Böhtl.-Roth 7, 1659). bei uns aber kommt noch eine andere form in frage: oberd. gegel geil, osnabr. geggel ebenso, ags. gägl, die doch bei einem andern stamme guten anhalt finden (s. gegel 3); aber das verhältnis zwischen gegel und geil erinnert zugleich an das merkwürdige verhältnis zwischen kegel und keil, kugel und kaule, s. dazu u. kegel 12. weiter ausgreifende erwägungen und anklänge s. bei Diefenbach a. a. o., vgl. auch unter 5, f.
d)
auffallend im 15. jahrh. auch mit i, y, in einem voc. peculanter gilich, peculantia gilichkeit, in einem andern gylich, gylkeit, auch peculari gylen Dief. 419ᵃ. das kann keine gewaltsame kürzung durch massenhaften gebrauch sein, wie bei alem. helig, hellig, nd. hillig für heilig, es scheint vielmehr nur einwirkung des zweiten geilen (d. i. gîlen), s. dort unter 3, eigentlich vom übermut des jungen viehes (s. II, 2, e und kälbern), wie in peculari das eigentliche petulari an pecus angelehnt erscheint. auch nl. bei Kil. ghijl gleich gheyl, procax, lascivus.
II.
Entwickelung der bedeutung.
1)
der ursprüngliche harmlose begriff fröhlich, lustig, besonders aus der maszen lustig, der so entarten sollte, tritt noch nhd. deutlich auf.
a)
ahd. zwar nicht bezeugt (vgl. ags. unter c, α a. e.), doch mhd. noch deutlich in vrô und geil, vrœlich unde geil (geilichen frô Wolkenst. 80, 2), auch von bloszer fröhlichkeit wie sie als regel gedacht ist, im gegensatz zu trûric, z. b.:
im was ein ander (zweites, neues) leben gegeben ..
er was dô geil unde frô.
Trist. 8319;
swer dirre selben hervart
in dem lande über wart (überhoben),
der was es (darüber) herzeclîche geil.
Barl. 264, 27;
sô sage mir, vrouwe, durch dîn heil,
wes du von gote sîst sô geil,
daʒ du in lobest sô sêre?
146, 38;
wer wære geil (ohne dich, Maria)
enzwischen himel und erde?
Haupt 4, 540;
sô mich sende nôt bestât,
sô schîne ich geil und trœste (ermutige) selben mich.
Walther 116, 36;
wiltu (die geliebte), sô wird ich an stæten vröuden geil.
MSH. 1, 26ᵇ.
und so noch nhd., im 15. 16. jh.: das ich wider werde geyl und entladen werd myner not. Amor l 1;
sie sprach (frau Ehre): Unmuot, nu wich!
wir wöllen geil und gemelich sin.
Altswert 42, 29;
so geb dir got gelück und hail
und bewar dir dein leben gail.
klopfan, weim. jahrb. 2, 95 (fastn. 1355), als neujahrwunsch;
und ist mein frowe mit allem heil (meldet ein bote)
gesunt, frisch, frölich unde geil.
Büheler königst. von Frankr. 1620;
und saget in (den freunden), mir seind frölich und gesund und gail von den genaden gottes. Flersh. chr. 25, 4, als grusz aus der ferne.
b)
besonders auch naturfrisch u. ä., von frischem lebensmute, der aus besonderer kraft, strotzender kraftfülle flieszt und von dieser selber, z. b.: vor jugende geil Parz. 181, 10;
die wîl (so lange) ich was an kreften geil.
Lieders. 2, 179,
vgl. vorher ich bin ze krank und ouch ze swach;
sô wart er ûʒ der ahte (überaus)
starc, küene unde geil.
Lanz. 3969,
von einem helden, der seine kraft durch den duft gewisser kräuter stärkt; daher noch nhd. als beiwort eines heldenjünglings:
darumb macht er sich auf die fart,
zuͦ versuͦchen sein glück und heil
an herr Tewrdank, dem jüngling geil.
Teuerd. 10, 6,
ähnlich wie sonst gemeint (auch noch im Teuerd.), gewiss schon in früheren verwandten dichtungen; vgl. auch unter 3, a. frisch und geil (vgl. unter c, β), wol auch wie gemeit:
ein thumherr war ir günstig,
er daucht sie frisch und geil.
Ambr. lb. 220, 27,
er gefiel ihr, sie war stolz auf ihn. ähnlich in bezug auf liebe: der nam in seinem alter ain junge gaile grefin, aber das ochsen- und kalbflaisch mocht bei ainandren nit gesieden. Zimm. chron. III, 130, 26. dazu die ahd. namen Gailo (Galo, Gelo), fem. Gaila u. ä., wol auch schon vandal. Gailamir u. ä., s. Förstemann nam. 1, 458 ff. auch von thieren, z. b. von einem pferde, das verkauft wird:
der wirt sprach, er ist resch und geil,
nur das er hat ein kleinen feil.
Waldis Es. IV, 83, 95.
ochsen, die wâren wilde
und sô geil, daʒ si nieman
enmochte an ein joch gevân.
pass. H. 222, 33.
vgl. vom falken, der feindlich in ein volk vögel stöszt durch sîne geilheit gr. Rud. Fᵇ, 18.
c)
dann aber auch von besonderer fröhlichkeit bei besonderen gelegenheiten.
α)
daher geil werden (mhd. sich geilen), einen geil machen:
ich gibe im solcher minne teil,
dâ von sîn herze wirdet geil.
Wigal. 225, 17;
der (vögel) bleip dâ lebendic ein teil,
die sît mit sange wurden geil.
Parz. 119, 8;
würd uns der edlen minne spil,
so süllen wir all werden gail.
fastn. sp. 404, 22;
wiltu (geliebte), so machst du mich geil.
Altswert 72, 24.
natürlich besonders bei festen, beim gelage, beim becher:
daʒ her Swantopolc besît
in einiʒ sîner dorfir quam
durch kurze wîle unde nam
darzû sîner rittir ein teil,
mit den er wolde wesin geil
unde in wirtschaft goidin.
Jeroschin 7866,
ein lustiges fest und schmaus halten (s. geuden);
ich hoff, es werd noch manger gail,
so sich der schimpf (lust) wird heben dort.
Herm. v. Sachs. Mörin 5604,
von einer bevorstehenden hochzeit;
der acht von trinken wirt so gail,
das im sein er, guͦt, weib und kind ist alles vail.
und so gewiss schon in alter zeit, das verrät ags. ealogâl, medugâl, wîngâl, bier- meth- weinfroh, trunken, symbelgâl, schmausfroh, 'heiter', d. i. trunken. s. auch noch nhd. geil m. 2, d.
β)
besonders auch von der fasnacht:
seit fort all fasnacht frisch und geil.
fastn. sp. 389, 26;
nu sagt, ir lieben narren gail ..
121, 26;
daher der geile montag, der montag vor der hauptfasten (Scherz 505. 465): wan man doch uberein dy leichtfertigkeit thun wolt, so sol man es doch nit eben uf den tag thun, uf das haupt der fasten. worumb thut man es nit morn, so es on das heiszet der geil montag. Keisersberg emeisz 10; da iszt man den teufel im rauch am geilen montag. Garg. 153ᵇ (Sch. 283); vgl. städtechron. 1, 487ᵇ. 3, 428ᵃ. 10, 836ᵃ.
γ)
noch jetzt schwäb. geil überfroh, z. b. auf einem Tübinger studentenballe sagte ein mädchen, das der tanzherr zur mutter zurückbrachte: ach mutter, ich bin so geil;
narr! denk ich wieder, du hast dein theil!
willt du noch jetzo werden geil?
Mörike der alte thurmhahn.
d)
auch von freudigkeit in besondern beziehungen, mhd. z. b. geil zuo etwas, froh bereit, mit freuden willig:
sî wâren darzû harte geil.
pass. K. 473, 82,
d. h. zum feuertode als märtyrer. so ze strîte geil, kampffreudig, wie dort todesfreudig (vgl. gemeit kampffreudig Uhland volksl. 405):
dâkegin ouch vorgîngin (kamen um)
Littouwin wol sibinzic man,
die dâ wâpin hattin an
und zu strîte wârin geil.
Jeroschin 20458;
vergl. in vocc. des 15. jh. vafer geil (neben hochvertig, dapfer) Dief. 604ᶜ, mnd. Sch. u. L. 2, 35ᵇ, 29, und schon ahd. für ferox, geila muot, feroces animos Graff 4, 182, eigentlich wol von tollkühnem kampfmute. ähnlich nhd. von einer bärin, die in wut versetzt ist, weil man ihr die jungen (welflein) genommen:
der held tette ein trit hindan ..
und stach damit das thier geil
mit seinem perenspiesz zuͦtodt.
Teuerd. 14, 38.
vgl. mhd. hirngeil, tobsüchtig.
e)
die linie, die zum heute herschenden begriffe führte, betritt es in zu geil werden, also ein überschreiben der alten mahnung, in zühten gemeit zu sein (Haupt Neidhart s. 113, vgl. ehrenfreudig); so schon mhd.: dar umbe lât uns got gebresten haben hie in allen dingen .. daʒ wir iht ze geil werden und ze übermüetic. myst. 1, 338, 11; und haben den rüden, daʒ ist unserm leib gar ze guͦtlichen getan und ze vast gemest, daʒ er zuͦ toͤrisch wart und ze gayl. gesta Rom. 166;
uf erden solt nit sin zuͦ geil
mit dinem swachen erbeteil.
Muscatbl. 84, 2;
da findens auch wol ihren teil (die bauern im narrenschiff),
auf das sie werden nit zuͦ geil.
Zarnckes Brant 130ᵇ,
vergl. von den bauern unter 2, b; wir haben lange zeit friede gehabt und gute tage, bis wir zu geil und kutzel worden, nicht (mehr) wusten was fried und gute tage waren. Luther 3, 147ᵇ; die christen wil er mit solchem unglück im zaum halten, das sie nicht von gott weichen, nicht lecken (ausschlagen) und zu geil werden. ders. bei Dietz 2, 50ᵃ. s. auch von pflanzen 5, c.
2)
dann aber bloszes geil, wo es eigentlich zu geil meint vor lust oder lebenskraft, also ausgelassen, übermütig, mutwillig, üppig u. ähnl.
a)
und so zwar schon ahd. petulans, elatus, sodasz die vorgeführte entwickelung, die noch mhd. nhd. als nachwirkend zu erkennen ist, doch auch in ahd. zeit schon vollzogen war, wie auch alts., ags. schon (s. auch unter e); mhd. z. b. von übermütigem bauerntanze (vgl. unter geil m. 1):
Diethôch, Uolant und Iedunc
spranc dâ mangen geilen sprunc.
Neidhart 31, 38 (var. hôhen);
er muoʒ mich sîne geile sprünge lêren.
21, 26,
d. h. zugleich eine art kunst des tanzens (daher var. sînen treiros, ein tanzname);
owê, sprach ein geiliu magt, ich bin behuot!
ine getar
vrô gesîn niht offenbâr (vor der mutter).
14, 31.
wie das gedacht war, zeigt der vergleich mit jungen ziegen (s. u. e):
ein altiu diu begunde springen
hôhe alsam ein kitze enbor ...
dô sprach ein alte in ir geile (f.)
'trûtgespil, wol dan mit mir (zum tanze)!'
3, 1. 15.
b)
nhd. ist das (und die bedeutung 4) dann vorwiegend, der begriff entwickelte sich eben in der richtung der übertreibung: geyler, gayler, oder frischer (s. a), oder unkeuscher (s. 4), lascivus. voc. 1482 k 6ᵃ, vgl. Dief. unter lascivus, petulans; ein ritter meint vom wachsenden übermut der bauern:
solt es allweg frid beleiben,
die paurn würden den adel vertreiben,
sie würden hinten nach so gail,
sie machten uns pürg und stet fail.
fastn. sp. 646, 13 (vgl. Luther unter c);
auf diese zeit verdrosz den babst und die Walhen, dasz die streitbarn Teutschen hinder das römisch reich warent komen und warfen welisch künig auf. wann die bebst warent gail und lebten gar freies lebens. Meisterlin Nürnb. chron. 3, 66, mehr politisch gemeint; von leuten die zu jung und unreif ins kloster gethan werden und zuchtlos bleiben:
solch klosterkatzen sint gar geyl,
das schafft, man bindt sy nit an seyl (sind 'ungebunden').
Brant narr. 73, 91;
do er sinen bruͦder Mithon
straft (tadelt), das er im hat sinen son
uppig gekleidt und geil gezogen.
Gengenbach 118 (44),
in kleidung und zucht zu übermütig werden lassen; die sibent eigenschaft des lewen ist, das er ist ein geil mutwilligs thier. Keisersberg brös. 1, 55ᵃ; dieweil der leib geil ist, so wirt er dem geist nimer (nicht mehr) undertänig. pred. 41ᵇ; du bist ein muͤsziggenger, solt vil vasten, vil abbrechen die spysen die dich geyl machen, dem arbeiter vergat der gammel wol .. im feld. Zwingli von speisen c 3ᵇ; da er (Jacob) aber fett und satt ward, ward er geil. 5 Mos. 32, 15; hilf gott, wie leckt er, wie geil ist er, wie tanzt er in seinem dünkel. Luther bei Dietz, wobei an thiere gedacht ist, s. unter e; effoeminare, geil machen. Dasyp. 77ᶜ; die leute werden geil (luxuriant). Rihels Livius 19; wenn man alle tag fett und satt ist, so wird man geil und vergisset gottes. Henisch 1442, 66, vgl. das. geilen, geil sein, scherz und vorwitz treiben. auch von angeborner übermütiger art oder unart, von Achilles und seinem erzieher, der
entwänt in also mit der weil
von seiner unart, so war geyl.
Fischart ehz. N 7ᵃ (3, 291 Kz.).
c)
oft gesellt mit sinnverwandten wörtern, wie gämlich, kützel, fürwitz, frech, feig, ausgelassen u. ä.: da was der apoteker ouch etwas (einigermaszen) geil und gemlich und gab Ulenspiegeln ein scharf purgatz. Ulensp. hist. 90, d. h. zu übermütigen späszen geneigt wie Eulenspiegel selber (vergl. geil und gammel vorhin Zwingli); es ist unseglich, wie geil und kutzel die bawrn itzt worden sind durch diese friedreiche zeit etliche jar daher, es jucket sie die haut so fast wie einer saw zur schlachtung gemestet. Luther 5, 465ᵇ (vgl. dens. unter 1, e); junge witwen, wenn sie geil und fürwitz worden sind, dasz sie das futter sticht, so wollen sie freyen. tischr. 214ᵃ, nach 1 Tim. 5, 11, wo blosz geil steht, in der glosse erklärt: weil sie von dem gemeinen almosen wolleben, müszig gehen und faul werden; vielleicht aber möcht er (der sohn) nach art der jugend frech und geil ungehorsamen. Kirchhof wend. 168ᵇ; Hippolyt von seiner stiefmutter:
mit ihr werd ich in unglück kommen,
weil ich mit warheit gerne sprech,
sie wer meim vatter zu gail und frech.
Ayrer 1284, 30;
beschert gott glück und heil,
so werden wir frech und geil.
Henisch 1442, 61.
und ebenso feig und geil: also ist dein leib feig und geil, leg im ein zaum an und zeum in. Keisersberg brös. 2, 67ᵃ, mit gedanken an ein wildes füllen o. ä. (s. e); ist sie (die frau) aber leichtfertig, faig oder gail, ein gaffelstirn, will ainem ieden red und antwort geben. schif der pen. 30ᵃ, übermütig, ausgelassen, s. feig 3, z. b. von einem pferde das seinen reiter abwirft, es galt auch von helden, vom höchsten mute im kampfe (eigentlich todesmutig):
do ward der held Seifride
so grimmig und so feig ..
hürn. Seifr. 143, 2.
noch im 17. jh. schwäb., wie bei Keisersberg:
(gib) dasz ich nicht werd faig, gail noch träg.
Weckherlin 56 (ps. 17, 6),
nicht zu viel noch zu wenig mut gewinne. so auch geil und ausgelassen noch im 17. jh.: ob nun gleich dieser krieg und streit, den ich mit mir selber führte, mich greulich quälte, so war ich doch geil und ausgelassen darbei, ja von einer solchen natur, dasz mir weder mein innerlichs anliegen (was mir quälend am herzen lag) noch die äuszerliche arbeit und kriegsunruhe etwas zu schaffen gab. Simpl. 3, 18, 17 Kurz (Courage 3).
d)
der begriff steigert sich da oft auch von mutwillig, übermütig zu anmaszend, unverschämt, z. b. in dem frech und geil (vgl. freche geilheit), in dem geil und kutzel von den bauern, und auch diesz schon ahd., insolens, arrogans Schm. 2, 30, bestätigt durch geilî f. (s. geile) adrogantia, jactantia, superbia, geilên insolescere Graff 4, 183.
e)
von thieren, an die im vorigen oft schon mit gedacht ist, vergl. mhd. unter a von jungen ziegen, überhaupt besonders von jungen thieren (vgl. geilen 3, a): etlich meinen, er (Jesus) hab zuerst auf dem füllen gesessen, aber dieweil es noch geil und ungezemet gewesen, hab er darnach auf die esellin gesessen. Luther post. 1528 18ᵇ; du hast mich gezüchtigt .. wie ein geil kalb. Jerem. 31, 18; und lecket wie die geilen kelber. 50, 11;
das geile gewäsche
der hupfenden frösche
sagt, dasz uns der wechsel den frühling gebracht.
Chr. Mylius verm. schr. (1754) 413.
noch jetzt landschaftlich, z. b. schles. von pferden und rindvieh, lustig, ausgelassen Weinhold 26ᵇ, wie geilheit ebenda auch von menschen.
3)
noch einige besondere schattierungen der ursprünglichen bedeutung, hauptsächlich als beweis, wie vielseitig der begriff sich ursprünglich ausbilden wollte, um doch in dem einen unter 4 auszulaufen (s. schon 1, d).
a)
merkwürdig mhd. an tugenden geil, im preis eines fürsten, nach aufzählung seiner tugenden:
sît ich niht lebende an tugenden weiʒ sô geiles.
MSH. 3, 170ᵃ,
vielleicht gleichfalls wie gemeit (s. unter 1, b), das auch zuweilen wie alle tugenden einigend oder zusammenfassend erscheint; denn die bedeutung fruchtbar unter 5, a scheint weniger passend.
b)
geil werden auch vom erwachenden selbstgefühl der kraft, z. b. bei der jugend: ferocire dicuntur iuvenes Ovid., freidig und muͦtig oder geyl werden und ein herz gewünnen, sich selbs empfinden. Frisius 555ᵇ, daher Maaler 101ᵈ, aus diesem Henisch 1442, 35.
c)
eigen ahd. auch keiliu ougun, elati oculi Graff 4, 182, wol solche die stolze entschlossenheit aussprechen. diesz auch nhd.: sie hatte ihn mit geylen, unbeweglichen, schamparen augen angesehen. b. d. liebe 210ᶜ, wol noch nicht nach 4 (das durch schampar vertreten ist), sondern vielleicht von gleichsam strotzendem, starrem blick. eigen mnd. geyl, clangorosus vel sonorosus sicut campana Dief. nov. gl. 95ᵃ, von vollem klange.
d)
auch geiles kalb noch anders als u. 2, d; der würgengel sagt (von pest und seuche) u. a.:
das geile kalb ist fett zu letzter opfersschlacht.
A. Gryphius 2, 261 (kirchenl. 18),
in der anmerk. aber wird auf Jerem. 46, 20 verwiesen: Egypten ist ein seer schönes kalb, aber es kompt von mitternacht der schlechter, also wol fett und schön, als lob.
e)
auch für gierig, wie ein übermütiger, auch schon mhd. âʒgeil, eszgierig (vgl. das zweite geilen 3, gierig sein):
mit pfenning mach ich dich reich
und schüt sie dir in dein kappen
und füll dir vol dein geilen (hs. geil) rachen.
fastn. sp. 605, 30,
vergl. mnd. vom geilen hals einer trinkerin Sch. u. L. 2, 35ᵇ, genuszgierig, wie geiles gelüste, zügelloses begehren u. ä.:
dann überflusz, schleck, gail gelüst
die sinn verwüstet und vertüst.
Fischart flöhh. 3493 (895 Sch.).
so noch im 18. jh. geiles feuer, gefräsziges:
als dort nach zehn belagrungsjahren
der Dardaner verwünschtes haus
in geilem feuer aufgefahren.
auch geile neider das. 168 meint wol lüsterne, gierige. auch nl. z. b. geil op oesters, gierig auf austern (wie geil op die meid), s. wb. III, 905.
4)
im vordergrunde aber blieb die bedeutung gierig nach geschlechtslust, brünstig, wie auch im nl.
a)
mhd. noch nicht angesetzt und nicht geläufig (unkiusche ist das herschende wort), ist es doch auch da schon als vorhanden anzunehmen, schon nach dem geil huon nachher im 14. jh. und geil n. hode schon im 13. jh., ja schon ahd. nach keilî petulantia carnis Graff 4, 183; wenn z. b. Hugo von Trimberg die sünden der welt aus einer vertheilung des alten slangen erklärt:
den pfaffen wart daʒ mittel teil,
daʒ machte si fræʒic unde geil.
Renner 3108,
so kann da gefräszig nicht noch einmal, aber eine gier im allgemeinen (s. 3, e) auch nicht gemeint sein. die entstehung aus der ursprünglichen bedeutung zeigt ungefähr folgendes:
ain schons jungs gails weib,
die under der gurtel ist hungerig und geitig.
Keller alte g. schwänke 7,
wo es noch wesentlich die bedeutung lebensfrisch hat; auch im folgenden hat es noch bei weitem nicht den starken begriff von heute (eher gleich üppig), wenn eine bäuerin ihrem manne, der auf der gauchmatt in die stricke der Venus gefallen ist, den text list:
nun ler (lerne) ich dich erst kennen recht,
und han dich doch wol xl jor ghan,
hast nie also zuͦ mir gethan,
bist nie so geyl by mir gewesen.
doch auch im 15. jahrh. schon: gailer oder unkeuscher, petus, lascivus, gail sein oder unkeuschen, peculiare. voc. 1482 k 1ᵃ; salax, geil, unkusch. Dief. 508ᵃ. im 16. jh.: (die) durch ungeschaffne gemeld oder geile geberd verderben die herzen der unschuldigen. Keisersb. eschengr. d 4ᵇ; geil unzüchtig sein. Luther post. 1528 5ᵃ, vergl. bei Dietz 2, 50ᵃ, z. b. von unsrer natur, die itzt verterbet und viel geiler ist (als im urzustande); den ehebrechern, unkeuschen und geilen leuten. Fischart ehz. 73; geil, unverschampt, schampar, unkünsch, petulans, salax. Maaler 164ᵇ; heiszt das nit geil gestorben? Garg. 241ᵃ (Sch. 453), wo doch noch lustig mit gemeint scheint. von thieren: das geile huon. lieders. 1, 260 (von begattung), Diut. 3, 86; die geilen hennen. Garg. 85ᵃ (Sch. 146), aber auch von ihrem zustande beim legen (s. u. kluck 1, auch hinnebrittend, d. h. hennebrütend): das etwann ein geile henn in ein überzäunig gebiet stobert und allda eier legt. 195ᵇ (362), vgl. dazu geile 5, c vom pips der vögel; der han ist also geil, dasz er um eines eys willen die hennen oft voglet, und so er deren nit vil hat, mag er eine mit seiner vilfaltigen geilheit ertödten. Heuslin Gesners vogelb. 78ᵃ.
b)
seine höhe erreichte es im 17. jh. bis ins 18. hinein, wo in der sprache, auch der gewähltesten, das wort, wie im leben die sache mit schamloser offenheit oder öffentlichkeit auftritt, doch auch mit abstufungen von wollust bis zu versteckter lüsternheit, z. b.: solte einer erst hören, wie solche teutsche Franzosen aufschneiden, wann sie zu jungfrawen kommen und ihre teutsche und keusche herzen mit französischen gaylen worten bereden wollen ... teutscher sprachverderber bei R. Bechstein d. museum n. f. 1, 304;
(der fürst) als ihn auf sein blut die geile frau verhetzet,
die mutter, die ihr kind (den sohn), nicht mütterlich, geliebt ..
nachher auch die brandstätt toller brunst genannt;
pfui euch, die ihr euch rühmt der geilen buhlerlügen
des frechen Amadis.
Logau 2, 3, 59 (Amadis-jungfern);
so viel erlernt der sinn vom meister geiler lüsten.
das. (s. 66);
ich weisz mich nicht so auszusprechen,
wie jetzt die geile jugend thut.
S. Dach 423 Öst.;
die geile Venus .. pflegt durch falscher wollust wahn
auf uns zu bringen leid und plagen.
469;
der blosz vermeint aus geilen sinnen
der liebsten ehre zugewinnen.
Neumarks lustwäldchen 75;
gott weisz, dasz keine hand hier blumen hat gebrochen
und dasz kein geiler wind durch meine blätter blies.
Riemer polit. stockf. 356;
wenn ohngefehr ein wort, das blut und nier durchdringet,
ein weiches hasenfleisch zur auferstehung bringet,
da heiszts ein geiler scherz, der christen nicht geziemt.
beschwerde des dichters, dasz man ihm zoten dieser art verargte, in denen er meister war; geile liebesbrunst. Felsenb. 1, 54. ein nachklang davon noch in der kraftsprache des jungen Schiller, während das wort nachher möglichst, jetzt entschieden gemieden wird: wenn er dem geilen kitzel eines augenblicks zehn jahre eures lebens aufopfert. räuber 1, 1; dieser stahl soll deine geile brust mitten durchrennen. 3, 1. Adelung bezeichnet es alsein harter ausdruck, der so widrig ist als die sache selbst, daher man ihn auch nur gebraucht, wenn man von dieser gemüthsverfassung mit nachdruck zu reden genöthiget ist“. wie sehr aber der begriff von dem worte überhaupt besitz genommen hatte, zeigt z. b. folgendes, wo auch der alte begriff übermütig nach castriren in dieser farbe gefaszt wird: Nemesis .. welche durch veränderung das gar zu geile und stolze glück castriret und demütiget. Butschky Pathmos 24; so wird im nl. wörterb. III, 906 die folgende bedeutung (5) von dieser abgeleitet.
c)
selbst im engeren kreise der kunst- und dichterbegriffe hatte es sich eingenistet, es wurde geil gedichtet, geile lieder (diesz noch bei Adelung) u. ähnl., geile reden, schriften, gemählde Frisch 1, 335ᵃ: weiteres, was etliche gaile stücke, die leyder! in diesem büchlein hin und her mitlaufen betriffet .. Weckherlin vorr. zu d. weltl. ged.; Hofmannswaldau und Lohenstein aber sind auch in diesem stücke (in verliebten gedichten) in die fusztapfen der geilen Italiener getreten, die ihrer feder so wenig als ihren begierden ein masz zu setzen wissen. Gottsched dichtk. (1751) 111;
das unglück risz mich fort, und meinem dichterrohre
vergieng der geile klang, wie mir der holde muth.
ich sang und spielte zwar, doch nichts als klagelieder ..
wie in der bildenden kunst gleichfalls geile kunst:
Secundus wird bereits vor Wolffen eingehandelt,
und bilder geiler kunst bekleiden tisch und bank.
582.
ein nachklang davon beim jungen Göthe, die geilen grazien, von Heinses Laidion: es ist mit der blühendsten schwärmerei der geilen grazien geschrieben. 60, 227 (der j. Göthe 3, 26). merkwürdig selbst geile höflichkeit, galanterie (in welchem franz. worte selbst unser geil versteckt ist, s. I, b):
kam meine Sylvia, die schon liegt in der erden
und nichts mehr von mir weisz: die sittsamen geberden,
die geile höfligkeit, der abgeführte sinn,
und was mich sonsten hielt, ist alles mit ihr hin.
Opitz 2, 178 (poet. w. 4. buch, an Nüszlern).
5)
aber auch noch auf anderm gebiete, von pflanzenwuchs, ackergrund, auch geschmack und geruch. vergl. geilfeist, geilheit 3.
a)
geil fruchtbar, auch befruchtend (γ).
α)
der voc. theut. 1482 gibt: geyl oder fruchtig als acker oder tyer die gar fruchtsam sind, fertilis. k 6ᵇ; diese erstreckung auch auf thiere wird gestützt durch gleichen gebrauch von frauen im 15. jh., si get geil, ist schwanger Lexer 1, 795, es mag aber erst vom acker übertragen sein, ein nd. voc. des 15. jh. gibt es nur von diesem: fertilis, geyl, also de acker dede (die da) vruchtbar sint edder vet. Dief. nov. gl. 171ᵇ, nrh. auch von bäumen: gheyl, vruchtber als ein acker off boem. Teuth. 101ᵇ, auch gheyl, vruchtber maken das., vom baume aber auch schon mhd. nach dem subst. geile 4, a, von land nach diu Gaile ebend.; so wird Gailnow am Bodensee Mones zeitschr. 19, 8 (15. jahrh.) fette aue meinen, wie Geilnau im Lahnthal, vgl. auch Gelenau, dann Geilinhûsen im 13. jh. für Gelnhausen (Wyss hess. urk. 1, 20), Geilingen Förstemann nam. 2, 605, bair. Gailenreuth, Gailthal, Gaildorf u. ähnl.
β)
es ist der begriff der heitern kraft- und lebensfülle 1, b von mensch und thier auf acker und pflanzen übertragen, wie man ja auch von saat spricht, die fröhlich grünt, von lachenden fluren. auch bei Stieler 618 noch geiler acker, ager opimus, solum pingue, bei Frisch 1, 335ᵇ ein acker der geil und gar ist, gut gedüngt (s. geile und gare sp. 2593 4, c), bei Adelung geiler boden, der sehr stark treibt (s. c), aber auch, als obersächsisch, die alten felder aufreiszen und zu geilem felde machen, also noch für fruchtbar überhaupt. auch nl. vom ackergrund, doch besonders wenn er zu stark gedüngt ist.
γ)
auch geil für befruchtend (s. geile 3, c vom dünger): weil es ein schöne und lustige awe war, die am gebirge Libano lag, da (wo) vom gebirge die geile fettigkeit und feuchtigkeit in grund zu sinken pfleget, trug und gabe es was es tragen und geben solte. Mathesius Sar. 2ᵃ.
b)
ebenso von gras und pflanzen, üppig wachsend, wuchernd: bald wird dein grabmahl bedeckt werden, und das gras geil auf deinem grabe emporwachsen. Göthe an Jacobi 36, vergl. geilbewachsen; geile flecke im getreide, stark und fett bewachsen (auch mastflecke meisznisch, anderwärts geilhorste) Adelung, nl. geile plakken (vgl. u. f), nd. geilbulten, geilhullen, stellen mit langem gras, wo ein vieh seinen mist hat fallen lassen Brem. wb. 2, 493, vgl. geilhaufe, geilhorst. vom weinstock (vgl. u. c): er stehet in eim geilen fruchtbaren weinstock. Luther bei Dietz 2, 50ᵃ. so wol von üppigem grün, vermutlich einem parke, im folgenden:
Wermd, von groszer anmuth geil,
deckt noch jetzt mit grünen zweigen,
was für lieb ich damals sang.
S. Dach 825.
aber vorwiegend doch in tadelndem sinne (s. c), von übermasz: er (der musterbauer Kleinjogg) findet nun, dasz dieser mergelkies die erde erwärmet, den geilen graswuchs verhindert und insonderheit das schädliche klapperkraut ausrottet. Becker noth- u. hülfsb. 276. so hessisch geil, 'gesprochen gêl' Vilmar 120, auch nl. geil, engl. dial. gole (goal), rank as grass, florid, full, big Halliwell 408ᵇ.
c)
auch hier nämlich überwog der begriff zu geil (wie 1, e): die saat wächst zu geil, zu schnell und dick Adelung; bäume, die zu geil treiben, quae luxuriantur. Frisch 1, 335ᵃ; ein weinstock, der zu geil wächst, die gar zu geil gewachsene saat luxuries segetum das., dann auch blosz geil, d. i. gar zu dick gewachsen das. (vergl. so geilen 3, e); auch vom ackergrund: freche, fruchtbare, gaile oder auch harte und lettichte erden. Hohberg 1, 343ᵇ u. o.; und so schon im 16. jh., gewiss früher: vitis luxuriosa, geyle oder wuͤtige weinräb, die zevil holz scheüszt. Frisius 789ᵇ, vgl. das. von bäumen luxuriantur, sind wuͤtig, wenn sy überfluͤssig schieszend; ein geyl zwey oder böumli, so er zuͦ mächtig zholz legt und ausschieszt, lasciviens. Maaler 181ᵇ; die frechen und geilen weinstöcke. Hohberg 1, 338ᵇ; sie (die natur) schränkt nur ein, beschneidet die geilen reben. Göthe 16, 18, auf menschen angewandt, wie im folg.: wo faulheit der gärtner sie geil aufschieszen läszt (die früchte in unsern schulen, die doch pflanzgärten sein solten!). Hermes Soph. reise 3, 682. geiler weizen, der zu sehr in die halme treibt und wenig körner gibt, wie der geile weinstock wenig trauben: damit die ubermasz (der aussaat) nicht dem acker die kraft entziehe, der waitz gail, ligerhaft und unkörnig werde. Hohberg 2, 35ᵇ. so geht es, als fruchtbar begonnen ('gar fruchtsam' voc. 1482), eigentlich in unfruchtbar aus: er glich einer markigen pflanze, die nur wasser und mageres erdreich bedarf, um wol zu gedeihen, in allzu fettem boden aber geilen überwuchs treibt, ohne frucht und genusz. Musäus volksm. 434. bildlich, überfruchtbar:
und die geile, hungrige zeit,
immer kinder gebärend, immer kinder verschlingend.
Schubart 2, 65 (d. ewige jude).
d)
so auch von anderem ähnlichen, z. b. geiles fleisch, wildes, das nicht wachsen sollte, schon bei Mynsinger 76 (Lex. 1, 795): wer ehs sach, das faul oder gail flaisch in der wunden wuͤchs. Braunschweig 45; es nimmt auch hinweg das übrige (überflüssige) geil fleisch in den frischen wunden und schäden. Tabern. 168; vergl. geilfleisch. ähnlich: zu viel geiles blut. Paracelsus 1589 1, 127; als ein acker, der zu geil ist. das.; sobald die ding zu geil werden, so mag das salz sich nit erhalten in seinem wesen. das. (vgl. geile 5, b).
e)
endlich auch von geschmack und geruch.
α)
geil schmecken, widrig süsz Adelung, geile süsze: die frucht vergleichet sich fast den feigen, ist inwendig blutroth und einer geilen süsze. Hohberg 1, 614ᵇ von den opuntia oder indianischen feigen; gail dem geschmack nach, dulcis sine voluptate, gaile feigen, languide dulces. Schönsl. S 1ᶜ. noch tirol. unangenehm süszlich, fade, abgeschmackt Schöpf 168, vergl. geilig 3 (östr.). aber auch nordd., z. b. kaufmännisch in Bremen vom fettigen geschmack des kaffees (gegensatz reinschmeckend). bei Adelung fleisch, fett schmeckt zu geil, widrig fett; so z. b. ostpreuszisch einen geilen, widrigen geschmack haben Hennig 325. ebenso nl., zu fett, doch auch lobend von butter, austern, fischen u. ä.
β)
ebenso von entsprechendem geruche Adelung, geil riechen, fragrantia luxuriare, nimio odore molestum esse Frisch 1, 335ᵇ; z. b. von honig, meth: an etlichen orten wird der meet in den zugespündeten tonnen eine zeitlang in die erde vergraben, damit er den geilen geruch und geschmack des honigs und wachses verliere. öcon. lex. 1579. auch nl.
γ)
aber auch das ist zur bedeutung 4 gezogen worden: geil riechen, stinken hircum olere Henisch 1442, 28, daher Stieler 618, bei jenem aber nach Kilians nl. gheyl stinken, it. gael riecken (s. dazu u. f), olere hircum, mal sentir, vom bocksgeruch (vergl. geile 5, d). der kern des begriffes ist aber auch dort noch blosz die überkraft des eigensten wesens.
f)
übrigens streift da ein nahverwandtes wort an das gebiet von geil und mischt sich damit; die nl. geilen plakken unter b heiszen nd. neben geilplacken auch gëlplacken, im getraide gëlhost Schambach, wie gähl gut gewässerter grund Brem. wb., westerw. gal fett, von äckern u. ä., vgl. nl. gael unter γ vorhin, gaelsch ingratus sapore aut odore Kil., s. dazu u. gall n. 4, wo auch nd. gæl gleich geil 4 u. a., vgl. auch unter gall 3 das schwed. gäl lustig, gjäl brünstig u. s. w., dazu altn. gäla delectare Egilss. 232ᵃ; es musz da eben nächste stammverwandtschaft vorliegen; s. auch u. galsterig ranzig und gaulig widerlich, zu gall aber auch u. galle 2, c sp. 1188 fg., zu gäl aber gel bei Murner.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2581, Z. 31.

geil, m., n.

geil, m. n.
subst. zum vorigen, mhd. geil (vgl. das folg.), ahd. noch nicht bezeugt, aber wahrscheinlich nach ags. gâl luxuria, libido Grein 1, 369. s. übrigens geile.
1)
in den mhd. wbb. ist es als n. angesetzt, aber ohne beweis (auszer in der bed. 3, a), in der bed. fröhlichkeit, auch übermütige lust, z. b. von einem schmaus bei hofe:
mit grôʒem geile
was daʒ eʒʒen ergangen.
Flore 7602 nach den hss. (15. jh., der herausg. grôʒer);
von übermütigem bauerntanze (vgl. das adj. 2, a):
dô er an sînem geile spranc.
Neidhart 90, 20 in R, Ben. beitr. 359 (andere an sîner g.);
im folgenden aber wol von freude und lust im reinsten sinne, eine frau wird gepriesen:
sich fröit des werden geiles
daʒ lant daʒ si besliuʒet.
lieders. 2, 713,
der heiterkeit, heiteren schönheit, die sie ausstrahlt? oder ist es wie wir sagen sie ist die lust des ganzen landes? vgl. nachher daselbst:
er ist von rehte geil,
ich mein den engel der ir phligt (schutzengel).
2)
das m. ist erkennbar im 15. 16. jh.; vgl. das gleichbedeutende gammel m., mhd. gamel, gamen.
a)
der geil, geilheit im heutigen sinne; zu einem ehebrecher, der gestraft wird mit schlägen:
drumb musz man dich also einschreiben,
mit heseln saft den geil vertreiben.
Waldis Es. IV, 81, 110 (Wolgemut 2, 272).
wie aber der geil hier ärztlich gefaszt ist im scherze (haselrutenschläge als heiltrank gedacht), so wirklich im munde von ärzten im folg., wo ein keuscher klausner schwer erkrankt ist und
die ärzte sprachen: er hat den geyl,
es hilft kein kraut für diesen feyl,
denn das man heimlich kommen hiesz
ein fraw, die ihm ein ader liesz.
II, 60, 31 (Wolgemut 2, 159).
wie in dem letzten, gleichfalls ärztlichen scherze, ist auch der geil da als kraftüberflusz gedacht, der eigentlichen bedeutung des adj. genau entsprechend, vielleicht von ärzten aufgebracht als schonend erklärender ausdruck. auch geil und kützel (wie als adj. sp. 2584): ists nicht mehr unkeuscheit, wo gröszer brunst, lieb, geyl und kützel ist, denn da des weniger ist? Luther post. 310ᵇ bei Dietz;
als im glenz und im meyen grün
ein mann wardt so gar frech und kün,
des geyls und kutzels also voll
und nam zwei weiber auf ein mal ..
Waldis Es. III, 83, 3 (Wolgemut 2, 360).
b)
ähnlich von anderm übermut, geil und fürwitz (vgl. beide als adj. unter geil adj. 2, c): geyls und furwitzs vol. Luther post. 310ᵇ; einem den geil eintreiben:
ob du ein gringen (kleinen) kanst erlegen,
soltu dich drumb nit bald (gleich) erwegen,
an einen gröszern dich zu reiben,
sunst wird man dir den geyl eintreiben.
Waldis Es. III, 86, 42,
vgl. es einem eintreiben, wie einreiben, eintränken III, 329, aber auch den teufel eintreiben, in die enge das. 328. auch von übermütigem spott, den geil (gail) ausschlagen oder schlagen über einen, seinen geil mit einem haben, was doch mehr zum folgenden geil (gîl) gehört, s. also dort.
c)
aber auch der gail, dünger, so östr. Castelli 136, kärnt. Lex. 111, in Niederhessen dagegen das geil Vilmar 120, d. h. was dem acker kraft gibt, ihn geil macht, s. das adj. 5, a und geile 4, c.
3)
ein neutr. ist aber auch sonst bezeugt, in anderm sinne: geil n. hode; vom biber, wenn er verfolgt wird, heiszt es:
er bîʒet abe sîn geil unt lât eʒ vallen zeiner miete
vür daʒ man in niht suoche mêr in holze noch in riete.
Konrad von Würzburg MSH. 2, 335ᵇ;
vergl. bibergeil, und aus dem 16. jh. z. b.:
sein hoden sein zur medicin
für pestilenz und all venin,
dieselben nennt man bibergeyl
und hats in apotecken feyl.
Waldis Es. III, 34, 5.
auch das stammt vielleicht von den ärzten (s. unter geil 2, a), das geil als sitz der kraftfülle gedacht. s. auch geile 3.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2589, Z. 1.

geil, m.

geil, m.
d. h. mhd. gîl (nicht geil, wie das vor.), in recht verschiedener bedeutung, spott, betrug, bettelei, ein franz. lehnwort (s. 4).
1)
spott, verspottung, verhöhnung, im 15. 16. jh.
a)
es findet zwar auch anschlusz und unterkunft beim vorigen in der schreibung gail (vgl. auch unter e): und wann schon etwan ain nuͤchter züchtig man ist, dem nit wol damit ist (mit dem saufen), uber disen schlahen sie all (die vollen brüder) den gail, diser taugt nit, darf nit under die edelleut. S. Frank trunkenh. 1531 H 1ᵇ, daher noch bei Moscherosch: dem nicht wohl (ist) mit solchem saufen, über den schlagen sie alle den geyl. Phil. ges. 2, 222, wie auch bei Frank spr. 2, 20ᵃ den geil uber einen schlagen, als gleichbedeutend mit (einem) den narren stechen, ein eselsohr machen, den starken schlagen u. a. unter dem lat. medium ostendere unguem. das gail wird als übermut gedacht sein, der sich in spott äuszert (s. das vor. 2, b). aber das rechte ist doch geil, d. h. gîl.
b)
mhd. gîl ist zwar für spott nicht bezeugt (vgl. u. 2), obwol glaubhaft neben gîlen spotten (s. das zweite geilen); wol aber nd. gîl (auch gîle f., s. c) und entsprechend md. gîl, hochd. geil im 15. jh. (s. d); nd.:
dit is nu tor tydt uns nein gyl,
mit syner macht vordryft me pyl.
braunschw. schichtsp. 3064 (städtechr. 16, 198),
nämlich ein beschworner vertrag, den die gegner nun in den wind schlagen, zum spott machen; auch das in dussem ghyl das. 4225 (s. 232) musz dasselbe sein, von der gelegenheit wo nach dem sieg über die gegner diese die stadt räumen müssen, etwa als 'lustige geschichte' gemeint, 'bei diesem spasz' (vergl. in dusser schicht v. 4259 u. ö.), wobei man es an spott gegen die abziehenden nicht fehlen liesz (ein beispiel solches spottens s. sp. 2544 m.).
c)
daneben mnd. oder auch md. ein fem. gîle, bezeugt durch den Magdeburger Brun v. Schonebek, der es in seinem dichterischen mitteldeutsch gebraucht, s. in Lexers nachtr. 211 als reimformel durch gîle, sunder gîle, wie sonst sunder spot (Weinhold), bei Cersne 2030 sundir gîl (so l.) Lexer 1, 1015. und ebenso mnl. gîle f., s. De Vries im wb. zum lekenspieghel s. v. gile (sonder ghilen, ohne spotten), Oudemans wb. 2, 682, z. b.:
si staken uyt sine ogen bede
ende maecten mettien (mit denen) haer gile.
Alex. 4, 714;
die (m.) ander sprac: houdi ju sceren?
houdi met mi juwe ghile?
Walew. 8571,
haltet oder habt ihr mit mir euren spott, spasz (auch sceren ist spotten, narren).
d)
und so denn md., hess. gîl, hd. geil im 15. 16. jh.:
dines plippenplappens (geschwätzes) ist zu viel,
des (darum) hon mer alle unsern gil (hs. gill)
uff dich genczlich geslan.
Alsfelder pass. 4912,
also sînen gîl ûf einen slân, entsprechend dem hd. unter a den geil schlagen über einen. auch seinen geil auf slagen, aus slagen, und zwar oberd.; bei der belagerung Wiens im j. 1462 tritt ein übermütiger keck heraus oder hervor ('thut sich hervor') gegen die belagerten und höhnt sie:
der Pfirter sich her fürher tet,
er aber (wiederum) auf geslagen het
dis öd gespai (spott) und seinen geil.
Beheim Wiener 88, 3, vergl. 87, 20 ff. (auch eine probe des spotts).
auch einfach seinen geil haben mit einem, d. i. wie mnl. u. b houden (halten), eine frau macht ihrem manne weis, er sei gestorben, und da ers glaubt, treibt sie den spasz so weit, sogar zur bestattung anstalten zu machen:
das weib het erst mit im irn geil
und sprach zuͦ irer meit: pald eil,
das man in hol (die leiche abhole) u. s. w.
H. Folcz dreü weib die ein porten funden 4 bll. kl. 8ᶜ 1ᵇ;
in einem andern druck aber gleichfalls:
das weib slug ob im aus den geyl.
Haupt 8, 524.
e)
diesz ausschlagen wäre wol begreiflich nach dem vorigen geil, gail, übermut, gemeint wie das kälbchen austreiben, d. h. schlagend, eigentlich aus dem stalle (vgl. ein stuot ûʒ slahen unter ausschlagen 1 a. e.), also seinen geil aus slagen, den mutwillen austreiben den man nun einmal in sich hat, vgl. er hat den geil und den geil vertreiben unter dem vorigen 2, a; selbst das blosze slagen wäre so begreiflich, wie den gauch treiben, niederd. den geck drîven (sp. 1529 fg. 1921 m.). nicht aber das auf slagen bei Beheim, und wie es bei Frank unter a zusammengestellt ist mit den narren stechen, ein eselsohr machen und noch bei Gangler 25 lux. ausgeilen mit einem ein rübchen schlagen erklärt wird, so mag auch mit jenem eigentlich eine höhnende geberde mit hand oder mund gemeint sein, deren es so viel gab (s. z. b. sp. 1546); schlagen erscheint auch sonst so, z. b. etlich schlugen den mupf darüber (spotteten) Zimm. chron. 3, 62, vergl. mupf sanna (zu subsannare) Dief. nov. gl. 326ᵇ, einem den muff schlagen Murner narrenb. 9, 82 Gödeke, mnl. die ghuuch slaen (einem) Oudemans 2, 764, noch jetzt einem ein schnippchen schlagen, früher auch klippchen, das verächtliche darin wird deutlich unter klipplein 2.
2)
betrug, unehrlicher gewinn, kniff, mhd. gîl.
a)
im j. 1342 ward in Würzburg ein geistliches gericht gehalten über einen Conrad Hager aus Dinkelsbühl, 'laicum litteratum', wegen ketzerischer äuszerungen, die sich besonders gegen das messelesen für geld richteten; er hatte oft geäuszert, das messefrumen (messe lesen lassen, bestellen) sei ein gil der pfaffen und ein symonie und ein raub der armen lute, s. mon. boica 40, 387. 392. dasz in dem gîl hauptsächlich das geldnehmen gemeint ist (nicht spott oder spasz), zeigen seine weiteren äuszerungen und dasz er bei dem verhör über die behauptung, quod ipse actus (das messefrumen) sit symoniacus und der pfaffen gil, aufgefordert wird priester zu nennen die eine messe für geld verkauft hätten s. 388 fg. 393. vgl. übrigens u. geiler 4, b. c das gîlen der pfaffen im Renner, also nach art und zeit nahe, als heuchelndes frommthun, welcher begriff auch hier mit eingemischt sein könnte.
b)
und so im handwerk, alem. im 15. jh.; es ist von künsten der metzger die rede, womit sie die kunden betrügen, z. b. in herstellung der würste:
davon werdent si grosz und hell,
voll wasser und wegend denn vil.
ist das nit ain hübscher gil?
teufels netz 9493;
also unredlicher kunstgriff, nicht spasz oder spott, wie es nachher v. 9497 heiszt ist das nit ain hübscher list? mit ironischem lobe, als feiner kniff o. ä. (vgl. u. 4, b a. e.). dazu wol mhd. gîler Renner 17289, s. u. geiler 2, a a. e., wie altfranz. guile, guileor bei Guiot unter 4, c nachher.
c)
auch ein fem. gille, alem. aus gleicher zeit (vergl. giller gleich geiler sp. 2603):
fin wip, blip in diner stille.
din gebot daʒ ist min wille,
dem lebe ich sunder gille.
Altswert 8, 27,
wie nd. sunder gîl, auch gîle u. 1, c, aber wol in der bedeutung täuschung, betrug. Frisch 1, 350ᵇ gibt (ohne beleg) ein altes gillen, begillen betrügen und vergleicht nl. ghylen, franz. guiller betrügen (s. u. 4). auch mnl. gile f. betrug De Vries a. a. o.
3)
aber auch gîl, geil, bettel, genauer betrügerische, heuchlerische bettelei als handwerk (s. darüber geiler 5, d), oberd. und nd. im 15. 16. jh.:
der bättel hat ouch narren vil,
all welt die richt sich ietz uf gyl.
Brant narr. 63, 2;
wie das der bettler sigen vil,
die sich all richten uf den gyl,
und wend sich all dar mit ernern.
all welt die richt sich uf den gil,
das iederman ietz betlen wil.
Murner narrenb. 25, 15 Göd.,
beide mit bezug auf Brants äuszerung; vele weren dar mede (bei dem Veitstanz), de dit deden van gyles wegene, de anderen dat deden van lichtverdicheit wegen. Lüb. chron. 1, 303 (Sch. u. L. 2, 110ᵇ), zugleich wol mit religiöser heuchelei, wie u. 2; freiheite und strickler (landstreicher), die nicht arbeiten, sondern des geils wollten warten. Schm. 2, 30 aus Gemeiners Regensb. chron. 2, 290.
4)
dahinter steht aber ein franz. wort.
a)
wie schon Frisch (s. 2, c) auf franz. guiller verwies, so entspricht dem deutschen subst. ein altfranz. guile f. (auch guille, gile, gille, ghille geschr.), betrug, lüge, tücke, auch spott, z. b. vom treiben des fuchses in der fabel, daher auch formelhaft sans guile, wie oben sunder gîle, sunder gîl, par gille wie durch gîle; s. das deutsche fem. 1, c und 2, c, gille an letzter stelle entsprechend der franz. nebenform guille. doch fehlt, wie es scheint, franz. ein m., das bei uns vorwiegt, wol aber prov. einzeln guil m. neben guila, gila, gilla f., das doch bei uns nicht als wirkend zu denken ist. aber an der anlehnung ist nicht zu zweifeln, obschon noch schwierigkeiten übrig bleiben, sie gieng, durchs nl. und rhein. vermittelt, weit bis in den osten, oberd. wie nd. das franz. wort ist übrigens selber von germ. ursprung, aus ags. wîle astutia, betrug (engl. wile, vgl. altn. vêl f. list, kunstgriff) nach Diez, wie denn noch altfranz. willer, wiler für guiller erscheint.
b)
dazu altfranz. guiler, guiller, prov. guilar, betrügen, foppen, daher engl. guile, beguile, wie mnl. beghilen betrügen, foppen, auch verspotten, zum narren haben, ausspotten (und beschwören, z. b. von schlangenbeschwörern), s. Oudemans 1, 395. mnl. auch einfach gilen, bei uns geilen (s. d.), mhd. gîlen, zum narren haben, verspotten, besonders aber unverschämt betteln, ursprünglich mit religiöser heuchelei (vgl. 2, a). das letztere aber musz, wie geil bettel, erst bei uns entwickelt sein, da es im franz. keinen anhalt hat (aber wol bei geiler), wie auch das geil schlagen u. 1 nicht, das ganz heimisch und volksmäszig aussieht, sodasz das fremdwort da einen heimischen anhalt gefunden haben wird. so fehlt auch bei unserm geilen die bedeutung betrügen, die eigentliche bedeutung des franz. wortes. die bedeutung spotten musz entstanden sein aus einem betrügen, das ein auslachen und verhöhnen des betrogenen zum ziel oder ende hatte (wie bei foppen), wie in einer mnl. stelle bei Oudemans von einem der sich bei einem kauf hat anführen lassen, vgl. den hübschen gîl des metzgers unter 2, b, auch unter geiler 5, d, wie deren betrügerisches betteln als ein verspotten und blenden der leute aufgefaszt wird.
c)
dazu auch altfranz. guileor, guilere betrüger, schwindler, lat. im 13. jahrh. guillator (s. Ducange), gern mit mençongier gesellt, wie guile mit mençonge, z. b. in Guiots de Provins bible 2656 in einer klage über den verfall der redlichkeit, hauptsächlich wol in bezug auf handel und wandel, wie gîl in des teufels netz unter 2, b:
mais par totes ces bones viles (städte)
ont si espandues lor guiles
li guileor, li mençongier,
que li prodomme (biedere leute) en sont moins chier.
Bartsch altfranz. chrestom.³ 248, 6.
daher altengl. gilour, gilir, s. Halliw. 401ᵃ, auch gilry betrügerei das., noch landschaftlich guilery 423ᵇ (vgl. geilerei), und bei uns gîler, geiler, s. d., wo sich weitere aufklärung ergibt.
5)
erwähnenswert scheint doch auch ein äuszerlich stimmendes nl. wort mit entsprechendem franz. zur seite: gijl n. bier in der gärung (cremor cerevisiae Kil.), auch gijlbier, mit gijlen gären, schäumend brausen, gijlkuip gärbottich, franz. guiller, gären, gärend sprützen (guilloire gärbottich), das aber umgekehrt aus dem nl. entlehnt scheint. mnl. auch ghylen schmettern, dröhnen, z. b. von jagdhörnern Oudemans 2, 683, sodasz auch beim gären eigentlich vielleicht das brausen gemeint ist (vgl. sp. 1352 m.) und das ganze sich wol zu gellen stellt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2589, Z. 77.

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Zitationshilfe
„geil“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geil>.

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