Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gestelzt, adj.

gestelzt, adj.
part. mit stelzen versehen.
1)
in der baukunst gestelzter oder gebürsteter, überhobener bogen, stelzbogen, dessen schenkel unterhalb der widerlagslinie tothrecht verlängert sind Mothes ill. baulex. 1, 434ᵇ.
2)
bildlich, wie auf stelzen gehend, gespreizt: gestelzte redensarten; die gestelzte majestät ihrer oden. Lichtenberg (1844) 4, 317;
jedes wort fein hübsch gestiefelt und gestelzt.
(1802) 4, 373.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4227, Z. 8.

stelze, f.

stelze, f.
herkunft und form. ahd. stelza, mhd. stelze, schw. f., mnd. mnl. stelte, nd. nl. stelt: grundform *steltōn, wie die nhd. mundarten beweisen, die für ein ursprüngliches -ë-, nicht für ein umlauts -e-sprechen, vgl. z. b. Fischer schwäb. 5, 1780; Schatz ma. v. Imst 50; in anderen mundarten ist -ëlz- in -ẹlz- übergegangen, vgl. z. b. Heilig ma. d. Taubergrundes § 55, 1. daneben steht germ. *stiltjōn in mengl. stilte 'calepodium, lignipodium', nengl. stilt 'stelze, pfosten, brückenpfahl, handhabe am pflug', nd. (ostfries.) stilt(e) 'stamm, stange, stengel, bein, lende, keule', (brem.) stilt 'der teil am schinken, wo er anfängt, fleischiger zu werden', germ. *stultjōn in aschw. schw. stylta, dän. stylte, mhd. nhd. stülze (s. d.). zweideutig ist aschw. stilta 'krücke', s. Noreen aschw. gr. § 108, 2 anm. 3 und Kock sv. ljudhist. 1, 446. unsicher ist auch, ob aus stelzia pactus Alamannorum mon. Germ. hist. leg. V 22, 30 auch für das obd. eine form mit j gefolgert werden musz. eine weiterbildung mit r findet sich in norw. stiltra 'stelze' und nd. (ostfries.) stilter, stelter in derselben bedeutung wie stilte. zu germ. *stelt- 'steif (sein), stange' gehören weiter ags. styltan 'verdutzt sein, zögern', adän. stylte 'wackelnd gehen'. schw. stulta 'watscheln', mnd. stulten, stolten, 'dick, fest werden, gerinnen', mhd. stolzen 'hinken' sowie wahrscheinlich das adj. stolz (s. d. und Meyer-Lübke 8275ᵃ, H. Schröder idg. forsch. 18, 514 ff. gegen Jud zs. f. rom. phil. 38, 39 u. Frings Germania romana 98). — germ. stelt-, stult- ist ohne sichere verwandte in den andern indogerm. sprachen; es gehört, wie die parallelen stelk- und stelp- zur idg. wurzel stel- 'stellen, stehen, steif', vgl. H. Schröder idg. forsch. 18, 513 ff.; Persson beitr. z. idg. wortforsch. 426; Walde-Pokorny 2, 645. die flexion ist schwach, der starke sing. seit dem 16. jh.: wenn ein armer lahmer mensch ein steltze hette theatr. diab. (1569) 462ᵃ; vor der stelze Rückert 11, 225. — neben dem fem. stelze steht, spärlicher bezeugt, ein mascul. der stelz u. der stelzen, s. oben sp. 2277. mundartlich obd., md. u. nd. verbreitet, vgl. z. b. stelze, stelzen Lexer kärnt. 240; Schöpf tirol. 706; štöltsə u. šteltsə Wiget Toggenburg. 65; Schmeller-Fr. bair. 2, 754; Martin-Lienhart elsäss. 2, 594; Fischer schwäb. 5, 1730; Follmann lothr. 496; Rovenhagen Aach. 139; stelte Woeste westf. 254ᵃ; Schambach Gött. 209ᵇ; stelten brem.-ndsächs. wb. 1025; stelt neben stölt Danneil altmärk. 211ᵃ; stelte neben stölte Mensing 4, 382; up stölten (dithmarsch.) Mittler dtsch. volkslied.² 797ᵃ; als stölze Frischbier preusz. 375 und bei dem Schlesier Steinbach dt. wb. (1734) 2, 721; als stalz'n Ruckert unterfränk. 174. über nd. stilte (Doornkaat-Koolman ostfries. 3, 318) s. oben und obd. stülze vgl. teil 10, 4, 376. — auffällig vereinzeltes stelch gipsa (voc. 1462) bei Diefenbach gloss. 263ᵃ (zur wurzelvariante stelk-?) und stelle scaca (nd. voc. 15. jh.) ebda 515ᵇ (zur unerweiterten wurzel stel-?), zu beiden vgl. dieselben formen bei ²stelze.
bedeutung und gebrauch. die allen anwendungen von stelze gemeinsame grundvorstellung ist die einer hölzernen stütze in form einer kürzeren oder längeren stange, eines pfostens oder ähnl., wie sie in den technischen anwendungen des worts bis heute zu tage tritt (vgl. unten 5) und in engl. stilt 'pfosten, brückenpfahl', nd. (ostfries.) stilt, stilte 'stamm, stengel, stiel, stange', stilter 'lange stange' ihre parallelen hat. bezeichnenderweise treten gerade hier masculine nebenformen auf, s. oben stelz. den allgemeinen gebrauch des wortes beherrschen aber schon früh die anwendungen 1 als 'stelzbein' und 3 als 'gehstelze', die von allen die ausgeprägteste eigenbedeutung besitzen.
1)
stelze als 'stelzbein' holzbein, am stumpf angebrachte stütze als ersatz für ein verlorenes bein; daher meist im singular; in älterer zeit auch in der form eines kleinen schemels mit 3 beinen, der, wie an die verstümmelten hände, auch vor die schienbeine geschnallt wurde, vgl. Heyne hausaltert. 3, 23; Hoops reall. 4, 283; stelze ist in der anwendung als holzbein schon früh bezeugt und bis zum 16. jh. die vorherrschende bedeutung: si (truncatus) in campo suo cum stelzia ambulare poterit pactus Alamannorum, mon. Germ. hist. leg. V 22, 30; scaca stelte darme uppe geyt (1417) Diefenbach nov. gloss. 328ᵇ; stelcze, steltz, stelse (15. jh.) gloss. 515ᵇ; gipsa (i. e. pes ligneus) stelcze, steltz, knyesteltz (15. jh.) ebda 263ᵃ; stelte (nd. voc. 1420) ebda;
dâ saz ein stelzære vor,
der hât ein stelzen silberîn
Heinrich v. d. Türlin krone 20566 Scholl;
ein kruppel uff eyner stelczen
meister Altswert 134 lit. ver.;
Engelmair auf der stelzen dicit:
so hiesz ich Engelmair, hort mer,
und kum auf meiner stelzen her
fastnachtssp. 193 Keller;
gleich als wenn ein armer lahmer mensch ein steltze hette, darauff er gehen und sich behelfen müszte, wie er könte, er aber gienge hin und liesze ihm die selbige steltze, den höltzerin schenckel, fein bund mahlen ... und verachtete darnach andere mit ihren geraden, gesunden beynen theatrum diabolorum (1569) 462ᵃ; sondern musz mit seinem höltzern bein oder steltzen, er wolle oder wolle nicht, ... davon hincken J. R. Glauber Proserpina (1667) 53; ihm fehlte der linke fusz, weswegen eine stelze diesen verlust ersetzte dtsche romanzeitung 17 (1880) 4, 322. typisches attribut ist die stelze für kriegsleute und solche, die ihr bein im kampf verloren haben:
wirt dir der fuoz abe geslagen,
si sol dir die stelzen tragen
ze dem bette alle morgen
meier Helmbrecht v. 1318 Panzer;
und wirt mir dann geschoszen
ein schenkel von meinem leib,
so tuͦ ichs nacher kriechen,
es schadt mir nit ein meit:
ein hülzene stelzen ist mir gerecht,
ja e das jar herumbe kumt,
gib ichs ein spitelknecht
a. d. 16. jh. bei Uhland volksl. (1844) 520;
der ander von einer büchszen (zu schaden gekommen), die zersprungen war und im ein schenckel hinweggeschlagen hatt, derhalben er auff einer steltzen gon muͦst Wickram 3, 33 lit. ver.; du (Springinsfeld) must ietzt mit deiner steltzen nach einer andern pfeiffen tantzen Grimmelshausen 2, 29 Keller. auch als bettlerrequisit häufig:
da loffen dann die bettler zhauff.
da hort einer die steltzen krachen
Marx Mangold marckschiff (1596) b 3;
denn etliche geben sich fuͤr lame und kruͤppel aus, da sie doch nur jhre gebeine gebogen, vnd in steltzen geleget haben
A. Pape bettel- und gartenteuffel (1586) k 8ʳ.
als stütze eines verkürzten beines:
die lügen wird gemahlet in gestalt einer abscheulich zerkratzten weibsperson ... der rechte fusz wird von einer steltzen gestützet
Harsdörffer poet. trichter (1653) 3, 331.
als stütze unter einem kranken bein eines pferdes:
wann ein pferdt an einem bueg oder schenckel hinckt ... brich das eysen auff dem fuesz, daran es hinckt, ab ... und reyb sie (die salbe) dann wol in den bueg und schlag ein steltzen auff den genannten fuesz ... und lasz es fünff oder sechs tag auff der steltzen steen
M. Seuter buch v. d. roszartzney (1588) 283.
in fester verbindung von jeher auff stelzen geen gipsare voc. 1482 bei Diefenbach gloss. 263ᵃ:
ist iu Engelmares leit iht kunt?
der muoz nû ûf einer stelzen gân
Neidhart 263 Haupt-Wiessner;
wer soll auch für uns wicken mäen,
seit mal dasz mir alle auf stelzen gehen
fastnachtsspiele 420 Keller;
da begegneten mir drey gesellen, der eine war nackicht der ander blint der dritte gieng auf einer stelzen Finkenritter (1668) a 3ᵃ; vgl. noch oben Wickram 3, 33 lit. ver.; redensartlich einen auf steltzen bringen u. ähnl. 'jem. ein bein abhauen':
nun ist Neithart hinder si komen
und hat das laster bedacht,
dasz er si auf stelzen hat pracht
ir wol zwen und dreiszig
fastnachtsspiele 1, 422 Keller;
dô huop sich ein limmen unde ein kelzen:
dô sach ich zwô niuwe klingen mit zwein wæhen helzen
mit den sô wart her Engelmâr geriht ûf eine stelzen
Neidhart lieder ⅩⅩⅩⅠⅤ 5 Haupt-Wiessner;
habn unsern ehren gnug gethon,
redlich an bawren uns gerochen,
sie verstümmelt, ghawen und gestochen
ir eins theyls auff die stelzen gericht
Hans Sachs 17, 208 lit. ver.
häufig in zusammenstellung mit krücke, meist in deutlichem bedeutungsunterschied, doch vgl. unter 2 u. oben teil 5, 2427:
hufhaltzen (hüftlahmen) und plinden
der wurden da vil truncken.
die auff den steltzen huncken,
di slugen grosse lucken
mit schemeln und mit krucken
Heinr. v. Neustadt 18408 Singer;
hir ligt de pekelmütz, dar ligt de halve krück,
hir eine blödge bind, dar von der stelt ein stück
Lauremberg scherzged. 14 lit. ver.;
die müeszen alle gemain
auf stelzen kriechen und auf krucken
fastnachtsspiele 1, 424 Keller;
it wolden dre kerls einen hasen fangen,
se quemen up kröcken und stölten gangen
aus d. 16. jh. bei F. L. Mittler dtsch. volksl.² 797,
vgl. dazu: da waren drei kerls, wollten einen hasen fangen, gingen auf krücken und stelzen kinder- u. hausmärchen (1812) 2, 295; dat sind kroppel gewesen, so alse de uppe stelten unde kruͤcken ghan (1514) chron. d. d. städte 16, 475 (Braunschweig); zu Hall ... da so viler kruͤppel vnd lamer steltzen vnnd krucken ... hangen Fischart binenkorb (1588) 153ᵇ; bey dem tag kriechen sie (bettler) zuweilen auff allen vieren, hupffen mit steltzen, hincken mit krucken Abr. a s. Clara Judas (1686) 1, 464.
2)
doch hat stelze selbst auch die bedeutung 'krücke', d. h. stab mit griff oder stütze oder krücke in kreuz- und winkelform, also das gehwerkzeug der lahmen, wie andrerseits krücke auch in der bedeutung 'stelze' 'stelzfusz' erscheint, vgl. teil 5, 2427 sowie gipsum kruck scaca vel steltz voc. theut. 1482 bei Diefenbach gl. 263ᵃ und gipsa krücke nov. gl. 193ᵃ auch aschwed. stylta, stilta 'krücke': wer ist der sich fröwet der steltzen und des hültzin beins, so er nit me denn ein bein hat (1472) Ingolt guldin spil 66 Schröder; gleich wie jhener allten frawen, die nit mehr gehn kundt und auf steltzen herein trat M. Lindener katzipori 148 lit. ver.; (ein löwe) sitzt vor einem fuchs, der auf zwey stelzen gelehnt auf zwey beinen gegenübersteht Göthe I 47, 352 W.
3)
'gehstelzen', zwei stangen, an welchen in bestimmter höhe trittklötze angebracht sind, auf denen man, sich an den stangen selbst festhaltend, gehen kann. da sie nur paarweise gebraucht werden können, ist in dieser bedeutung fast allein der pl. üblich. seit dem 16. jh. lexikal. verbucht: steltz gralla Alberus nov. dict. gen. (1540) jj 1ᵇ; grallae stältzen Frisius dict. (1556) 609ᵃ; steltzen Calepinus undec. ling. (1598) 624ᵃ; Kramer teutsch-ital. (1702) 2, 962ᵇ. neben charakteristischen verbalen verbindungen wie auf stelzen steigen, auf stelzen einherschreiten ist wie bei stelze 1 'holzbein' von anfang an die häufigste auf stelzen gehen: grallator der vff steltzen ghet Alberus a. a. o.; Frisius; nomenclator in us. schol. Hamburg (1634) 336; Stieler stammbaum (1691) 2138; Steinbach dt. wb. (1734) 694, und zwar in eigentlichem sinne wie vor allem in bildlicher anwendung (s. u. 6). im laufe des nhd. tritt diese bedeutung 'grallae' gegenüber der bis zum 16. jh. vorherrschenden bedeutung 1 'holzbein' mehr und mehr in den vordergrund, besonders durch die häufigkeit ihrer bildlichen anwendung, s. u. 6.
a)
stelzen zum durchwaten von wasser, sumpf oder schmutz dienend: so kan es nit sein die insel ob Stein im Werd, dann zu vilen zeyten mag man in die selbige von Helvetier seyten hineyn watten und auff staͤltzen hindurch wandlen Joh. Stumpf Schweiz. chron. (1606) 305ᵇ; dasz man etwan trockens fuͤsz, etwan auch auff staͤltzen durch den selbigen teil Rheyns wandlen mag ebda 418ᵇ; ein baur gieng auff steltzen und fiel in den kath J. W. Zinkgref apophthegmata (1628) 385; Walther von Wyl ... was uff steltzen durch das bächli gangen Äg. Tschudi chron. helv. (1734) 1, 378; die haiden sind übrigens anders, als wir uns vorstellen, die wir an Walter Scotts wüste bergplataux ... denken, an die trügerischen sümpfe, an die bewohner, die auf stelzen einhergehen H. Laube ges. schr. (1875) 5, 17.
b)
als sport- und belustigungsmittel, vgl. auch stelzenkunststück: bald nahm er steltzen, und ging damit auff der linie (von einem seiltänzer) J. Prätorius anthropodemus Plutonicus (1666) 2, 11; (es) eröffnete sich ihrem blicke ein merkwürdiges theater ... eine menge groszer riesenmäsziger figuren, die gravitätisch auf und abwandelten ... so fanden sie, dasz es zwerge waren ..., die auf unmäszig hohen stelzen daherwandelten ... je höher die stelze ihren mann emportrug ... desto eifriger waren die bemühungen, den herunter zu stürzen Joh. Wetzel Belphegor (1776) 2, 177 ff.; sie (Heidelberger studenten) spielen ball, gehen auf stelzen, suchen vogelnester Fr. Chr. Laukhard leben und schicksale 1, 295. bis heute bei kindern sehr beliebt, z. b. šteltsə kinderstelze als spielzeug Wiget Toggenburg. (1916) 65: das stelzengehen (incessus grallatorius), da sie (kinder) auf den stelzen gehend weite schritte thun zs. d. ver. f. vkde 19, 404 (beleg v. 1687); sehen sie den kindern aufmerksam zu ... dasz sie ball werfen und schlagen, ..., auf stelzen gehen, sich überschlagen Göthe IV 42, 108 W.;
sieh, der lose kleine bub
kommt auf stelzen in die stub
A. v. Arnim 1, 119 Grimm;
trommel auf dem bauch, hast einen schweren ranzen,
kannst du erst auf stelzen gehn, so kannst du auch bald tanzen
ebda 17, 432;
gäb es keine nachbarinnen,
nicht niedrige fenster, keine knaben auf stelzen!
Immermann 11, 66 Hempel;
auf stelzen durchschritten muthwillige buben die Toledostrasze Gaudy 17, 56; bis ich (als knabe) um die wette mit allen mitten im wasser stehen und auf einer stelze balancieren und mit der anderen präsentieren konnte Fontane ges. werke I 4, 157; sehen sie den kindern zu, wenn sie ... auf stelzen gehen schr. d. Götheges. 17, 257.
4)
stelze als 'stelzschuh'. stelzen 'sind in der modetracht des späteren mittelalters hölzerne klötzchen an der sohle eines überschuhs, um zu verhüten, dasz er zu tief in den straszenschmutz einsinke, im 16. jh. zu einer unbehülflichen art des schuhes ausgebildet, die die menschliche gestalt höher machen soll' Heyne dt. wb. 3, 795; Al. Schulz höf. leben¹ 1, 223; vgl. auch unter stelzschuh: da geht man auff hohen steltzen mit flügeln und langen schnebeln, wöllen storcken sein Fischart Garg. 72 ndr.; sie theilet einem jeden die mode aus, was er für kleidung tragen solle: diesem lederne riemen, jedem seidne bänder: dem einen tanzschuhe, dem andern stelzen H. Lindenborn der die welt beleuchtende Diogenes (1742) 2, 285; im 16. u. 17. jh. auch in sprichwörtern und redensarten, z. b. einer laus ein stelzen machen, u. a., s. u. 8 b. für die hölzernen klötzchen dieser stelzschuhe und später besonders für die hohen absätze von schuhen oder pantoffeln: macher- und flickerlohn ... von einem einfachen par mannschuch ... auff rahmen gedoppelt oder auch mit höltzer oder steltzen, wie es genennet wirdt, 12 kr. quelle von 1642 bei Fischer schwäb. nachtr. 3200;
kein schuh, der sich auf stelzen steift,
kein reifrock, der mehr ausgeschweift, ...
macht dich zur ärgerlichen tocke
D. W. Triller poet. betrachtungen (1750) 3, 265;
er gestand sich, dasz die hausehre des pfeifers von Hardt eine stattliche frau sei, die vielleicht manchen weniger kühnen mann als seinen führer und erretter unter die stelzen ihrer gewichtigen schuhe gebracht hätte W. Hauff sämtl. werke (1890) 1, 126. in der deminutivform: die weiszen, kaum mehr als zolldicken stelzchen unter den mit goldgestickten schleifen gezierten ballschuhen suchten dagegen am andern ende meiner kleinen person dieses miszverhältnis auszugleichen Johanna Schopenhauer jugendleben (1838) 1, 236. für die mit solchen absätzen versehenen pantoffeln: indem sie ihre pantöffelchen heraufholte und nebeneinander vor Serlo hinstellte: hier sind die stelzchen, und ich gebe ihnen auf, niedlichere zu finden Göthe 22, 166 W.; mit ... den hoche stelzerchen unter den füszen gings klippklapp nach haus Bettine d. buch gehört d. könig (1843) 1, 73. für den kothurn der griechischen tragödie: die erhöhenden cothurne, die eben deswegen ἐμβάται (stelzen) hieszen C. A. Böttiger kl. schrift. 1, 214; um ... von der tragödie zu sprechen, so braucht es nichts als ihren äuszerlichen aufzug um zu sehen, was sie ist, und dasz man sich schwerlich einen häszlicheren und zugleich fürchterlichern anblick denken kann als einen zu einer unproportionierlichen grösze aufgebauten menschen, der auf einer art von stelzen (εμβάταις) einherschreitet, eine larve vor dem gesicht hat Wieland Lucian (1788) 4, 396. occasionell auf stelzen gehen für 'tragödien dichten': überhaupt ist die ganze art, wie August im Cinna (des Corneille) eingeführt wird, das unglücklichste, wozu die notwendigkeit, fünf akte herauszubringen, und die wut, auf stelzen zu gehen, je einen autor verleitet hat Grillparzer 16, 121 Sauer.
5)
stelze als 'stütze' schlechthin; vgl. Lexer kärnt. 240; Rovenhagen Aachen. 139; stelte stange, ende holz, worauf etwas steht oder ruht Doornkaat-Koolman ostfries. 3, 309, vgl. stelter stamm, stengel, stiel ebda; vgl. auch oben stelz, m. und unten stolzbaum sowie engl. stilt 'pfosten, brückenpfahl, handhabe am pflug'. in verschiedenartiger anwendung der handwerke und gewerke für eine kurze stange, einen ständer, einen pfosten u. ähnl., vgl. die benennung eines dreibeinigen schemels als stelza tripetia ahd. gloss. 3, 170, 12; 211, 15 St.-S. (12. u. 13. jh.); trepedia stelcze (anf. d. 15. jh.) Diefenbach nov. gloss. 370ᵇ; stelze tisch- oder stuhlbein Martin-Lienhart elsäss. 2, 594; hierher auch stibola stelze ahd. gloss. 4, 217, 54 St.-S. (12. jh.), wenn stibola zu stiva 'pflugsterz' gehört, s. u. 5 e.
a)
im bergwerk: stelze, 'eine kurze stütze, so auf den schuh unter dem spiesbaum geleget wird' bergmänn. wb. (1778) 525; stelzen A. v. Schönberg berginformation (1693) 2, 91; Minerophilus (1730) 636; auch als mascul. stelzen, s. sp. 2277. 'die stützen der spieszbäume des korbes an einem pferdegöpel' Jacobsson technol. wb. 4, 285ᵇ; Beil technol. wb. 1, 574.
b)
im baugewerbe: stelzen 'stützen, echassés, heiszen bei den mäurern die stangen, an welche die rüsthölzer befestigt sind' Eggers kriegslex. (1757) 2, 996; 'stelzen, stützen, trempel, hölzer, womit etwas unterstützt wird, z. b. bey grabung eines brunnens wird das erdreich vermittelst der stelzen und bretter zurück gehalten, damit es nicht nachstürzen kann' Jacobsson 4, 286ᵃ; stelzen ist die hochstellung ... eines bautheiles durch einzelne steifen, stelzen Schönermark-Stüber hochbaulex. 798; vgl. auch das mascul. stelzen, sp. 2277 sowie stelzen, vb., 2 und stelzbogen, -fenster, stelzenfundament.
c)
in der mühle: stelze 'der für die rumpfleiter in mahlmühlen ausgefalzte ständer' Mothes ill. baulex. 4, 270; '2 ellen lang, 16 zoll breit und 6 zoll stark' Jacobsson 4, 285ᵇ.
d)
im böttchergewerbe: 'stelzen, dieses sind die ständer, die einen theil des haublocks ausmachen. diese ständer werden von zwey bäumen gebildet, die den stab, der gelenkt werden soll, tragen' Jacobsson 7, 446ᵃ.
e)
in der landwirtschaft: man hat an dem pfluge ohne vorgestell zuweilen noch andere hülfen angebracht: eine stelze, worauf er vorne ruht Thär grundsätze der rat. landwirtsch. 3, 36; (pflüge,) welche am vorderende des grindels eine unterstützung durch ... eine stelze erhalten Karmarsch-Heeren 5, 288; der grindel, die sterze, die stelze (als teile des pfluges) Lueger 6, 745; stelze handhabe des pfluges Fischer schwäb. 5, 1730; auch als masc. stelz, s. sp. 2277.
f)
beim fischfang: stelt der spreizstab des zugnetzes Schumann Lübeck (1907) 38; ebenso Mensing 4, 832; stölze 'spannende holzstelze zu beiden seiten des eingangs am keitelnetz' Frischbier preusz. 2, 375ᵃ; an den enden (der zugnetze) sind meist spreizstäbe (butt, bottknüppel ... stab, schakel, stöldt, stelt) angebracht, welche die verbindung mit der zugleine herstellen und verhüten, dasz das netz durch den straffen zug strickartig langgezogen wird A. Seligo die fanggeräte d. dt. binnenfischerei (1914) 94; vgl.stelten, vb., sp. 2296.
g)
im weinbau ein unten mit einem haken versehenes gerät: durch stelzen treibt man die gegangenen reben etwa 60 cm tief in den boden Fischer schwäb. 5, 1729; die stelze ist bey dem ... setzen der weinstöcke eben das, was der pflanzer oder das pflanzholz bey den gärtnern ist Sprenger praxis d. weinbaus (1778) 112.
h)
in der weberei sind stelzen 'die ober- und unterlitzen an dem schafte eines gazewebstuhles' Karmarsch-Heeren 8, 477; die österreichischen weber theilen die fäden, daraus die lizen bestehen, in zwey hälften, was über den augen ist, nennen sie den haarlauf, was unter den augen ist, die stelzen Popowitsch versuch (1780) 610.
6)
bildlicher gebrauch von stelze findet sich vereinzelt seit dem 13. jh. (s. u. 8 d), zahlreich seit dem 16. jh.; oft in sprichwörtern und redensarten (s. auch unten 8).
a)
im anschlusz an die bedeutung 'stelzfusz, krücke', vor allem auf stelzen gehen 'im üblen, schlechten zustande sein', mehr der älteren sprache angehörend, s. auch 8 c:
des marggrafen grimm nit lobesam
ist vorne blind und hinten lam,
sein kriegen gehet uf stelzen;
das macht, dasz er kein gelt mehr hat,
brandschatzen ist im worden seltsen
Liliencron hist. volksl. 4, 60 (1557).
hierher wohl auch: und dem herzogen ursach gegeben, nach der grafschaft Hag zu drachten ... zaicht der herzog dem curfursten die wappenschilt und helm gemalt der grafen und herrengeschlechter, so vom haus Bayrn abkomen, dergleichen auch was sonst von hohen geschlechtern im land zu Bayrn gesessen; die alle weren hin und abgangen, allain die zwai geschlechter Hag und Bern weren noch vorhanden, die giengen uf stelzen und wurden auch bald zum gröszern haufen. also stellen die groszen herren und pottentaten nach den weniger, und der in seiner landtsart ein monarchiam will anstellen, ist von nöten das er die wenigere und kleine gueter nit verschmach, sonder einziehe, was ime werden möge zimmer. chron. 3, 46, 31 Barack. öfters auf begriffe wie recht, treue, ehre angewandt gleichfalls in dem sinne 'es ist schlecht bestellt mit', ähnlich der bei diesen abstracten seit dem mhd. gebräuchlichen bildlichen verwendung von hinken (vgl. Walther 102, 27; Lexer 1, 1299; teil 4, 2, 1445), krumm stehen (vgl. Konrad von Würzburg lied. u. spr. 2, 47 Schröder), auf krücken gehen (s. teil 5, 2427):
darumb stat es in der welt nicht dest basz,
dann warhait und frümkait ist seltzen
und gat gerechtigkait uf stelzen
bei Liliencron hist. volksl. 1, 560 (um 1470);
die schwinde sach
macht trew so schwach,
das sie nit kan
dann leyder yetz auff steltzen gan
Forster frische teutsche liedlein 174 ndr.;
fides gehet auff steltzen, nequitia ist nicht seltzam J. Nas antipap. eins und hundert (1567) 4, 188ᵇ. adjectivisch gesteigert:
fides geth auff den schmalen steltzen.
nequitia ist darumb nicht seltzam
Kirchhof wendunmuth 3, 170 lit. ver.;
und wenn sie solches daheim in jhrem hause nicht verrichten können, so sehen sie, wie sie sonsten eine ursach auszzuspatzieren vom zaun brechen, und sich beizeit an bestimte örter, der wescherin, näterin, kräntzmacherin und dergleichen, da die ehre gemeiniglich auff gläsernen steltzen gehet einstellen cristalliner jungfraunspiegel (1653) e 2ᵇ;
die ehre geht auf schwachen stelzen,
sie bleibt ein raub der flüchtgen zeit.
was hilfts, sich aus den staube welzen?
Stoppe Parnasz (1735) 201.
so auch: mein glück gehet vff stelctzen aus d. j. 1521 in d. allgem. dt. bibl. 3, 2, 83; ich glaube wohl, dasz die besoldung des kriegsvolcks dem kriegshaupte mehr gewalt zueigne, aber hiermit gehet auch die freiheit auf steltzen Lohenstein Arminius (1689) 1, 740ᵇ. im 15. und 16. jh. verbreitet der (christen) glaube geht auf stelzen:
so ist nicht wunder das uns got lasset mislingen,
und abgestet.
umb unser übeltet,
wann cristen glaub auf stelczen get.
den soltu, parmhercziger gott,
wider czu creften pringen!
Michael Beheim zehn gedichte 10, 84 Karajan;
der glaub gang ietz uf stelzen
Steiff gesch. lieder u. sprüche Württembergs 366 (1526);
es gat yetzundt so wunder seltzen,
das christen glouben gat vff steltzen
Murner narrenbeschwörung 74 ndr.;
wer ubern zun syn gfatter grieszt,
ein sack an gantzen enden bieszt,
mit christen glauben gat uff steltzen,
durch ein mulkorb frysset seltzen
ders. mühle v. Schwindelsheim v. 50 Bebermeyer;
falsch waren sind in (den Venedigern) auch nit seltzen.
der christen glauben geht auff steltzen
bei ihn, das waiszt all mencklich wol
Wickram 4, 261 lit. ver.
in diesem sinne auch zu verstehen: totus mundus in maligno positus est die welt stehet je vbel, gehet auf stelzen Äg. Albertinus hirnschleiffer (1664) 510; 'es sind zwey fragen, erstlich ob die warmen suppen gut schmäcken und darnach, ob ich euch zur mutter haben wil? eins ist wahr, das ander gehet auff steltzen (d. h. damit ist es übel bestellt)'. 'lasts immer auff steltzen gehen, wanns nur fortkömmt' Chr. Weisze d. grün. jug. überflüss. ged. 193 ndr. sprichwörtlich seit Luther die zunge (des trunkenen) geht auf stelzen, vgl. unten 8 c. im 17. jh. weniger formelhaft, von der sprache: man mus aber wol wohl achtung geben ... ob diese ... aussenlassung der selb- und mitlauter (z. b. lan statt lassen, sonn statt sonne) ... den lauf der rede auch hämme oder verstelle ... ach es ist zu beklagen, wie unsere edle sprache durch solche auf krikken und stelzen hereinhinkende reime verdorben wird Ph. Zesen vermehrter Helikon (1656) 1, 139; folgendes (gedicht), worüber ich im durchlesen ein vomitiv ersparet ... diese geburth wird ohnfehlbar mit groszen kreisen zur welt seyn gebracht worden, weil sie erbärmlich auf steltzen geht und überall gebrächlich ist Chr. Fr. Hunold d. thörichte pritschmeister (1704) 6; vgl.steltzen, vb., sp. 2294/5.
b)
mannigfacher ist die bildliche anwendung von stelzen in anlehnung an die bedeutung 'grallae'. in ihr gewinnt das wort im laufe des nhd. einen eignen, umschriebenen geltungsbereich, besonders in der häufigsten verbindung auf stelzen gehen; doch hindern hier die für den eigentlichen gebrauch bezeichnenden verbalen verbindungen wie auf stelzen (daher) (einher) steigen, treten, schreiten die völlige verflüchtigung des bildhaften.
α)
stelze als ausdruck für irgendwelche hilfsmittel zur erreichung eines zwecks, anknüpfend an den gebrauch der stelzen als gehwerkzeug beim durchwaten von wasser und sumpf, meist mit dem beiklang des unnatürlichen, unerlaubten oder auch des unsichern und so in vermischung mit dem gebrauch von β oder δ: dieser ergrimmte über den sumpfigen, bodenlosen weg rechtens und drang dem advokaten eine stelze darin auf, nämlich die gelder zum appellieren Jean Paul 11/14, 282 Hempel; er musz ... nicht auf den stelzen der nachahmung daher steigen Schubart br. bei Strausz w. 9, 53; sie (die liebliche poesie) hat ihn (den verstand) vielmehr zurückgehalten und in einen talar göttlicher beschreibungen verhüllet oder ihn auf stelzen einiger contraste der göttlichen regierung gesetzt, wo er entweder fällt oder schwerlich gehen lernet Herder 11, 383 Suphan; alle (volksvertreter) sind auf den stelzen groszer, hoher worte über die gränzen gestiegen kommen, haben freiheit und glück versprochen, und geld und gut genommen Görres schriften (1854) 2, 300; gern antithetisch: und wir nicht auf den klaren worten gottes, sondern auf den betrüglichen steltzen unserer menschlichen vernunft stehn J. Scheffler ecclesiologia (1735) 1, 6ᵇ; warum wolten wir uns denn mit steltzen behelffen, da wir mit unsern eigenen schenckeln eben so weit, aber sicherer schreiten könten? D. C. v. Lohenstein Arminius (1689) 2, 1306ᵃ;
die männer, die mit eignen augen sehen,
und ohne stelzen überall
auf ihren eignen füszen gehen,
die wissen dir gewisz es dank
J. G. Seume ged. (1804) 34;
denn die wahrheit allein macht den menschen grosz und schön; alles andere sind larven und stelzen, womit er nicht weit gehen kann W. Heinse 3, 405 Schüddekopf; statt dasz dort (in Göthes märchen) die fantasie auf ihren eignen flügeln getragen wird, geht hier (in Alins abenteuern) die künsteley auf den stelzen harter verse einher Athenäum 3, 148; fast redensartlich von unbedeutenden menschen, die eine unechte grösze vortäuschen wollen, vgl. stelzenzwerg u. stelze 8 a: wenn einer mit seiner natürlichen grösze nicht zufrieden auf stelzen einherschritt, oder sich vor eigendünkel blähte und auftrieb Wieland (1795) 8, 244 Göschen; bistu ein zwerg, so gehe nicht auff steltzen einher Adam Olearius persian. baumgarten (1696) 67; es ist nichts unerträglicher, als wenn pigmäen auf stelzen einher schreiten, und es für natürliche grösze ausgeben wollen W. Heinse 5, 125 Schüddekopf;
die zwerge, die auf stelzen gehn,
meinen den riesen zu übersehn.
aber stürzen sie in den graben,
möchten sie doch seine beine haben
W. Müller ged. 336 Hatfield.
selten ohne solchen pejorativen nebensinn, der einfachen feststellung einer überschätzung dienend: fast möchte ich ihnen und dem seligen Goethe grollen, mich auf höhere stelzen gestellt zu haben, als ich zu regieren vermag fürst Pückler briefw. u. tageb. 3, 121.
β)
das steife, unfreie sichbewegen auf stelzen führt zur anwendung des worts auf steifes, unnatürliches wesen und benehmen, meist, besonders im sprachlichen bezug, mit dem beiklang des hochtrabenden, vgl. γ: beprillet und schulsackbehencket esel auf steltzen Fischart Garg. 18 ndr.; wenn ich nur eine seele finden könnte auf erden, die weder die stelzen des hofmannes, noch den steifkragen des bürgers trüge G. Freytag ges. werke (1886) 2, 86; in de stadt ... im Rosz mit den rössern skat dreschen oder mit'm herrn landrat auf stelzen gehn! gott bewahre! G. Hauptmann Rose Bernd (1904) 105; von gespreizter, unechter geistiger haltung, geschraubtem und gekünsteltem denken und sprechen: andere mögen darauf studieren, ihren geist in die höhe zu schrauben, und auf stelzen einhergehen zu lassen J. J. Chr. Bode Mich. Montaignes ged. u. mein. (1793) 5, 89; die lebendigen geister der völker wurden in zwangstiefeln geschnürt oder muszten auf stelzen treten lernen E. M. Arndt schr. f. u. an s. l. Deutschen (1845) 1, 464; heiszt denn das nun aber nach dem luxurianten ausdruck des almanachstänkers — Herder geht auf stelzen? Lose schattenrisse edler Teutschen (1783) 1, 106; lieber gott, was ist mir so wohl, dasz ich von den stelzen der philosophie auf meine eignen fuszsohlen herabgekommen bin G. Forster sämtl. schr. 7, 158; der auf stelzen einherschreitende logische beweis Schopenhauer w. 1, 122 Grisebach; jeder geht an seinem hof auf feyerlichen stelzen und spricht in bildern und figuren Klinger 6, 292. in dieser negativen wertung besonders häufig auf die sprache selbst bezogen, auf schwülstigen, geblümten stil, insbes. gewisser dichtungsarten, stilepochen und einzelner dichter, vgl. auch stelzenpoesie: vgl. auf stelzen gehen sich hochtrabender ausdrücke bedienen Wander 4, 827; s. Borchardt-Wustmann sprichwörtliche redensarten 458: der discours gehet auf stelzen Matth. Kramer 2 (1702) 962ᵇ; seine manieren sind gezwungen, sein gang abgezirkelt, seine reden auf stelzen Sonnenfels ges. schr. (1783) 3, 389; und mit dergleichen eckel erweckenden periphrasiren und auff steltzen gehenden phrasibus ist diese seine fünff bogen lange vorrede bisz an ihr ende staffiret A. Bohse Ariadnens liebesgesch. (1705) vorw. 6ᵇ; diese kleinen stelzen der rede (z. b. weit entfernt, dasz, wenn, dann u. a.) Gerstenberg schlesw. lit.-br. 314 lit.-denkm.; ihre (der schriftsteller) sätze schreiten beständig auf stelzen einher Schopenhauer w. 5, 552 Grisebach; er sieht es auch ein, dasz die ausdrückungen der englischen dichter zuweilen auf gar zu hohe stelzen steigen Gottsched d. neueste 2, 223;
ein Teutscher ist gelehrt, wenn er sein teutsch versteht.
kein wort kömmt für den tag, das nicht auf stelzen geht
Heräus ged. u. lat. inschr. (1721) 15;
es musz ...
nicht jedes wort auf stelzen gehn,
um reim und ausdruck aufzuschwellen
Hagedorn versuch einiger ged. 22 lit. denkm.;
dasz ieder ...
dir, was du bist und thust, aus eigennutz erzehlt,
die wort auf steltzen setzt, aus hochmuth dunckel schreibet
J. Chr. Günther ged. (1735) 709;
indem sie (die übersetzer) nämlich den lyrischen dichter voll und erhaben zu machen gedenken, nehmen sie den mund voll und sprechen centnerschwere worte, oder setzen ihn auf stelzen, siegprangend und göttlich Herder 24, 218 Suphan; alte, sinnlose, hochtrabende schwüre, die auf stelzen zu allen toren hinausprahlen, so lange die welt steht Holtei erz. schr. 7, 83;
tanzt er (der poet) auf stelzen her, wenn er gewitter wälzt,
und eine feuersbrunst der herzen marmor schmelzt
G. W. Rabener satiren (1755) 2, 4;
und manches (im späteren Messias Klopstocks), was einmal stolzer schritt war, ging nun auf stelzen W. Schäfer d. 13 bücher d. dt. seele (1925) 338; welch ein unterschied, hier (in Rosenthal) die einfache predigt der natur, und dort (auf dem gute der fürstin) sich durch den auf stelzen gehenden oberhofprediger betäuben zu lassen Th. G. v. Hippel kreuz- u. querzüge (1793) 2, 528; eine erzählung, die bald auf den stelzen unserer neuern epopeen einhertritt briefe, die neueste litt. betr. (1761) 11, 158; besonders üblich für den stil einer gewissen tragödie (vgl. auch stelzenkothurn, -manier u. ähnl.): stelzen ... hernach ist dieses wort auch von der erhabenen schreibart gebraucht worden Gottsched crit. dichtkunst (1751) 43; die tragische schreibart geht fast immer auf stelzen, d. i. sie redet fast durchgehends verblümt ebda 278; ebenso allg. dt. bibl. 10, 2, 28; 102, 350; ein schauspieler legt seine königliche maske, seinen gang und seine sprache auf stelzen ab, so bald er den schauplatz verläszt J. G. Hamann schriften 1, 430 Roth u. Wiener;
doch lieber sprich mit ernst als oratorisch schön,
den helden gleich, die auf der bühne stehn
und auf des sittenspruchs geborgte stelzen steigen,
dem volk die tugenden im falschen licht zu zeigen
Lessing 5, 114 Lachmann-Muncker;
... dasz Buffon, immer hoch auf stelzen herschreitend, aufgeblasen declamire Göthe I 45, 55 W.; kostbarer ersaz eures verpraszten blutes ... von einem französischen tragödienschreiber auf stelzen geschraubt ... zu werden Schiller 2, 29 G., vgl. noch unter stelzenausdruck. mit anlehnung an stelze 4 (kothurn): denn nie haben possierlichere stelzen (d. i. gespreiztere wendungen) den dienst des cothurns vertreten Börne ges. schr. (1829) 2, 138.
γ)
da das gehen auf stelzen zugleich ein erhöhtes schreiten ist, wird die vorstellung des unnatürlich erhöhten, des aufgeblasenen, des stolzen oft zum hauptsächlichen gehalt des bildlichen ausdrucks:
es gat yetzundt, das gott erbarm!
wie ist ein frummer rat so seltzen!
ach gott, es gat yetz als vff steltzen,
bisz das ein mal den hals abstürtzt
Murner schelmenzunft 59 ndr.;
(kupplerinnen verderben die frauen,)
das sie hand weder rast noch rhuͦ
bey jhren mannen und gond auff steltzen,
dan frembde speis die ist in seltzen
Montanus gartenges. 270 Bolte;
der ehrgeitz folgt der lieb auf hohen steltzen nach
und ängstiget die welt mit blutgen trauerspielen
Lohenstein Sophonisbe (1689), widmung a 6ᵇ;
deswegen mögen wir auf noch so hohen stelzen dahertreten, denn auch auf stelzen müssen wir immer mit unseren füszen stehen J. J. Chr. Bode Montaignes ged. u. mein. 6, 365; (die erschlaffung) kann nicht ausbleiben, wenn sie immer so hoch auf den stelzen ihres standes einhertreten, dasz kein ausdruck der vertraulichkeit ihre augen und ohren erreichen kann Thümmel reise (1791) 4, 372;
wirf endlich diese stelzen weg
vornehmer gleisnerei
Platen w. 1, 82 Hempel;
ging er (Jupiter) überall auf stelzen,
demuth lehrt seine frau ihn daheim
Kotzebue sämtl. dram. w. 21, 269;
seht den narrn, wie er auf stelzen geht! ruft der plebs, wenn jemand edlere gefühle, höhere gesinnung zeigt. aber musz er nicht auf stelzen gehen, um rein durch den schmutz des lebens zu kommen? Fr. W. Gubitz gesellschafter (1836) 555. mit übersteigerung des bildes: nun zog er zürnend die wolke des blauen rockes wieder um sich zusammen, pfiff schrillender als je, ging auf doppelten stelzen, zog die schultern noch einmal so hoch am schwarzhaarigen kopfe herauf O. Ludwig ges. schr. 1, 202. nicht selten ist allitterierende verbindung mit stolz aufgesucht:
der stolz auf hohen stelzen
stürze zum abgrund
Herder 27, 130 S.;
und jüngst noch so stolz
auf allen stelzen deines stolzes!
Nietzsche (1895) 8, 369;
schütz uns ...
vor der stolpernden stelze des stolzes
Rückert 11, 225.
schon früh in sprichwörtern und redensarten, s. u. 8 a.
δ)
das unsichere gehen auf den stelzen rückt gelegentlich die vorstellung des unsicheren, schwankenden, gefährdeten in den vordergrund, die in den anwendungen α und γ mehr oder minder deutlich mit zum ausdruck kommen kann (vgl. oben bei α Herder 11, 383 S.; Scheffler [1735] 1, 6ᵇ; Lohenstein Armin. 2, 1306; W. Müller ged. 336; bei γ Murner schelmenz. 59 ndr.; Rückert 11, 225):
ein fürst, der an jm kein tugend hat,
ist gleich dem der auf steltzen gaht:
der selb ist der höchst über ander all,
aber er luͦg mit fleisz, dasz er nit fall
keyser Maximilians leer (1532) 46ᵇ;
denn, ists nicht wahr, wenn der pfeil am höchsten in die lufft geflogen ist, so ist er am allerschwächsten, und dem fall am nächsten? drum gehet dieser aberglaube schon auff steltzen, und stehet nicht feste J. G. Schmidt gestriegelte rockenphilosophia (1706) 2, 134. s. auch unten 8 a.
7)
übertragung des eigentlichen gebrauchs von stelze findet hauptsächlich im anschlusz an die bedeutung 'grallae' statt auf grund der vorstellungen des langen und dünnen oder eines von beiden, seltener spielen die übrigen anwendungen des wortes hinein.
a)
von langen, dünnen beinen, sowie abgegriffener von beinen überhaupt; in bewuszter übertragung meist scherzhaft gemeint; vgl.: ich meinte, es wäre der lange Engländer, der mir vorhin wie auf hohen stelzen nachkam Eichendorff sämtl. werke (1864) 2, 505; wi ob sdölze gin mit langen beinen ungeschickt gehen Christa Trier. 201. seit der mitte des 17. jh. üblich:
es scheint so lächerlich, wenn man an waden statt
als noch ein junger mensch gedörrte steltzen hat
Chr. Fr. Henrici ernst. scherzh. u. sat. ged. (1727) 1, 391;
mit wahren schwefelhölzern statt beinen ... dieser stelzen d. salon 1 (1873) 40 Rodenberg; laufft, oder ich will euch steltzen machen Harsdörffer frauenz.-gesprächsp. (1641) 2, 347; dasz die kindel auff allen vieren kriechen, weilln mich aber mein modesti auch zum kindel in der glahrten welt macht ... so ist ja am gscheidisten, dasz ich meine vier steltzen voranschick vnd den weg ein bissel fundiren thue J. J. Schwabe tintenfässl (1745) a 6ᵃ; denn meine stelzen fangen ... zu wackeln an Frz. Pocci komödienbüchl. 233; die augen zu und dahin auf zwei wankenden stelzen wie ein traum wandler H. Zöberlein d. glaube an Deutschland (1931) 842. so besonders mundartlich: stelzen lange, dünne beine Follmann lothr. 496; Rovenhagen Aachen. 139; lang sdölzen beine Christa Trier. 201; Hofmann niederhess. 230; Müller-Fraureuth obersächs.-erzgebirg. 2, 560;
du alter hemadkrag'n,
den zwei stelzn trag'n
bei Schranka Wien. 164;
sie haben noch junge beene ... mit meine ollen stelzen will et ooch nich mehr recht H. Seidel Leberecht Hühnchen (1899) 56; ebenso in der soldatensprache beliebt: Horn 74; stelzen, kackstelzen René Delcourt 163ᵇ. ohne diesen spöttischen beiklang, fast terminologisch von langen, dünnen vogelbeinen (vgl. stelzbein, stelzenähnlich sowie die zusammensetzungen mit stelzen- s. sp. 2296): der zarteste, schlankeste und hochbeinigste von allen ... wasserläufern ... schreitet auf seinen hohen, schwachen stelzen mit einer anmut einher J. A. Naumann naturgesch. d. vögel 8, 180.
b)
ähnlich von einem langen dünnen menschen: a dörra stalzn Ruckert unterfränkisch 174; stelze grosze weibsperson Martin-Lienhart elsäss. 2, 594ᵃ; auch als masc. stelz (s. d.). vgl.stelte, eyn mait stelta v. d. Schueren Theuton. 376 Verdam.
c)
seltener von dingen; als verkürzter vergleich: und so stehen ... wenn zwischen ihnen (den wurzeln) der stock weggefault ist, die oberen wurzelenden der in dem stocke geborenen fichte frei in der luft: der baum steht auf stelzen Rossmäszler d. wald (1863) 308. vgl. stelzwurzel, stelzenpalme.
d)
alt ist die bezeichnung stelze für den schmal auslaufenden teil eines ackers, einer wiese von der stelle an, wo das grundstück von der regelmäszigen gestalt des rechtecks abweicht, sich zuspitzender teil eines ackers. für die übertragung auf grund der form vgl. flurnamen wie gehre, zange u. ähnl. anscheinend auf Schwaben und Elsasz beschränkt, vgl. Schmid schwäb. wb. 509; Fischer 5, 1730; Buck flurnamenbuch 269; Martin-Lienhart elsäss. 2, 594ᵃ, s. auch stelzen, vb., 3: zwen morgen ... mit der stelzen württemberg. geschichtsquellen 7, 173 (beleg v. 1378); auf der stelzun Alemannia 9, 30 (1474); der moosacker mit stelzen zs. d. hist. vereins f. Schwaben 6, 242 (1484); am herrenwasen mit zwei stelzen Alemannia 9, 30 (1600); 22 morgen ... sampt einer stelzen an ... dan anderseits einer stelzen an Fischer 5, 1730 (1630); die in fremde fluren vordringende stälze Friedli Bärndütsch 6, 51; 119; 210; so sollte hierbei (abzäunung d. wälder) nicht 'steltzenswysz' verfahren werden: man sollte nicht 'allnen stälzen nachfaren', sondern dieselben mit einer schnur greden ebda 4, 239 (für 1780).
e)
winkelförmige rinne auf marksteinen: oben (auf den marksteinen) ist meist eine vertiefung quer durch den stein gezogen, die den lauf der grenze anzeigt ... wo die grenze einen winkel bildet, ist auch im stein eine winkelrinne eingegraben, auch winkelgrinne, winkelmesz-, hackengrinne, stelze genannt (für Tübingen 1735) württemberg. jahrbücher für statist. u. landeskde (1909) 1, 140; vgl. Fischer schwäb. 5, 1730: dieser stein hat aber auf dem kopfe eine steltzen oder sog. wenckelmess (beleg von 1735) ebenda.
f)
mundartlich: stelz'n 'der untere teil der schenkel vierfüsziger tiere' Hügel Wiener. 156; als beliebtes gericht Schranka 164; vgl. dazu nd. stilt u. stilter u. stelter als 'bein, lende, keule, teil am schinken' oben sp. 2279; so vielleicht schon vereinzeltes steltz suffrago (1482 Nürnberg) bei Diefenbach gloss. 565ᵇ zu verstehen.
8)
stelze in sprichwörtern und redensarten; reich vertreten.
a)
am häufigsten in der bedeutung 'grallae'; verbreitet seit dem 16. jh.: die kuh geht auf stelzen: der alt narr reit auff stecken, die kuͦw geht auff steltzen, der esel spilt auff der leiren. also magstu die red varieren, wann du wilt sagen, eim steht ein ding vbel an Seb. Franck sprüchw. (1541) 2, 47; E. Eyering proverb. cop. (1601) 1, 282;
das mir wurd glich als wol anston,
als gieng ein kuͦ uff staͤltzen
und wölt ein suw die luten schlan,
das wär on zwyfel saͤltzen
H. R. Manuel weinspiel 40 ndr.;
camelus saltat die kuͦw gehet uff steltzen Tappius adag. cent. sept. (1545) 41ᵃ; die kuhe will auf steltzen gehen un goffo ed imperito intraprende cose pericolose M. Kramer teutsch-ital. 2 (1702) 962ᵇ; bei ihm geht die kuh auf steltzen nimium sibi tribuit Aler 2, 1832. im sinne von stelze 6 b α: ob gleich mancher auf steltzen stünde, so were er doch zu sachen und geschäfften zu kurtz Lehman florileg. polit. (1662) 1, 38; mancher kommt auf stelzen herein und ist doch allen zu klein Wander 4, 827. nach 6 b δ zu verstehen: wer auf stelzen gehet, musz nicht wette lauffen P. Winckler gute gedancken (1685) 28. am häufigsten nach stelze 6 b γ: indesz müssen wir leiden, dasz die laus im grinde sich dicke weide und im alten pelz auf stelzen gehe Luther sprichwörtersammlung nr. 189 Thiele, vgl. Petri d. Teutschen weiszheit (1604) 2, K k 3ʳ; schönheit geht auf stelzen pulchritudinem fastus sequitur Stieler 2138; hoffart gehet auf stelzen Kramer teutsch.-ital. 2 (1702) 962ᵇ; dünkel geht auf stelzen Binder 38; er geht auf stelzen ebda 189; so auch mundartlich: op stelze goen hochmütig sein lux. ma. 423ᵃ; Follmann lothr. 496; A. Peter volkst. aus österr. Schlesien 452; Danneil altmärk. 211ᵃ. mundartlich verbreitet zur bekräftigung einer absicht: und wenn der teufel auf stelzen ginge, vor allem im südwesten: s mues sī, und wenn de tüfel uf stelze gieng Hunziker Aargau. 253; und wenn der teufel uf stelze kummt, hüt geh ich nit schaffen Martin-Lienhart elsäss. 2, 594; Ruckert unterfränk. 174; Askenasy Frankf. ma. 37; ich nemm se doch, un wenn der deubel uf stelze geht E. E. Niebergall dram. werke (1894) 177.
b)
zu stelze 4 'stelzschuh' stellt sich: was gehst auff steltzen, dasz der stümpff schonst, und fällst gar in treck Fischart Garg. 250 ndr.; was hilffts auf stelzen gehen, dasz man der strümpff schone und fellt darnach gar in koht Janus Gruter florileg. (1610) 3, 99; Lehman florileg. polit. (1662) 3481. vor allem die im 16. u. 17. jh. verbreitete redensart einer laus ein stelzen machen 'sich übergescheit gebärden': er könde einer lausz ein steltzen machen. die klügling und witzbold, die einer jeden lausz ein schuh messen oder anthuͦn könden, sticht man mit diesen sprichwörtern Seb. Franck sprüchw. (1541) 2, 34; er möcht einer lausz ein stelzen machen. wider die naszweisen, die fur yede flesche ein zapfen finden ebda 1, 11ᵇ;
seit und die worhait ist verkört,
so hon ich geitz gar bald geleert,
wie ich der lausz ein steltzen mach,
das aus dem seckli werd ein sack
(1513) welsch gattung v. 264 Waga;
mach ein steltz der lausz und ziehe den nackenden ausz Fischart praktik (1607) c 4ᵇ; J. V. Andreä moral. ged. 199 bei Fischer schwäb. 5, 1729; Binder 120. hierhin auch: kan unser herr gott regnen, so können die bawren oder reichen auff steltzen gehen Petri d. Teutschen weisheit (1604) 2, L l 2ᵃ; es regnet nicht, wann die bauren auff steltzen gahn, es hat aber geregnet Fischart Garg. 288 ndr.; ähnlich Lehman florileg. polit. (1662) 3, 89;
wer hat ein schwert in handen, dem tut kein degen leid,
damit pflegts man zu anden, helts ander in der scheid,
so musz man eim begegnen, all zeit in breitschafft stehn,
meynt jener, er könn regnen, kan der auff steltzen gehn
bei Morhof unterricht v. d. dt. spr. (1682) 394.
hierhin wohl auch eher als zu a: jemanden wieder auf die steltzen bringen: wann man einen entrüst ... wider stilt, ich hab jn wider in die nusz bracht, in sattel gehebt, auff die steltzen bracht S. Franck sprüchwörter (1541) 2, 72ᵇ; solten mir (der podagra) derhalben billich alle weiber sehr danken, das ich jre grimmige ... männer so artlich widerumb auf die steltzen kan stellen, in den sattel heben und in die nusz pringen, daraus sie sonst kurzumb wie ain ungepaltene käst aus dem feur wolten springen Fischart trostbüchlein 107 Hauffen.
c)
zu stelze 1 'stelzfusz': ein mann, der auff einer steltzen gehet, kan auch sein lück vertretten Lehman florileg. polit. (1662) 2, 525 s. v. mängel; eine stelze von holz hat auch ihren stolz Wander 4, 827; wo die gefahr zu pferde sitzt, da mus die versicherung nicht auf stelzen gehen Butschky Pathmos (1677) 672; ähnlich H. A. v. Ziegler asiat. Banise (1689) 458. hierher auch seit dem 16. jh. verbreitet: die zunge (des trunkenen) geht auf stelzen (vgl. die zunge, die rede hinkt Lexer 1, 1299; Stieler 763; teil 4, 2, 1455): aber ich halt, das sey nit deyn ursach geweszen, szondern das sichs hat tzymet auff ein truncken abent solch latin zureden, zu der tzeit, wen die tzunge auff steltzen geht und die vernunfft mit halbem segel feret Luther 8, 639 W.; ach die beyn wöllen nicht mehr tragen, die sonn will jren schein versagen, die zung geht auff steltzen, sie stottert, der kopf schlottert Fischart Garg. 148 ndr.;
die zungen jm ob der steltzen,
thut von eim ort ans ander weltzen
J. Spreng gürtel d. lebens (1564) 48ᵇ;
in ähnlichen variationen noch bei Burkh. Waldis päpstisch reich (1555) N n 3ᵇ; Friedrich Wilhelm sprichwörterregister (1577) F 1ᵃ; A. Agricola gutes aug (1629) 438; Hebsacker trunk. 38 bei Fischer schwäb. 5, 1729; Aler dict. (1727) 2, 1832ᵇ; Kirchhofer schweiz. sprüchw. (1824) 172; Binder 211.
d)
an stelze 2 'krücke, stütze' anschlieszend: das recht geht oft auf steltzen der ungerechtigkeit Lehman florileg. polit. 2 (1662) 647.
e)
alt ist die redensart einem die stelzen bestreichen, jünger beschlagen in dem sinne 'jem. ans leder gehen, ihm schaden zufügen', vom 13. bis ins 17. jh. verbreitet und heute noch mundartlich. die entstehung der ra. noch nicht befriedigend erklärt:
sî wellent ûf der strâze niemen einen fuoz entwîchen.
hei, solt ich ir einem sîne stelzen dâ bestrîchen!
Neidhart 62, 11 Haupt-Wiessner;
sammir Durinkhart!
in geriuwet diu vart,
widerdröut er mir sô,
daz er bestrîchen wil
mir die stelzen, sô muoz er sich zorndrucke nieten
ebda, s. 255 Wiessner;
nû ist er hie gewaltes rîch,
ob er var mit uns ze Francrîch,
da wirt im sîn stelze bestrichen wol
Ulr. v. d. Türlin Willehalm 163, 11 Singer;
wir süllen von hin entweichen.
man wirt uns di stelz verstreichen,
daz wir uns der arbait nit haben geflissen
Erlauer spiele 3, 930 Kummer;
so mus mans solchen gesellen reichen,
wenn man jhm wil die steltzen bestreichen
M. Hayneccius Hans Pfriem 69, 2140 ndr.;
heute noch mundartlich: dän wär'ch de stelz bestreiche 'seine sache verleiden, sein vorhaben vereiteln' Müller-Fraureuth obersächs.-erzgebirg. 2, 560; auch noch in der Wiener mundart, s. Wiessner Neidharts lieder (1923) 250. — zuͦ Dermolden ... war ein spielmann, der mit seltzam schwencken, bossereyen und gauckelwerck über sich desz orts keinen meister, sondern einem jegklichen die steltzen zuͦ beschlagen wuszt Kirchhof wendunmuth 1, 173 lit. ver.;
wo sind die bawern, grobe ruͤltzn?
ich werd euch noch bschlagn die steltzn:
ihr thut kein gut, ihr böszewicht,
wann man euch nicht zu boden schlegt
Y. Gilhusius grammatica (1597) 73;
es kan einer der lügen besser ein farb anstreichen vnnd die steltzen beschlagen als der ander Lehman florileg. polit. 1, 509; sie kondten ihr begehren fur diszmal an hertzog Wilhelmen nicht erhalten: derhalben gedachten sie ihm anderwerts die steltzen zu beschlagen und brachten bey kayser Maximiliano so viel zwegen dasz er ... hertzog Johann Wilhelmen das halbe hertzogthumb entzoge J. L. Gottfrid hist. chronica (1657) 894ᵇ. ebenfalls noch mundartlich erhalten: ich wer em die steltzen beschlan 'ich werde seinen übermut dämpfen' Schön Saarbrücken 200ᵇ; anem dö sdölze beschlaon 'derb zurecht weisen' Christa Trier. 201. vgl. auch unten stelzenbeschlager, stelzendengler.
f)
auf stelze 5 scheint zu weisen: eyn gansz offir stelcze aucamatuta (i. e. id est lignum super quo sedent gallinae) im voc. ex quo (15. jh. md.) bei Diefenbach gloss. 59ᵇ, offenbar redensartlich.
9)
zusammensetzungen mit stelze als erstem bestandteil erscheinen seit dem 14. jh. (s. u.) in der form stelzen- und stelz-, oft bei demselben wort in beiden formen z. b. stelz(en)fusz, -gang, -läufer, -schritt, stelz(en)beinig u. a. das zweite element ist überwiegend ein substantiv; im breiteren umfange erst seit 17. jh. bezeugt, vorher nur wenige bildungen, z. b. stelzacker (1377); im 16. jh. stelzenhaar; stelzenbeschlager; stelzenschritt. die adjectivcomposita, seit dem 17. jh., treten demgegenüber stark zurück, vgl. z. b. stelzenähnlich, -artig, stelz(en)beinig, stelz(en)füszig, stelzenhaft, -hoch, -mäszig. verbalcomposita sind selten, nur als subst. infinitiv eines verbums der fortbewegung z. b. stelzengehen, -laufen, seit dem ende des 16. jh. von den verschiedenen anwendungen von stelze ist die bedeutung 1 'holzfusz' und 2 'krücke' durch die geläufigen bildungen wie stelzbein, stelzfusz (17. jh.), älter vereinzelt stelzer bein, stelzer fusz (14. jh.), stelzentreter vertreten; die bedeutung 4 'stelzschuh' mit bildungen wie stelzenabsatz, -artig, -mäszig, -fusz, -schuh (17.-19. jh.), die bedeutung 5 'stütze' mit bildungen wie stelzbogen, stelzfenster (16. jh.), -pflug, -rad (19. jh.) u. ä. die weitaus überwiegende menge der zusammensetzungen stellt die bedeutung 'grallae', unter denen neben den eigentlichen wie stelzenschritt (16. jh.), -gänger, -lauf, -macher, -tritt, -fusz u. ä., vor allem der bildliche gebrauch von 6 b β u. γ besonders in der literarischen sphäre hervortritt, schon im 17., besonders aber um die wende des 18. zum 19. jh., vgl. stelzenartig, -ausdruck, -gang, -haft, -hoch, -lauf, -manier, -poesie, -rede, -sprache, -stil, -ton, -werk, -wort u. a. daneben hat die zusammensetzung mit stelzen- im sinne von 7 a im 19. jh. fachsprachliche bedeutung erlangt vor allem für vogelnamen (vgl. stelzenartig, -gänger, -läufer, -füszig, -vogel, -geier, -lerche, -ralle, -füszler u. ä.). gelegentlich greift diese anwendung auch auf andere tiere über, vgl. stelzenechse, -läufer, -tierchen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 14 (1934), Bd. X,II,II (1941), Sp. 2279, Z. 41.

2stelze, f.

²stelze, f.,
vogelname, zumeist für motacilla ripivaga; die übliche erklärung des wortes als übertragung von ¹stelze oder als ableitung von dem verb stelzen, d. h. gespreizt, wie auf stelzen gehen (s. u.), geht zu leicht darüber hinweg, dasz der vogelname bereits im ahd. sicher bezeugt ist, während stelze 'grallae' und das davon abgeleitete verb stelzen 'grallare' erst im 16. jh. erscheint. wahrscheinlich liegt eine alte selbständige ableitung aus der wurzel stel-t- vor, s. u. stelzen vb. für gewöhnlich erscheint der vogelname in zusammensetzungen, zu frühest in wasserstelze, seit dem ahd. wazzirstelza für luscinia, lucilia, ydrox, tappula, fulica (vgl. die nachweisungen bei Gröger compositionsfuge 467), wohl nur obd., heute noch im Elsasz, in Schwaben, in der Schweiz üblich, s. Suolahti vogelnamen 87 f.; teil 13, 2516; ein vereinzeltes altniederdt. waterstelte erwähnt Andresen volksetym.⁷ 7; daneben im ahd. wazzerstellia, -stella, wazzarstelh (statt -stelz? doch vgl. ags. stealc 'steil', aisl. stelkr 'strandkiebitz' zum parallelen stelk- steif), zu beiden formen vgl. auch sp. 2279, s. bei Suolahti 88 und 285. seit dem 14. jh. (vgl. ahd. gloss. 3, 28, 19; 31, 26 St.-S.) ist bis heute am häufigsten, in der schriftsprache und im obd. und md. sprachgebiet verbreitet, bachstelze, s. Suolahti 88 ff.; teil 1, 1063; nur vereinzelt nd. bezeugt: bekesteltje Schambach Göttingen 20. seltener und jünger sind kuhstelze und viehstelze, s. Suolahti 89 und 92; teil 5, 2582 u. 12, 2, 97; vereinzelt beinstelcz, fueszstelcz lucilia voc. d. 14. jh. Diefenbach-Wülcker 2, 226 neben beinsterz lucilia, beinstercza motacilla flava ebda; über sonstige compromisz- und mischformen, insbes. zwischen -stelz u. -sterz, vgl. ahd. gloss. 3, 31, 26 sowie Suolahti 89 u. 90. der zweite bestandteil erscheint auch sonst häufig in der form -stelz, auch als masc., s. Suolahti 88; mit dem pachsteltz Hans Sachs 4, 280 Keller; überwiegend masc. im schwäb. Fischer 1, 562; als feminin. z. b. im Elsasz: bachstelz Martin-Lienhart 2, 594. elsäsz. u. steir. auch bach-, wasserstelzer, m., s. sp. 2302. diesen verbreiteten zusammensetzungen gegenüber erscheint einfaches stelze sehr viel seltener und später und erweist sich somit als secundär:
da war niemand
wedr lerch noch steltz, die mich erkant
Rollenhagen froschmeuseler (1595) a 5ᵃ;
die grauen stelzen liefen die raine entlang
G. Freytag ahnen (1905) 4, 90;
stelzen (motacillinae)
Brehm tierl. 4, 296 P.-L.;
poetisch aus bachstelze zerlegt:
der fink im busch, die kleinste stelz am bach
erwachen früh, sind mehr zum lobe wach
J. Fr. Löwen schr. (1765) 1, 83;
als metonym. übertragung von 'grallae' empfunden: von diesem wippen des schweifes hat der vogel auch bei alten und neuen völkern seinen namen erhalten: bei Griechen κίλλουρος, bei Römern motacilla, bei den heutigen Italienern codatremola, während der Deutsche mit 'stelze' die langen, dünnen beine bezeichnet Wimmer gesch. d. dt. bodens (1905) 379. direct vom vb. stelzen 1 b abgeleitet scheint schwäb. stelze 'die henne' Fischer 5, 1730 und rotwelsches stelzling 'henne' zs. f. dt. wortf. 10, 214.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 14 (1934), Bd. X,II,II (1941), Sp. 2293, Z. 8.

stelzen, m.

stelzen, m.,
s. stelz.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 14 (1934), Bd. X,II,II (1941), Sp. 2294, Z. 1.

stelzen, vb.

stelzen, vb.,
auf stelzen gehen, hinken. da in den obdt. mundarten mit altem ë, denominativum von stelze und nicht wie schwed. stulta einhertrotten, watscheln, norw. dial. stultra, stiltra mit steifen beinen gehen, absteifen, dän. stylte wackelnd gehen, ags. styltan erstaunt, verdutzt sein (eigentlich steif sein), mnd. stulten, stolten dick, fest werden, gerinnen (eigentlich steif werden), ostfries. stoltern unsicher, stolpernd gehen, mhd. stolzen 'hinken' eine bildung aus der wurzel stel-t- direct (s. u. 1 a). der denominative charakter wird bes. deutlich in der bedeutung 2. weiteres s. unter stelze.
1)
intrans.
a)
auf einem stelzbein oder auf krücken gehen; eigentlich: gipsare steltzen, auf steltzen geen voc. 1482 bei Diefenbach gloss. 263ᵃ; stelzn krumm, auf etwas gestützt gehen Lexer kärnt. 240;
wer überwill, der überweltzt,
bisz er wol gar an krücken steltzt
lieder auf den winterkönig 301 Wolkan;
ich (der alte soldat) wurd des glückes ball, must wie das glück umweltzen,
mich lassen richten zu, dasz ich nun brauch ein steltzen.
steltz ietzt vors bauren thür im land von haus zu haus,
bitt den ums liebe brot, den ich so offt jagt aus
Grimmelshausen 2, 5 Keller;
dann stelze ich an dieser krücke nach Versailles C. F. Meyer nov. (1891) 2, 227; er stelzte mit einem künstlichen klumpfusz C. Bulcke kampf des landrichters Kummacher (1912) 123. von Saturn, der als stelzfüszig vorgestellt wurde (vgl.: sein [eines bösartigen profossen] bildnus sahe natürlich aus wie uns die mahler und poeten den Saturnum vorstellen; auszer dasz er weder steltzen noch sensen trug Grimmelshausen 1, 295 Keller; sowie stelzenfusz und stelzentreter als bezeichnungen Saturns unten sp. 2297 u. 2300):
Saturnus steltzt bey zeiten dar,
dann er nit wol beritten war
Caspar Scheit frölich heimfart m 2ᵇ;
Mercur, der götter bot, auf wolcken kömt gefahren;
der kinderfresser (Saturn) steltzt: das wächsern bruderlicht (Castor und Pollux)
versilbert bei der nacht der schwester horngesicht (des mondes)
J. Klaj engel- u. drachenstreit (1645) d 3ᵃ;
Saturn steltzet erst in dreiszig jahren umb den gantzen himmel
Fischart groszmutter in Scheibles kloster 8, 589;
angesehen des Saturni steltzende retrogradation würd ein krippel vnd krummer vnflat im spittal sterben, vnd werden die erben nit viel vmb das erb werben
ders. groszmutter 9 ndr.
zuweilen in enger zusammenstellung mit hinken:
will er kratzen, sy will reyssen!
will er fartzen, sy will scheyssen!
will er essen, sy will trincken!
will er stältzen, sy will hincken!
Cl. Hätzlerin liederbuch 219 Haltaus;
weltkinder rennen zur höll, christen steltzen vnd hincken zum himmel Lehman florileg. polit. (1640) 908. in erweiterter bedeutung 'hinken' schlechthin, auch ohne dasz eine stelze benutzt wird:
ich sihe, das er dort ligt im bedt
vnd kan nit steltzen oder gon,
in wil das podagra nit lon
Murner luther. narr (1522) 2;
Juno schoͤpfet Tritons flut,
uns mit regen zu verehren.
Mulciber (Vulcanus) stelzt üm den herd,
weil Zeus heischet donnerwaffen
Birken Guelfis oder niedersächs. lorbeerhain (1669) 402.
ähnlich vom hüpfen auf einem bein: und da er nahend kam zu der burg des königs, legt er sein recht bein auff den hund und steltzet er dahin, also kam er halb geritten, halb gegangen buch d. liebe (Frankfurt 1587) 302ᵃ (in der form mit dem andern fuoz stolzet er dahin gesta Roman. 41 Keller); vgl. dazu auf eim fuesz stelzen für das griech. ascoliasmus, Empusae ludus voc. von 1618 bei Schmeller-Fr. bair. 2, 754. gelegentlich in bildlicher anwendung: es ist noch immer das alte teutsche mit allerhand flickwörtern so zermartert worden, dasz manche wörter nur auf den letzten teutschen sylben daher steltzen Praun adel. geschl. in den reichsstädten (1667) 127; von der zunge des trunkenen, vgl. stelze 8 c: mein zung schelt sich, meine entenschnaderet, meine steltzet, landmann trink, trink, trink Fischart Gargantua 153 ndr.;
fast jeder schneider will itzund leider
als sprachenkündig sein und redt latein;
welsch und französisch, halb japonesisch,
wann seine zunge steltzt und von dem wein beschmältzt
Joh. Riemer d. trunkene träumer (1684) 366.
b)
'auf gehstelzen schreiten, grallare'; im eigentlichen sinne nach stelze 3 a u. b zufällig nur wenig bezeugt: steltzen, auf steltzen gehen grallis incedere Dentzler clav. ling. lat. (1716) 275ᵃ; Martin-Lienhart elsäss. 2, 594ᵇ; Fischer schwäb. 5, 1730; laszt man doch sie (kinder) lenger auff der gassen umblauffen im winter zu stelzen oder sleyffen (a. d. j. 1526) bei Fischer a. a. o. im anschlusz an stelze 4:
wer wirft sin alten schuͦ hinweck,
der muͦsz dick steltzen blosz im kat,
wann er nit vor die nüwen hat
Seb. Brant narrenschiff 42 Zarncke;
in ähnlicher anwendung, doch im anschlusz an 'grallae', heute nur auf grund einer übertragung 'mit langen steifen schritten schreiten' möglich:
durch hundert kleine wassertruhen ...
zu stelzen mit den gummischuhen
die (rinderherden) müssen da (im Harz) über manchen langen, moorigen und oft sumpfigen und klippenreichen waldgrund stelzen J. G. Kohl dt. volksbilder u. naturansichten (1866) 216; oder im vergleich: der gelbe sarg wanderte durch die menge getragen von sechs männern. es schien, als stelze er auf diesen vielen dunkelen beinen durch den schnee B. Kellermann der tor (1905) 55. üblicher ist die übertragung wie bei stelze 7 a im hinblick auf die langen, dünnen beine des schreitenden, vgl. elsäss. stelzen 'hin und her schreiten mit langen beinen' Martin-Lienhart 2, 594ᵇ; ... worauf der spindelbeinige über den weg stelzte Anzengruber ges. w. 3, 171. vor allem von hoch- und dünnbeinigen tieren, insbes. von vögeln gesagt:
der storch durchs ried hochbeinig stelzt
Geibel werke (1883) 4, 27 Cotta;
wie er dem storchenpaar zuschaute, das ... stillernst durch die wiesen stelzte B. Auerbach schr. (1892) 14, 22; vom hahn O. J. Bierbaum ges. w. 1, 173; das kameel stelzt frischer dahin, wenn die zugglocke läutet Brehm tierleben 1, 17 P.-L.; bildlich: ich zählte die ganzen, halben und viertelstunden, die in meinen fieberartigen visionen ... mit langen spinnenbeinen über die häuser stelzten J. Lauff Pittje Pittjewitt (1903) 521. im vergleich: oder vollends ich, der wie ein storch von einem maulwurfshügel zum andern stelzte A. v. Droste-Hülshoff werke (1879) 2, 320 Sch.;
sie stelzt wie ein reiher
dürrbeinig im sand
Victor Scheffel 6, 113 Prölsz;
er stelzte wie ein hahn daher, sein rundgesicht lachte E. E. Dwinger wir rufen Deutschland (1932) 40. sonst vom menschen häufiger gebraucht als ausdruck eines steifen und stolzen sich bewegens und benehmens, vgl. stelze 6 b β und γ:
sie stelzen noch immer so steif herum,
so kerzengrade geschniegelt
H. Heine werke 2, 435 Elster;
Merkel, der immer daher gestelzt kommt, als ob er einen stock verschluckt hätte E. E. Dwinger zwischen weisz und rot (1930) 368; und eher hätte in Rheinsberg ein frosch in die zimmer (des kronprinzen) gefunden, als dasz die stelzende würde hineinkam W. Schäfer d. 13 bücher d. dt. seele (1925) 305; anthropomorph auch wieder von vögeln: eine (magd) von ihnen wäre beinahe über den alten pfau gestolpert, der im hofe auf und ab stelzte M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. 5, 17; 'affectiert einherschreiten' Schmeller-Fr. bair. 2, 754; jung gestelzt, alt gehinkt Wander 4, 428; mehr im sinne eines stakigen oder wuchtigen schreitens: (er) stutzte und stelzte sodann auf die andere seite der strasze hinüber Anzengruber 4, 223; erbost stelzte herr Leisegang aus dem laboratorium L. Frank d. räuberbande (1914) 195; zorn übermannte den schuhflicker, gewaltig stelzte er in seiner werkstatt hin und her Hans Watzlik d. alp (1914) 243. abgegriffener: ich stelzte ganz besinnungslos anderthalb stunden in der stadt umher, ohne meine wohnung finden zu können C. L. Costenoble tagebücher (1818) 2, 67; vom abgemessenen tanzschritt: stelzen die zierlichen jungfrauen aus Numidien ihren geselligen tanz J. G. Kohl reisen in Südruszland (1841) 2, 142. wie stelze 6 b β und γ gern von steifer schwülstiger sprache:
auferstehn wird er im liede
und sein ruhm wird kolossal
über diese erde stelzen
H. Heine werke 2, 415 Elster;
mit verdeutlichung des bildes durch hereinnahme des eigentlichen gebrauchs: die wirklichkeit ist ihnen (den schlechten geschichtsschreibern) nicht schön genug ... auf hochtrabenden, aus aller welt sprachen zusammengeplünderten wörtern wollen sie dann durch den unflat stelzen Fr. L. Jahn werke 1, 256 E.
c)
lokal beschränkte einzelbedeutungen; im anschlusz an stelze 5: 'den schlitten stehend mit hilfe einer unten mit stift versehenen stange fortbewegen' Fischer schwäb. 5, 1730; im nd. (Helgoland) stelten dorsche fangen Frommann deutsche maa. 3, 32, vgl. stelze 5 f.zu stelze 7 d: ein juchart acker stelzot am Phlumarweg Buck flurnamenbuch 269 (beleg von 1343); auch reflexivisch: 'sich an einen acker stelzen sagt man von einem anstoszenden acker, der unten schmäler oder gar spitz ausläuft' J. J. Spreng id. Raurac. in Alemannia 15, 221.
2)
transitiv. 'mit stelzen versehen, stützen, steifen', vgl. stelze 5. seltener als das intransitivum. mundartlich: stelzen 'stützen' Schöpf tirol. 705; unterstelzen 'stützen' Schmeller-Fr. bair. 2, 754 (beleg v. 1591); 'unterstützen' Lexer kärnt. 240; Rovenhagen Aachen. ma. 141; 'mit stelzen versehen' lux. maa. 423ᵃ; technisch, vgl. auch stelzbogen, stelzfenster sowie stolzbaum teil 10, 3, 284: stelzen 'ist die hochstellung eines bautheiles durch einzelne steifen, stelzen' Schönermark - Stüber hochbaulex. (1902) 798; gestelzt, gebürstet, überhöht ... 'stilted ... heiszt ein bogen, dessen schenkel unterhalb der widerstandslinie lothrecht verlängert sind' Otte archäol. wb. 82; schon jene modernen souterrains mit wohnungen halb unter der erde und kellern halb über der erde, sind sie natürlich? wenn dann bei einer villa von dem so in die höhe gestelzten erdgeschosz eine breite anspruchsvolle freitreppe herabführt ... ist das nicht ebenso unnatürlich als eitle prunksucht V. v. Strausz lebensführungen (1888) 2, 279; in der vorderen stuben ... auch gesteltzt venster ... machen Fischer schwäb. 5, 1730 (quelle v. 1539). stelzen in der bedeutung 'steif machen, spreitzen': auf dem boden trägt sie (die nachtigall) sich hoch aufgerichtet und springt, den schwanz gestelzt, mit förmlichen sätzen Brehm tierleben 4, 45 Pechuel-Lösche. occasionell als zeugma: jedes wort fein hübsch gestiefelt und gestelzt Lichtenberg verm. schr. (1800) 4, 373.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 14 (1934), Bd. X,II,II (1941), Sp. 2294, Z. 2.

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Zitationshilfe
„stelzen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/stelzen>.

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