Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

geitig

geitig,
gierig, geizig, mhd. gîtec, ahd. gîtig, kîtac (s. u. geiz), nhd. noch im 16. jahrh. oberd. (nachklingend auch bei Luther, s. unter 3), in oberd. mundarten bis heute.
1)
gierig überhaupt, im 15. jh. avarus geitig voc. inc. t. h 4ᵃ, Dief. 59ᵇ, avidus 61ᵃ, lividus (neidisch, gierig) Schm. 2, 82, im 16. jh. avarus Dasyp. 15ᵇ, Maaler 181ᶜ; auch noch z. b. aufs essen oder fressen, wie ahd. gulosus, das auch im 15. jh. mit geitig gegeben wird Dief. 271ᵃ (mhd. hungergîtec), wie vorax geitig 629ᵇ: die (pferde) fressen mehr und geytiger als sonsten ihre gewohnheit ist. Uffenbach rossbuch 2, 182; tirolisch geitig hinein trinken Schöpf 183. daher hungerig und geitig, auch von sinnlicher begier (vgl. nachthunger):
nimpt er ein weib zuo der ee,
die under der gürtel wer hungrig und geitig.
fastn. sp. 317, 12. 732, 12;
wann du so hungerig pist und geitig.
701, 27;
die muter ist nach mannen geitig.
747, 19.
2)
geldgierig, habsüchtig, geizig, alem. gîtig:
du kupplerin, geitiger schlund und nasenrimpf.
fastn. sp. 255, 17;
geitig auf frembdes gut. Nürnb. chron. 3, 134; den geitigen ligt ir herz auf acker und matten, auf gült und gelt. Keisersb. irrig schaf H 2ᵃ;
ein gytig herz erfüllt man nit,
bisz das man erdtrich druf schütt (im grab).
Utz Eckstein reichstag, klost. 8, 829;
sie werden schnell zornig und vertruwen niemants und seint geytig. Gersdorf wundarznei 85; der ein was ser geitig, der ander neidig. Steinhöwel Es. (1555) 87; der geitig dieb. 87ᵇ; dann er war ein geitiger künig. S. Frank chron. 161ᵃ u. öfter (doch auch geitzig 161ᵇ); wie der geyttig .. lebt in seinem gott, wöllicher ist das guͦt und gelt. ders. laster der tr. e iij; der milt gibt sich reich, der geitig nimpt sich arm. sprichw. 1, 117ᵇ; ye mehr der geitig hat, ye mehr im abgeht. 2, 136ᵃ; dem geitigen würt nimmer gnuͦg. 1, 118ᵇ, gleich darauf dem geizigen, das bei ihm schon vorherscht, wie geiz; Domitianus ist ... von natur und ausz armut gar geitig gewesen, hat gerissen nach gut wie er kundt und mocht. Avent. 195ᵇ; unersettigklich geytig, avaritia hiante homo. Maaler 181ᵇ; des geytigen geneüszt niemandts bisz er stirbt. das.; noch schweiz. gîtig, bair. geitig (gespr. geidi) Schm. 2, 82.
3)
auch geistig gewendet: geytiger läser, gulosus lector. Maaler 181ᶜ, vgl. die bücher verschlingen von gierigem lesen. ehrgeitig (s. d.) Alberus cc 3ᵃ, Dasyp., Maaler, ehrgittig (s. d.) bei Luther neben ehrgeitig, ehrgeitzig, s. Diez 1, 487ᵇ, eiteler ehre geitzig Gal. 5, 26 mit var. geyttig und gyttig, wie in der var. Röm. 15, 20 ehrgittig (Diez 2, 58ᵇ), gittig mit kürzung aus gîtic, die für häufigsten gebrauch zeugt und schon vor dem umsatz von mhd. î in ei eingetreten sein muszte (vgl. gitt für gît, gibt sp. 1667), im 15. jh. eregittig Dief. 29ᵃ aus Melber, gittig avidus 61ᵃ. bemerkenswert aber schon ahd. kurz kîtag für ambitiosus Graff 4, 145 und noch im 15. jh. kurz gihttig (so) ambitiosus Dief. n. gl. 19ᵇ, vgl. für êren gît bloszes gît Greg. 2980 in F, also der begriff der gier so früh auf ehre schlechthin angewandt. aber auch im guten oder besten sinne (vgl. geizig 3, c) schweiz. gîtig sehr wirtschaftlich, häuslich, 'zunächst von haushälterinnen' Stalder 1, 439. vergl. tirol. arbadgeidig, vom höchsten arbeitseifer Schöpf 183, wie es ebenda heiszt einen geit auf etwas haben, brennende lust. vergl. übrigens geizig (2, a gleichfalls in gutem sinne), auch geitigkeit und geitisch, desgleichen geitlich.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2809, Z. 47.

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Zitationshilfe
„geitig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geitig>.

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