Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geifer, m.

geifer, m.
gleich geiferer, s. d.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2564, Z. 47.

geifer, m.

geifer, m.
ausflieszender speichel, nur hd. (oberd. und md.), mhd. geifer, s. unter 1, a; nebenformen sind geifel (s. d.), wie -er und -el oft wechseln, wetterauisch geiber (gespr. gâwer) Weigand, besonders aber im vocal bemerkenswert gefer, gever (s. 1, a, wie sever neben seiver das.), nicht mit nd. ê, sondern mit gebrochnem e wie es scheint, da auch gifer zu vermuten ist nach gifferer für geiferer (s. d.); daher auch gäfer neben geifer Stieler 938, wol thür., jenem gëver entsprechend. Dasz es von geifen gebildet ist in dessen ursprünglicher bedeutung vom offenstehen des mundes (s. dort 2), dafür spricht auch der mlat. name oscedo, eigentlich gähnsucht (s. 1, a), der von den ärzten herrühren wird; auch in der form vergl. das westmd. geiber mit geiben für geifen 3, c.
1)
a)
mhd. im 14. jh. geifer saliva (neben spaichel sputum) Wack. voc. opt. 1, 66, dann oft im 15. jh.: oscedo, gaifer, geyfer neben saifer, seifer Dief. 402ᵃ, nov. gl. 274ᵇ (das lat. wort auch mit gehnesucht, mundstank, gestank von mund erklärt), sputamen geyver, geyffer (auch seyver, sever), sputum gaiffer, gefer 549ᵇ, gever nov. gl. 346ᵇ, gaiffer oder spaichel, saliva voc. 1482 k 1ᵃ. im 16. jh.: der geiffer, oris excrementum, saliva Maaler 164ᵇ; geifer oder seifer. Helber syll. 35.
b)
besonders bei kindern, denen der speichel von selbst aus dem munde sickert (vgl. geiferlätzchen u. ähnl.): da das kind ein halbes jahr alt war, bemerkte ich, dasz ihm immer viel geifer aus dem munde flosz. Salzmann C. Kiefer 29; als sprichwort im 16. 17. jh.:
dem kindlein war nie basz,
denn da es rotz und geifer asz (in der wiege).
Henisch 1441.
aber auch in gewissen krankheiten, bei tobsucht, wütendem gebaren, daher von David, als er sich vor könig Achis toll stellt: und verstellet sein geberde fur inen und kollert unter iren henden .. und sein geiffer flos im in den bart. 1 Sam. 21, 13 (vergl. geiferbart). doch wol auch für speichel überhaupt, wie schon die angaben der vocc. u. a andeuten: geiffer im munde, den man ausspürtzet. Luther hauspost., wint. 26ᵃ (Dietz 2, 49ᵃ).
c)
bei thieren, z. b. rossen:
sie rennen scheu davon .. sie röthen
mit blutgem geifer das gebisz.
Schiller Phädra 5, 6.
weidmännisch: geifer heiszet der zähe, klare speichel, der den leithunden, englischen docken und bullenbeiszern gar oft zu beiden seiten der waffel wie lange faden herab hänget und endlich abfället, denn diese racen der hunde geifern mehr als alle andern. Heppe leithund 282. daher vom Cerberus, bildlich (vgl. 2):
grausamer wüterich, verfluchter ketzer-eifer!
dich zeugte nicht (etwa) die höll' aus Cerbers gelbem geifer,
nein, heil' ge zeugten dich u. s. w.
Haller 91 (falschh. menschl. tugenden);
vergl. bei Keisersberg unter geifermaul vom geifer der sünden, den der teufel einem einspeuwet.
2)
bildlich von reden eines wütenden oder albernen, die ihm gleichsam wie der unrat aus dem munde gehen, im 16. jh. als kraftwort im federgefecht beliebt (vergl. geifermaul, geifern 2): noch wollen sie allein recht und macht haben ... verstehen weder schrift, so viel sie ir füren, noch iren eigenen geifer. Luther 2, 496ᵃ; der thut er keines (was sich als beweis seiner behauptung gebürte), geifert nur seinen eigenen geifer daher, und das sollen wir denn als für artikel des glaubens halten. 3, 51ᵇ; fragestu abermal, wo ist schrift? wo ist grund? wo gibt das der text? so zeigt er dir seinen geifer .. 74ᵃ; wider solche donnerschläge der schrift thut er nicht mehr, denn setzt seinen bloszen und nacketen geifer daher. 464ᵇ, wo es denn zugleich in den begriff tolle dumme einfälle, willkürliches keckes behaupten übertritt, vergl. bei Dietz 2, 49ᵃ wie du deinen geifer, deine lugen, deine trewme in die schrift tregst, auch das er die heiligen schrift mit seinem unnutzen geifer begeifert. wie sinnlich es aber noch zugleich gedacht war, zeigt z. b.: (der bapst) unvorschampt anbeutet den rotz und geifer seiner gnade. bulla cena Dom. 1522 D 4ᵃ (vergl. aus Henisch unter 1, b), zugleich als bild des verächtlichen, widerwärtigen. ein gegner Luthers, P. Amnicola schrieb ein schnoptuchlin auf Luthers geifer und unlust Dresd. 1532 (vgl. bd. I, lxix), um ihn abzuwischen (unlust, rotz).
3)
endlich auch von der wut, dem zorne selber: ein eiferer sol sehen, das sein zorn und eifer nicht werde dorn und geifer. Henisch 1441;
der ritter hätte mehr gesprochen,
nur scham und geifer band
die zung' ihm.
Gökingk 3, 90;
so etwas kommt alle paar wochen einmal vor, erwiederte Romeias. mäsziger geifer und zorn schafft alten einsiedlerinnen neue lebenskraft. Scheffel Ekkeh. 35 (29), es ist da wie subst. verb. zu geifern gebraucht, vergl. bei Ludwig 719 seinen geifer oder zorn gegen einen ausschäumen. sonst sagt man auch noch von schmähsüchtigen leuten z. b., dasz einer alles mit seinem geifer begeifert, mit geifer bespritzt. auch mit stabreim gift und geifer, wie gift und galle (vergl. Lessing unter geiferer). uns klingt jetzt unwillkürlich eifer darin an, wie es denn Steinbach 1, 850 aus geeifer erklären wollte.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2564, Z. 48.

geifern

geifern,
begierig verlangen, s. das zweite geiferig.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2566, Z. 33.

geifern

geifern,
geifer von sich geben, mhd. geifern. bei Stieler 938 auch gäfern, s. dazu unter geifer. bairisch auch gaifezen Schm. 2, 17.
1)
a)
im eigentlichen sinne: geifern und cotzen. Lexer 1, 795 (vgl. b), sputare geyferen (auch seyferen) Dief. 549ᵇ; geyfern, geyfer fallen lassen Rädlein 385ᵇ; von kleinen kindern: wan uns die kind in den geren (schosz) scheiszen und uns das mul vol geifern (beim küssen). Keisersb. evang. 191ᵃ; mein kind bekam nun immer ein schnittchen brotrinde in die hände, daran es kaute und saugte. es geiferte dazu so sehr, dasz seine kleider immer nasz waren. Salzmann C. Kiefer 31. auch vor zorn geifern (mit schaum vor dem munde) Adelung. von jagdhunden, s. unter geifer 1, c. geifernde schlangenköpfe Dahlmann dän. gesch. 1, 36.
b)
von trinkern, säufern: haben die fleschen stets an dem maul hangen und geifern zu dem mul usz zu beiden seiten. Keisersb. brös. 2, 68ᵃ; in der trunkenen litanei: seh, wie ligt der thaw dem auf dem bart, wie geyferst? wie tropfelest? ein fürsetzlin her, deiner frawen wird kein essig mangelen. Garg. 87ᵃ (Sch. 150).
c)
übertragen, z. b. von schäumender meeresbrandung:
aus des meeres
geiferndem schlund.
Fr. Müller 2, 272;
noch geiferst du, gedemüthiger göttersohn (die sprudelquelle). Arnim 2, 321; der ganze holzschnitt siedet, gährt, wogt und geifert. J. Paul 40, 106.
2)
zu geifer 2, reden wie ein alberner oder wütender (man vergl. das subst.): noch schwetzen sie daher aus eigenem kopfe, und sol (doch) alles göttlich ordnung heiszen, was sie geifern. Luther 1, 275ᵃ; (sie) können nichts denn dafür aus ihrem tand und trewmen wider uns geifern. 6, 292ᵃ; aber lasz sie geifern und speien. das.; eitel lame schale faule zoten geifern. 339ᵃ, d. h. leeres geschwätz machen; alles was sie vom verdienst geifern. 5, 459ᵃ; ists aber der geukler einer, die unter dem hütlin spielen, so wird er mum mum sagen und den brey im maul umbher werfen, und also geifern: es ist gnug, das du gleubest den leib, den Christus meinet. 6, 106ᵇ; die da unverschampt geifern, Christus habe nicht alles geleret und geredt noch gethan und ausgericht, sondern noch viel hinder sich gelassen zu leren. 6, 178ᵇ; das itzt unsere newe geister ... daher geifern. 4, 422ᵃ; das aber die jüden geifern von der babylonischen gefengnis. 8, 68ᵇ, nirgends im heutigen sinn, nur als verächtlicher ausdruck von nichtigen reden, behauptungen, ausführungen. so auch bei andern, z. b.: das ir wider die offentliche schriften ein blawen dunst heraus geifert, als sein Philippi schriften durch aus mit d. Lutheri lere einig. J. Wigand ob die newen Wittenberger (1575) ... 22ᵇ; wo man gottes wort aus den augen thuͦt ... gereht man letstlich in einen verkerten sinn, dasz alles, was nur der teufel gaukelt und geifert, wie eitel gottes befelch .. wirdt geachtet. Kirchhof wend. 1, 518 Öst. vergl. lat. ähnlich evomere, z. b. orationem, als kraftwort aus der polit. parteisprache.
3)
jetzt denkt man dabei an giftig lästerndes, schmähendes reden oder an ein giftiges eifern (lästerungsgeifer virus calumniarum Weber 334ᵇ), wie bei geifer 3 (vergl. gift und geifer dort), und so auch schon im 17. jahrh.: die jüden eifern und geifern, schreyen und speyen wider Christi sprach. Otho krank. 405;
was geyfert nicht sein maul?
entdeckt die red uns nicht sein rasendes geblüt?
A. Gryphius 1, 28 (Leo 2, 151);
ob gleich manch läster-maul auf unsern umgang geifert.
über dir mag die verläumdung geifern ..
Schiller I, 180, 78;
ich mache mir luft, wenn ich meinen schmerz in dein angesicht geifern kann, giftmischer! II, 217, 8; sein inneres geiferte, weil er alles den beiden advocaten schuld gab. J. Paul Siebenk. 3, 220. dazu begeifern, ausgeifern, herausgeifern.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2566, Z. 34.

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Zitationshilfe
„geifern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geifern>.

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