Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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ich

ich,
die erste person des persönlichen pronomens.
I.
Formen und verwandtschaft.
a)
sg. ich, mein und meiner, mir, mich, pl. wir, unser, uns, uns. goth. sg. ïk, meina, mis, mik. dual. vit, (ugkara?), ugkis, ugkis und ugk. pl. veis, unsara, unsis und uns, unsis und uns. ahd. sg. ih, mîn, mir, mih. dual. (uuiz?) unker, (unk? unk?). pl. uuîr, uuir, uuer, unsar, uns, unsih. mhd. sg. ich, mîn und mînes, mir, mich. pl. wir, unser, uns, uns und unsich. altsächs. sg. ik, ic (ec im taufgelöbnis), mîn, mî, mî und mik (mih in der psalmenübersetzung). dual. uuit, unkero, unk, unk. pl. uuî und uue, ûser, ûs, ûs. mittelniederdeutsch (Reinke de vos) sg. ik, dat. u. acc. mi. pl. wi, dat. u. acc. uns. altmeklenburgische schriftwerke gewähren bis über die mitte des 15. jahrhunderts hinaus, abgesehen vom gen. sg., welcher mîner lautet, im sg. u. pl. die altsächsischen formen, die neumeklenburgischen stimmen zu denen im Reinke; vgl. K. Nerger gramm. d. meklenb. dialekt. 107. 190. sehr abweichend aber sind die niederdeutschen formen von Göttingen und Grubenhagen: sg. ek (êk), mîner, dat. u. acc. mek (mêk). pl. wî (wê, wei), we, ûser, dat. u. acc. ösek, ösch, sek. Schambach 55ᵃ. mittelniederländ. sg. ic, mîns, mî, mî. pl. wî, onser, ons, ons. neuniederländ. sg. ik, (mijns), mij, mij. pl. wij, (onzer), ons, ons. angels. sg. ic, mîn, me, me(c). dual. vit, uncer, unc, unc(it). pl. ve, ûser, ûs, ûs(ic). neuengl. sg. I, mine, me, me. pl. we, ours, us, us. altfries. sg. ik, min, mi, mi. pl. wi, user, us, us. saterländ. sg. ic, min, mi, mi. pl. wi, use, us, us. neufries. sg. ick, myns und myner, my, my. pl. wy, uwser, uwz, uwz. altnord. sg. ek, mín, mér, mik. dual. vit, okkar, okkr, okkr. pl. vér, vâr, oss, oss. schwed. sg. jag, dat. u. acc. mig. pl. vi, vaͦr, dat. u. acc. oss. dän. jeg, dat. u. acc. mig. pl. vi, vores, dat. u. acc. os.
b)
unter den mitteldeutschen dialektischen formen von ich ist eich, aich bemerkenswert. will man ihr einen gelehrten namen geben, so könnte man sie die gunierte nennen, insofern sie ein mit nachdruck gesprochenes, gedehntes îch (vgl. henneb. îch Frommann mundarten 2, 75) vorauszusetzen scheint, dessen langer vocal bei träger aussprache gekürzt, jedoch mit unbestimmtem nebenlaut gesprochen wurde, welcher schlieszlich als a oder e vor i erklang. was den umfang seines gebietes betrift, so ist eich, aich oberhessisch, wird aber von Vilmar im idiotikon von Kurhessen nicht aufgeführt. den lauf der Lahn verfolgend, ist es im Nassauischen weit verbreitet (vgl. Kehrein 1, 12), nicht aber im Siegerland, wo ech die herschende form ist (vgl. Heinzerling 20). jenseits des Rheins ist es in der Trierer gegend lebendig, wie Lavens gedichte in dieser mundart es lehren. ostwärts herscht es in der Wetterau (vgl. C. Malsz die bauern, in seinem volkstheater in Frankfurter mundart) und im Spessart, was Grimmelshausen im Simplicissimus b. 1, cap. 2, in dem gespräch zwischen Simplex und seinem vater bezeugt: knäno (sagt S.), sag mir aa wey der wolf seyhet (aussieht), eich huun (ich habe) noch kan (keinen) wolf gesien. für Sachsenhausen wird es von E. Wülcker vocalschwächung 7, für die gegend um Mainz von C. Malsz a. a. o. 69 bezeugt.
c)
kürzung zu i oder î erfährt ich auf alemannischem und bairisch-österreichischem gebiet. über die formen und die declination gibt Weinhold alem. gr. § 412, bair. gr. § 357, sowie Schmeller mundarten 186 nähere auskunft. doch kann über das schwinden des gutturalen reibelautes in chronologischer hinsicht hinzugefügt werden, dasz i oder î (= ich) mit unmittelbar nachfolgendem verbum, abgesehen von dem vereinzelten bei Graff 1, 118. 6, 817 aus Reichenauer glossen des 8. jahrhunderts aufgeführten i zislizu secido, häufig in Wiener glossen des 12. jahrhunderts (Hoffmanns sumerlaten 1 -20) erscheint, z. b. extundo i blûwe 6, 77; eluo î chêre 7, 1, fascino i zoͮbere 8, 11; hio î gîn 9, 62; indago i forsche 10, 50; no i swimme 12, 15 und öfter, vgl. 8, 12. 10, 51. 11, 7. 11, 72. 12, 33. 18, 4. 20, 46.
d)
erweiterung durch ein verstärkendes suffix a hat ich im ahd. in den formen ihha (Graff 1, 118) und ihcha (Hattemer 1, 146ᵇ) mit der bedeutung 'egomet' erfahren. ein mhd. iche scheint nicht belegbar, wol aber ein mitteldeutsches bei N. v. Jeroschin, worüber Lexer mhd. hwb. 1, 1411 verglichen werden kann. gegenwärtig begegnet nachdrückliches iche ebenfalls in mitteldeutschen mundarten, z. b. im Posenischen (Bernd 104) und im Schlesischen, wofür schon A. Gryphius [gel. dornrose (1661) 29. 52. 59. 61. 65 und öfter] zeugnis ablegt, während z. b. im Düringischen da wo ech anstatt ich im gebrauch ist, mit nachdruck eche, ohne denselben ech gesprochen wird. vgl. Frommann mundarten 3, 548ᵃ.
e)
was die verwandtschaft von ich betrift, so entspricht ihm sskr. ahám, altpers. adam, zend. azem, gr. ἐγώ, ἐγών, lat. ego, lit. asz, kslav. azŭ, armen. es. die gutturale media der graecoitalischen form zeigt sich im gothischen ïk dem gesetz gemäsz zur tenuis verschoben, während dafür im sanskrit auffallender weise h erscheint. da sich nun goth. ik nur aus älterem aga, agam erklären läszt, so wird man vermuten dürfen, entweder dasz sskr. ahám sich nach der sprachtrennung aus agam entwickelt hat oder dasz schon vor der sprachtrennung neben älterem agham ein jüngeres agam vorhanden war. vgl. Curtius grundz.⁴ 514. ahám wird dahin gedeutet, dasz m casuszeichen, die silbe ha aber die mit dem demonstrativstamme a 'dieser' oder aber mit dem zu a verstümmelten pronominalstamm ma 'ich' verwachsene sonst tonlose partikel ha (vedisch auch hâ, gha, ghâ) ist, welche wie das verwandte griech. γε, dor. äol. γα gern an pronomina sich anschlieszt und ihrer bedeutung nach unserm 'wenigstens' oder 'gewiss' entspricht oder auch blosz zur hervorhebung dient. vgl. Bopp vgl. gramm. 2², 102. 110. Fick vgl. wb.² 5. 67. 699.
II.
Gebrauch.
1)
in allen lagen die erste person singularis, den welcher redet, meinend, begleitet ich in der regel die verbalform, während im frühgermanischen, ganz wie im griechischen, lateinischen und in den urverwandten sprachen überhaupt der redende durch die verbalflexion selbst hinreichend bezeichnet war und das pronomen nur zu besonderem nachdruck, dann aber mit um so stärkerer wirkung beigefügt wurde. ungetrübt hat diese ausdrucksweise innerhalb der germanischen sprachen nur im gothischen sich erhalten. allenthalben braucht Vulfila die reine verbalform, heiszt ihm z. b. qiþa λέγω. viel seltener setzt er mit nachdruck das pronomen hinzu, mag der griechische text hierin vorangehn, wie bei ïk qiþa ἐγὼ λέγω Matth. 5, 28, oder nicht, wie bei ïk tauja πράσσω Eph. 6, 21. vgl. gr. 4, 202. die frühesten ahd. quellen folgen bei noch scharf genug geprägter verbalflexion zwar der gothischen weise und selbst bei Otfried genügt zuweilen noch die blosze verbalform, wofür in der gr. 4, 211 beispiele gegeben sind. im allgemeinen aber ist, abgesehen von gewissen verben (s. unten no. 9, d) schon im ahd., noch mehr im alts. und ags., besonders aber im altnordischen, namentlich in der edda, die das pronomen der ersten person sg. sogar zu häufen liebt, und selbstverständlich im mhd. das der verbalform beigefügte pronomen die gewöhnliche ausdrucksweise. vgl. gr. 4, 219.
2)
stellung des pronomens.
a)
die stelle des pronomens bestimmen die in der syntax vorgetragenen regeln von dem vorausgang oder der nachfolge des subjects neben dem verbum überhaupt. wir sagen: ich bin, ich habe, ich gebe; ich sei; dasz ich sei, habe, gebe; wenn ich will, wenn ich kann; ob, wie, wenn ich wolle, könne; da ich gieng, als ich kam, nachdem ich gesprochen hatte; ich sprach diese worte mit bebender stimme; ich entfernte mich schweigend; ich gab dem knaben gute lehren. hingegen: soll ich?; reise ich?; nehme ich das an?; komme ich bald, so freuen sich alle; weisz ich das, so reicht es hin; käme ich doch wieder in diese gegend!; nun hab ich genug!; fort bin ich!; so bin ich geschieden; befriedigt schied ich von ihm; schweigend entfernte ich mich; dem knaben gab ich gute lehren; einen stab trug ich in der hand; unglücklich war ich in jenen tagen. da also das pronomen nur eben auch sich den gesetzen dieser wechselnden wortstellung zu fügen hat, so ist hier nicht der ort, genau zu untersuchen, warum dieselbe nach verstümmelung oder gänzlicher einbusze der alten grammatischen wortformen sich gerade in dieser weise allmählich bestimmt und festgesetzt hat, und welchen vortheil unsere sprache daraus zu ziehen wuste. Wo nach der richtigkeit der aussage selbst gefragt, bestätigung oder verneinung derselben verlangt wird, wo gewünscht, gefordert wird, dasz etwas geschehe oder gethan werde, wo bedingung oder einräumung sich in die lebhaftere form der frage oder des begehrens kleidet, mithin der hauptnachdruck auf dem verbum ruht, in solchen sätzen scheint einleuchtend dasz das pronomen an kraft verliere und nach dem verbum seine stelle finde.
b)
wenn das epische gedicht um so vollkommener ist, je reiner und ungetrübter das object desselben hervortritt, je weniger sich die subjectivität des dichters bemerkbar macht, ist das lyrische, in welchem subject und object zusammenfallen sollen, um so lyrischer, je subjectiver es ist, je mehr es uns an den dichter gemahnt und was sein inneres bewegt zur anschauung bringt. daher pflegt denn auch der epische dichter von seinem ich zu schweigen oder es nur selten zur sprache zu bringen, während der lyrische es immerdar auf der zunge hat und, ohne doch ein gewicht darauf zu legen, sich gern damit einführt. unzählige lieder beginnen mit dem pronomen, ohne dasz eben ein nachdruck darauf läge; einfach weist es nur auf die quelle hin, aus welcher das lied geflossen ist. und wenn die folgende auswahl von belegen sich den vorwurf der willkür (wie wäre hier das rechte zu treffen?) gefallen lassen musz, so ist die häufigkeit der erscheinung doch irgendwie anschaulich zu machen:
ich zôch mir einen valken
mêre danne ein jâr.
MSF. 8, 33;
ich saʒ ûf eime steine
und dahte (deckte) bein mit beine.
Walther 8, 4;
ich saʒ ûf einer grûne
und dachte an maneger hande dinc.
Frauenlob, Bartsch deutsche liederd. 79, 212;
'ich will zu land ausreiten',
sprach sich maister Hiltebrant.
Uhland 330;
ich habs gewagt mit sinnen
und trag des noch kain rew.
917;
ich stund auf einem berge,
ich sah in tiefe tal.
216;
ich weisz ein hübsches freuelein,
das ligt mir in dem herzen mein.
Gödeke-Tittmann liederb. 9;
ich setz das gläslein an den mund,
trinks heraus bis an den grund.
134;
ich hab mein sach zu gott gestellt,
er wirts wol machen wies im gfelt.
234;
ich war an kunst und gut und stande grosz und reich.
Fleming 670;
ich singe dir mit herz und mund,
herr, meines herzens lust!
P. Gerhardt (1849) no. 85;
ich komme vor dein angesicht,
verwirf, o gott, mein flehen nicht!
Gellert 2, 166;
ich trink, und trinkend fällt mir bei,
warum naturreich dreifach sei.
Lessing 1, 68;
ich träumt, ich war ein vögelein,
und flog auf ihren schosz.
Hölty (Halm) 35.
während bei Schiller, abgesehen von seinen rätseln und epigrammen, kein lyrisches gedicht mit ich zu beginnen seheint, hat das pronomen bei Göthe, den divan ausgenommen, ganz wie im volkslied, häufig genug die erste stelle:
ich komme bald, ihr goldnen kinder.
Göthe (Hempel) 3, 40;
ich denke dein, wenn mir der sonne schimmer
vom meere strahlt.
1, 39;
ich habe geliebet; nun lieb ich erst recht.
1, 79;
ich ging im walde
so für mich hin.
1, 21;
ich weisz, dasz mir nichts angehört
als der gedanke ...
1, 66;
ich wollt, ich wär ein fisch,
so hurtig und frisch.
1, 25;
ich hab mein sach auf nichts gestellt.
1, 83.
3)
diesem wenig betonten ich gegenüber wird das pronomen mit nachdruck gesagt und betont.
a)
wenn es wiederholt wird und zwar unmittelbar auf einander folgend: ich, ich bin der herr und ist auszer mir kein heiland. Jes. 43, 11; ich, ich tilge deine ubertretung umb meinen willen und gedenke deiner sund nicht. 43, 25; ich, ich bin euer tröster. 51, 12; ich, ich zureisze sie und gehe davon. Hos. 5, 14;
das mein man ist beraubt der sinn,
ich, ich allein dran schüldig bin.
ach Daphnis! ich! ich bin gefangen!
Günther (1739) 350;
o mosler, o burgunderwein,
ich, ich solt euer landsmann sein!
Lessing 1, 85;
oder das praedicat in die mitte nehmend: ich behaupte das, ich. ich will es dir beweisen, ich. ebenso die interjection: ich, ach ich soll dich verlassen! ferner mit hervorhebendem ja: ich, ja ich hab es gesagt, ich hab im gerufen, ich wil in auch komen lassen. Jes. 48, 15. mit eingefügtem attribut oder apposition:
ich kranker, ich, was mach ich nun?
Fleming (Lapp.) 1, 376;
da steh ich armer, ich
und bin bei leben auch schon halb in meinem grabe.
1, 523;
ich, ein tolles kind, ich singe.
Heine buch d. lied. 169.
b)
im gegensatze zu einem andern: ich bin gemeint, nicht du; ich trage die schuld, wer sonst?; ich habe das wort und bitte die anwesenden um ruhe;
wer ich bin weiszt du nicht, vergisz nicht wer du bist.
Wieland (Oberon 12, 36) 23, 269;
andre beten zur madonne,
andre auch zu Paul und Peter,
ich jedoch, ich will nur beten,
nur zu dir, du schöne sonne.
Heine buch d. lied. 218.
c)
in vergleichungen:
er guote
lebe in hôhem muote,
swer nu minne als ich.
MSF. (Reinmar) 180, 7;
leide dich mit dem euangelio, wie ich, nach der kraft gottes. 2 Timoth. 1, 8;
und so ichs (ich sie) bei dem liecht besich,
sie ist vil böser denn ich.
H. Sachs (Göz) 1, 208;
könt ich als balsam doch auf deiner schosz zerflüssen,
so meint ich, dasz das weib, durch die die sonne musz (die Venus),
mir an der würdigkeit wohl würde weichen müssen,
denn ich bin mehr als sie, sie krieget keinen kusz.
Hoffmannswaldau heldenbr. 121;
gott schuf die welt nicht blosz für mich;
mein nächster ist sein kind, wie ich.
Gellert 2, 129;
hier sitz ich, forme menschen
nach meinem bilde,
ein geschlecht das mir gleich sei,
zu leiden, zu weinen,
zu genieszen und zu freuen sich
und dein nicht zu achten,
wie ich!
Göthe 2, 81.
d)
in verbindung mit vorausgehendem auch, mit eben, gerade, wenigstens, die dem pronomen vorangehen oder folgen können:
auch ich war in Arkadien geboren.
Schiller 20ᵇ;
eben ich idem ego Steinbach 1, 809; eben ich war die zielscheibe seines spottes; gerad ich selbs und kein anderer. Maaler 369ᵈ; ich wenigstens würde mich .. sehr schlecht vertheidigen können. Lessing 1, 323.
e)
in hindeutung und erklärung:
der ie streit umb iuwer êre
wider unstæte liute, daʒ was ich.
Walther 40, 29;
'hastu nicht damals einen cammerathen gehabt under denen daselbst gelegenen tragonern, der sich Simplicius genennet?' da nun Springinsfeld solches bejahete, sagte der schwarzrock: 'und eben derselbe Simplicius bin ich!' Simpl. 3, 157 Kurz;
und dér glückliche bin ich.
Heine buch d. lied. 281.
f)
als antwort oder frage: 'wer hat das gethan?' ich; so hätte ich gehandelt, ich?
Sophie. er ist ein teufel!
Söller. was! ein teufel? scheusal? ich?
Göthe 7, 69;
kaiser. sag, weiszt du narr nicht auch noch eine noth?
Mephist. ich keineswegs.
41, 14.
g)
im elliptischen satze: ich geschwind über die hecke in den wald;
ich dich ehren? wofür?
Göthe 2, 80;
ich, egoist! — wenn ichs nicht besser wüste!
der neid, das ist der egoiste.
2, 256;
Sophie. nein, das ist mir zu hoch! jetzt klagen sie mich an,
und sagten nur vorhin, sie hättens selbst gethan!
wirth. du kröte! ichs gethan? ist das die schuldge liebe,
die ehrfurcht gegen mich?
7, 84.
h)
als praedicat des satzes:
ir sît mit der wârheit ich,
swie die namen teilen sich.
Parz. 369, 17;
ich bin nun nicht mehr selber ich;
ach liebe, worzu bringstu mich!
Fleming 524;
was fürcht ich denn? mich selbst? sonst ist hier niemand.
Richard liebt Richard; das heiszt: ich bin ich.
Richard III, 5, 3;
da dieser (der kurfürst), indem er seine (des kämmerers) hand herzlich an seine brust drückte, antwortete: denke, du seist ich, und schaff mir den zettel!, so beschleunigte der kämmerer .. um einige tage seine abreise. H. v. Kleist 3, 106.
i)
nach bejahungen und verneinungen. wie mhd. in betheuernder antwort zuund nein persönliche pronomina treten, vgl. jâ ich, nein ich (wb. 1, 763ᵃ. 2¹, 328ᵇ), ist auch in nhd. schriften dieser gebrauch nicht ganz erloschen: da man nun in dem besten essen was, da sprach der man zuͦ der frawen 'hausfraw, ruck basz zuͦ dem tisch'. sie sprach 'ia ich', und ruckt hinder sich mit dem sessel (im widerspruch mit des mannes bitte). Pauli schimpf u. ernst 103 Österley; einsiedel. ich frage .. ob du das vatter unser kanst? Simplicius. ja ich. Simpl. 1, 31 Kurz;
narr. gar gwisz, du calvinisch ottrgezücht,
hast widerum was angericht!
pfarr. ja ich! für mir thät es wol bleibn,
wenns ander nicht so thun treibn.
Opel u. Cohn 113;
derselbe gebrauch auch in bekräftigungen:
nicht sag ichs darumb, nein ichs zwar (fürwahr),
das sie sich unter einander dar
kieffelten und hadderten, nein.
T. Greff Lazarus F 4ᵃ.
4)
schon goth. trat silba dem persönlichen pronomen verstärkend zu: ik silba. 2 Korinth. 10, 1; ebenso ahd. ih selbo (Graff 6, 197); mhd. ich selbe, selber und nhd. ich selbs, selbst, selber: ich selbs. vocab. inc. teuton. k 6ᵃ, Maaler 235ᵃ;
Leo. wer gibt
acht auf die wach? Pap. ich selbst.
A. Gryphius (1663) 38;
ich hatte selbst oft grillenhafte stunden.
Göthe 12, 60;
ich selber, gleich einer leiche,
die grollend ausgeworfen das meer,
lieg ich am strande.
Heine buch der lieder 338.
5)
soll ich als subject des satzes durch einen nebensatz näher bestimmt werden, so wird es nach relativem der oder die entweder wiederholt und das verbum in erste person gesetzt oder das blosze relativum mit dem verbum in dritter person verwendet. im letztern fall heiszt es z. b. ich, der gethan hat was er konnte, habe nun diesen lohn davon; ich, der dein freund ist, verdiente eine andere behandlung;
ich, der mit jedem herzensschlag
ihr angehört, bin nur um einen einzigen tag
ihr leben noch zu fristen ihr nichts nütze!
Wieland 23, 32 (Oberon 7, 45);
dagegen im ersten fall: ich bin der herr, euer heilige, der ich Israel geschaffen habe, euer könig. Jes. 43, 15; so wil ich doch umb der liebe willen nur vermanen, der ich ein solcher bin, nemlich, ein alter Paulus. Philem. 9; ich armer bergmann, der ich nichts anders gelernt habe denn in die grub faren, glaub und bekenn .. Sar. 39ᵃ;
ich, die ich gefangen sitze,
bin nur meinem herren nütze.
Logau (1, 7, 49) 150;
ich, der ich oft in tiefes leid
und grosze noth musz gehen,
will dennoch gott mit groszer freud
und herzenslust erhöhen.
P. Gerhardt no. 95;
wo ich geboren bin, ich, der ich so vielen leuten merkwürdig bin. Gellert 8, 257; ich, der ich die ganze welt ausreisen wollte, werde, allem ansehen nach, in dem kleinen Wolfenbüttel unter schwarten vermodern. Lessing 12, 423;
ich, der ich diese kunst verstehe,
ich habe mir ein kind gewählt,
dasz uns zum glück der schönsten ehe
allein des priesters segen fehlt.
Göthe 47, 10;
der ich liesz über den erstaunten schauern
die sonne Gibeons nicht untergehen,
kann ich nicht auch sie lassen auferstehen
für euch aus eurer nacht verzagtem trauern?
Rückert ged. (ausw.) 138.
er will in der apathie was vor sich bringen, ich aber, der ich sehe, es geht nicht, übe mich täglich in der anakatastasis. 60, 225; in diesem fall das ich nach dem relativum zu sparen und das verbum in der ersten person folgen zu lassen ist steif und tadelnswert:
Hannchen stirbet! dies erblassen
reiszt das herz der ältern hin.
doch, kann ich mich hier nicht fassen,
ich, der nur ein fremder bin?
d. deutschen ges. in Leipzig oden u. cant. (1738) 418;
einem N. v. Wyle läszt man es freilich hingehen, wenn bei ihm gelesen wird: kere din wüterye und grimikait in mich, die gewesen bin ain ursach des so verschuldet ist. translat. 87 Keller. Es begegnen endlich auch fälle, wo dahingestellt bleiben musz, ob in dem relativen satze ich unterdrückt ist oder das verbum in dritter person steht:
ich, der der königin ein heer nach Suffolk brachte,
mich (man erwartet sich) bei der welt verhaszt und sie gefürchtet
machte, ...
ich, der an sie zuletzt den könig selbst verrathen, ...
ich werd itzt kaum gehört.
6)
ich wird durch eine substantivische beifügung näher bestimmt.
a)
mit folgendem substantiv oder adjectiv, die ein selbsturtheil des redenden enthalten.
α)
im ausruf: ich glücklicher! ich narr!
ich arme (armer), wie genise ich?
Iwein 3299;
si sprach 'ich arbeitsälige burde!'
und fieng an weinen umb ir eer.
fastn. sp. (110, 20) 876;
ich ellends und barmherzigs weib, wie bin ich so armuͦtsälig, 'me miseram'. Maaler 235ᵇ; ach ich armer jung! H. J. v. Braunschweig (H.) 217; ach gott, ich armer mensch! 472;
welch unthat hab ich nicht bis auf die letzte nacht
so manches schönes jahr, ich thörichter, verbracht!
A. Gryphius (1663) 321;
da steh ich nun, ich armer thor!
Göthe 12, 29;
ich ebenbild der gottheit!
12, 35;
ich sollte,
ich rasende! ein abgerissnes blatt
aus dieser blume schönem kelch verschenken?
Schiller 263ᵃ;
ich unglückselger Atlas!
Heine buch der lieder 194.
β)
als subject des satzes:
swenne ich vil tumber
ir tuon mînen kumber
mit sange bekant.
MSF. 141;
ich toller unverstendiger narr aber merkte nicht, das ich durch diese rede .. schier ein heilsam gebot .. gemacht hatte. Luther 1 (1575) 104ᵇ;
ich treuer wächter trit daher,
und warne zwei mit meiner ler.
Gödeke-Tittmann liederb. 359;
ich armer teufel, herr baron,
beneide sie um ihren stand.
Göthe 18, 293;
hier wollten sie, von menschen unbehorcht,
den stillen wünschen ihres herzens leben.
ich sohn des unglücks zeige mich: sogleich
ist dieser schöne traum gestört.
Schiller 261ᵃ;
was hab ich unbesonnene gewagt!
264ᵃ.
γ)
nicht so eng sich anschlieszend ist die apposition im engern sinn, welche den inhalt und charakter eines verkürzten zwischensatzes hat:
herr! aller herren höchster gott, wo werd ich armer vor dir bleiben,
ich dein durchaus unnützer knecht?
A. Gryphius (1663) 745;
wie gern
wollt ich alsdann, ich ganz gefühl, ganz schmerz,
für eine sieben bluten.
Lessing 2, 511;
und ich, der gottverhaszte, hatte nicht genug,
dasz ich die felsen faszte
und sie zu trümmern schlug!
Göthe 12, 176;
weisere fassung
ziemet dem alter,
ich, der vernünftige, grüsze zuerst.
Schiller 490ᵇ;
ich weisz .. dasz mein dasein oder hingang, ich, das schwache erdengebilde, an ihrem (der vorsehung) plan und gang nichts irre machen noch ändern kann. Hebel 5, 121.
b)
der redende fügt dem pronomen seinen namen oder eine dem gleichkommende bezeichnung bei, seiner rede nachdruck zu geben, eindruck oder glaubwürdigkeit derselben zu erhöhen. besonders hinzuweisen ist auf folgende fälle.
α)
gott redet so, der heiland und die lehrer in der heiligen schrift: ich, der herr dein gott, bin ein eiveriger gott. 2 Mos. 20, 5; ich, der herr, behüte in. Jes. 27, 3; ich, der herr, kan das herz ergründen. Jer. 17, 10; ich, der herr, bin ein gott alls fleischs. 32, 27; du solt auf dem felde darnider ligen, denn ich, der herr herr, habs gesagt. Hesek. 39, 5; ich Jesus habe gesand meinen engel, solchs euch zu zeugen an die gemeinen. offenbar. 22, 16; ich prediger war könig uber Israel zu Jerusalem. pred. Salom. 1, 12; ich Daniel sahe ein gesichte in der nacht. Dan. 7, 2; ich Paulus grüsze euch mit meiner hand. 1 Cor. 16, 21; ich Paulus hab es geschrieben mit meiner hand, ich wils bezalen. Philem. 19; ich Johannes sahe die heilige stad. offenbar. 21, 2.
β)
ebenso drücken sich dichter und schriftsteller der älteren zeit aus:
ich Wolfram von Eschenbach,
swaʒ ich von Parzivâl gesprach,
des sîn âventiur mich wîste,
etslîch man daʒ prîste.
Willeh. 4, 19;
von Wirzeburc ich Cuonrât
von welsche in tiutsch getihte
mit rîmen gerne rihte
das alte buoch von Troye.
troj. krieg 266,
vgl. Engelh. 6492, schwanr. 1354, der welt lohn 263; harumb wil ich Jocop Twinger von Künigeshoven, ein priester zuͦ Strosburg, us den croniken die Eusebius, Martinus, Sigebertus und Vicencius gemaht hant, und us andern buͤchern zuͦ dütsche schriben etliche ding ... Straszburger chron. 1, 230; ich frater Johannes Pauli, schreiber disz buͦchs, ein barfuͦszer, hab ein bauren kent. schimpf u. ernst 205 Österley;
als man zelt vierzenhundert jar
und vier und neunzig jar fürwar
nach des herren Christi geburt
ich Hans Sachs gleich geboren wurd.
H. Sachs (Göz) 1, 3;
γ)
in dichtungen auftretende personen führen sich auf dieselbe weise ein oder geben ihrer rede dadurch nachdruck:
ich Gundelwein von Tribetant,
ich sach, das ein frosch ein storch verschlant.
fastn. sp. 93;
von Tauferei ich Rubenschlunt,
mir wart die abenteur kunt.
94;
ich Schweinszagel bin ein knecht,
mein urtheil setz ich schlecht und recht.
100;
ich Mercurius
bring botschaft hin und wider.
Weller lieder 268;
ich Hans Unmuet von Ach und Weh,
notarius am Wildensee,
bekenn mich meiner aignen hand ...
Opel u. Cohn 140;
ergetzlich läszt H. Sachs in einem schwank den guten montag, wie ihn die handwerksgesellen, weil sie da nicht arbeiteten, nannten (s. Frisch 1, 385ᵃ, vgl.guter mittwoch, guter donnerstag 2, 1253), persönlich auftreten:
ich guter montag mach toll köpf.
Gödeke-Tittmann 2, 33, 75.
δ)
notwendig (es sei denn dasz der redende an anderer stelle sich nennt) wird dem im eingang stehenden pronomen der name beigefügt in urkunden jeder art, gesetzesvorlagen, verordnungen, zeugnissen, erklärungen, contracten, quittungen u. dgl.: als ältestes beispiel dieser art dient die runeninschrift des goldenen horns nach Bugges lesung (Kuhn zeitschr. 18, 154): ek Hlewagastir Holtingar horna tawido (ich Hlewagast Holts nachkomme d. i. sohn, fertigte das horn); vgl. die a. a. o. mitgetheilten inschriften auf den steinen zu Tune und Varnum; hiernächst die gothischen verkaufsurkunden zu Neapel und Arezzo (6. jahrh.): ik Mêrila bôkareis handau meinai ufmêlida; ik Gudilub dkn. (diaconus) þô frabaúhtabôka fram mis gavaúrhta; ferner angelsächsische königsgesetze und erklärungen bis zur invasion, vgl. Schmid gesetze der Angelsachsen 20. 126 u. ö. Thorpe diplom. Angl. 332; I þe king Adelstan. 180; während auf dem germanischen continente, durch den einflusz des römischen oder byzantinischen geschäftsstils, in den canzleien schon der gothischen und fränkischen, dann auch der deutschen könige am eingange der urkunden mit dem namen der pluralis majestatis und das dazu entsprechend im plural gebrauchte verbum verwendet ward. dieser gebrauch verbreitet sich allmählich nicht nur auf die dem kaiser unmittelbar untergeordneten fürsten und dynasten, sondern auch auf solche, die überhaupt hoheitsrechte ausüben, so dasz das ich mit beigesetztem namen und würde später nur noch in urkunden bürgerlicher, sowie niederer geistlicher oder adlicher personen erscheint: ich Herman von Czymmern unde Tile Schengke, wir bekennen mit diszem offenen brife .. urkunde von 1412 bei Dreyhaupt Saalcreys 1, 670; ich Christoph Turgk der rechten doctor .. bekenne und thue kund an diesem brieve. das. 1, 918 (von 1536). statt dieses ich mit beigesetztem namen heiszt es, aber wol erst seit dem 17. jh., ich der endesunterzeichnete; ich endesgenannter; ich der unterschriebene, unterfertigte, u. ähnl.: für mich, meine erben und erbnehmen, urkunde und bekenne hiermit ich endes eigenhändig unterschriebener. Seriander rechtschreib. 263; oder es kommt beides, diese hinweisung und der name vor: ich unterzeichneter, Joseph Clavigo, archivarius des königs .. bekenne. Göthe 10, 78.
7)
vertretung der ersten person durch die dritte und zweite.
a)
dasz kinder in den ersten lebensjahren, bevor sie zum vollgefühl ihrer persönlichkeit kommen, ein ich nicht kennen, von sich in der dritten person reden und dazu ihren eigennamen setzen, ist eine von J. Grimm kleine schriften 3 s. 241 fgg. (über den personenwechsel in der rede) ausführlich dargelegte wahrnehmung; eben dasselbe thun geistig beschränkte, unselbständige: nach der aussage des knaben sprach sie (Lisette) dabei mit lauter stimme die worte: Lisette soll zu grunde gehen, zu grunde jetzt gleich. Schlegel Lucinde 49, wie englisch: who gives any thing to poor Tom? Shakesp. king Lear 3, 4; und demütige, unterwürfige vertauschen ihr ich mit der hervorhebung ihrer eigenschaft als diener, knecht: ah herr, las deine ohren aufmerken auf das gebet deines knechts. Neh. 1, 11; rede herr, denn dein knecht höret. 1 Sam. 3, 9; mein geist frewet sich gottes meines heilandes. denn er hat seine elende magd angesehen. Luc. 1, 48; wirth. o ihro gnaden! zanken? da sei gott vor! ihr unterthänigster knecht sollte sich unterstehen, mit einem, der die gnade hat, ihnen anzugehören, zu zanken? Lessing 1, 513. Der gesetzte eigenname statt des ich kann aber auch gesteigertes selbstgefühl verraten (vgl. J. Grimm a. a. o. 3, 243 fg.). dichter des 15. und 16. jahrh. (über früheren etwas anderen gebrauch vergl. oben 6, b, β sp. 2023), nennen sich in dieser weise am schlusse ihrer werke, indem sie zugleich bedeutsam eine lehre mitgeben:
üb dich zu weiszheit ist mein ler,
spricht Hans Folcz zu Nürmberck barwirer.
H. Folz, Haupts zeitschr. 8, 523;
auf das eliche lieb aufwachs
in rechter treu, das wünscht Hans Sachs.
H. Sachs 2, 10 Tittmann.
sonst steht der eigenname statt des ich voll nachdrucks; so mhd., und mit der 1. person wechselnd:
welt ir niht volgen Hagnen, iu rætet Rûmolt,
wand ich iu bin mit triuwen dienstlîchen holt,
daʒ ir hie sult belîben durch den willen mîn.
Nib. 1406, 1;
oder ohne solchen wechsel:
Heinrîch von Ofterdingen,   Reimâr wil dîn vîent wesen.
minnes. 2, 7ᵃ Hagen;
nhd. aber da trifft er (Zwingli) den Luther allererst recht, da er seine folgerkunst beweiset. Luther 3, 464ᵃ;
auf, landsknecht gut   und reuters mut,
laszt Hutten nit verderben!
Hutten in Gödeke u. Tittmann liederb. 274;
und wenn dir der verlobten kusz
zu stiller reizung dienen musz,
so wisse: Günther kann nicht wanken.
und greift mich irgend auch die arglist meiner feinde,
die Günthern auf der welt nicht ruhig leiden kan,
nunmehr zu guter letzt mit deiner trennung an?
472;
auch in heutiger gewöhnlicher rede ist diese wendung nicht unbekannt; ein alter, der einem jungen eine warnung eindringlich machen will, sagt: denke daran, der alte Johann hat dich gewarnt; in der bewegten sprache des abschiednehmens: lebe wohl, du guter boden! wie oft hat der alte Daniel dich abgefegt — lebe wohl, du lieber ofen, der alte Daniel nimmt schweren abschied von dir. Schiller räuber 5, 1; zugleich mit umschlag in die 1. person:
lebt wohl, ihr berge, ihr geliebten triften,
ihr traulich stillen thäler, lebet wohl!
Johanna wird nun nicht mehr auf euch wandeln,
Johanna sagt euch ewig lebewohl!
ihr wiesen, die ich wässerte, ihr bäume,
die ich gepflanzet, grünet fröhlich fort!
jungfrau v. Orleans, vorspiel, 4. auftr.
In noch andern wendungen steht für ich ein appellativum, so wenn einer zum andern sagt: hören sie, ein erfahrener mann spricht zu ihnen (anstatt ich als ein erfahrener mann spreche); ein armer mann bittet um eine gabe, ruft der bettler; gnädiger herr, erlaubet einem armen manne, euch um etwas zu bitten. Schiller räub. 4, 3; dichter führen sich in dieser eigenschaft ein:
dichter (zum director). geh hin, und such dir einen andern knecht!
der dichter sollte wohl das höchste recht,
das menschenrecht, das ihm natur vergönnt,
um deinetwillen freventlich verscherzen?
Göthe 12, 13.
verallgemeinernd wird für ich gesagt unser einer, unser eins: unser einer kommt freilich nicht viel zum vergnügen; unser einem wird es nicht so wol; vergl. die beispiele unter eins theil 3, sp. 256; in obliquen casus auch nur die einzahl ohne beigesetztes pronomen: man musz einem nur nicht so etwas weisz machen; einen so zu belügen! vergl. a. a. o. sp. 122.
b)
wie beim sprechen, denken, zu rathe gehen mit sich selbst und ähnlichen prozessen bald die erste person, bald die zweite gebraucht wird, ist bereits unter du theil 2, sp. 1472-1475 ausführlich dargelegt.
8)
die alte sprache brauchte das possessivum aller drei personen oder auch den gen. des eigennamens neben dem worte lîp, um dadurch die vorstellung der person und der selbstheit hervorzuheben, vgl. J. Grimm kl. schriften 3, 265, mîn lîp hiesz in unzählichen beispielen so viel wie ich:
sît si mîn lîp
für elliu wîp
meinet besunder
von herzen vil gar.
frauend. 135, 7;
mîn lîp mit freuden batte sich.
227, 5;
im wechsel mit ich:
ze Venedige ich vil palde quam.
ein herberge mîn lîp dâ nam
vil verre von den liuten hin.
160, 17;
ich wart ê nie gekleidet baʒ;
wan ich für wâr wol weste daʒ,
daʒ mîn hôh minne gernder lîp
des tages sæh manc schœne wîp.
239, 13.
dieser gebrauch hat sich seit untergang des mhd. verloren. anders und nicht damit zu vergleichen ist, wenn später für ich die umschreibung meine person auftritt, wie für du ebenso deine person; dies geschieht, wenn die rede das ganze einer persönlichkeit scharf und bedeutend hervorheben will: meine person steht für alles ein, was hier schade geschieht; sei ruhig, meine person deckt dich; aber das rate ich, das du zu dir versamlest ganz Israel, .. und deine person ziehe unter inen. 2 Sam. 17, 11; ich lasse euch aber wissen, welch einen kampf ich habe umb euch und umb die zu Laodicea, und alle die meine person im fleisch nicht gesehen haben (gegen griech. καὶ ὅσοι οὐχ ἑωράκασιν τὸ πρόσωπόν μου ἐν σαρκί, vulg. quicunque non viderunt faciem meam in carne). Kol. 2, 1. Im munde eines unterwürfigen oder auch nur bescheidenen verwandelt sich das ich zur umschreibung meine wenigkeit: kan aber eurer excell. meine wenigkeit auszerhalb herren-diensten in ichtwas zu gehorsamen die gelegenheit haben. Simpl. 1, 283 Kurz; meine wenigkeit, ego in imo subsellio positus, es ist meiner wenigkeit vorbehalten gewesen, in nostram tenuitatem delatum est Serz 176ᵃ; allein, man wird fragen, was mich so verwegen macht, der einsicht so vieler gelehrten kunstrichter meine wenigkeit entgegenzusetzen. Lessing 3, 121;
doch meine wenigkeit entweilt kein mädchenspiel;
so thu es denn ein gänsekiel.
Bürger 104ᵇ;
schon ahd. wird ähnlich nidirî niedrigkeit verwendet (vgl. gramm. 4, 298):
thes thanke ouch sîn gidiginî joh unsu smâhu nidirî.
Otfrid ad Lud. 26.
9)
ich verschwiegen oder fehlend.
a)
in beigeordneten sätzen, deren gemeinschaftliches subject die 1. person ist, wird ich vor jedem satztheile nur im falle des asyndetons in gehobener rede wiederholt:
ich jauchze, ich zittre, ich weine wild,
ich werde selber zur leiche.
H. Heine b. d. l. 130;
ich sah sie lachen, sah sie lächeln,
ich sah sie ganz zu grunde gehn;
ich hört ihr weinen und ihr röcheln,
und habe ruhig zugesehn.
werke 18, 293;
sonst steht es im ersten satzglied, für die folgenden mit geltend: ich heisze Weber, bin ein mahler, habe jura studirt, oder ein reisender überhaupt, betrage mich sehr höflich gegen jedermann und bin überall wohl aufgenommen. Göthe an frau v. Stein 1², 132;
den ellenbogen aufgestemmt
sasz ich in meiner sichern ruh,
hört all dem schwadronieren zu,
und streiche lächelnd meinen bart,
und kriege das volle glas zur hand
und sage: alles nach seiner art!
werke 12, 191;
zu Thurneck bin ich hier, weisz was ich thue.
H. v. Kleist Käthchen 3, 6.
b)
die ältere sprache ergänzt öfters im gleichen oder im unmittelbar folgenden satze ich aus vorhergehendem ich oder dessen obliquen casus, oder aus dem possessiv mein; ein brauch der sich bisweilen noch in unsere classische litteratur hinein erstreckt. so
α)
aus ich: mhd.
ich kan iu niht so verre
gnâden mit dem munde,
als, ob ich kunde,
vil gerne tæte.
Hartmann Greg. 1217;
ich enweiʒ waʒ im tu.
Herbort liet v. Tr. 9765;
nhd. weil ich nun einsehe, dasz er allerdings nicht unrecht habe: so entsage mich hierdurch meiner vorigen protestationen. Seriander rechtschreiberey 148;
ihr augen, wann ich euch so freundlich sehe schweben,
so bin ich als entzückt, so kenne ganz kein leid.
Opitz 2, 217.
β)
aus vorhergehendem mir: mhd.
er wirt von mir gewîhet schôn,
und setz im ûf des rîches krôn.
Seifr. Helbling 8, 1133;
swaʒ mir geschêe,
daʒ vertruge harte wol.
Herbort 8369;
nhd. ob mir schon die ganze welt anhienge und widderumb abfiele, das ist mir eben gleich, und denke: ist sie mir doch zuvor auch nicht angehangen, da ich alleine war. Luther antwort auf des königs zu Engelland lesterschrift, bei Scheible 10, 395; da verschaffte er mir eine grosze menge holz von den (dem) churfürsten, und hatte alle jahr mein gewisz holz zu genieszen. curieuses gespräch zwischen Taubmann u. Belarminus (Frkf. 1737) 30; mir geht in allem alles erwünscht, und leide allein um andre. Göthe an Aug. Stolberg am 17. juli 1777;
sie ist mir lieb, die werde magd,
und kan ir nicht vergessen.
Luther 8, 366ᵇ;
jetzt sein kaum zwen oder drei (freunde),
die mir in nöten treten bei;
den andern hauf musz faren lassen.
B. Waldis Esop 4, 78, 127;
drumb ist mir für dich herzlich laid,
und verfluch die unmiltigkait.
flöhhaz 794 Scheible;
gehts mädchen mir vorüber,
rufts laut in mir, du bist ein mann,
und küsse sie so lieber.
Schiller männerwürde (1, 76 Kurz);
wie konnt ich über andrer sünden,
nicht worte gnug der zunge finden!
wie schien mirs schwarz, und schwärzts noch gar,
mirs immer doch nicht schwarz gnug war,
und segnet mich und that so grosz,
und bin nun selbst der sünde blosz!
Göthe 12, 188.
γ)
aus mich: mhd.
und dô eʒ an den âbent gienc,
einen stîc ich dô gevienc:
der truoc mich ûʒ der wilde,
und kom an ein gevilde.
Iwein 276;
wan (man) hât mich her gesant,
und hân erstrichen vrömdiu lant
nâch hern Dietrîch von Berne.
Ecken liet 37, 1;
nhd. es verdrosz mich heftig und sagte. pers. rosenth. 7, 5;
noch deucht sie (mein weib) mich schön weisz und klug,
und hett an ir gevallens genug
als könig Davit an Bersabe.
fastn. sp. 135, 15;
er hat mich kouft, und bin sein knecht.
geuchmatt (kloster 8, 1056);
o hast du mich gnädig aus räubershand,
aus dem strom mich gerettet ans heilige land,
und soll hier verschmachtend verderben!
Schiller bürgschaft v. 82.
δ)
aus dem possessiv mein: mhd.
des ist mîn jâmer vester,
und beginneʒ nû ze spâte klagen,
daʒ ich bî allen mînen tagen
ir dinc niht baʒ geschaffet hân.
Hartmann Greg. 69;
si ist mîn ôsterlîcher tac,
und hâns (habe sie) in mînem herzen liep.
minnes. frühl. 170, 20;
swer nemen welle golt,
der denke miner leide, und wil im immer wesen holt.
Nib. 1655, 4;
nhd. das ist meine speise, und werde fett davon. Luther antw. auf des königs zu Engelland lesterschrift, Scheibles kloster 10, 391; meiner liebsten ist er, wie mich dünkt, bekant, doch habe von ihr noch nichts erfahren können. kunst üb. alle künste 115, 20; nach meinetwegen: als wir nun den folgenden tag examinirt wurden, und ich meines vatters factor nannte, der ein ansehnlicher mann war, ward derselbe beschickt, meinetwegen befragt, und (ich) auf seine verbürgung los gelassen, doch dasz ich bisz auf weitern bescheid in seinem haus im arrest verbleiben solte. gantz neu eingerichteter .. Simplicius Simplicissimus 458; nach mein, dem gen. des persönl. pronomens:
got aber verschont mein allein.
sibenjerig danach anfieng,
in die lateinisch schule gieng;
drin lernt ich puerilia,
grammatica und musica.
Hans Sachs 2, 241, 12 Tittmann;
kühner und selten ist, wenn ein ich aus dem erst nachfolgenden possessiv ergänzt werden musz: beide propheten und priester sind schelke, und finde auch in meinem hause ire bosheit, spricht der herr. Jer. 23, 11.
c)
ausnahmsweise, in lebhaftem zwiegespräche, ergänzt ein angeredeter sein ich in der antwort aus dem du des unmittelbar vorhergehenden, vom andern gesprochenen satzes: v. Hutten. diesen lieblichen anblick wird sie (die welt) fortfahren dir zu geben, so lange du dich hütest, den schleier aufzuheben, der dir die wirklichkeit verbirgt, so lange du menschen entbehren wirst und dich mit deinem eigenen herzen begnügen. Angelika. oder dasjenige finde, mein vater, das dem meinigen harmonisch begegnet. Schiller 315ᵇ (menschenfeind).
d)
vor bitte, danke, geschweige, sage. Ganz üblich ist heute, dasz der redende vor ein- oder angefügtem bitte, danke das pronomen fortläszt (gramm. 4, 218): bitte, nehmen sie platz, thun sie mir, bitte, den gefallen; lasz das, bitte; danke bestens; wie englisch pray thee, thank you;
Adam. kann ich inzwischen
mit einem guten frühstück, wurst aus Braunschweig,
ein gläschen Danziger etwa — Walter. danke sehr.
Adam. ohn' umständ'! Walter. dank', ihr hörts, habs schon genossen.
H. v. Kleist zerbr. krug 5;
auch in der ältern sprache: es ist ein feiner brauch, wenn man gevattern bittet, das man spricht, gott hat mir einen heiden beschert, bitte, wöllet ihm zur christenheit helfen. C. Spangenberg ehespiegel 395;
bitt, wölt mit mir haben vergut.
H. Sachs 1, 470ᵃ.
das jetzt zur partikel herabgesunkene geschweige taceo wird bei schriftstellern des 16. jahrh. noch als volle verbalform mit dem pron. ich gesetzt: das man es kaum mit dem herzen sehen kan, ich schweige mit den augen. Luther 5, 336ᵃ; wo haben die Lutherischen einen brief auslassen gehen, das sie sich wehren wollen, ich wil schweigen, das sie aufrhürisch sein oder anfahen wolten? 307ᵃ; sy ist so züchtig, mag von denen dingen nichts hören, ich geschwigen erst thuͦn. Wickram rollw. 16, 23 Kurz; darum können sie auch den himel nicht verdienen, ich geschweig dʒ sie den himel andern leuten durch ihre verdienst solten zu wegen bringen. Fischart bienk. 199ᵇ;
und hiesz sie mich den toten tragen
an galgn, ich künt irs nit versagen,
ich wil geschweigen in ir haus.
H. Sachs 3, 260 Tittmann;
doch fängt schon in diesem jahrhundert an das pronomen zu fehlen, ein gebrauch der seit dem 17. allgemein wird: diejenigen, die noch nie haben recht reden können, schweige denn dolmetschen. Luther 5, 140ᵇ; solche feine fabeln .. vermöcht jtzt alle welt nicht, schweig denn éin mensch erfinden. 5, 269ᵃ; (wurde mir) von des zaarn pferden ein solches vortrefliches untergezogen, dergleichen ich zuvor mein lebtag keins gesehen, geschweige beritten. Simpl. 2, 102 Kurz; gab mir niemalen kein sauern blick geschweige ein böses wort. 3, 107; gewisz, einem gebildeten menschen, geschweige denn einem liebhaber, würde ein solcher name auf den lippen stocken. Göthe 26, 28;
und sie streut dann das futter aus
mit einem blick — götter zu entzücken,
geschweige die bestien.
2, 90.
Auch eingefügtes sage inquam, wenn es etwas schon gesagtes ausdrücklicher, deutlicher, eindringlicher wiederholt, steht ohne ich; so wenn in schuldbriefen oder quittungen die erst in zahlen ausgedrückte summe ausgeschrieben wiederholt wird: 100 [[undefined:curundefined2rb]], sage einhundert thaler; auch sonst: dieses kleinen vergehens halber hat er zehn, sage zehn jahre auf der festung zubringen müssen.
e)
bei verben des denkens, meinens, fühlens, wissens, wollens, namentlich wenn sie eingeschoben sind, doch auch in anderer stellung. so wird mhd. wæne, wæn gebraucht (mhd. wb. 3, 497), vielleicht ist unser mundartliches halt ebenso aus halt ich entsprungen, vgl. die ausführungen oben sp. 273;
denkwol, iez lengi au in sack,
und trink e pfifli rauchtuback ...
und wenn der kaiser usem roth
in feld und forst ufs jage goht,
se lengt er denkwol au in sack,
und trinkt e pfifli rauchtuback.
Hebel 1, 170;
bei den verben hoffen, fürchten, wissen, schätzen, wollen, mögen: hoffe, solch werklein werde ihnen nicht unangenehm sein. Simpl. 1, 4 Kurz; der kamm ist vertauscht (umgetauscht), nicht so schön an farb und gestalt als der erste, hoffe doch, brauchbarer. Göthe an Kestner 116;
so ist deines fürsten gunst
mir nicht, hoffe, gar ümmsonst.
Fleming 414;
fürcht warlich, sie werden im ein kappen kaufen. Schade sat. 1, 57; St. wars eine starke summe? B. weisz nicht. Klinger 1, 100;
weisz auch wol, wer dich auf sie hetzt.
H. Sachs 1, 114ᵇ;
der graf v. Strahl. kind, was hältst du da?
Käthchen. weisz nit, mein hoher herr.
H. v. Kleist Käthchen 5, 11;
dein (der schwalbe) liedchen spricht
'weisz selber nicht,
woher mir gekommen die mahnung'.
bairisch schätz wol, das glaub ich, das will ich meinen, freilich, allerdings Schm. 2, 492 Fromm.; wollte, ich säsze noch zu Lottens füszen, und die jungen krabbelten auf mir herum. Göthe an Kestner 6. oct. 1772; möchte wohl hören, was der von uns, die wir hier so beisammen sind, sagt. Wieland an frau rath 31. dec. 1776; es ist noch nie, wil nicht sagen, ein geschlecht, sondern auch keine republic oder regiment so stark noch mächtig gewest. Schuppius 560;
ich sah in gehn in solch ein saubres haus
(will sagen, ein bordell).
Shaksp. Hamlet 2, 1;
I saw him enter such a house of sale,
videlicet, a brothel.
f)
ich fehlt bei gelehrtem, militärischem, stolzem lakonismus:
habe nun, ach, philosophie,
juristerei und medicin,
und leider auch theologie,
durchaus studiert, mit heiszem bemühn.
Göthe 12, 29;
heisze magister, heisze doctor gar.
das.;
bilde mir nicht ein, was rechts zu wissen,
bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
die menschen zu bessern und zu bekehren.
30;
soll wie ein böser schuldner sitzen,
bei jedem zufallswörtchen schwitzen (worte Valentins).
192;
scharfschütz. kroat, wo hast du das halsband gestohlen?
handle dirs ab! dir ists doch nichts nütz.
geb dir dafür das paar terzerolen.
kroat. nix, nix! du willst mich betrügen, schütz.
scharfschütz. nun, geb dir auch noch die blaue mütz,
hab sie so eben im glücksrad gewonnen.
Schiller Wallenst. lager, 3. auftr.;
D. er kömmt von Babylon,
mit zwanzig hochbeladenen kameelen,
... tempelh. kaufe nichts.
Lessing 2, 223.
in mürrischer, kurz angebundener stimmung: 'Lindenschmied, geht ihr mit da hinüber ins herzogliche?' L. hab meinen weg für mich. O. Ludwig dram. werke 1, 87; aber auch in der bescheidenen kürze eines fremd eindringenden:
bin so frei, grad hereinzutreten,
musz bei den fraun verzeihn erbeten.
wollte nach frau Marthe Schwerdtlein fragen.
Göthe 12, 150.
g)
ich fehlend in alterthümelnder schreibart:
schicke dir hier den alten Götzen ...
habs geschrieben in guter zeit,
tags, abends und nachtsherrlichkeit;
und find nicht halb die freude mehr,
da nun gedruckt ist ein ganzes heer.
find, dasz es wie mit kindern ist u. s. w.
der junge Göthe 2, 34.
h)
seit dem ende des 17. jahrh. reiszt die gewohnheit ein, in briefen das ich, wenn es dem verbum nachfolgt, zu unterdrücken. wahrgenommen wird sie zuerst in geschäftsbriefen, und entsteht hier wol zunächst durch das streben nach kürze, das die briefsteller jener zeit für solche briefe eindringlich empfehlen. ihre beispiele enthalten zahlreiche auslassungen des ich: eur. hochfürstl. durchl. soll hierdurch in unterthänigstem gehorsam berichten. Seriander rechtschreiberey 137; also berichte mit vielen vergnügen. 146; eur. hochwohlgb. gndn. bitte hierdurch unterthänig. 157; die erwähnte auslassung greift im 18. jahrh. um sich, indem höflichkeitsgründe einspielen: aber woher kommt überhaupt dieser grammatische selbstmord des ich ..? wahrscheinlich daher, weil wir wie Perser und Türken viel zu höflich sind, um vor ansehnlichen leuten ein ich zu haben. J. Paul vorsch. d. ästh. 1, 180; und wird in briefen und anreden höflicher oder selbst vertraulicher art üblich: zum fördristen sage christlichen dank vor den herzlichen wunsch und gebet vor mich. Spener theol. bed. c. 1, sect. 74 (Wackernagels leseb. 3¹, 969); hernach vermeine, dasz ein unterscheid zu machen unter den arten der zuhörer oder leser. Leibniz unvorgr. ged., leseb. 3¹, 1018; mein portrait habe nicht zu erhaltung seiner liebe, sondern nur zum geneigten andenken beilegen wollen. irrgarten 568; wüsten sie meinen völligen zustand, so wolte mich versichert halten, ihr tugendhaftes herze würde mir in allen beifall geben. ebenda; meinen couffer erwarte mit groszem verlangen, und ich bitte nochmals inständig alle die bücher hineinzulegen, die ich in einem meiner briefe benennet habe. Lessing 12, 11 (brief von 1749); für all die nachrichten, die den grund meines herzens interessieren, danke tausendfach. Lenz in Mercks briefs. 2, 52; sonst liebe Wieland von herzen wegen seiner jugendsünden und bitte mir sein drama aus. 53; die musik beselige dich! wie sehr sie und die künste es können, hab in Italien empfunden. Klinger theater 2, 122; mit verlangen und groszen vergnügen erwarte die fortsetzung von Wilhelm (Meister). frau rath an Göthe (Keil 320). Göthes neigung für diese satzfügung in seinen spätern lebensjahren ist bekannt: ich eile jedoch gegenwärtiges abzusenden, hinzufügend: dasz vor einigen tagen herrn Schulz aus London gesprochen und ihn als einen werthen wohl unterrichteten mann gefunden, auch demselben eine rolle mitgegeben, radirte blätter nach meinen früheren skizzen enthaltend, welche geneigt aufzunehmen und mir von dem empfang, sowie von der ankunft des gegenwärtigen blattes gefällige nachricht erbitte. an dr. Noehden vom 26. nov. 1821 (grenzboten 1864, s. 491). — Jetzt ist diese art auslassung des ich verschwunden und hält sich höchstens noch im niedern kaufmannsstile.
III.
Oblique casus von ich.
1)
die erweiterte form des genitivs meiner für mein taucht bereits bei Suchenwirt in verbindung mit zahlwörtern einmal auf: meiner ahte (vgl. Koberstein Suchenw. 2, 63), verbreitet sich mehr im 16. jahrh., nicht bei Luther, der noch mein braucht: erbarm dich mein. Matth. 15, 22. Luc. 16, 24; aber bei andern: der hat sich meiner angenommen, da ich nit wust, wo hinaus. Alberus widder Witzeln E 4ᵃ; und wird seit dem 17. jahrh. die überwiegende form, so dasz bereits Schottel 535 meiner vor mein verzeichnet. heutzutage ist sie die alleinige form der gewöhnlichen rede: erbarme dich meiner; erwehre dich meiner wenn du kannst; er möchte sich meiner gern entäuszern, wenn er nur könnte; als er meiner ansichtig wurde; und mein haben wir der höheren und poetischen sprache überlassen:
und als der herre mein ansichtig ward
und mich erkannte.
Schiller Tell 3, 1;
hinter praepositionen und substantiven ist überhaupt nur noch meiner zulässig: wegen meiner kannst du bleiben; meine mutter .. hatte meine abwesenheit des morgens beim thee durch ein frühzeitiges ausgehen meiner zu beschönigen gesucht. Göthe 24, 314.
2)
neben dem eigentlichen dativ mir der ersten person ist, wie bei dem der zweiten person (theil 2, sp. 1485f.) der sogenannte dativus ethicus oder commodi in vielfacher verwendung, der nur eine allgemeine beziehung des gesagten zum sprechenden ausdrückt und die rede beleben hilft. er findet sich schon mhd. häufig (vgl. Haupt zu Neidhart 98, 21):
den tiuvel ich mir selben weiʒ
daʒ ich mir niht sanfte kunde leben.
Erec 4792;
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben.
Walther 8, 9;
allerêrst lebe ich mir werde.
14, 38;
nhd. das lasz ich mir gelten; du bist mir ein schöner kerl; ich denke mir, die herrlichkeit dauert nicht lange; jetzt kommst du mir nicht mehr in mein haus; das lasz mir einer ein besondern forttrib gehabt haben. Nas warnungsengel 23; last mir das einen heiligen vater sein! Wesenigk spielsieben 54;
vergeszt nur nicht dem schneider einzuschärfen,
dasz er mir aufs genauste miszt.
Göthe 12, 111;
im vereine mit einem andern dativ: borgt mir nur dem menschen nichts;
setze mir nicht, du grobian,
mir den krug so derb vor die nase!
Göthe 5, 210.
3)
über den acc. mich vergl. das folgende.
IV.
Substantiver gebrauch von ich.
1)
geschlecht und form. neben dem gewöhnlichen neutralen gilt bisweilen das masculine geschlecht: was ihn (Göthe) auch hier, wie fast in allen seinen werken, von Homer und Shakspear unterscheidet, ist, dasz der ich, der ille ego, überall durchschimmert. Mercks briefs. 1, 236; sie wird dir, wenn du kommst, mehr sein als ich, ob sie mir gleich so viel ist als dir, so binn ich doch in meinem schwärmenden unglauben, der ich! und wie ich binn, dein bruder. Göthe an Lavater (der junge Göthe 3, 19);
mein andrer ich ist tod! o ich sein andrer er
erwüntschte dasz ich er, er aber ich noch wär.
Logau 1, 84, 46 (über den tod eines lieben freundes).
auch der acc. mich wird, masculin oder neutral, substantiv gebraucht: damit ich .. mein ganzes mich vermittelst göttlicher gnaden beistands in eine beschaffenheit setzen möchte, die gott angenehm und gefällig wäre. Simpl. 3, 426 Kurz;
tugend ist mein leben,
der hab ich mich ergeben,
den ganzen mich.
Fleming 299;
Dafnis werd ich erstlich klagen,
Dafnis meinen andern mich.
420;
wie? bin ich denn nicht mehr dasselbe ich?
hab ich denn aufgehört? treff ich mein wirklichs mich
in mir nicht ferner an?
Brockes 8, 593.
gewöhnlich aber hat ich als substantiv den acc. ich, dat. iche oder ich, gen. ichs oder ich: diese absolute identität ist die form des reinen ich. Fichte 6, 297; das eigenthümliche unseres ichs. Göthe 29, 104 Hempel; plur. iche: (eine) welt von ichen. Fichte 2, 703; häufiger ichs: seine verse, die beinahe so viele ichs, michs und mirs enthalten als zeilen. Zelter an Göthe 3, 286; seine eigne vervielfältigung (im spiegelzimmer) ekelte ihn: müsset ihr mich stören, ihr ichs? sagt er. J. Paul Tit. 4, 44; die metaphysische welt, mit ihren ichs und nicht-ichs. Schiller an Göthe 1, 126.
2)
ich bezeichnet das vernünftige im menschen im gegensatz zu dingen und zum körperlichen überhaupt: vielweniger haben wir noch das geheimnis entdeckt, wie denn die seele .. mit dieser maschine (dem organischen leibe) so genau verknüpft sei, dasz sie den körper zu ihrem ich rechnet. Reimarus triebe der thiere 8;
geheim entsteht das ich, geheim entstehn die dinge.
Platen 77;
bei festhaltung dieses gegensatzes wird von einem guten, bessern ich, dem geistigen gegenüber dem sinnlichen gesprochen: da sich der gesang dagegen wie ein genius gen himmel hebt und das bessere ich in uns ihn zu begleiten anreizt. Göthe 18, 204; wenn wir uns erst mit dem guten und mächtigen ich bekannt gemacht haben, das so still und ruhig in uns wohnt, und so lange, bis es die herrschaft im hause gewinnt, wenigstens durch zarte erinnerungen seine gegenwart unaufhörlich merken läszt. 15, 172.
3)
ich für einzelwesen, individuum, person überhaupt:
vrowe, dâ soltu mich meinen (lieben)
herzenlîchen als ich dich,
unser zweien so vereinen,
daʒ wir beidiu sîn ein ich.
frauend. 436, 3;
ein ich daʒ was mîn selbes lîp,
daʒ ander ich daʒ was ein wîp.
diu het sô herzeclîchen mir
gesellet sich und ich mich ir
daʒ wir mit triuwen wâren ein.
liedersaal 2, 158, 41;
ich möchte fragen, warum hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar aus liebe zu mir, der erst ein ich werden sollte? Schiller räuber 1, 1; ich hoffe also, sie werden dem groszen ich in Osmannstädt im herzen abbitte thun. an Göthe 1², 76; jetzt wurde es ihm leicht (seine papiere zu ordnen), da ein freund diese bemühung übernahm, ein zweites ich die sonderung bewirkte, in die das eine ich nicht immer sich spalten mag. Göthe 17, 42; o ich tolles ich. J. Paul Hesp. 1, 177.
4)
ich, wesen, geistige eigenthümlichkeit des einzelnen bezeichnend: in sich gekehrt, betrachtete er sein hohles leeres ich, das ihm als ein unermeszlicher abgrund erschien. Göthe 20, 29; seit der zeit ist mein thätiges, productives ich auf so manche angenehme und unangenehme weise beschränkt worden. an Schiller 1², 408; darum aber ist es mir noch lange nicht gemüthlich, mit der geberde des dünklings, der sich oft so gern für edeln stolz verkaufen möchte, mein selbstzufriedenes ich vor mir her zu lächeln oder zu schnauben. Bürger 323ᵃ;
(gedenk ich der zeiten da) ich über mein ich, des unbefriedigten
geistes
düstre wege zu spähn, still in betrachtung versank.
Göthe 1, 269;
weil mein ich sich ganz entfaltet.
Platen 74;
krampfhaft windet sich mein tiefstes ich.
274;
mit hervorhebung dieses wesens als des gegenstandes der eigenliebe:
mache dasz mein ich mir schwinde,
das mich mit mir selbst entzweit,
dasz ich gott und dich empfinde
und die welt in einigkeit.
Rückert ges. ged. 1, 209;
fort mit dem ich und seiner kraft,
gebeut die liebe, fort damit!
Daumer Hafis 18;
formelhaft das liebe ich: die .. um ihres lieben ichs, ihrer kirche und schule willen, privilegien, ausnahmen und wunder für ganz natürlich halten. Göthe 46, 23.
5)
der geliebte wird mein ich, mein besseres, edleres ich genannt:
wenn du mich köntest lieben,
o du mein ich!
Fleming 519;
lasz mich den groszen geist, der nunmehr aus wil zihn,
mein ganzes und mein ich, mit disen lippen küssen!
A. Gryphius (1663) 238;
meine freundin, meine taube,
meine schwester, ja mein ich!
und bist du auch verblichen,
mein mehr denn halbes ich?
Opitz 2, 136;
häufig auch mein andres ich, seit dem 17. jahrh., nach dem lat. alter ego:
als Peleus grimmer wagen
vorlängst mein (der Andromache) anders ich, den Hector, muste tragen.
Opitz 1, 223;
erbarmt dich mein (wenn dich mein erbarmt), o du mein andres
ich.
nimm hier, mein ander ich, was ich noch geben kan,
den allerletzten kusz als ein vermächtnis an!
Günther 1027;
du bleibst mein ander ich,
bis mir der tod das treue herze bricht.
Menantes 1, 178;
nimm mich, mein ander ich!
193;
würde er das wohl gethan haben, wenn ich nicht sein ander ich wäre? Lessing 1, 499; ihr andres ich, dessen glück ihr glück, dessen unglück ihr unglück ist. 2, 371; des herrn Duschs anderes ich, oder sein critischer freund. 6, 201; ich bin sein ander ich gewesen, er hat nichts vor mir geheim gehalten. Lenz 1, 230;
die schöne braut sieht hier ihr ander ich (ihren bräutigam)
den blumen gleich, durch kalten stahl erbleichen.
Kleist (1756) 133;
Pfriem ist nicht blosz mein freund, er ist mein andres ich.
Lessing 1, 27;
komm, meine taube, spricht zu seinem andern ich
der graue tauber (ein verliebter greis), komm, mein Röschen, führe mich
zu jenem stillen grund.
Wieland 22, 283 (Oberon 6, 64).
6)
in komischer rede wird ich selbst von thieren und leblosen dingen gesagt: dasz manche den papageien gleichen, die im verdunkelten bauer, worin blos ein spiegel für das ich des sittichs steht, in der schaukel eines ringes, deutlich nachsprechen lernen. J. Paul palingen. 1, 99;
aschenbrödel. dieser schuh ist mein.
Pernullo. wie dein? ...
aschenbrödel (den andern pantoffel hervorziehend). hier ist sein andres ich, sie sind ein paar.
Platen 185.
7)
das ich der Fichteschen philosophie, das grundthema seines idealismus, als die ewige allgemeine vernunft dem nicht-ich, der sinnen- und körperwelt entgegengesetzt, vgl. Fichte werke 6, 294. 296; von zeitgenössischen schriftstellern oft erwähnt: nach den mündlichen äuszerungen Fichtes, denn in seinem buche war noch nicht davon die rede, ist das ich auch durch seine vorstellungen erschaffend und alle realität ist in dem ich. die welt ist ihm nur ein ball, den das ich geworfen hat und den es bei der reflexion wieder fängt! Schiller an Göthe 1, 26; ich spreche hier (bei der vorgenommenen ausarbeitung der Maltheser) wie ein gesunder und rüstiger mensch, der über seine zeit zu gebieten hat; aber bei der ausführung wird mich das nicht-ich (mein körper) schon erinnern. 27; weibliche liebe, die wie ein Fichtesches ich sich selber setzt und ohne weiteren grund fort erhält. J. Paul herbstblum. 3, 25;
ich bin ich und setze mich selbst und, setz ich mich selber
als nicht gesetzt, nun gut, hab ich ein nicht-ich gesetzt.
Schiller 95ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1876), Bd. IV,II (1877), Sp. 2017, Z. 36.

ichten, verb.

ichten, verb.
zu etwas machen: nicht also daʒ der geist zu nichte werde, sunder daʒ er geichtet werde an gote. H. v. Fritzlar in Wackernagels leseb. 1², 858.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1876), Bd. IV,II (1877), Sp. 2035, Z. 44.

ichten, verb.

ichten, verb.
eichen, vergl. unter ichen sp. 2032.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1876), Bd. IV,II (1877), Sp. 2035, Z. 47.

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Zitationshilfe
„ichten“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/ichten>.

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