Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

ihnen

ihnen,
dat. plur. des persönlichen geschlechtigen pronomens aller drei geschlechter, vgl. sie. goth. im (vom demonstrativstamme i mittels des gewöhnlichen suffixes des dat. plur. gebildet), alts. im, ahd. im, in und mit erweiterung durch doppelt gesetztes suffix inen (Weinhold alem. gramm. s. 457), mhd. in und inen.
1)
die ursprüngliche kürzere form dauert, anfangs als in, dann auch in der dehnung ihn, auch im nhd. noch lange fort: die wilden felthabich die haben an yn das sie sich uff thuͦn gegen den warmen osterwint. Keisersberg bilg. 11ᵃ (sonst öfter bei diesem schriftsteller inen, ynen); glöcklein und schellen, die ein fast grosz gethön von in geben. Frank weltb. 199ᵃ; ihn für ihnen noch bei A. Gryphius 1663 s. 682; namentlich bei dichtern des 16. jahrh. die gewöhnliche form, während in prosawerken die gedehnte vorwiegt:
vom himel kam der engel schar,
erschein den hirten offenbar,
sie sagten jn, ein kindlein zart,
das ligt dort in der krippen hart.
Luther 8, 358ᵇ;
kom heiliger geist, herre gott,
erfüll mit deiner gnaden gut
deiner gleubgen herz, mut und sinn,
dein brünstig lieb entzünd in jn.
360ᵇ;
mein gute werk die golten nicht,
es war mit in verdorben.
366ᵃ;
den (denen) wer das narrenbat gesunt
und scherfet in ir sin.
H. Sachs 1, 100, 52 Gödeke;
die fliegen sie hart bissen und stachen, ..
machten in allenthalben bang,
das in beid zeit und weil wardt lang.
B. Waldis Esop 4, 57, 7;
solch böser lohn ward in gegeben.
E. Alberus 17ᵇ;
bei Fischart im wechsel mit ihnen:
der jnen so weit gholfen hat,
der helf in weiter zu der statt.
glückh. schiff 517;
je meh von jnen der schwais flos,
je meh muts jn die rais eingos.
617.
in anlehnung an diese kürzere form wird in der sprache noch des heutigen gemeinen lebens, mit einer verbalform verschmolzen, blosz en gehört: laszten (lasst ihnen) das vergnügen; er behandelt seine leute hart, gönnten (gönnt ihnen) kaum das liebe brot; und in unzählichen andern fällen.
2)
zu der gewöhnlichen erweiterten form inen, ihnen sind nebenformen ine: ob ine künftigclich icht habe oder gute zustunde. Nürnb. pol.-ordn. 26; haben wir .. jne auf zway monat gancze beczalung gethan. urk. Max. no. 231 s. 310; inne. Maximilians geh. jagdbuch 24; innen: dasz man von innen sol das recht nemen, da sy gesessen syend. weisth. 1, 45 (Zürich, von 1543); das die uneliche kind elich liberben nach irem todt und abgang hinder innen verlieszent. 153 (Schwyz, 15. jahrh.). die form ihnen selbst ist in poetischen quellen des 15. jahrh. noch ganz selten:
vor inen farnder leuten vil
mit pfeifen und mit saytenspil
dönten sunderleichen wol.
ring 48ᵃ, 9.
3)
ihnen hat, wie die dative ihm und ihr (s. d.) auch reflexive function: diser beiderhant tuben, sollen die kröpf und die federen von in werfen. Keisersberg bilg. 10ᵇ; es haben doch wol grosze philosophi ihnen die augen auszgekratzt, damit sie on bücher und specula unverhinderter speculirn möchten. Garg. 242ᵇ; wann ein krieg einfiel, erwehleten sie den tapfersten unter ihnen. Micrälius alt. Pommern 2, 215; weil die Stargardischen .. in die vocation eine clausul hinein setzeten, darin sie die macht, ihre prediger zu enturlauben, ihnen anmaszeten. 4, 166; es nahmen etliche wandersleuthe ihnen eine reise vor. pers. rosenth. 2, 5; drumb wollen sie allezeit gerne hoch am brete sein, .. und bilden ihnen viel ein. 7, 20; sie fangen an, mit ihnen selbst nicht zufrieden zu sein. Liscov 414;
sie bilden jhnen selbs nichts für.
dasz die fürsten über menschen, und nach rechten, herrscher sein,
doch nicht ewig; möchten fürsten ihnen täglich bilden ein.
Logau 1, 40, 49.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1876), Bd. IV,II (1877), Sp. 2049, Z. 5.

sie, pron.

sie, pron.

eingebettete Stichwörter in diesem Artikel

sei · se
ea, eam; ii, eae, ea, eos, eas, ea.
I.
formelles.
1)
si- ist einer der stämme, die im germ. zur bildung der geschlechtigen pron. der 3. person verwendet werden; sein gebrauch ist in enge grenzen eingeschlossen, übrigens in den einzelnen sprachen von verschiedener ausdehnung. das gesamte paradigma, zu dem die si-formen gehören, übersieht man unter er, theil 3, 680 f. in bezug auf si- können wir vier gruppen unterscheiden: 1) es fehlt ganz im nord. und engl.-fries., die alle formen mit h beginnen lassen; jedoch scheint diese bildungsweise, besonders die unbeschränkte verwendung des stammes hi-, auf secundärer entwicklung zu beruhen. 2) im got. dient si nur zur bildung des nom. sing. fem.; alle andern formen werden vom stamme i- gebildet. dies verhältnis dürfte innerhalb des germ. das ursprüngliche sein. ihm scheint das neuengl. mit seinem she zu entsprechen; da indessen alle ags. mundarten dafür h-formen bieten (hío, híu, héo, hía, hí, s. Sievers ags. gr.³ § 334), so kann she nur auf das ags. demonstrativpronomen séo zurückgehen; das zusammentreffen ist also zufällig. (she ist vermutlich eingeführt aus dem bedürfnis der unterscheidung von he, mit dem die fortsetzung der ags. form in der aussprache hätte zusammenfallen müssen.) 3) nur im deutschen (hd.-nd.) wird dieser stamm für den nom. und acc. des fem. sing. und des plur. aller geschlechter verwendet, die übrigen formen werden (bis auf das nd. hē) von i- gebildet (wie im got.). 4) eine mittelstellung zwischen dieser und der ersten gruppe nimmt das nl. ein, indem es zwar si auszer für das fem. auch für den plur. verwendet, jedoch nur im nom. und im acc., wenn dieser unbetont und enklitisch ist, während die betonten accusativformen durch die dativformen verdrängt sind. auszerdem tritt in den übrigen casus der stamm hi- ein. wie im engl. werden auch im mnl. in dem nom. sing. fem. persönliches und dem. pron. zusammengeworfen, indem für si, se gewöhnlich soe, su eintritt.
2)
dies si, das urgerm. wie got. nur nom. sing. fem. gewesen zu sein scheint, geht vermutlich auf ein idg. *sia zurück und ist mit altind. sīm (ihn, sie, es), ir.zusammenzustellen, s. Fick⁴ 1, 141. 2, 292. es scheint eine fem.-bildung zu dem demonstrativpronomen so zu sein; indessen ist zu beachten, dasz idg. neben so-sâ eine erweiterte form syo-syâ bestand (sanskr. sya, syâ, avest. hya- als relativum), die auch im ags. (se-) séo neben got. sa-so, altn. sá-sú zu tage tritt. wie sich nun *sia zuund syâ verhielt, ist nicht recht klar; vielleicht war es ursprünglicher als das letztere. man könnte aber auch die formen des germ. reflexivpronomens, got. seina, sis, sik, seins, mit si zusammenstellen, denn dasz deren anlautendes s aus sw hervorgegangen sei, ist kaum anzunehmen. vgl. dazu Fick³ 3, 322. Uhlenbeck 123 f. (J. Grimm kl. schr. 3, 142 scheint sogar si auf *swi zurückführen zu wollen.) wir würden dann allen diesen formen einen stamm se- so- zu grunde legen, der als deiktisches pronomen für die 3. person diente.
3)
die einzelnen formen, die von diesem stamme gebildet werden, sind im ahd. im vocal unterschieden; sie lauten: a) nom. sing. fem. siu (so gewöhnlich im 8. 9. jahrh., stets bei Tatian), sî, si (in der ältern zeit selten auszer bei Otfrid, seit Notker überwiegend). siu läszt sich ohne weiteres mit ags. séo (idg. syâ?) gleichsetzen. b) acc. sing. sia, vereinzelt sie (bei Otfrid enklitisch sa). c) nom. acc. plur. ebenfalls nach geschlechtern unterschieden: masc. sie (selten sia, bei Isidor 21, 7 Hench sii, bei Otfrid enklitisch si, se, bei Tatian vereinzelt si, sia, see, se), fem. sio (zuweilen, besonders spätahd. sie, bei Tatian je einmal sie und sia), neutr. siu (also gleichlautend mit der gewöhnlichen form des nom. sing. fem., vereinzelt sie). — doch treten schon frühe vermischungen auf, so siu für 'eos, eas' s. Müllenhoff-Scherer denkm.³ 2, 419.
4)
im mhd. ist infolge der abschwächung der flexionsvocale eine gröszere, jedoch nur theilweise gleichförmigkeit eingetreten. es bestehen immer noch drei formen neben einander: siu-sie-sî, si (die quantität schwankend, wol in der regel verschieden nach der tonstärke, auszerhalb des reims nicht zu entscheiden), wozu als vierte (bez. fünfte) das tonlose se. zu fast allen finden sich mundartliche nebenformen: siu erscheint mitteldeutsch als sû, bairisch als seu; ebenso wird hierzu sei diphthongiert. für sie kommt zuweilen zerdehntes sîe (im reim auf Marîe, arzâtîe, brîe, drîe) vor, s. Weinhold mhd. gramm.² § 477. 479. die vertheilung ist in der regel die, dasz im acc. sing. fem. und plur. masc. und fem. die formen sie, sî, si, im plur. neutr. siu, daneben sie, im nom. sing. fem. alle diese verschiedenen formen verwendet werden; doch werden namentlich die pluralformen oft verwechselt. die enklitischen formen se und -s kommen in allen casus vor, s. die belege bei Weinhold a. a. o. mhd. wb. 2, 2, 262ᵇ f. Lexer handwb. 2, 907 f. Weinhold alem. gr. s. 454—8. bair. gr. s. 371—4. natürlich ist die verwendung in den einzelnen quellen verschieden und für jede besonders festzustellen. so nimmt z. b. für Reinmar v. Zweter Roethe (s. 395) im allgemeinen si an. Konrad Fleck gebraucht für den sing. (auch im acc.) sî, für den plur. sie, s. Sommer zu v. 49; Rud. v. Ems im sing. für den nom. si, acc. sî, im plur. sie, s. Schm. 2, 203. bei Suchenwirt lautet der nom. sing. si, der acc. daneben sei (2, 74. 11, 324. 328. 17, 136. 27, 33. 30, 97), der plur. (masc.) seu (10, 101. 23, 67). weiteres im mhd. wb. a. a. o.
5)
die formen und ihre vertheilung im alts. entspricht im allgemeinen dem mhd. gebrauche: der acc. sing. fem. und der plur. masc. fem. lauten sia, sea, sie, das neutr. plur. siu; im nom. sing. fem. kommen beide bildungen vor. nur kommt siu auch vereinzelt im fem. plur. vor, s. Gallee § 241. im mnd. herrscht in allen formen se, betont auch sei; daneben su im nom. sing. fem. neund. ebenfalls se, sei; die declination s. bei Schambach 188ᵇ.
6)
im nhd. gilt im allgemeinen unterschiedslos sie für alle casus; in älterer schreibweise auch sy, z. b.: bitt euch hiemit sömlich kleine gaab, dieweil sy mit guͦtem hertzen und gemuͤt verert wird, nit zuͦverschmahen. rollwagenb. 4, 12 Kurz; nur in älteren bairischen quellen begegnen daneben im plur. die diphthongierten formen sei, seu: darauf nement seu umb zins ochsen und ross. Salzb. taid. 296, 14; das meins herrn von Salzburg richter unser kainen anfallen sol umb wändel, sew sein im dann ertailt in der schrann, darnach sol er sew vorderen. 336, 31 f.; der sol an si begeren, das seu im das wendn. woltn si des nicht u. s. w. steir. taid. 38, 2; das sy kaines gemuetts noch willenns sein, sich kainer gemainen stewre .. anzunemen .. doch sint sew des erputtig, was der adell .. ewrer kön. gn. tun sullen, darinne sol die gehorsam bey jnen nicht erwinden. aber in kainen gemainen anslag jrer armen lewtt .. haben sew kain verwilligung tun wellen (sonst sy). urk. Max. 2 (vom j. 1493). —
sei
neben si: it. si sullen verswigen sein und der stat frumen zefudern und iren schaden wenden und hetten sy ichtes ze sprechen hintz uns .., da sullen sey recht von den unsern nemen und von uns hie uf dem dinckhus und auch reht halten, waʒ sich in der zeit, und si unser soldner sind, ergaut. d. städtechroniken 4, 153, 29—32 (Augsb. quelle vom jahre 1372); also daʒ daʒ sei weder lebent noch tod in dise stat nummer komen sullen, dorumb daʒ sei wider die ayd, die sey swuren vor dem rat by uns zebeliben zehen jar, von uns gevarn sind .., do sy gelobten und ouch dor zu burgen, daʒ si hie beliben. 167, 11—15 (vom jahre 1375);
sei leben sonder alle sorgen,
dannach wissen sei keinen morgen.
Jaspar v. Gennep Homulus 406 f.
heute zeigen die oberdeutschen, namentlich die bair.-österr. mundarten, zahlreiche abweichungen, sowol in erhaltung alterthümliche formen und unterschiede, wie in eigenthümlichen neubildungen bestehend.
a)
die dialectischen formen bestehen fort und werden vielfach verwertet, um die betonte form von der unbetonten, den plur. von dem sing., das substantivierte sie (s. II, 2) von dem gewöhnlichen zu unterscheiden. so sagt man im Aargau sï, bei starker hervorhebung dagegen séije, proklitisch und enklitisch sì. Hunziker 72. ferner begegnet in Tirol noch sui, soi, seu, s. Schöpf 672, um Kitzbühl die seu 'hausfrau', im Vinschgau sui als plur. 673; ebenso scheidet die Defregger mundart den pl. soi vom sing. sie, während die seltne höflichkeitsform söi lautet, s. Hintner 201. ähnlich appenzellisch sing. sì, plur. seu Tobler 423ᵃ; kärnt. sing. sî, sei, plur.Lexer 232; cimbr. sing. si, se, sa, plur. seu, sie cimbr. wb. 230ᵃ. 261ᵃ. sei 'hausfrau' auch bair. und kärnt., vgl. II, 2, c. Schm. 2, 203 verzeichnet ferner schwäb. sui, appenzellisch seu, um Werfen sei.
b)
die ebenfalls besonders in süddeutschen mundarten verbreiteten kürzungen zeigen bedeutende vocalschwankungen und gehen vielfach bis zum bloszen s. cimbr. si, se, sa, s. oben; schwäb. sie schwankt zwischen se und si Schmid 494. sie hinter dem verb wird in Unter- und Oberfranken wie im obersächsischen gewöhnlich zu sá, dagegen in Mittelfranken und Oberpfalz (auch im Erzgebirge) zu bloszem s, s. Baierns mundarten 1, 274. letzteres scheint im bair.-österr. allgemein üblich zu sein, vgl. Schm. 2, 203 (schon mhd. überaus häufig). nicht selten ist 's auch in die nhd. schriftsprache eingedrungen, vgl. Weigand 2, 707: 2 sesel auf welschs, .. sind uberal beschlagen an örtern, das mons kan zusamlegen und uber lond fiern. Paumgartner briefw. s. 270 Steinhausen (sept. 1596);
was können thuͤn, die menschen kuͤn,
obs gleich mein leer verthümen.
Waldis psalm. 93ᵃ (56, 2);
als nun die pawren heim wolten gehn,
fundens unter dem baumen den,
da fundens jn ohn einen kopff.
H. Sachs 2, 4, 88ᵇ;
die blümlein, schaw, wie trettens an!
Spee trutzn. 120;
du siehst gesichter hier wie mans dort oben trägt.
Wieland 10, 172;
in der andern, von Weigand angeführten stelle dagegen:
die mädchen hier, wie man's im walde findt,
hat die gesammtausgabe (10, 191) geändert:
die mädchen hier, die man im walde findt.
s. auch II, 1, b. —
se
in der litteratur:
ich bin gewest in der judden schar,
ich han se alle vorsencket gar.
sie han gesworn Jhesum brengen umb sin leben.
Alsfeld. passionssp. 186 f.
(gilt jetzt als charakteristische eigenthümlichkeit des judendeutsch.)
c)
da in dieser äuszersten verkürzung s sich sie mit es begegnete, so scheint von hier aus eine weitergehende vermischung beider formen entstanden zu sein. daher unterländ. is, əs für si, s. Schm. 2, 204, ebenso kärnt. Lexer 232. umgekehrt in Tölz, Miesbach, Weilheim si für es: si is de' hér es ist der herr, si rengk es regnet, si gitt es gibt u. s. w., s. Schm. 2, 204, vgl. auch Frommann 3, 539, 91 (hohenlohisch). Schmeller Baierns mundarten § 727:
sag, du hast g'schäften g'habt beim g'richt;
oder 's war grad beim viech a g'schicht;
oder sie geht vom g'wand was a' ('es fehlt ihm etwas am sonntagsstaat');
oder sie war a g'freundter da.
Stieler weil's mi freut¹² s. 68;
heunt ham s' oan z'sammbrennt in der fruh,
jetzt ham s' scho' g'moant, sie warst es du.
123.
d)
ähnlich ist die in ältern bairischen texten sehr verbreitete verwechslung von sie und sich aus dem zusammenfall in der aussprache si zu erklären, vgl. darüber E. Götze zu H. Sachs 21, s. 372 f., wo zahlreiche belege zusammengestellt sind. die herausgeber haben meist dem sinne gemäsz geändert. einige beispiele: hernach hat sie (sich) befonden, das dieselbig hebamma ir lebenlang gelts zue irem gebrauch genug gehapt. Zimmerische chron.² 4, 118, 23 Barack; der armm .. nimpt einen bank und setzt sie (ausgabe: sich) dem esel für den hindern. Lindener Katzip. nr. 66 (s. 121 Lichtenstein); das erschrack die bäürin, doch dorfft sie ihm nichts sagen und muͦst sie hinausz zum bauren legen. Schumann nachtbüchl. s. 15, 2 Bolte; es truͦg sich (var.: sie) zu. 61, 12 (und sehr oft, s. das glossar);
ich sprach: wie hat sie das gehandelt,
das du hast menschlich gschlecht verlasn?
H. Sachs 1, 287ᵈ;
weyl sie auff erd so grob erayget
der aygen nutz dey (l. bey) reich und armen.
288ᵇ;
wie sie die frösch auch müssen schmiegen,
in forchten auch verborgen liegen.
490ᵇ.
e)
in den mundarten, die (beim pron.) dat. und acc. nicht unterscheiden, wird natürlich sie auch für den dativ verwendet. so auch bair. sö, s. Schm. 2, 203. vielfach wird hier indessen ein neuer dativ vonabgeleitet, so um Werfen söän, um Lienz soien. ebenda. Schöpf 673, defreggisch soiin Hintner 201. (hier lautet also die flexion im sing. sie, îr, îr, sie; im plur. soi, îr, soiin, soi.) noch weiter geht das kärnt., indem esim plur. durch alle casus durchflectiert (sö, sör, sön, sö), und dazu sogar ein possessivpronomen bildet, theils vom gen. sör (sörder, söra, sörs), theils vom dat. sön (söner, sönera, söners), s. Lexer 232.
II.
gebrauchsweisen. diese sind bereits unter er eingehend behandelt. ihre nähere darstellung ist sache der syntax. hier sollen nur einige besonderheiten zur sprache gebracht und belegt werden.
1)
sie als sing. fem.: sie .. ea, illa, ipsa Stieler 2013; wann sie will, quando ella, essa vuole. ich lobe sie und nicht dich. sie kam oft in unser hausz. er wird sie heuraten. Kramer dict. 2, 803ᵃ; nupturit, sie hätte gern einen mann. Corvinus fons lat. 440ᵃ.
a)
sie bezieht sich auf personen und dinge weiblichen geschlechts: als herren Johansen von Schwartzenberg etc. fraw Künigund .. am zwölfftenn kindle (der sy jm acht lebendig .. liesse) mit tod verschyd. Schwartzenberg Cic. 149ᵃ; keine tugend ist der liebe gleich: sie ist das wesen, sie ist die königin ihrer aller. Kramer dict. 2, 803ᶜ;
Maria nim in deine phleg
sein sel tzu den genaden dein
und la dir sei enpholichen sein!
Suchenwirt 11, 328;
die stat wolt man erberet (vertheidigt) han,
doch gwan er sey den veinden an.
17, 136.
von menschen, auch ohne dasz sie vorher genannt sind: sie ist die erste nicht. Göthe 12, 232 (zum geflügelten wort geworden, vgl. Büchmann¹² 97); sie kommt nicht! als titel eines stückes. 48, 51 (dicht. u. wahrh. 4, 17);
sie liebt mich!
10, 129 (Erwin u. Elm. 2, 8).
sie für die ehefrau:
also trennet der tod gewählte gatten! der mann kam
seufzend im ozean um,
sie am gestad, wo von todtengeripp, und scheiter, und meersand
stürme das grab ihr erhöhn.
Klopstock 1, 20;
für die geliebte:
zwey recht gute junge leute
liebten sich nur gar zu sehr ...
senkte sie hier das genicke,
dort zerrauft' er sich das haar.
Göthe 1, 156.
der liebende versteht unter sie zunächst und ohne weiteres die geliebte, vgl. z. b.: den andern .. morgen aber, als er mit der tante im garten spazierte, 'wie gefällt dir dieser rosenstock?' fragte die tante; der vetter sagte: 'sie ist schön, sehr schön'. die tante sagte: 'vetter, du redest irr. wer ist schön? ich frage ja nach dem rosenstock'. der vetter erwiderte: 'die rose', — 'oder vielmehr die Franziska?' fragte die tante .. der vetter gestand ihr seine liebe zu dem mädchen. Hebel 3, 14. in diesem sinne der auszeichnung und emphase wegen oft grosz geschrieben (so auch Göthe 1, 156, s. oben):
im frühlingsschatten fand ich sie;
da band ich sie mit rosenbändern:
sie fühlt' es nicht, und schlummerte.
ich sah sie an u. s. w.
Klopstock 1, 105;
du sangest selbst, o Heinrich: mir sind das reich
und unterthan die lande; doch miszt' ich eh
die kron' als sie! erwählte beydes
acht mir und bann, eh ich sie verlöre!
176;
an sie. 106 (überschr.). auch sonst bei besonderem nachdruck:
da sie, ihr name wird im himmel nur genennet!
ihr sanftes aug' im tode schlosz.
89 ('d. königin Luise').
sie für die frau im hause, z. b. bair. Schm. 1, 121, nassauisch sie, sei (vgl. auch 2, c) Kehrein 1, 376 (daneben im gleichen sinne es, ees, ihns 131). vgl. dazu 2, c.Klein 2, 154 verzeichnet: sie (die sonne) wendet sich, die sonnenwende.
b)
sie sie in unmittelbarer folge ist übelklingend und wird besser gemieden, vgl. 3, d. doch fehlt es nicht an derartigen fällen. dafür mit enklise sies (vgl. I, 6, b):
als sie die wort geredt in zorn,
ergreiff sies bey den locken vorn
und warff sie nider zu der erden.
H. Sachs 4, 3, 100ᵈ.
c)
manchmal wird sie auf ein wort bezogen, das wenigstens grammatisch ein anderes geschlecht hat, und zwar
α)
auf wörter, wie weib, mädchen, fräulein, die wenigstens dem sinne nach weiblich sind; so schon ahd. (und überhaupt zu allen zeiten in der unverkünstelten sprache vorherrschend):
frumi, druhtîn, thaʒ wîb,   thaʒ si unsih lâʒe habên lib,
si hera sus ni loufe   joh after uns ni ruafe.
Otfrid 3, 10, 19 f.;
das braune mädel das erfuhr,
vergingen ihr die sinnen,
sie lacht' und weint' und bet't' und schwur.
Göthe 1, 181;
aus dem bewegten wasser rauscht
ein feuchtes weib hervor.
sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm.
185;
in einem thal bey armen hirten
erschien mit jedem jungen jahr ...
ein mädchen, schön und wunderbar.
sie war nicht in dem thal gebohren,
man wuszte nicht, woher sie kam,
und schnell war ihre spur verloren,
sobald das mädchen abschied nahm.
Schiller 11, 197;
was ist dem mädchen? pflegt sie so zu seyn?
Wallensteins tod 3, 4;
capitain ... das fräulein befindet sich wohl? Stahl. o ja. capitain. darf ich sie nicht bewillkommen? Klinger 1, 118; tante .. ihr habt ein bildschönes mädchen zur kammerjungfer. es ist schade, dasz sie nicht mehr ist, als das. Hebel 3, 14.
β)
auf städtenamen, die in der regel für das deutsche sprachgefühl als neutra gelten, wol in anpassung an die stadt, vielleicht auch unter lat. - romanischem einflusse: es ist gleichwol Leipzick hochzuloben, aber wan sie so gelerte leut hett wie ich (Witzel) bin, Athen kündt sich ihr nicht vergleichen. Alberus widder Jörg Witzeln mammeluken K 6ᵇ; also lag der könig etwo lang vor Prück (Brügge), vermeint, sie solt sich in sein gnad geben. Wilwolt von Schaumburg 80;
dus wart sente Maternus zo Agrippinam gesant,
de nante si Colne alzehant.
Hagen boich von Colne 79;
sie (Sion) ist gegründet starck und vest
auff den heilign bergen auffs best.
H. Sachs 5, 71ᶜ.
d)
si steht mhd. oft in ausrufen, ausdrücken des lobes und tadels oder ähnlichem vor einem nomen, wo wir jetzt gewöhnlich den artikel setzen, vgl. er 9, theil 3, 686 f.:
sî vil sælec wîp.
Iwein 2241;
si wundervol gemachet wîp!
er sælic man, si sælic wîp,
der herze einander sint mit triuwen bî!
95, 37;
wil si guote, wil si reine,
wil si süeʒe minneclîch
hüeten mîn vor sorgen eine.
e)
in ähnlicher weise gebraucht Klopstock gern sie zur einleitung einer apposition, vor substantiven oder adjectiven, vgl. auch 3, c:
unseres seyns urkraft, sie unauflösbar dem tode,
folgt' ihr aus dem leichname nach.
Mess. 7, 214;
dem, desz groszen namen die hohe posaune jetzt hallte,
sie der schlacht, des triumphs, und der halleluja gefährtin.
15, 1013;
wie er jetzt tiefere weisheit,
nahrung sie, und leben des menschen, enthüllet mit einfalt.
17, 517.
so auch:
die königin, nur sie, vernimmt den fusztritt
der kommenden (stunden).
werke 1, 91;
handle! die wissenschaft,
sie nur, machte nie glückliche!
104;
einen relativsatz anknüpfend:
unerforschter, als sonst etwas den forscher täuscht,
ist ein herz, das die lieb' empfand,
sie, die wirklicher werth, nicht der vergängliche
unsers dichtenden traums gebahr.
103;
vorangestellt:
wen scharfer blick, und die tanzende glückliche stunde führt,
der bricht in deinem schatten, kein mährchen sie,
die zauberruthe.
253.
f)
ganz gewöhnlich ist sie zur vorwegnahme des subjects: sie ist noch nicht ausgestorben, diese hohe, diese ehrfurcht erweckende tugend. Adelung;
o wäre sie der bessern thaten
schale so schwer, dasz sie überwöge!
Klopstock 1, 49;
das fühlt sie, die betende seele
Mess. 5, 126;
sie ist dahin, die maienlieder tönte,
die sängerin.
Hölty 56 Halm;
sie kömmt — sie kömmt des mittags stolze flotte.
Schiller 4, 110.
g)
ebenso zur wiederaufnahme:
thiu arma muater mîn   eigan thiu ist si thîn.
Otfrid 1, 2, 2;
thisu selba redina,   theih zalta nû hiar obana,
breitit siu sih harto   geistlîchero worto.
2, 9, 2;
de burch si was gemannet wale.
Hagen boich von Colne 2498;
die glocke sie donnert ein mächtiges eins.
Göthe 1, 231;
die scheidende sonne
vergoldet die höhn;
die sinnende schöne
sie läszt es geschehn.
100;
und die tugend, sie ist kein leerer schall,
der mensch kann sie üben im leben.
Schiller 11, 258;
und die treue, sie ist doch kein leerer wahn.
289;
die klage sie wecket
die todten nicht auf.
290.
beides neben einander:
o wär die trübe, die bebende stunde,
wär sie mit flügeln des lichts vorübergeflogen!
... noch wird sie bleicher, noch sinket
seine todte wange! die wunden noch schauern sie blut aus!
Klopstock Mess. 8, 605—8.
h)
eigenthümlich ist ferner die verwendung von sie (sing.) als anrede an eine weibliche person, die im 17. jahrh. aufkommt, anfangs als feinere und ehrendere ausdrucksweise gegenüber der älteren höflichkeitsform ihr (wie ja auch ital. Ella vornehmer ist als voi), dann aber schnell im gebrauche sank, durch den plur. sie (s. 4) verdrängt und auf dienstboten und personen niedern standes eingeschränkt wurde und in unserm jahrh. ganz ausgestorben ist, s. er 10, theil 3, sp. 688 f. (belege unter d). Grimm gramm. 4, 308 ff. (s. 366 ff. neudruck). Weigand 2, 707. Adelung (1, 2). belege: was sagt sie, hem! quid ais, dilecta mea? sie ist die diebin gewesen, tu furata es, et illa furata est. Stieler 2013; Chr. doch gefält ihr nicht der schöne spaziergang? L. der gang ist gut gnug. Chr. aber wie gefält ihr die persohn, die mit ihr geht? Weise erzn. 123; ich nehme es nicht wieder. sie behalt es nur und mein hertz darzu. 135; der wirth ... ich komme, gnädiges fräulein, ihnen einen unterthänigen guten morgen zu wünschen, — (zur Franciska) und auch ihr, mein schönes kind. Lessing 1, 528 (Minna 2, 2, man beachte die unterscheidung); Franciska ... herr wachtmeister! Werner (mürrisch). geh sie! 597 (5, 11); lebe sie glücklich, sorge sie für des vaters gesundheit .. adieu. liebe mutter. grüse sie den armen Schlosser auch von mir. Göthe briefe 3, 161 (vom 28. juni 1777); Charlotte sprach zu ihrem kammermädchen: .. so zünde sie das nachtlicht an .., und gehe sie nur hin. werke 17, 128;
Marthe. das musz sie nicht der mutter sagen;
thät's wieder gleich zur beichte tragen.
Margarete. ach seh' sie nur! ach schau' sie nur!
Marthe. ... o du glücksel'ge creatur!
12, 149;
bleib sie bey uns doch, artiges kind!
Schiller 12, 21 (Wallensteins lager 5);
frau wirthin, hat sie gut bier und wein?
wo hat sie ihr schönes töchterlein?
Uhland ged. 237.
weitere beispiele s. unter du, theil 2, sp. 1478—80.
2)
in weitem umfange, zumal in der ältern sprache und jetzt in mundartlich-volksthümlicher redeweise wird sie als substantiv gebraucht zur bezeichnung eines wesens weiblichen geschlechts (weibchen): sie ... etiam pro sexu foeminino, cum articulo die, ponitur. es ist eine sie, foemina est, generis, vel sexus muliebris est. Stieler 2013; so schon mhd., vgl. er 11, th. 3, 690 f.: femella .. fröwlin, sy, pl. sye, iuncvrowe, wiveken; se, wybis name. Dief. gl. 229ᵇ; sey, alzo de vogel; wiveken. nov. gl. 170ᵃ, vgl. dazu Grimm gramm. 3, 311 f. (neudr. 307), anmerk. 3. das geschlecht ist in der regel fem., zuweilen aber neutrum, s. Lexer unter c und g, vgl. dazu Grimm gramm. 3, 535.
a)
von menschen:
ûʒ dîns (Adams) rippes beine
zilt er ein Sî, nâch dir gestalt.
Frauenlob 159, 5 (vgl. 160, 13 und die anm.);
und, da sie bald durch kunst der feerey
entdeckte, dass die sie, um die er sie verachte,
nicht eine göttin, wie sie dachte,
nur eine statue, und er verurtheilt sey
die seele, die ihr fehlt, ihr selbst erst mitzutheilen.
Wieland 17, 313 (Idris 5, 106).
b)
so gewöhnlich in der gegenüberstellung zu er (vgl. dieses a. a. o.):
eʒ sî ein sie, eʒ sî ein er,
swer alsô minnen kan, der habe undanc.
minne, ist daʒ ein er? maht du minn mir diuten?
ist daʒ ein sie?
Tit. 64, 2 (vgl. theil 3, 690);
si wenkent hin, si wenkent her,
eʒ sî ein si, eʒ sî ein er,
untriwe und unstæte
wont in ir beider wæte.
Stricker kl. ged. 12, 414;
so dan das weib geperen sol ...
erst hat der man kein rast noch ru
so lang, pis man im pringt die mer,
ob es ein sie sey oder ein er.
fastn. sp. 1220 (Folz von allem hausrat);
imme chleine hus
wandlet i und us —
gelt, de meinsch, i sag der, wer?
's isch e sie, es isch kei er.
Hebel 1, 225;
das zweite ist von andrer art,
ein er und eine sie sind still darin gepaart.
293;
so wird es in jenem leben wider also werden, wie zum ersten, das man nicht sagen wird, sihe, das ist eine sie, das ist ein er. Luther 4, 20ᵇ. — in dieser verbindung findet sich für er zuweilen die nd. form he: ists eine hä, oder eine sie, estne mas an foemina? Stieler 2013; zu dem, hat gott den menschen zur geselschafft, nicht zur einsamkeit, geschaffen, welchs ausweiset, das er beiderley geschlecht der vernünfftigen und unvernunfftigen thierer, ein menlein und frewlein, oder ein he oder sie, geschaffen hat. Luther 6, 276ᵇ; oder auch die mischform her, hehr: wu gott nit sonderliche gnade gibt, szo musz ein hehr (er) ein hehr bleiben, ein sie ein sie. 14, 142, 29 Weimarer ausgabe. ebenso schles. haer nur in dieser verwendung (auch vom eber), s. Weinhold dialectf. 138. nd. he un se, mann und frau, männchen und weibchen (vgl. d). brem. wb. 4, 727.
c)
auszer dieser verbindung wird sie besonders für 'frau, eheweib, hausfrau' verwendet, oft in abweichender lautform (vgl. I, 6, a). so bei Luther in zweisilbiger zerdehnung: inter omnia animantia (Adam) non inveniebat, quod ad se vocaret, ehr hat seine sihe noch nit drunder. Luther 14, 126, 16 Weim. ausgabe; ebenso von vögeln: sehet an die vogelin, wie fein rein gehet doch derselben zücht zu; es hacket die siehe in das häuptlin. tischred. 3, 14;
er ist die hälfte eines sel'gen manns,
den eine solche sie vollenden musz.
Shakesp. könig Johann 2, 2;
führst du auch aus unsren pforten
mit dir keine theure sie,
freien läszt sich aller orten
nach bekannter melodie.
Platen 63ᵃ.
heute besonders in manchen mundarten, so bair. - österreichisch. um Kitzbühel nennen die dienstboten eines bauernhauses die hausfrau die seu (d sai) Schm. 2, 203. Schöpf 673. ebenso die sai bei den österr. bauern, main sai mein weib Castelli 225. auch in Kärnten wird die form sei (neben sî) speziell zur bezeichnung der hausfrau gebraucht, sowol als pron.: sei ist èt dahâme, die bäuerin ist nicht zu hause,wie als subst., und zwar als neutrum (nach weib?) dàs sei. Lexer 232. aber auch preuszisch sie, nd. sei, sê hausfrau, frauensperson. Frischbier 2, 340ᵃ.
d)
von thieren, mhd. schon im 12. jahrh.:
danne (von der hyäne) zelt phisiologus,
daʒ eʒ zwei geslaehte habe sus:
undirstunden ist eʒ der êr, da nach diu si ein vrist,
da von eʒ unreine ist.
Karajan sprachdenkm. 82, 7 (vgl. theil 3, 690);
in dem zehenten tage   iur iegelich sol haben
ein lamp von sinem vehe ...
iâres alt sol eʒ sîn,   ein ér niht ein sî.
exodus 152, 20 Diemer;
under den vischen, die ze latein pectines haiʒent, sint auch mêr ern wann sien. Megenberg 183, 2; der salamandern ist gar vil in Asia. si habent niht ern und sien under in. 278, 3. nhd.: sie .. animal foemininum, praesertim avium. Steinbach 2, 586; wird er aber ein schaf zum sündopffer bringen, so bringe er das eine sie (var.: ein freulin) ist. 3 Mose 4, 32, dazu bemerkt Schottel 736: die Nieder Sachsen sagen, yt is ein he, ein se, etc. wird das weibliche oder mänliche geschlechte des tiehrs dadurch verstanden; ferner: nu hatte er alle thier geschaffen, beide sie und er, da bracht er alle thier, sie und er, zum Adam, aber seine sie oder geferten fand er nicht. Luther 4, 19ᵇ; im ersten buch Mosi stehet geschrieben vom ehestande: gott schuff ein mennlin und frewlin, und segnet sie. wiewol nu dieser spruch fürnemlich von dem menschen ist geredet worden, jedoch sol man jn auch ziehen auff alle creaturen in der welt, als auff die vögel unter dem himmel, auff die fische im wasser, und alle thier so auff erden sind, da findet man einen mann und weib, eine henne und sie (?), die sich zusammen halten unnd vergatten. tischreden 306ᵃ. scherzhaft: es ist von fischen unnd engeln nicht gut predigen, denn es weysz niemandt welches er oder sie seind. Agricola sprichw. 294. — vielfach noch in mundarten für 'thierweibchen', henneb. sie, suͤ Spiesz 234, schles. sîe, sîne Weinhold 90ᵇ. dialectforsch. 138 (speziell von kaninchen), nd. 'ne sei Mi 78ᵇ, sê ten Doornkaat Koolman 3, 167ᵃ. — häufig auch im deminutiv, s. i. (nd. heeken - seeken männchen - weibchen, daneben auch se-beest, se-deert. brem. wb. 4, 727.)
e)
am allerhäufigsten wird sie (bez. die deminutivformen, s. i) von vögeln gesagt: sie, subst. dinota la femina d'un uccello à differenza del maschio che si chiama er. ists eine sie oder eine er? Kramer dict. 2, 803ᶜ: die sie legt eyer, avis foemina ovula excludit. Steinbach 2, 586; sicke, sie, dusel, auch häse, also wird das weibliche geschlecht derer vögel genennet. Heppe wohlred. jäger 279ᵃ, s. auch öconom. lex.² 2723. Eggers 2, 906. belege aus der litteratur: do geschach daʒ, daʒ die sy (störchin) auszoch zway störichlein, und der er flog aus da er mocht vinden speis seinen chindern und der sy. gesta Romanorum 11; Aristotiles .. spricht auch, daʒ under allem gefügel gemainclich der er lenger leb danne diu si. Megenberg 164, 31 (vgl. 165, 17); wen diu si (vom raben) ir air prüet, sô pringt ir der er ze eʒʒen. 176, 26; die tauben gepernt alle zeit zwai täubel, des êrsten ainen er und dar nâch an dem dritten tag ain si. si prüetent auch paideu, er und si, in zwain zeiten; wan diu si prüett nâch mittem tag unz ze metten zeit, dar nâch prüett der er die andern zeit. 180, 36—181, 4; ain par der vogel, daʒ ist ain er und ain si. 229, 20; warum schwester? war es eine sie? und war die singende lerche auch eine sie? Gellert 1, 313;
ich geh und will den hahn (der amsel) zur sie in bauer stecken.
3, 461 (d. band 6);
ach jägerin! — dein herz will ich:
und ich verfolge dich, als wie
der tauber die geliebte sie!
Kretschmann 1, 227 (die jägerin);
der sperling unter'm dache sitzt
bei seiner trauten sie anitzt.
Bürger 30ᵇ.
mundartlich weit verbreitet, so in der Schweiz, s. Stalder 2, 373, in Ungarn Schröer 206ᵇ, nd. de he un de se Dähnert 419ᵃ. in der Altmark wird in diesem sinne merkwürdigerweise nicht die gewöhnliche nd. formgebraucht, sondern sie (neben hê): 't is doch kên sie? das deminutiv dagegen lautet sêk'n; es wird immer gebraucht, wenn beide geschlechter zusammengestellt werden: hêk'n un sêk'n, s. Danneil 78ᵃ. oft wird sie mit hahn zusammengestellt, s. oben Gellert 3, 461, so auch preusz.: ist's ein hahnchen oder ein siechen? Frischbier 2, 340ᵇ. auch in zusammensetzungen wird es verwendet: kanarjensie, sperlingssiechen. 340ᵃ; an eine hänflings-sie. bei entdeckung ihres nestes. Chr. F. Weisze kinderfr. 2³ (1780), s. 64;
gern wollt' ich, kleine hänflingssie,
den hanf dir täglich geben.
jubelhochz. 92.
f)
in älterer sprache sogar von pflanzen: diu ander aigenchait ist, daʒ under der lai paumen (palmbäumen) si und er ist, und der er pringt nümmer kain fruht, man muoʒ si paid nâhent zuo enander pelzen. sô dann diu reht zeit kümt, sô naiget sich der er zuo der sien und schrenket sein este zwischen ir este und ie der sien zwên este druckent sich zesamen und umbvâhent des ers ainen ast. dar nâch rihtent si sich wider auf, wan sô hât diu si zuogevangen und ist fruhtpær worden. Megenberg 337, 8—15; aristologia haiʒt in etleicher däutsch hobwurtz .. under dem kraut ist ainʒ si, daʒ ander er. 383, 9; mandragora haiʒet alraun. daʒ kraut ist haiʒ und trucken .. und ist zwairlai: si und er, und der er hât pleter geleich pieʒenpletern; aber diu si hât pleter sam luctukenpleter. 406, 27—32; aristologia haist in etlicher weis hobwurtz .. untter dem krawtt ist aines sie, das ander ere. Ortolf von Bayrland (1477) 66ᵇ. so noch als gärtnerausdruck: diese (andere art der schälke) haben zwar alle ihre herzen; sie bringen aber keine köpfe zuwege, und wachsen fast auf eine grobe art der blaukohle. die gemeinen leute nennen solche bey uns die sie, (nemlich das weibgen,) oder auch schälke, an einigen fremden orten nennet man sie auch schlutterkohl. Reichart land u. gartensch. 3, 59.
g)
durch eine vereinzelte bedeutungsverschiebung scheint sie (neutrum?) in folgender stelle das weibliche geschlechtsglied zu bezeichnen:
dein weib ist dir kein weib, und du bist jhr kein mann;
wie dasz, das er, nicht jhr, sie, dir gewachsen an?
Logau 3, 150, 76 ('auff Mollem'), vgl. Lessing 5, 315.
h)
da sie vollkommen als substantiv betrachtet wird, so unterliegt es auch der declination. vereinzelt finden sich starke plurale, so in der glosse, s. 2 zu anfang, ferner: parden habe ich nicht gesehen, die landfarer aber schreiben, es sey eyn thier, das viel flecken auff dem fell habe, und die sie sind grewlicher denn die her. Luther 19, 368, 25 Weim. ausgabe. das gewöhnliche aber ist schwache flexion, so bei Megenberg überaus oft (hier auch im sing.), s. das glossar und die belege theil 3, 691, z. b.: Rabanus spricht, daʒ etleich geir perhaft sein ân unkäusch, alsô daʒ sich der er niht veraint noch vermischet mit der sien. 229, 28; alsô ist an etleichem gefügel, dâ sint die sien auch sterker wan die ern. 493, 8. nhd. sie (die, plur. sieen), Steinbach 2, 586; zwei canarienvögel seiner wirthsleute, die er von ihnen in pflege genommen zur erzielung einer hecke, bis sich freilich herausstellte, dasz die frisch aus dem nest genommenen kleinen thierchen 'sieen' waren. Gutzkow zauberer von Rom 3, 4.
i)
so werden denn von sie auch deminutiva abgeleitet, die in bezug auf thiere vielfach beliebter sind als das stammwort (wie ja auch weibchen in diesem sinne). so
α)
mit hochd. ableitung sielein:
sepus die fisch sich paren thund,
das sielein empfecht durch den mundt.
H. Sachs 2, 2, 111ᵃ.
so schon mhd. in verkürzter form: die langen air, diu spitzig haupt habent, die pringent erl; aber sinwelliu air, diu an der spitz sinwel sint, diu pringent siel, und die vogel werdent an dem spitzigen tail. Megenberg 195, 4. vgl. auch sylen, pl. deminut. von sy, weibchen der thiere. Mones anz. 8, 497ᵇ, 214 (glosse zu Megenberg).
β)
nhd. mit dem gewöhnlichen suffix siechen: siechen, sieken, foemina Nemnich; ich weisz manchmal nicht ob ich ein hänchen oder ein sieichen bin. causenmacher 81; liebchen, hörst du nicht die nachtigall? sie ruft ihr siechen und ruft dich mit. Hippel lebensl. 2, 396;
so ward sie einen spatz gewahr,
der unersättlich süsz mit seinem siechen liebelt.
Schmidt kom. dicht. 108.
γ)
es scheint diese verwendung besonders im nd. sprachgebiete zu hause zu sein, vgl. d. e. so auch preusz. siechen, nd. seike, sêke. Frischbier 2, 340ᵃ. daher wird oft, namentlich in gleichsam technischer verwendung, auch die nd. lautform beibehalten, vgl.: 'wenn es in anderen sprachen wohl klingt, hun und han, oder he und she zu sagen, so scheint doch die nachahmung im hochdeutschen, durch er und sie, affectirt zu seyn. viel besser klingt das niedersächsische hehken und sieken, weil es originel und nicht entlehnt ist'. Nemnich 2, 515 (unter masculus). so in der jägersprache vom vogelweibchen (vgl. e): das hähnlein hat schwärtzere füsse als die sieke (beim rotkehlchen). Döbel 1, 64ᵇ; diese (die rotschwänze) haben ihren namen von dem rothen schwantze, den der hahn und die sieke hat. 64ᵃ; wie und woran bey demselben der hahn, oder das männlein, von der sieke, oder dem weiblein, zu unterscheiden? register unter feder-wildpret. dazu: wenn ich nun mit dem finger auf das leder .. zweymal kurtz hinter einander tüpffe, so giebt es gleich den ruff an, wie die wachtel-sieke. 2, 202ᵇ; sike, avis foemina, s. sie. Frisch 2, 277ᵃ; dusel, sike, häsel, das weibliche geschlecht der vögel (bei den jägern). Jacobsson 1, 490ᵇ. noch gewöhnlicher in der form sicke, s. öcon. lex.² 2723. Heppe wohlr. jäger 279ᵃ. Behlen 5, 617. Eggers 2, 906. vgl. auch Adelung und Campe: sicke, oder sie, wird das weiblein von den vögeln genannt. frauenz.-lex.² 3265; der grün-specht .. ist, zumal der hahn, recht sittig - grün, .. das weiblein oder sicke aber ist nicht so schön grün. Hohberg 3, 2, 359ᵃ; sonsten siehet (beim schneer) der hahn und sicken einander dermassen gleich, dasz man auch den geringsten unterscheid nicht wird machen können. 360ᵃ. Kehrein weidmannsspr. 272 f. belegt die schreibweisen sie, siee, sieke, siecke, sicke. so auch in zusammensetzungen, wie: bey der wachtelsicke, wenn sie den han verlanget und mit einem doppelten ruf leise zu sich locket, heissets auch der ruf. Heppe leithund 265, s. auch oben Döbel 2, 202ᵇ. — kaum hierher gehört der nach dem brem. wb. 6, 304 in einigen gegenden übliche weibliche taufname Sike.
δ)
dazu als technischer ausdruck siekenruf, sickenruf, m. 'ruf zum anlocken der wachtelmännchen, auch wachtelpfeife, wachtelruf'. Kehrein weidmannsspr. 273; sikenruff wachtelpfeife Jacobsson 4, 164ᵃ: wenn es die andern hähne hören, fangen sie bald an zu antworten; da man denn hinzu gehet, und dieselben mit dem steck-garne versticht, und mit dem siecken-ruffe ins garn locket. Döbel 2, 202ᵇ; sickenruf, s. wachtelruf. Heppe wohlred. jäger 279ᵃ.
3)
sie als plur. aller geschlechter. über das formale s. I, 6. selten zur auszeichnung und hervorhebung mit groszem anfangsbuchstaben, wie in der ode wir und sie von Klopstock 1, 212.
a)
sie weist auf eine vorher benannte mehrzahl zurück, sowol von personen wie von sachen: werden sie (die männer, weiber etc.) kommen? resp. ja, sie werden kommen. Kramer dict. 2, 804ᵃ; liebet ihr die Frantzosen, die Frantzösinnen? resp. ich liebe sie und liebe sie nicht, nachdem sie gesittet seyn. wann ihr sie (die bücher, zeitungen etc.) noch nicht gelesen habt, so leset sie. ebenda; und nu sind viel widerchristen worden .. sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns, denn wo sie von uns gewesen weren, so weren sie ja bey uns blieben. 1 Joh. 2, 19;
alsus begunde er rouben
den teufel sîner knehte,
und machte si ze rehte
dienesthaft dem werden gote.
denn glaub' mir, die mädchen haben alle eine herzliche neigung nach so einem herzen.
sie scheinen zu spielen,
voll leichtsinn und trug;
doch glaub' mir! sie fühlen;
doch glaub', sie sind klug.
Göthe 57, 127.
in folgender stelle auffällig, weil ein auf dieselben subst. bezüglicher sing. eines verbs vorausgeht:
lieben, hassen, fürchten, zittern,
hoffen, zagen bis ins mark,
kann das leben zwar verbittern;
aber ohne sie wärs quark!
Lenz ged. 112 Weinhold (Voss' musenalm. für 1777, s. 28).
auch ein collectivbegriff wird durch sie weitergeführt:
ich wünschte sehr der menge zu behagen,
besonders weil sie lebt und leben läszt ...
sie sitzen schon, mit hohen augenbraunen,
gelassen da und möchten gern erstaunen.
ich weisz wie man den geist des volks versöhnt,
doch so verlegen bin ich nie gewesen;
zwar sind sie an das beste nicht gewöhnt,
allein sie haben schrecklich viel gelesen.
Göthe 12, 9.
b)
oft in allgemeinem sinne ohne bestimmte beziehung, besonders in sprichwörtern und redensarten, z. b.: omnes congruunt .. sie blasen alle in ein horn. Corvinus fons latinit. 306ᵇ; sie zancken umb ein taubendreck. sie zancken umb des esels schatten. sie zancken umb des fewers rauch. sie ziehen nicht in gleichem joch. sie stehen nicht in einem stall. Eyering 3, 308 f.; sie haben nichts gelernt und nichts vergessen, s. Büchmann¹² 385. so auch für das allgemeine, unbestimmte subject, das wir gewöhnlich durch man ausdrücken, schon mhd., vgl. si sagent, jehent, sprechent, wellent als einführung von sprichwörtern, zeitschr. für d. alterth. 8, 379—81:
si lesen an Tristande,
daʒ ein swalewe ze Îrlande
von Kurnewâle kæme.
Trist. 8605;
si wellent, daʒ daʒ iht witze sîn,
swer rôteʒ golt under diu swîn
werfe und edel gesteine.
Wigalois 75;
daʒ si dâ heiʒent minne,
deis niewan senede leit.
nhd. nicht selten als ersatz eines bestimmten subjects, das nicht näher bezeichnet werden kann oder soll: in dieser revier herum, sagen sie, werd ich ihn antreffen. Schiller räub. 3, 2 schausp.;
sie haben offt gedrenget mich
von jugend auff gar hertiglich.
H. Sachs 5, 105ᵃ (der 129. psalm);
ach, sie haben
einen guten mann begraben.
Claudius 1, 231;
wen flechten sie aufs rad zur stund?
Chamisso 1, 135 Koch;
dann legt sie's (die alte waschfrau ihr sterbehemd) wohlgefällig fort,
bis sie darin zur ruh' sie legen.
285.
c)
ein substantiv vorwegnehmend:
wie wol seu daʒ erchanden
di veind und pliben in der stat.
Suchenwirt 1, 130;
o so sammle sie ein, sammle die heiligen
thränen in goldene schalen ein.
Klopstock 1, 37;
nun schweben sie, rauschen sie, wirbeln die winde!
139;
so braucht sie denn die schönen kräfte.
Göthe 12, 14;
sie sind's die unholdigen schwestern.
1, 226.
häufiger zur wiederaufnahme:
deine wunder, prophet! sie sind in die länder erschollen.
Klopstock Mess. 7, 562;
stunden der plage,
leider, sie scheiden
treue von leiden.
Göthe 1, 119;
die heilgen drey könig' mit ihrem stern,
sie essen, sie trinken, und bezahlen nicht gern.
164;
widersacher, weiber, schulden,
ach! kein ritter wird sie los.
194;
die mäuslein sie lächeln, im stillen ergetzt.
227;
die sonnen, die erden,
die sterne sie schwinden.
Matthison 2, 12.
in besonderer verwendung bei Klopstock, vgl. 1, e:
oft hält er kranke, die schlummern,
sie für todte, geht hin, und rufet sie wieder ins leben!
Mess. 2, 576;
wir brachten dir farren,
sie mit blumen der thale geschmückt! wir brachten dir widder,
sie mit laube!
16, 552 f.
d)
Adelung (und ihm folgend Campe) tadelt doppeltes sie in unmittelbarer folge. man solle also nicht sagen: die colonisten wurden erst recht erbittert auf die Engländer nachdem sie sie geschlagen hatten, sondern: nachdem sie selbige oder selbige sie geschlagen hatten. heute würde man für selbige eher dieselben anwenden; doch wird sie sie in unbefangener rede durchaus nicht ängstlich gemieden, solange keine unklarheit dadurch entsteht.
e)
zuweilen, besonders mhd., dient sie zur vorbereitung eines folgenden relativs, also anstatt des gewöhnlichen die(jenigen) oder jene:
des sint si noch alle worden gewar
de up schaden ie gevoren dar.
Hagen boich van Colne 391;
ach unschuldiger mann, wer sind sie, die also dich nennen?
Klopstock Mess. 4, 407;
tilgst du sie weg, die den sohn noch verkennen?
5, 130.
f)
unregelmäszig und ganz singulär ist der gebrauch von sie (acc.) als reflexiv: sie haben dich biszher noch unter sie geduldet. Liscow 421 (vgl. indessen I, 6, d).
4)
der plur. sie (immer grosz geschrieben) gibt zugleich die jetzt allgemein übliche höflichkeitsform der anrede her. sie ist hervorgegangen aus der ältern verwendung von er, sie (sing., s. 1, h) in gleichem sinne, indem man statt des sing., der bald nicht mehr hinreichend fein war, den plural (als 'pluralis majestaticus') setzte. vgl. die eingehende darstellung bei Grimm gr. 4, 309—312, sowie Schm. 2, 203 f.
a)
danach würden die ersten beispiele in den letzten decennien des 17. jahrh. vorkommen. Schm. 2, 203 bringt sogar schon eins aus einem schreiben von 1667, das zugleich die von ihm vorgeschlagene erklärung aus der umschreibung mit ew. gnaden bestätigt: so e. gnaden ich hiemit communicieren wollen, damit sy hierauf verfiegen lassen. (in der bei Grimm a. a. o. angezogenen stelle aus Weise erzn. 135 bez. 77 neudruck dagegen ist sie nicht anrede, sondern = die leute.) ferner: sie lassen mich nur ausreden. Weise kl. leute 101; wie stehets, herr bürgermeister, haben sie ihren organisten eingebüst? 206;
was befehlen
mir ihre majestät?
Lohenstein Sophonisbe (1680) 71 (4, 450);
er liesz sich frey verlauten:
dasz ihre hoheit blosz auf seinen rücken bauten
des reiches sicherheit.
Ibrahim Bassa (1689) 20 (2, 94);
sie haben, ist mir recht, genädigster patron,
der christen gröszstes fest noch nie so wohl begangen.
Chr. Gryphius 2, 293 (nur hier; 'feyertagswunsch an den freyherrn von L.').
es scheint indessen ein ganz vereinzelter beleg schon viel früher, nämlich bei Ayrer, vorzukommen, auch hier, wie überhaupt in den ältesten stellen, in der anrede an eine fürstliche person, und im wechsel mit ihr:
gnedigste frau keiserin,
neulich ich alhie gwesen bin
und hab umb eure lieb gefreyt.
so warffen sie es so gar weit.
das sie kein mann nicht nehmen eher,
bisz jhr gemahl gestorben wehr.
weil ich dann weisz, das er ist gstorben
und hab ich vor umb eur lieb gworben,
so bitt ich euch: last mich eur sein!
s. 1605, 17—25 Keller.
von wörterbüchern verzeichnet zuerst Kramer die redeweise: sie, [termine di civiltà nel contrattare in vece di voi] lei, ma all' hora in tedesco il verbo si pone in terza persona in plurale. was machen sie? che cosa fà lei? weisz sie, wissen sie, dasz etc. .... wollen sie zu mittag, zu abend essen? ich will kommen, wann sie es befehlen. dict. 2, 803ᶜ; sie, [termine civile in vece di voi, it. in vece di v. s. v. dieselbig etc.] mich gedünckt, ich habe sie zu Paris gesehen, mi pare di haverla veduta à Parigi (in vece di havervi etc. ò veduto v. s.) ich werde sie einmahl kommen zu besuchen. 804ᵃ. aber schon Stieler verwendet es in der widmung seines sprachschatzes an herzog Johann Georg III. v. Sachsen: was aber eu. hochfürstl. durchl. gnädigster herzog, betrifft; so sind dieselbe dieser wehrtesten hochteutschen sprache selbsten ein höchsterleuchteter meister .., wie sie solches .. durch unsterbliche schriften, gleich einem keiser Julius dargetahn .. haben ... eu. hochfürstl. durchl. halten über die sprach-künste vielzusehr, dasz sie meinem wolgemeinten vorhaben wiedersprechen solten. so nehmen dann eu. eu. chur- und hochfürstl. durchl. durchl. solche meine arbeit mit denen gnädigsten blicken an, wormit sie, durch deren unbeschreibliche gütigkeiten, ihro männiglich zu freywilliger undertänigkeit ... verbündlich machen. auch diese stelle beweist deutlich das entstehen der fügung aus der umschreibung mit pluralischen subst. wie gnaden, die naturgemäsz mit dem plur. sie bez. dieselben wieder aufgenommen werden. sie scheint anfangs auf die anrede von fürsten u. ähnliches beschränkt gewesen zu sein, ist indessen jedenfalls noch gegen ende des 17. jh. auch für bürgerliche üblich geworden: sie seyn willkommen monsieur, ich gratulire mir, dasz ich das glücke habe dieselbe vor diesesmahl .. zu sprechen. Reuter der ehrl. frau Schlampampe krankh. u. tod s. 35 (122 neudr.); sie lassen sich nicht abhalten, mein herr doctor, ich bin ihr diener. 59 (130). ebenso wird Felsenburg 1, 4 ein junger kaufmannssohn angesprochen: lieber herr lands-mann, ich weisz gantz gewisz, dasz sie nicht die geringste ursache haben, sich in der welt über etwas zu chagriniren, ausgenommen den verlust ihrer seel. frau-mutter u. s. w. s. ferner theil 2, sp. 1480—82. — das entsprechende possessiv ist ihr, in der ältern sprache dafür oft dero: monsieur, ich weisz nicht, ob ich mich erkühnen darff, dero gütigkeít so sehr zu miszbrauchen, und ein solches kostbares geschenck von ihren werthen händen anzunehmen, sie sind allzufreygebig. Plesse 1, 122; mademoiselle, wie ich wahrnehme, so sind sie so gütig und huldreich, als schöne und liebreich sie sind, und dieses verbindet mich denn dahin, dasz, da ich heute vormittage in etwas glücklich gewesen, und aus der glücks - bude ein schlechtes halstuch vor ein frauenzimmer gewonnen, ich solches als ein kleines präsent dero angenehmen händen überliefern sollen. 128 f. doch hat sich vor einem titel in der regel euer (abgekürzt ew.) bis heute gehalten: eure majestät, euer hochwohlgeboren u. ähnl. so z. b. euer gnaden im wechsel mit sie: ich weisz nicht, soll ich's euer gnaden dank wissen oder nicht, dasz sie mich einen nach dem andern genieszen lassen. Hebel 3, 7 (vgl. unter b, β).
b)
so bestanden im vorigen jahrh. vier stufen der anrede, die sich in aufsteigender reihe so anordneten: du-ihr-er bez. sie (sing.) -sie (plur.), und eine auszerordentlich mannigfache und fein nuancierte abschattung der höflichkeit gestatteten. (bei anrede mehrerer personen musz natürlich für er ebenfalls sie eintreten, z. b.: meine herren, .. so vil mir wissend, will denenselben gerne zu willen seyn; sie wissen demnach u. s. w. Ettner unw. doctor 53, während dem einfachen mein herr ein er entspricht.) vgl. darüber Grimm a. a. o. einige beispiele mögen das gegenseitige verhältnis dieser redeformen veranschaulichen:
α)
sie und du: edelmann. brav, ihr kinder! brav! an euch merkt man nicht dasz die zeit vergeht ... Röse (bedeutend). sie werden's auch bald nicht mehr merken ... Görge ... ich will's nur gestehen, ich bin oft eifersüchtig auf sie gewesen. edelmann. du hast's auch ursache gehabt. Röse gefiel mir immer. Röse. sie scherzen, gnädiger herr u. s. w. Göthe 14, 255 (bürgergen. 2); während der wechsel hier deutlich den standesunterschied markiert, wird er in der dichtung häufig zu anderm zwecke verwendet, s. c, δ, vgl. auch f.
β)
sie und ihr: weszwegen der vornehmste unter ihnen (den seeofficieren) zu mir sprach: monsieur, ich bekenne, dasz ihr mir älter am verstande als an jahren vorkommt .. ich .. machte aber ein höflich compliment, und antwortete: mein herr! sie belieben allzuvortheilhafftig von ihrem diener zu sprechen .. wo ihr mittel habt, setzte ein ander hinzu, wäre es schade um euch: wenn ihr nicht wenigstens noch 2. oder 3. jahr auf universitäten zubrächtet. Felsenburg 1, 17; Lisette. ihre dienerinn, herr Damon. sie scheinen mir jemanden zu suchen. wer ist es? Damon. Leander hat mich hier erwarten wollen. habt ihr ihn nicht gesehen? Lessing 2, 367 (Damon 2); Lisette ... doch wenn sie mir folgen wollen, herr Leander, so verlohren als er scheint, so ist er doch noch nicht ganz verlohren. Leander. o ich bitte euch, redet frey. ich will euch in allem folgen, was mir nützlich seyn kann. Lisette. aber ich zweifle, dasz sie es thun werden. Leander. zweifelt nicht, ich bitte euch. 371 (4). im gespräch zwischen einem officier und einem juden bei Hebel 3, 6 erhält jener sie, dieser ihr: 'herr, sagte er, sie sind ein offizier. offiziers - parole?' der rittmeister sprach: 'traut ihr meinen worten nicht? wollt ihr's schriftlich?' im bürgergeneral von Göthe (s. oben α) erhält der edelmann sie und erwiedert du, im gespräch mit dem richter dagegen (14, 297 ff.) wird von beiden seiten ihr angewandt.
γ)
sie und er: Staleno. ey! Leander, so jung, und er hat sich schon ein mädchen ausgesehen? ... und das mädchen soll ich ihm zufreyen? Leander. ja, mein lieber herr vormund, wenn sie wollten so gut seyn. Lessing 1, 464 (schatz 1); Staleno. ah! er musz seinen vormund nicht zum narren haben wenn er mir keine antwort geben will: so packe er sich, und lasse mich meinen gang gehen. Leander. sie sind ja gar böse, allerliebster herr vormund. ich wollte ihnen eben ihre frage beantworten. Staleno. nun! so thu ers. 466.
c)
indem die zwischenstufen im laufe des 18. jh. ausgestorben sind, haben wir nur die beiden extreme, das vertrauliche du und das höfliche sie beibehalten. letzteres tritt überall da ein, wo du nicht statthaft erscheint. es handelt sich also nur darum, die gebrauchssphäre dieses abzugrenzen. das ist th. 2, sp. 1463—83 eingehend geschehen. die hauptpunkte sind folgende:
α)
einseitiges du wird angewendet gegen kinder (im allgemeinen bis zu 14 jahren); lehrer, geistliche u. ähnl. setzen es vielfach dann auch im späteren leben fort. nach Grimm gramm. 4, 311 auch 'von der herrschaft gegen vertrautere dienstboten', doch kommt dies heute wenigstens in den gebildeten classen nur noch ausnahmsweise vor.
β)
gegenseitiges du herrscht zwischen nahen verwandten, freunden, kameraden, natürlich auch bei kindern im verkehr unter einander. auch zwischen eltern und kindern ist es jetzt allgemein üblich. dagegen pflegten bis ende des 18. jahrh. kinder ihre eltern in der regel zu siezen: Elmire. liebe mama, dasz sie doch nie die sorge gereuen, die sie auf mich verwendet haben! Olimpia. nicht das, meine tochter. ich sagt's deinem vater oft; er wollte nun einmal ein kleines meerwunder aus dir gemacht haben, du wurdest's und bist nicht glücklicher. Elmire. sie schienen doch sonst mit mir zufrieden zu seyn. Olimpia. und bin's noch, .. wenn du nur mit dir selbst zufrieden wärest. Göthe 57, 105. daneben finden sich dann die zwischenstufen: Göthe selbst redet seine mutter mit sie (sing.) an, s. 1, h. (Felsenburg 1, 5 f. schreibt ein vater: mein sohn, erschrecket nicht! ... da ihr in diesen zeilen von mir selbst .. versichert werdet u. s. w.) katholische geistliche werden indessen auch von ihren eltern gesiezt: Ivo hörte ..., dasz die eltern Gregors diesen nun (nach seiner priesterweihe) mit sie anreden müszten. 'ist das wahr, mutter?' fragte er. 'g'wisz, der ist jetzt mehr als andere menschen', lautete die antwort. Auerbach dorfgesch. 1, 121.
γ)
auch das geschlecht macht einen unterschied, indem in den gebildeteren classen du zwischen personen verschiedenen geschlechts nur üblich ist, wenn sie nahe verwandt oder verlobt sind. bei etwas entfernteren verwandten versteht es sich mindestens nicht mehr von selbst; bei fremden ist es im allgemeinen nicht gebräuchlich, selbst wenn sie gut befreundet sind.
δ)
zuweilen, obwol kaum in der heutigen gebildeten umgangssprache, tritt du ein als ausdruck der verachtung oder überhaupt in heftigem affect: Wurm. sezen sie sich. Louise (betreten). mensch! was brütest du? Wurm. sezen sie sich! schreiben sie! ... Louise. ha! du verstehst dich darauf, seelen auf die folter zu schrauben. (vorher immer sie von beiden seiten.) Schiller kab. u. l. 3, 6; Ferdinand. lesen sie! lesen sie! ... hofmarschall (tritt bestürzt zurück). sie werden vernünftig seyn, bester. Ferdinand (mit starker schreklicher stimme). mehr als zuviel um einen schelmen, wie du bist, in jene welt zu schiken! .. nehmen sie! dieses schnupftuch da fassen sie! — .. hofmarschall. über dem schnupftuch? rasen sie? wohin denken sie? Ferdinand. fasz dieses end' an sag ich. sonst wirst du ja fehl schieszen memme! 4, 3.
d)
die sprache des sogenannten volkes, namentlich der landbevölkerung geht in der anwendung des du weit über diese grenze hinaus. bei der viel innigeren verkehrsgemeinschaft, die hier im engeren kreise besteht und sich meistens von der kindheit an ununterbrochen fortsetzt, kommt vielfach das sie überhaupt nicht zur anwendung, auszer fremden gegenüber. ganz ungeläufig ist sie nach Schöpf 673 dem Tiroler bauer, der dafür (neben du) den plur. (ursprünglich dual) der 2. pers. ès verwendet. Hintner 201 kennt die höflichkeitsform söi (sonst soi 'sie'), doch wird sie selten angewandt; gewöhnlicher döis (acc. enk). auch im südwestfälischen ist sai erst neuerdings statt des älteren, noch üblichen ji aufgekommen, s. nd. korrespondenzbl. 16, 20. auch im Schwarzwalde wird oder wurde vom volke sie noch zu gunsten des ältern ihr gemieden: 'dieses gebet kennen sie?' fragte der lehrer .. 'ihr müsset nicht so sie sagen', begann die alte, vertraulicher werdend, 'das ist nicht der brauch'. 'habt ihr noch mehr enkel?' fragte der lehrer. Auerbach dorfgeschichten 2, 84. — nach Stürenburg 242ᵇ wäre auch ostfries. see in diesem gebrauche selten.
e)
ebenso reicht in der poesie der gebrauch von du weiter und ist weniger durch feste regeln eingeengt. gerade in neuerer zeit hat es wieder durch das aussterben von ihr an raum gewonnen, da der plur. sie nicht volles, uneingeschränktes bürgerrecht erlangt hat, vgl.: ihrzen .. es ist dieses die überschrift des 196 sinngedichts im anhange, worinn unser dichter diese unnatürliche art zu reden verwirft. was würde er von uns, seinen nachkommen, sagen, die wir aus dem ihr gar sie gemacht haben? .. ein glück für unsere poesie, dasz sie das natürliche du überall behalten hat! Lessing 5, 326. es ist zu unterscheiden:
α)
die rein fictive anrede, z. b. des dichters an den leser, an die gestalten der dichtung, an phantasiegeschöpfe, an abwesende und tote u. s. w. geschieht immer mit du.
β)
ähnlich wird auch in der sprache des gebets gott, oder heiligen gegenüber nur du verwendet, während z. b. das französische hier vous keineswegs ausschlieszt. auch im mhd. werden die beliebten personificationen wie vrou Werlt, vrou Minne. vrouwe Êre u. a. oft mit ir angeredet. (dû und ir in künstlerisch planvollem wechsel z. b. in dem liede von Walther von d. Vogelweide 100, 24 ff.: frô Welt, ir sult dem wirte sagen, vgl. die anmerk. von Wilmanns.) für uns wäre ein sie hier undenkbar.
γ)
da man (im gewöhnlichen leben) auch thieren gegenüber nur du gebraucht, so kann man zusammenfassend sagen, dasz dieses überall da uneingeschränkt herrscht, wo nur einseitige anrede, nicht ein wechselseitiges gespräch möglich ist.
δ)
aber auch im wirklichen gespräch hat in der nicht realistischen dichtung, besonders der lyrik, du eine weitere gebrauchssphäre, als im wirklichen leben. dieser contrast wird z. b. zu künstlerischer wirkung verwertet in folgendem gedicht:
nur einmal noch möcht' ich dich sehen,
und sinken vor dir aufs knie,
und sterbend zu dir sprechen:
madam, ich liebe sie!
Heine 1, 107 Elster (heimkehr 25).
ε)
die dichtung, die getreue darstellung des lebens sein will, fügt sich natürlich den hier geltenden regeln.
ζ)
ebenso erwarten wir vom historischen roman, drama u. s. w. beobachtung des in der dargestellten zeit herrschenden sprachgebrauches. ältere dichter verstoszen hiergegen oft, sei es aus mangel an kenntnis, sei es aus geringerer sorgfalt im detail. so haben z. b. Göthe und Schiller das sie oft zu weit zurückdatiert: abt. kennen sie nicht zum exempel einen junker? — er ist aus Hessen — Olearius. es sind viel Hessen da. Göthe 8, 35 (Götz von Berl.; sonst ihr);
Wallenstein. nun, herzogin? sie haben Wien berührt,
sich vorgestellt der königin von Ungarn?
Schiller Piccolomini 2, 2;
was wünschen sie, Elisabeth?
herzogin. ihr wille, wissen sie, war stets der meine.
ebenda.
f)
sie drückt dem du gegenüber also zunächst gröszere ehrerbietung aus, vgl.: 'himmel! sind sie's, herr Frank?' 'ein herr, und noch dazu ein 'herr sie' bin ich wol nicht: aber Frank bin ich noch wie ehmals'. Soph. reise 6, 556. aber auch zugleich gröszere entfernung. wo daher das zutraulichere du am platze wäre, erscheint es leicht unfreundlich, kalt, hochmütig:
viel glück, madam zu ihrem feste!
'madam?' nun ja madam! warum?
sie schweigen? macht mein kompliment sie stumm?
'befremdend ists! kind, engel, meine beste,
'geliebte Daphne, so hiesz sonst mein name,
'und jezt ein frostig sie, und obendrein madame?
'die zärtlichkeit nimmt merklich zu! — —
'wohlan mein herr, und nicht mehr du,
'wie es beliebt'.
Musäus nachgel. schriften 108;
wo verjährter sitte zwang uns nimmer fesselt;
wo das eiszkalte sie den bruder nicht scheucht;
wo im geselligen du verschwisterte seelen
wie thautropfen zusammenrinnen.
Schubart 2, 358;
ich höre hoffend schon voraus, wie mich dein erstes du begrüszt,
o wäre schon die bange zeit und dieses stolze sie herum!
Platen 83ᵇ (ghas. 109).
auch der junge Göthe (als Leipziger student) verabscheut sie im verkehr mit freunden: lieber Riese. euer brief vom 27ten der mich äuserst vergnügt hat, ist mir eben zugestellet worden. die versicherung dasz ihr mich liebt, ... würde mir mehr zufriedenheit erweckt haben; wenn sie nicht in einem so fremden tone geschrieben wäre. sie! sie! das lautet meinen ohren so unerträglich, zumahl von meinen liebsten freunden, dasz ich es nicht sagen kann. briefe 1, 16 (vom 30, oct. 1765).
g)
Adelung bemerkt: 'da die sprache des wohlstandes so veränderlich ist, wie die moden, so hält man auch dieses sie für hohe personen schon für zu gemein, und braucht dafür oft das demonstrativum dieselben'. indessen steht dieses schon von anfang an neben sie ohne merklichen unterschied, wie es ja auch als ersatz eines substantivs gleichwertig ist, vgl. derselbe 4, theil 2, 1024. — heute auszer gebrauch gekommen. dafür ist eine noch häszlichere und dem sprachgefühl widerstrebendere unart als überbietung des sie aufgekommen (wenn auch noch nicht durchgedrungen), dasz man nämlich für sie den titel einsetzt, das prädicat aber trotzdem im plur. beläszt, besonders in der sprache von dienstboten: sind (der) herr professor zu sprechen? — nein, herr professor sind verreist u. ähnl. (schon von Schm. 2, 203 f. beklagt. ein vorbild hat dieser gebrauch an dem plural des verbs neben den titeln hoher würdenträger in der sprache des 16. und 17. jahrh., s. du t, γ, theil 2, 1477 f.)
h)
formelle besonderheiten.
α)
wie das gewöhnliche sie, so unterliegt auch das anredewort in mundartlich gefärbter rede der kürzung zu s: bitte, gestrenger herr, scheuen sie die paar gulden nicht — lassen sie sich ein paar privatstunden geben, suchen sie sich das allergewöhnlichste aus jener wissenschaft in den kopf zu bringen und dann — kommen's wieder. Vogt köhlerglaube s. 126; 'was schaffens?' fragte der wirth. Bechstein märchenb. 141.
β)
in den gegenden, die dat. und acc. des pron. nicht unterscheiden, kommt natürlich in ungebildeter rede auch sie für ihnen vor, s. z. b. Albrecht 212ᵇ und besonders Schmeller 2, 203. zuweilen hat das auch in der litteratur eingang gefunden: und ists nicht erlaubt zu fragen, was er sie zahlt? Lenz 1, 89 (der neue Menoza 1, 2); wenn ich sie aber noch einmal so viel biete. ebenda.
γ)
so auch in der nd. umschreibung des possessivs: is dat see eer, das ihrige, gehört das ihnen? Schütze 4, 88.
δ)
ähnlich wird see (sonst selten) ostfries. als überflüssiges flickwort gebraucht in der redeweise nich waar'n see? Stürenburg 242ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1901), Bd. X,I (1905), Sp. 759, Z. 27.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
Zitationshilfe
„ihnen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/ihnen>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)