Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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nichts

nichts,
das negierte ichts (th. 4², 2035), hervorgegangen aus dem mhd. genetiv nihtes (md. nichtes), der dem substantivischen niht zur verstärkung und verallgemeinerung vorangesetzt wurde: nihtes niht, nihtesniht, ganz und gar nichts, durchaus nichts. schon im 14. jahrh. beginnt niht zu schwinden, so dasz der blosze genetiv nihtes, nihts übrig bleibt und in allen casus den begriff nihil ausdrückt (gramm. 3, 67 f. 777): dâ wil ich nihts von sprechen. Megenberg 61, 24; und (er) traht nihts auf die vanknüss. 176, 10; und würkent nihts. 289, 3; nichtes ze tun noch ze schaffen. städtechron. 4, 137, 14 (vom j. 1368); ir hettet uns umb seinen willen nichtes verschriben. 261, 20 (vom j. 1418). doch kommt daneben noch lange die verbindung nichtsnicht vor, s. dasselbe.
n: die unverkürzte form nichtes hat sich neben nichts bis in den anfang des 18. jahrhunderts erhalten, wofür die folgenden beispiele genug belege aufweisen. durch ausfall des t, ch oder durch nasalierung entstehen verschiedene nebenformen: nichs Wittenweiler ring 30, 12. Zimm. chron. 1, 358, 10. 391, 12. 4, 239, 5. 7 u. oft, Schade sat. 3, 145, 27. 169, 24. 177, 9, nichsz Eulensp. 106, nix (: crucifix) Ayrer 2352, 26. Faust, puppensp. 32 Schade, baier.-österr. nix, nicks (oberpfälz. necks Schmeller 1, 1719), nix nex, nigs negs auch in schwäb.-alem. gegenden Weinh. alem. gr. § 322. Schmid 404, nd. nicks, niks Dähnert 329. Richey 174. Danneil 147ᵃ, henneb. niss Spiesz 172, nütis (s. nüt für niht oben sp. 690) Schreiber urk. 1, 79, verkürzt nüts (Brant vorr. 38. 103, 103), nütz Megenberg 196, 28. 197, 19. 210, 23, nütz, nutz Dief. 380ᵃ. nov. gl. 264ᵃ, besonders alemannisch, s. Brant 81, 47. N. Manuel Barbali 1993, von papsts und Christi gegensatz 197. Th. Platter 10. 19. 101 u. s. w. Tobler 338ᵇ, allgäuisch niez Birlinger 355ᵃ, nasaliert ninx Schwabe tintenf. 38. Höfer österr. wb. 3, 287, alem. nüntz monum. Zoll. 1, 501. Weller dichtungen des 16. jahrh. 112, schwäb.-alem. nünz, nunz, nenz Weinh. alem. gr. § 322. Schmid 404. Seiler 225ᵇ.
Gebrauch.
I.
substantivisches zahlpronomen, nicht irgend etwas, nihil; oft zusammengestellt mit dem gegensatze ichts (th. 4², 2036): nil, nichts Aventin. 1, 449, 16; von dem lobe und würde desz wörtlein nichts handelt Schuppius 402—413.
1)
im nominativ als subject oder prädicat: was nichts ist, das betreugt niemand, aber wer auff das trawet, das nichts ist, der hat zwaierlei schaden. Luther 3, 300ᵃ; dir ist nichts gleich. ps. 40, 6; mein leben ist wie nichts fur dir. 39, 6; der gottlosen hertz ist nichts. spr. Sal. 10, 20; daran nichts zu gewinnen wär. Aventin. 4, 344, 28; das ist nichts (ist unbegründet). Schertlin briefe 12;
es kan ihm hinfort nichtes glücken,
weil er der falschen lehr anhengt.
Pape christ. sors F 5ᵇ;
darumb mir nichtes mangeln wird
an irgend einem gute.
Ringwald geistl. lied. E 3ᵇ;
auf dieser welt ist nichts, das stärker wird getrieben,
auf dieser welt ist nichts, das billich mehr wär blieben
alsz auszgezeumte brunst und ungeordnet lieben.
Logau 1, 3, 77;
es gilt iezt nichts so hoch als nichts.
5, 89;
nichtes wird euch abe gehn.
3, zugabe 77;
und wissenschaft ist nichts, o gott, für deinen preis.
S. Dach 262 Öst.;
nichts ist zu hoffen, nichts zu werben.
323;
der ich erkennet, die welt sei nichts und nichts die pracht.
809;
nichts! nichts ist, das nicht noch heute
könt in eil zu drümmern gehn.
Gryphius trauersp. 71 Palm;
drum wil ihm nichtes taugen.
Neumark lustw. 1, 70;
wenn wir der sprache unser vorfahren nachdenken, ist meiner meinung nach fast nichtes, das man aus der jetzigen sprache nicht solte erkennen lernen. Micrälius 1, 124; wo nichts ist, da hat der kaiser und der bischoff sein recht verloren. Schuppius 404 (vgl. Wander 3, 1019);
dem nichtes, hat er gleich nichts in besitzung, fehlt.
ist nichtes gegen dem, was deine klugheit zeigt.
185;
nichts ist, das euch erdrückt, nichts ist, das euch erhebt.
Haller die alpen 479;
gewiss soll mich künftig nichts aufhalten. Geszner 2, 145; wie wenig, wie nichts fehlte. Lessing 2, 52; es ist nichts, nichts als worte ohne sinn. 8, 130; nichts war natürlicher, als. Göthe 21, 6;
und jene herrlichkeit wird nichts.
1, 48;
sonne kann nicht ohne schein,
mensch nicht ohne liebe sein.
nichts nichts ist und nichts nichts giebt,
alles ist und alles liebt.
5, 244 H.;
wo nichts ist, da kommt nichts raus.
H. L. Wagner 367 Sauer (vgl. Simrock sprichw. 406);
nichts kann des raschen worts,
nichts kann ihn seines schwurs entbinden.
Wieland Oberon 6, 103;
und alles was dir bleibt, ist nichts, so lang
das schöne all der töne fehlt und farben.
Schiller 11, 50;
du hast ja küch und keller voll,
nichts fehlt in deinen schränken.
214;
es liegt an eines menschen schmerz, an eines menschen wunde nichts.
Platen 2, 52.
2)
im accusativ als object (vgl. III, 1), z. b. er vand nichtz. Tristrant 146, 18 Pfaff; die Wittenberger wissen nichtes drumb. Luther 3, 60ᵇ; das er nichts findet. 300ᵃ; denn wir sind von gestern her und wissen nichts. Hiob 8, 9; denn wir haben nichts in die welt bracht (goth. ni vaiht auk brahtêdum in þamma fairhvau), und wir werden auch nichts hin aus bringen. 1 Tim. 6, 7; wir sind üch nütz schuldig. Th. Platter 19;
wir haben nichtes ausgericht.
Pape christ. sors L 2ᵃ;
wenn ich west, das sie nichtes wolt,
sie mich her nicht bracht haben solt.
Ayrer 2776, 2;
ich will dir, königin, nichts bergen auf der welt.
Opitz 1, 302;
wer nichts glaubt, glaubt gar zu wenig; wer alles glaubt, glaubt gar zu viel.
Logau 2, 8, 68;
weil ich sonst nichtes finden kan,
das mich kan tragen himmel-an.
Neumark lustw. 10;
der mensch hat nichts so eigen.
S. Dach 707 Öst.;
reden sie denn nichts? Lessing 1, 268; wer nichts hat, der kann nichts geben. 7, 427; aber besorge nichts. Wieland 27, 199;
o du, der nichts begreift und alles will erklären.
die natur der dinge 3, 177;
's ist auch eine rolle, sie trägt nichts ein.
Göthe 2, 297;
wer nichts wagt, der darf nichts hoffen.
Schiller 12, 31 (Wallenst. lager 7).
3)
nichts denn, nichts als (subjectiv oder objectiv), blosz, nur:
doch bedeut es nichts denn beute.
Logau 1, 1, 25;
hier ist nichts denn trost und wonne
.. hier ist nichts denn freud und sonne.
Gryphius trauersp. 151 Palm;
trollt euch, die ihr nichts als träumer,
nichts als sauer sehen könnt.
S. Dach 421 Öst.;
und euer leben ist nichts als ein langer schlummer.
Haller die alpen 470;
sie lehren nichts als lieb und zeigen nichts als hasz.
die falschh. menschl. tug. 66;
ich verdiene nichts von dir als hasz und abscheu. Geszner 1, 44; ich habe nichts gethan, als eine krisis beschleunigt. Schiller 4, 38; in den provinzen erblickt er nichts als zerrüttung und elend. 143.
4)
nichts als dativ: ich bin nichts feinders (lies feinder) als .. den mauskopfischen henkern. alam. technol. interim 210.
5)
nichts ist abhängig von einer den dativ oder accusativ regierenden präposition, an nichts:
ich bin an nichtes mehr, als nur an mangel reich.
Fleming 117 (105 L.);
Herodes liesz es an nichts ermangeln, wenn sein geburts-tag anfiehl. Butschky Patm. 51; dasz ich an nichts anders denken kann und mag. Lessing 12, 288; hier habe ich an nichts zu erinnern. Bürger 384ᵇ; an nichts tragen die menschen schwerer als an der achtung .., die sie für die .. tugenden anderer fühlen müssen. Klinger betracht. 3, 143;
und wer nun obendrein nichts weisz,
der denkt an nichts, den macht nichts heisz.
d. j. Göthe 1, 102.
auf nichts: sie .. trawet auf nichts. Luther 3, 300ᵃ;
ich hab mein sach auf nichts gestellt.
Göthe 1, 145;
es ist ein pfeil, von nichts auf nichts geschossen.
Tieck Cymbelin 4, 2;
dasz das ganze unternehmen auf nichts hinaus laufe. Mörike Nolten 360. — aus nichts: dis hat gott alles aus nichts gemacht. 2 Macc. 7, 28; also entsprieszet sich nichts aus nichts. Schuppius 402;
er rief geister aus nichts, ich, geist, gedanken
aus nichts hervor.
Herder 1, 420 H.;
aus nichts wird nichts. Simrock sprichw. 404. — durch nichts: durch nichts zu bewegen sein, durch nichts sich abhalten lassen u. s. w. — für nichts: dann hebt er an das alles zu verschmahen und es für nichts schätzen. Keisersb. pred. 5ᵇ; in allen seinen tücken helt er (der gottlose) gott für nichts. ps. 10, 4; aber rechnen sie für nichts, so viel menschen zu sehen? Wieland 19, 100; besonders in der redewendung für nichts und wieder (für) nichts, ganz ohne grund oder ohne erfolg, vergeblich, umsonst (vgl. um, wegen nichts und wieder nichts): aber wozu mich, für nichts und wieder für nichts, sechs wochen auf die folter spannen? Lessing 12, 384; der für nichts und wieder nichts, weder zum vortheil der wahrheit, noch des wohllautes, eine orthographie einführen will. Lichtenberg 4, 298; dasz sie mich so oft in sorgen lassen für nichts und wieder nichts. Göthe 11, 97; die kleine närrin möchte mit jedem durch die welt laufen, für nichts und wieder nichts. 21, 136; ebenso für null und nichts: glauben sie denn, dasz es einmal einer ehrlichen seele keine gewissensbisse verursachen musz, wenn sie ihre herrschaft für null und nichts (ohne alle ursache) betrogen hat? Lessing 1, 286. — in nichts: mich deucht, auch die parten hetten sich in nichts zu beklagen. Kirchhof mil. disc. 256; alle verhältnisse scheinen in nichts zu verschwinden. Göthe 15, 84; er ist in nichts ein muster und in allem ein andeuter und erwecker. 49, 126;
zu ernsthaft
hats angefangen, um in nichts zu enden.
Schiller 12, 384 (Wallenst. tod 5, 5).
mit nichts:
ich war mit nichts zu beugen.
Fleming 114 (103 L.);
(er) ist mit nichts weniger zufrieden als mit unsern bisherigen religionsunterrichten. Lessing 10, 172; mit nichts bereitet man sich gut auf die fasten. Simrock sprichw. 405; mit nichts kann man kein haus bauen. 406;
ein leichter ding doch möcht es sein, mit nichts
ins feld zu stellen sechzig tausend krieger.
Schiller 12, 220 (Wallenst. tod 1, 5).
nach nichts: nach nichts streben, verlangen u. s. w.;
(der) nach nichts hat als nach fridt getracht.
Ayrer 118, 20.
über nichts: ich werde dich über nichts tadeln .. mein sohn, über nichts. Gutzkow ritter (4. aufl.) 8, 261. — um nichts: er thu nichts zu dienst und lasse sich um nichts bekümmern. Alpinus Vergil. 2ᵃ;
indem man pflegt um nichts bemüht zu sein.
Opitz (1645) 3, 578;
so flehn sie ...
.. um nichts als weiszheitsgüther.
um nichts, verstärkt um nichts und wieder nichts, umsonst und um nichts mit der bedeutung von für nichts und wieder nichts: man ist kein filosof um nichts. Wieland 6, 74;
wie oft sind wir um nichts
berg-auf, berg-ab gestiegen, sind gegangen
nur um zu gehen!
Göthe 10, 303;
erst verwundt' ich euch um nichts und wieder nichts. 57, 210; da haben logen und parterrs um nichts und wieder nichts geklatscht. Hermes Soph. (1776) 3, 216;
wir hetzten am Skamander
um nichts und wieder nichts die helden aneinander.
Wieland 5, 193;
dasz er ... lieber einen separatfrieden machen, als seine schönen felder ... umsonst und um nichts den verheerungen von feinden .. länger preis gegeben sehen will. (1850) 34, 251. — von nichts: auf erden wissen wir von nichts schönes zu sagen denn von gold, perlen und edelgestein. Mathesius Sar. 54ᵃ; von nichts kommt nichts. Simrock sprichw. 405;
wenn R. von nichts als sturm und schlachten spricht.
nirgends eine welt von nichts.
Göthe 5, 244 Hempel;
es ist ein pfeil, von nichts auf nichts geschossen.
Tieck Cymbelin 4, 2.
wegen nichts, auch verstärkt wegen nichts und wieder nichts, wegen nichts und aber nichts (Gotthelf schuldenb. 183), wie um nichts und wieder nichts. — zu nichts: sie hat den willen zu allem oder zu nichts. Gryphius lustsp. 525 Palm; zu nichts machen (vernichten). Simplic. 2, 115, 16;
du solltst in der erden
zu staub .. zu nichtes werden?
Brockes 1, 218;
wär es uns zu nichtes nütz.
9, 32;
ja schlaf nur! .. du bist zu sonst nichts nütze.
Stoppe neue fabeln 1, 261;
tod! du kochst in mir mein feuer zu asche,
den gedanken zu nichts, den wunsch zu nichts.
Herder 1, 420 H.;
weitläuftigkeit ... wird zu nichts helfen. Klopstock 12, 172; was uns zu nichts nützt. Kant 1, 368;
sie halfen mir zu nichts.
Wieland der neue Amadis 17, 27;
führt alle diese zurüstung (der astrologie) zu nichts.
Schiller 12, 235 (Wallenst. tod 1, 7).
6)
nichts mit einer apposition.
a)
die apposition ist ein substantiv oder pronomen im theilungsgenetiv oder mit von, an: davon sie viel unglücks und nichts glücks haben. Luther 1, 25ᵇ;
nichts dessen, was zugegen.
S. Dach 256 Öst.;
dasz ihr holdseelig gemüte
nichts gewuszt von tyrannei.
604;
(so hat) er meines bruders, meines Assad, nichts.
Lessing 2, 355 (Nathan 5, 8);
warum haben wir nichts davon gehört? Göthe 15, 108; von der bewegung des blutes habe ich nichts bemerken können. 30, 75; die augen verlieren nichts an ihrer stärke. ebenda.
b)
ein substantivisch gebrauchtes adjectiv, dessen genetiv aber nhd. als ein mit nichts übereinstimmender casus aufgefaszt wird, weshalb die apposition auch im dativ stehen kann (nichts gutem nachgehen; zu nichts besserem bestimmt sein; mit nichts anderem sich abgeben u. s. w.): ob er schon eitel lugen und nichts redlichs aufbringt. Luther br. 1, 547; dieweil sie nichts pös besorgten. Aventin. 4, 323, 23; ob ich nichtes alles zu flicken hette. Lazarillo de Tormes 45;
in mir sei nichts edels oder guts.
H. Sachs 4, 248, 30;
nichts guts hab wir hie in dem walt.
Ayrer 1085, 4;
ich werde dich nichts böses lehren.
es ist dieses nichts unmögliches. Rabener (1755) 1, 61; geschieht nichts lächerliches in der welt? Lessing 7, 102; sie ahnden nichts gutes. Klinger betracht. 2, 118; er hat mir nichts leides gethan. Lenz 74, 11 Sauer; es ist bei der ganzen kunst nichts unbedeutendes. Göthe 15, 60;
nichts heiliges ist mehr.
Schiller 11, 318;
nichts rasches, vater!
12, 189 (Piccol. 5, 1);
nichts anders (ander ist eine alte comparativbildung th. 1, 305): es wird doch nichts anders draus. Luther 8, 8ᵇ; sonst thun sie nichts anders. 55ᵇ; hie ist nichts anders denn gottes haus. 1 Mos. 28, 17; habe ihnen nichtes anders .. zu essen geben. Schuppius 298;
nichts anders wündsch ich zu ereilen.
Opitz 1, 119;
nichts anders bleibt uns übrig.
Schiller 12, 241 (Wallenst. tod 2, 2);
nichts schöneres, nichts besseres u. s. w.; es ist nichts schedlichers denn ein ... heuchlischer rathgeber. Luther tischr. (1567) 66ᵃ; wir Teutschen fürchten nichts üblers, dan es werd ein fart der himel auf uns fallen. Aventin. 4, 345, 8;
Rom hat schöners nichts geschaut.
Opitz 2, 72;
ich bin nichts bessers werth;
drum ist mir auf der welt nichts gutes mehr bescheert.
Stoppe neue fabeln 1, 29;
dann singe gott und Friederich,
nichts kleiners, stolzes lied.
Gleim kriegsl. 1, 34 neudruck.
c)
nichts mit einem adverbialen comparativ nichts mehr (theil 6, 1876. 1881), nichts weniger, minder, leichter, besser u. s. w., wie lat. nihilo magis, nihilo minus u. s. w.: zu nichts minder. Logau 3, 5, 73; nichts minder nachdenkliche sachen. Butschky kanzl. 65;
nichts leichter als dem dürftigen schmeicheln.
Göthe 1, 263;
es ist nichts weiter.
Schiller 12, 182 (Piccol. 5, 1);
nichts mehr als blosz, einzig nur: dieweil einem herrn nichtes mehr als die warheit zustendig. Amadis 325 K.; wenn du nichts mehr .. geworden wärst als das leibhaftige konterfei deines eltervaters. Lenz 4, 25 Sauer; gegensatz nichts weniger als (denn): die welt kan nichts weniger ertragen denn gute tage. Luther tischr. (1567) 65ᵃ; er ist mit nichts weniger zufrieden, als mit. Lessing 10, 172; hätte ich keine andere zwecke mit ihm gehabt, als ihn zu einem leidlichen bürger von Athen zu bilden, so war freilich die hoffnung dazu nichts weniger als verloren. Wieland 27, 98; es fehlt mir hiezu nichts weniger als alles. Göthe 25, 16; wenn auch der mensch ... nichts weniger denn eine solche verwandschaft ahndet. Schiller 4, 62; ich versichere ihnen auf mein wort, dasz ich nichts weniger als verstimmt bin. H. Heine 21, 285. nichts weniger ohne als s. 7, b. Die verbindungen nichts weniger, nichts minder oder nichts desto weniger, nichts desto minder (auch zusammengerückt nichtsweniger, nichtsdestoweniger, nichtsdestominder) sind dem lat. nihilominus (franz. néanmoins) nachgebildet und dienen zur nachdrücklichen hervorhebung eines adversativsatzes (trotzdem, dessenungeachtet, gleichwol).
α)
nichts weniger, nichts minder (ahd. nêowihti min, nihilominus. glossen 1, 214, 12), nun veraltet: es ward doch nichtsweniger tagfahrt angesetzt. Schweinichen 1, 115; haben viel tage still gelegen und nichts weniger auch sehr getrunken. 145; nichts minder landeten wir. Schaidenreiszer 36ᵇ. 38ᵃ. Heilman Thuc. 247; auch nichts wenigers, nichts minders (also genetiv des adjectivischen comparativs 6, b):
nichts wenigers er verkauffen thut
ein stuck nach dem andern hie.
H. Sachs 14, 279, 4;
nichts wenigers gehet es mir sehr zu herzen, das. Butschky kanzl. 115; der geneigte wille solches zu verrichten, bleibet mir nichts wenigers. 188 u. o.; nichts minders. 892.
β)
nichts desto (des, dest, deste, dester) weniger, minder (s. th. 2, 1027. 1031. 1032. 1034): es kere sich derselbe mensch auf was sach er woll, nichts desterminder hat sein herz ein belangen nach gott. Keisersberg pred. 5ᵃ; nüt desterminder so gond die planeten iren gang hinder sich wider den zug des obren himels. seelenp. 197ᵇ; nichts dest weniger richt der von Iselstain séin sach ... aus. Wilw. v. Schaumb. 111; und nichts dester minder fertiget er si redlich ab. Aventin. 4, 345, 19; nichtsdestminder liesz er sich die Römer überreden. 1002, 6; nütdestminder, nihilominus Frisius 868ᵇ; nichtsdesterweniger hat sie glich des andern tags ... dem burgermaister ... geschriben. Zimm. chron. 1, 197, 24; hat doch nichtsdestominder seine lehre .. ein wirdig ansehen behalten. Kirchhof wendunm. 440ᵃ; nichtes desto weniger kondte er ihn nicht hiermit erschrecken. Amadis 126 K.; nichts desto weniger liesz der könig sie ... hinweg tragen. 344 u. oft; nicht des weniger muszt er es geduldig tragen. Fischart ehzuchtb. 37; nichts desto minder folgstu dem rath der schlimsten teufel. pers. baumg. 9, 14; flammen nichts destoweniger rächerische blitze von meinem herzen. Heinse Ardingh. 1, 246;
nichts desto minder schwillt zusehens ihr kontur.
Wieland 18, 135.
7)
elliptisch steht nichts
a)
fragend:
gräfin. gott! was .. ist geschehen?
Wallenst. nichts! laszt uns gehen.
gräfin. nichts?
Schiller 12, 283 (Wallenst. tod 3, 6).
b)
verneinend, abwehrend (vergl. III, 2 und nicht B, 7, c, α):
H. was hast aber du darzu gsprochn?
J. o nichts.
Ayrer 131, 10;
'was meint ihr mein vater?' nichts mein kind. Göthe 11, 2, 188 H.; 'läszt sich nichts davon wegplaudern?' nichts. Schiller 3, 147 (Fiesko 5, 10);
Max. was hast du denn gegen deinen vater?
Thekla. ich? nichts.
12, 145 (Piccol. 3, 5);
verstärkt nichts, nichts: 'was bedeutet dein zurückkommen?' nichts, nichts. Lenz 33, 33 Sauer;
nix, nix! du willst mich betrügen, schütz!
Schiller 12, 18 (Wallenst. lager 3);
was ist geschehn? nichts! nichts!
Chamisso (1872) 2, 283;
nichts mehr: Miller. und von der geigerstochter soll man reden auf vier meilen weit — Ferdinand. nichts mehr! nichts mehr! um gottes willen schweig er still! 3, 493 (kab. 5, 6); nichts mehr! kein wort mehr! Lenz 73, 36 Sauer. — nichts weniger (die vergleichung mit als ist aus dem vorhergehenden zu ergänzen, vergl. 6, c):
'allein die scheere sollt ich glauben,
die könnten sie mir wohl erlauben?'
nichts weniger; was dich verletzen kann,
sieh niemals als dein spielzeug an.
Gellert 1, 268;
'nun wird die frau doch ruhig sein?'
nichts weniger.
218;
nun bist du ja ein reicher mann! —
nichts weniger.
Gotter 1, 162;
allein ihr wähnt, es hab ihm ...
der priester wenigstens den tempel aufgeschlossen? ...
nichts weniger.
168;
aber man musz diesz nicht so verstehen, als ob die vorstellung des todes, wenn sie mit erhabenheit verbunden ist, diese erhabenheit durch die idee der unsterblichkeit erhielte. nichts weniger! Schiller 10, 136.
c)
in der sprichwörtlichen wendung mir nichts dir nichts, ohne mir und dir zu schaden (nec mihi nocet, nec tibi Stieler), ohne rücksicht auf mich und dich, ohne sich beirren zu lassen oder zu bedenken, ohne weiteres (vergl. Wander 3, 1021): bei den zeitungsschreibern haiszts mir ninx, dir ninx: die tractirt mer wie seins gleiches. Schwabe tintenf. 38;
der (wassereimer) liesz sich füllen, liesz sich leeren, mir
nichts, dir nichts.
Lessing 2, 263 (Nathan 3, 2);
während ich diesz niederschreibe, tragen die leutchen, mir nichts dir nichts, die betten zusammen, auf denen die kleine Margot ... ruhen soll. Thümmel reisen 2, 263; so war ich in zwo minuten neben dem kerl, der ganz langsam, als mir nichts dir nichts, ritt. Hermes Soph. (1776) 5, 121; das mag mir eine saubere gesellschaft sein, die sich, mir nichts dir nichts, entschlieszt zum teufel zu fahren. Göthe 11, 297;
das (die burg) ist was anders gegen plumpes mauerwerk,
das eure väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt.
41, 203;
entsetzlich! mich im bad zu überraschen ...
und mir nichts, dir nichts — fortzufliehn.
Schiller 1, 258;
wollten ihn drauf ..
mir nichts, dir nichts ins carcer sperren.
12, 33 (Wallenst. lager 7).
8)
verstärkt durch ein adverb durchaus nichts, ganz nichts (th. 4¹, 1302), gar nichts (4¹, 1323), ganz und gar nichts, rein gar nichts, ja nichts, lauter nichts u. dergl. (vergl. III, 1): wie gar nichts sind alle menschen. ps. 39, 6; aber menschen sind doch ja nichts, sie wegen weniger denn nichts. 62, 10; wiewol dieser unterschied schwerlich oder auch gar nichts gegründet erfunden wird in der heiligen schrift. Luther 1, 46ᵃ; es ist mit menschen thand nichts und lauter nichts. 3, 299ᵇ; wer schlecht nichts hat. 300ᵃ; ich bad gott den almechtigen, das er mier von dem pfaffen hulfe, der mich schier gar nütz lart und aber iaͤmerlich übell schluͦg. Th. Platter 14 B.;
ey, er wird dir gar nichts thon.
H. Sachs 1, 58, 14;
und wie sie schiffen,
die sieben heitern,
sie werden, wie gar nichts,
zusammen scheitern.
Göthe 3, 151;
mit genetiv oder von: so mag ich gar nichts davon wissen. Lessing 12, 319;
und ihres namens soll gar nichts
auf erden übrig bleiben.
nichts überall, aller orten und niemals nichts, durchaus nichts: so ich mercke, das nichts überall hilft. Luther 4, 382ᵇ; aber es ist ein man, der weder dis noch das gleubet, nimpt sichs nichts überall an. 449ᵃ; so beider teil mit fürsatz kompt, nichts überall zu weichen. 466ᵃ; solchs beschwert gantz und gar das stifft nichts überall. 8, 8ᵇ; wenn ihr nichts uberall mit ihn (ihnen) kämpfen mechtet. br. 4, 416;
aus deren banden ..
nichts überall mich retten wird.
Ramler lyr. ged. (1772) 218
(nichts auf der welt mich retten wird.
poet. werke 2, 217).
9)
zur verstärkung dient nichts ursprünglich auch nach einer andern negation oder nach einem verb verneinender bedeutung, welche redeweise in der schriftsprache nach der schulgemäszen (lateinischen) regel, dasz zwei verneinungen eine bejahung bilden, verpönt ist (Heynatz 2, 292. Keller 182 f.); nichts steht in solchen fällen statt ichts (etwas, vergl. 4¹, 2036, 3), an dem die negative aussage nochmals hervorgehoben werden soll (vergl. nicht B, VI, 1 und VII).
a)
nie nichts, niemand nichts, nirgend nichts u. dergl.: mhd.
sine teilte ir niemer niht mite.
Iwein⁴ 5741;
daʒ iu niemen niht entuot.
arm. Heinrich 1331;
i'n wil hie nihtes biten.
Parz. 149, 27;
daʒ umbe ir reise ..
nie niemen nihtes innen wart.
Trist. 9504;
nhd. davon er nie nichts gesehen noch empfunden hat. Luther 6, 65ᵃ; seid niemand nichts schuldig (goth. ni ainummêhun vaihtais skulans sijaiþ). Röm. 13, 8; das kein knabe nymer nichts lernte. an die radherrn B 1ᵃ neudruck; und im auch niemans nichts thet. Eulensp. 10;
da lebt man wol und gibt nieman nüts.
N. Manuel v. papsts u. Christi gegens. 197;
und thu ihr .. verheisen,
niemandt nichts unrechts zu weisen.
Ayrer 1308, 5;
dann keiner wuszte nichts zu sprechen.
Opitz 1, 268;
der ihme .. niemahl nichts leids gethan. Simpl. 2, 292, 26; wer klug ist, sol von niemanden nichts böses reden. pers. baumg. 7, 10; sie thun keinem menschen nichts. Schuppius 152;
und sagt sie niemand nichts von mir.
Lichtwer 5 (1, 2);
und thut unterdessen keiner nichts, was er thun soll. 155; weil ihnen die patres nie nichts zu leide thaten. Siegwart 1, 34; wider euch hat er nie nichts gehabt. 65; meine gesundheit war nie durch nichts erschüttert. J. v. Müller 29, 256; die welt war leer, mein herz .. fand nirgends nichts. Klinger theater 4, 272; dasz schon alles aufgezehrt und nirgends nichts mehr zu haben sei. Göthe 30, 65; jetzt thut er niemand nichts. 16, 137; ich sollte schweigen und niemand nichts davon reden. 35, 7; hier sei für niemanden nichts gethan, als für den schüler. 33, 25;
es ist als hätte niemand nichts zu treiben
und nichts zu schaffen.
12, 167.
b)
nach einem verneinenden verb: würde er verboten haben, dasz niemand nichts eigenes haben .. solle. Schuppius 6; nun ist zwar bei groszer strafe verboten, nichts in die canäle zu schütten. Göthe 27, 143.
II.
seit dem 16. jahrh. wird nichts, das ursprünglich schon substantivischer natur ist, als unflectiertes (vergl. 5) substantiv mit dem artikel gebraucht: das nichts, ein nichts, nihilum.
1)
als gegentheil des seins, als verneinung von etwas (ichts), das nichtsein (sich berührend mit 2): was weder ist noch möglich ist, nennet man nichts. Chr. Wolff vern. gedanken von gott u. s. w. § 28; über nichts und sein streiten. Herder älteste urk. 1, 25; es ist ein ganz artiges bestreben unserer philosophen, das denkbare nichts zu einem erkennbaren etwas zu machen. Klinger betracht. 2, 379; das nichts, das durch dich (gott) etwas ward. Engel 1, 256;
o dasz gott aus dem nichts zum sein euch auserlesen.
Haller vom urspr. des übels 1, 120;
was sich dem nichts entgegen stellt,
das etwas, diese plumpe welt.
Göthe 12, 71;
es ist ein nichts und nicht ein was.
2, 288;
nichts soll werden das etwas, dasz nichts zu etwas gestalte,
lasz das etwas nur sein! nie wird zu etwas das nichts.
Schiller 11, 113;
das nichts ist entweder ein gar nichts, das reine absolute nichts oder ein verhältnismäsziges, relatives (auch privatives) nichts, s. Kant 1, 25 f. Hegel logik 1, 59 ff.
a)
in bezug auf das all (die leere, das chaos): wann ihr .. etwas hören wöllet von dem alterthumb des nichtes (des wörtchens nichts), so wisset, dasz vor der erschaffung der welt gewesen ist nichts und dasz die gantz welt erschaffen sei worden ausz nichts. Schuppius 403;
der himmel und die erden
kan eher zu dem alten nichts
als er zum lügner werden.
(als) auf die nacht des alten nichts
sich gosz der erste strom des lichts.
Haller über die ewigkeit 54;
(ohne gott) würde bald, mit aufgesperrtem schlund
ein allgemeines nichts des wesens ganzes reich,
die zeit und ewigkeit zugleich
als wie der ocean ein tröpfchen wasser trinken.
83;
die unzählbaren heere,
die, ungleich satt vom glanz des mitgetheilten lichts,
in langer ordnung stehn von gott zum öden nichts.
über den ursprung des übels 2, 24;
erscheine groszer geist, wenn in dem tiefen nichts
der welt begriff dir bleibt.
die falschh. d. menschl. tug. 273;
er (gott) hiesz das alte nichts gebären.
Uz 1, 341;
o welche wunder drangen
jetzt aus dem fruchtbarn schoos des nichts!
343;
auch sie, die erde, war bejahrtem nichts entrissen,
doch ungestalt und wüst, und wild.
344;
dasz du .. wesen aus dem nichts riefest. Geszner 1, 9;
er rief sie (die welt) aus des nichts nur ihm folgsamen schlunde.
Lessing 1, 100;
nach und nach ... entschwungen
sich die himmel dem nichts.
Wieland briefe von verstorbenen 4, 110;
welche marche trennt die schöpfung und das nichts?
die natur der dinge 3, 176;
könnt ich nur aus aller wesen reichen ...
bis hinein ins leere nichts entweichen.
Bürger 68ᵇ;
meint ihr, dem arm des vergelters im öden reich des nichts zu entlaufen? Schiller 2, 185 (räuber, schausp. 5, 1);
wie aus dem nichts entsprungen.
11, 58.
b)
in bezug auf einzelnes:
itzt fühlet schon mein leib die näherung des nichts.
Haller über die ewigkeit 118;
die (werke) ohne mich in des nichts unfruchtbaren lenden geblieben wären. Lessing 10, 169; bis er endlich wie eine wasserblase in ein wahres nichts zerstiebet. 8, 451; dank für eine solche freiheit, die das beste unter dem, was zu schaffen möglich war, ins ewige nichts verbannt. Kant 6, 9; allein diese gedanken .. gingen ins nichts der lüfte. Göthe 31, 264;
sie (die verstorbene) ist dahin für alle, sie verschwindet
ins nichts der asche.
9, 305 (nat. tochter 3, 1);
eh mir ins nichts die letzten stunden rinnen.
Platen 2, 117;
thut eure pflicht! diesz einzige sei jetzt
die welt für euch, ein wesenloses nichts
ist alles andre.
3, 271.
2)
etwas nicht vorhandenes, ein unding und allgemeiner etwas wesenloses, nicht greifbares oder ein etwas, dem doch der eigentliche inhalt, das innere sein und leben fehlt, der blosze schein: das der juden hohmut und rhum von der beschneitung wider die unbeschnitten heiden ein lauter nichts ist. Luther 8, 55ᵇ; ein weltlich königreich, welches on schwert und sein recht ein lauter nichts ist. 122ᵇ;
und wist, dasz diese quackelei
ein eitel ding und nichtes sei.
Ringwald tr. Eck. (1602) L 4ᵃ;
geschätztes nichts der eiteln ehre!
Haller über die ehre 1 (dazu Schiller 4, 44);
du glänzend nichts! o rauch der ehre!
Uz 1, 54;
wie ein nichts ward dieser ganze aufruhr, der damals noch in funken lag, gestillet; und der prophetische blick wendet sich vom nichts dieser zauberei plötzlich ins thal Hermageddon zur würklichen elenden niederlage Judäas. Herder zur relig. 7, 328;
ich fürchtete,
wie echo an den felsen zu verschwinden,
ein wiederhall, ein nichts mich zu verlieren.
Göthe 9, 135 (Tasso 2, 1);
das luftige nichts eines seufzers. J. Paul Tit. 2, 164; besteht denn der himmel unsres daseins, wie der blaue über uns, aus öder matter luft, die in der nähe .. nur ein durchsichtiges nichts ist? 1, 17;
(die leiche,) das schöne, starre, kalte nichts,
das grause nichts, das taub und still
noch immer das verlorne scheinen will.
Lenau (1880) 2, 221;
kein hahn kräht, dasz ich sonder federlesen
dein lautes nichts zum stillen nichts gemacht.
319;
pluralisch: lasz in den staub uns werfen alle diese pralende nichts. Schiller 3, 133 (Fiesko 4, 14).
3)
daher der unwerth, die unbedeutendheit, gehaltlosigkeit und nichtigkeit einer person oder sache: gott, gegen dem alle keiser .. ein lauter nichts sind. Luther 8, 6ᵇ;
frölich an dem tisch gesessen,
vernüget mit unserm nichts.
Weckherlin 84 (73 Göd.);
er kennt sein eigen nichts, was soll er andrer achten?
Haller die falschh. menschl. tug. 240;
ihr glanz fiel bald ins eigne nichts.
über den ursprung des übels 3, 17;
ein rauh verachtet volk, das edler muth entflammet,
macht sich der erde fürchterlich,
wird üppig und entkräftet sich
und fällt, nach kurzgenosznem glücke
schnell in sein erstes nichts zurücke.
Uz 1, 187;
ach! dasz die sterblichen ihr stolzes nichts empfänden!
303;
du klebst nicht an dem nichts der erde. Meta Klopstock bei Klopstock 11, 112; die empfindung seines nichts verläszt ihn nie. Göthe 19, 74; mein nichts. Schiller 3, 371 (kab. 1, 4);
(der) in seines nichts durchbohrendem gefüle
so dazustehn verdammt ist.
Schiller 5, 1, 67 (don Carlos 2, 2);
werd ich das (mich des vertrauens würdig machen),
in meines nichts durchbohrendem gefühle.
5, 2, 217 (2, 5).
4)
die person oder sache selbst, die keinen oder nur einen geringen werth und gehalt besitzt, keine oder nur eine geringe bedeutung hat, unscheinbar und geringfügig ist.
a)
von personen:
Lucius. wie geschahs?   wer ist dies?   wer du?
Imogen. ein nichts bin ich, und besser wäre mir
ein nichts (1, b) zu sein.
Tieck Cymbelin 4, 2;
Pisanio. wollt ihr zurück zum hof —
Imogen. kein hof, kein vater, und nicht längre qual
mit jenem rohen, stolzen, albernen nichts,
dem Cloten, dessen liebeswerben furchtbar
mir wie belagrung war.
3, 4;
drei helden sind das heer, wenn alle andern
ein nichts sind.
5, 3;
auch von kleinen, unscheinbaren thieren:
ists möglich, dacht ich, wohnt solch klingen
so einem kleinen selchen (der nachtigall) bei? ..
ein singend nichts.
Brockes bei Weichmann 2, 109.
b)
von sachen:
(weil du) mit einem solchen nichts noch kannst noch wilt beginnen.
Opitz lob des kriegesg. 74;
eine linie,
ein bug, ein winkel, eine fall', ein mahl,
ein nichts, auf eines wilden Europäers
gesicht.
Lessing 2, 202 (Nathan 1, 2);
welch feindseliges schicksal muszte zwei männer über worte, über ein nichts uneinig werden lassen. 11, 27; wir sind freilich sehr oft um ein nichts krank; aber doch um ein so gar groszes nichts nicht. 7, 98;
ein nichts (die geringste kleinigkeit) erhitzt die phantasie.
Gotter 1, 258;
wo für ein nichts ihr sie auf foltern spannt.
423;
ein nichts, ein ohngefähr erweckt ihn öfters wieder.
Göthe 1, 59;
dem scheidenden ist jede gabe werth,
ein dünnes blatt, ein moos ...
so wird ein nichts zum höchsten schatz verwandelt.
4, 107;
Karl. man verlangt also für diesen abend — Selicour. eine kleinigkeit! ein nichts! ein liedchen. Schiller 14, 233 (d. parasit 3, 5); collectiv pluralisch: ich habe heute an Cramern zween bogen voll freundschaftliches nichts geschrieben. Rabener br. 199; seine tage waren aus lauter nichts zusammengesetzt. Göthe 26, 249.
5)
da man in nichts den genetiv nicht mehr fühlte und ihn als nominativ auffaszte, entstand auch ein flectierter plural die nichtse: der eine bekannte wahrheit braucht, um tausend nichtse damit einzuschwärzen. Voss Shakespeare 2, 615; der glaube an die heilkraft der homöopathischen nichtse muszte dem mystischen sinne des schwäbischen pietismus besonders leicht werden. Augsb. allg. zeit. 1881, 4355ᵇ beilage. die composita garnichts (wenn es von einem manne gebraucht wird), habenichts, taugenichts sind masculina und bilden ebenfalls einen plural.
III.
nichts ist (ähnlich wie ichts th. 4², 2035, 5) adverbial geworden und hat die bedeutung eines verstärkten nicht, durchaus nicht, gar nicht. vergl. nicht B.
1)
als verbalnegation: was got wol gefelt, das gefelt den selbigen spöttern nichts. Keisersberg sünden des munds 45ᵃ; also das sie ... nichts dieneten. Luther 3, 14ᵇ; der glaube aber zweifelt nichts dran. 4, 500ᵃ; s. Ambrosius vermanet damit alle weibsbilder, das sie dem exempel Rebecce nach nichts sich selbst verloben. 5, 239ᵃ; als gehorten sie (die laien) nichts zur kirchen. an den adel 11 neudruck; wer mein buch .. lieset, nichts draus geschickt wird zu rechtem verstand des glaubens und guter werk. br. 2, 249; dasz er also sehr verblendet wäre, dasz er der fünf bücher Mosi nichts achtete. tischr. 1, 11; er solt nichts disputiren .. lassen vom glauben. Aventin. 4, 1102, 4;
ich kehr mich nüts an der väter leben.
N. Manuel Barbali 1993;
dasz er doch hierab nichts erschracke. Amadis 15 K.; er sich nichts entsetzet. 140. 369;
bitt aber er dir nichtes ab.
Ringwald l. w. 131;
und meines nichtes mechtig bin.
geistl. lied. J 3ᵇ;
ich tröste nichts, lasz hoffnung sein.
Opitz 1, 293;
so wolte ich mich nichts verwundern. Schuppius 288; berg und felsen .. werden ihnen nichts zu willen sein. 323 u. o.;
ich frage nichts nach hohem pracht.
Neumark lustw. 1, 143;
er kehrte sich an alle seine spöttereien .. nichts. Liscov 81; mache was du willst, ich kann nichts denken; aber folgen will ich. Göthe 18, 65;
und nichts vermag ich zu helfen.
Voss Il. 18, 62;
verstärkt ganz nichts (4¹, 1303), gar nichts (4¹, 1323) u. dergl., vergl. II, 8: das bekümmerte mich gar nichts. Luther tischr. 1, 61; so kan ich auch die bruͤder Valdenses darinnen gar nichts loben, das sie die sprachen verachten. an die radherrn D 1ᵃ neudruck; weil er .. seiner bösen anfechtung schlechts nichts wiederstehen wil. werke 4, 531ᵃ; wir dürfen deiner bulen, lieber bapst, lauter nichts. 3, 92ᵃ; in der warhait erkenne ich nun, das got die person gar nichts ansiecht. Aventin. 4, 1098, 1; die, so die vorgehend nacht gentzlich nichts geschlaffen. Amadis 360 K.; er erschracke doch gentzlich nichts. 421; als sie sich ganz und gar nichts besorgten. 140;
ich frag gar nichts nach deinem zorn.
Ayrer 79, 4;
kain hecke, hügel, dorn ..
an seinem lauffen ihn ganz nichtes hindern musz.
D. v. d. Werder Ariost 2, 19, 8.
2)
verneinend und abwehrend, ein verstärktes nein (vgl. II, 7 und nicht B, 7, c, α): Karl. eben deszwegen möcht ich dich nicht weglassen, weil dir leicht was widriges wiederfahren könnte. Gebhard. nichts, nichts! ich wills darnach anfangen. Klinger Otto 81, 19 neudruck;
'meinen vater nur vergönne
mir noch zu sehen.' nichts.
Schiller 6, 148;
Kalaf. willkommen
ist mir der tod.   ich wünsche nicht zu leben.
Altoum. nichts, nichts, es ist beschlossen.
13, 399 (Turandot 2, 4).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1883), Bd. VII (1889), Sp. 718, Z. 12.

nichts, m., n.

nichts, m. n.
gleich nicht 2: pompholyx, aeris favilla, tutia, nichts, hüttenrauch; spodium, grauwnichts, grauwer hüttenrauch. Frischlin nomencl. cap. 13. Chemnitzer bergm. wb. 368ᵇ und th. 4¹, 1201; nim rosenwasser, graw nichts und feinem zucker vermischt ... nimb zucker, präpariert nichts. Uffenbach neues rossbuch (1603) 2, 80; nichts, so den augen gut ist (s. augennichts). Mathes. Sar. 109ᵃ; sprichwort (wortspiel mit nichts, nihil): nichts ist gut in augen und bösz im maul. Lehmann floril. (1630) 45, 58; nichts ist gut für die augen, aber nicht für den magen. Simrock 405. Wander 3, 1017 mit noch andern varianten; bair. nix is guet für d'augn. Schm.² 1, 1770; bresl. nischte is gut a de ôgen. Frommann mundarten 3, 414.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1883), Bd. VII (1889), Sp. 727, Z. 19.

nischt

nischt,
s. nichtsnicht.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1884), Bd. VII (1889), Sp. 856, Z. 36.

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„nischt“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/nischt>.

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