Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geiler, m.

geiler, m.
betrüger, heuchler, schwindler, gauner, besonders betrügerischer bettler, landstreicher, aber auch schmarotzer, schmeichler, mhd. gîlære, gîler.
1)
das mhd. geiler, d. h. zu geil (eigentlich gail), geilen geil sein, das die wbb. ansetzen, ist ganz unsicher und nicht bewiesen; ahd. zwar geileri petulcus Graff 4, 183, zu geilên insolescere, aber wie Lexer 1, 1015 die 'geiler' aus dem Renner nach der Bamb. ausg. im mhd. wb. 1, 495ᵇ vielmehr unter gîler stellte (wie schon J. Grimm gr. 1³, 175, s. auch Pfeiffer in s. Megenberg 804), so gehören auch die geiler Lexer 1, 796 aus Teichner dahin und der 'geilære' fragm. 31, 81 (s. 4, g).
2)
mhd. gîler, nhd. geiler ist, wie geilen (gîlen), geil (gîl) m., ein franz. lehnwort, altfranz. guileor, guilere betrüger (s. sp. 2592), doch bei uns in eigenthümlicher entwickelung. die franz. bedeutung betrüger überhaupt ist sogar bei uns, wie im zeitwort geilen, gar nicht eigentlich vertreten (wol aber geil betrug sp. 2591), auszer in folgenden spuren und besonderer oder anderer färbung.
a)
ein unredliches gewerbe, betrüger oder schwindler in handel und wandel scheint es im folgenden nach den benachbarten fürkoufer, velscher u. ä.:
wan morder, rouber, unkiuschære ...
gîler, velscher, êbrechære,
fürkoufer unde satzungære
bekêrt man ê denn wuocherære.
Renner 17289;
vergl. die metzger mit ihrem hübschen gîl unter geil m. 2, b, auch das altfranz. guileor sp. 2592.
b)
ähnlich die gîler beim glücksspiel in Konrads von Haslau jüngling 364, in einer warnung vor den gefahren der spielsucht:
ein ieclich rehter spilære
hât vierhande gîlære:
der würfel lîht und der dâ zelt
und der ze phande wirt erwelt.
altd. bl. 1, 65 (hs. spiler, giler), Haupt 8, 561,
in der Heidelb. hs. guotswendære, was mit gîlære auch gemeint sein musz: die ihn um sein geld bringen, nach folgendem aber mehr noch: die ohne eigene arbeit von andern leben, wie heute croupiers u. ä. (zur sache s. Haupts Erec s. 339, zum reime vgl. spile: wîle Phil. Marienl. 3716); vgl. geldgeiler bei Paracelsus u. e und von mönchen u. geilen 2, a, die andern liuten ir guͦt ab streifen mit gîlen, was nicht bloszes betteln ist (s. 4, b. c).
c)
gefährliche leute, die gîlwerke nâch gân, erscheinen in einem Straszburger ratsbeschlusz von 1411: wer in dirre stat oder vorstetten muͤszig got, es sien frowen oder man .. und nit umbe lone arbeiten wil .. und lieber gilwerk, spilwerk, zipfelwerk (s. unter 4, f) und luͦderige (luderei) nochgat, und besunder .. alle luͦderer, spiler, rippelreiger und riffion .. die sol man angrifen und sü an irme libe strofen. Straszb. chr. 1029, 34; denn auch frauen trieben es, vergl. die verfügung über Anne Triererin, eine gilerin, het dise stat iemerme eweclich versworn eine mile. 1021, 24 vom j. 1356. die genannten sind alles arbeitsscheue glücksritter, in gîlwerk (im gegensatz zu ehrlichem handwerk) ist das nach seiner voranstellung vielleicht begrifflich zusammengefaszt; s. weiter 5, c von geilern als gaunern.
d)
ähnlich noch im 16. jahrh. geiler von quacksalbern: also mag ich wol vergleichen diese secten der ärzten der hohen schulen scherer und badern, das sie auch (sogar) gleich sind den geilern, die man parfoten nennet. in derselbigen clamanten zunft besitzen ihr die oberste statt. Paracels. 1589 2, 8 (1616 1, 198ᶜ); weistu aber und vermagst nichts, warum ruͤfest du mich für ein unvernünftige Schweizer kuhe und landstreicherischen geiler aus? 6, 369, also marktschreier (clamanten) und landstreichende quacksalber, vergl. ein alchimistischer leimstängler (der die leute fängt auf dem leime) als landstreicher bei Gödeke Gengenbach 517. mit dem gleichbedeutenden parfoten (vgl. dazu S. Frank unter 4, b a. e.) knüpft sich das aber zugleich an das von den bettelmönchen ausgegangene geiler an (3. 4).
e)
dazu geldgeiler, von ärztlichen pfuschern, die nur den kranken ihr geld abluxen, 'abgeilen': der astronomei zu, wolt ihr arzt sein! wo aber nit arzt, sondern geltgeiler, gilts gleich was ihr können (braucht ihr nichts zu können). Paracelsus 4, 284. also wie die gîler unter b, doch mit anschlusz an geilen 3, gierig sein auf etwas.
3)
die eigentliche entwickelung des wortes aber knüpft sich an eine anwendung auf die mönche der beiden neuen orden der Franciscaner und Dominicaner an, die eben von Frankreich ausgieng, im 13. jahrh., die anwendung des begriffes und also doch wol auch des wortes.
a)
das treiben der orden war schon in der mitte des jahrh. in schwere misbräuche ausgeartet. das zeigt z. b. ein schreiben des ordensgenerals der Franciscaner, Bonaventura selbst, das er 1257 von Paris aus an die provinciale ergehen liesz (Schröckh kirchengesch. 27, 475 fg.), mit der klage dasz der glanz des ordens verdunkelt werde, z. b. durch fordern von geld für viele geistliche verrichtungen, durch habsüchtiges trachten nach vermächtnissen, durch eindringen in das vertrauen hochgestellter männer und frauen; er beschwert sich über müszige und faule, auch herumschweifende brüder, über ungestüme bettler unter ihnen; darüber erkalte die christliche liebe und sie fielen immer mehr den leuten zur last; so vermahnt er die vorsteher, fortan nicht zu viele mönche aufzunehmen und nur streng geprüften die erlaubnis zum predigen und beichthören zu geben. aus England bestätigt diese klagen die chronik des Benedictiners Matthäus Paris (Schröckh 452), wonach man sie im volke als falsche prediger, heuchler, schmeichler, falsche räte bei königen und fürsten anklagte, ja als thalamorum regalium subintratores. aus Deutschland gehört gewiss hierher die häufige zornige klage Bertholds v. Reg., selbst Franciscaners, über habsucht, heuchelei und betrug der pfenningprediger, wie er sie scheltend nennt, d. h. busz- und ablaszprediger (Wackern. altd. pred. 369), z. b.: er weinet dar zuo und üebet alle die trügenheit dar zuo, dâ mit er in die pfenninge an gewinnen mac. I, 394, 15; vergl. von ihrer trügenheit auch 208, 29, von ihrem geheuchelten weinen beim predigen 251, 16. es waren doch wol bettelmönche, die mit unter jene anklage des ordensgenerals fallen.
b)
allgemeines aufsehen ward auf diese dinge gelenkt durch eine reibung zwischen der universität von Paris und den beiden orden (dort Cordeliers und Jacobins genannt), die sich in der mitte des jahrh. zu einem heftigen kampfe erweiterte, der seine wellen auch nach Deutschland herüber geschlagen haben musz, wie eben aus dem weiteren sich ergibt. dabei erfährt man die vorwürfe, die sich gegen die orden richteten, durch schriften von Wilhelm von St. Amour, doctor von der Sorbonne, der die anklagen in wissenschaftlichem ernste zusammenfaszte, hauptsächlich in einer schrift von 1256 de periculis novissimorum temporum; sie heiszen da, auch in einer bearbeitung, die er für den papst zu seinem schutze gegen die verfolgung des clerus deshalb verfaszte, in einer zusammenfassenden schilderung auf dem titel hypocritae, pseudopraedicatores, penetrantes domos, otiosi et curiosi et gyrovagi (Schröckh a. a. o. 467). der haupttadel richtet sich gegen das arbeitslose und schweifende betteln, mit der ausführung, dasz die welche vom betteln leben wollen, notwendig schmeichler, verleumder und lügner werden (das. 461). aber auch als schmarotzer erscheinen sie, die besonders an den tafeln der könige und groszen nach den ersten plätzen trachteten und sich überhaupt in den rat und die angelegenheiten der herren eindrängten und mischten (460).
c)
als hauptbegriff in dem bilde des mönchstreibens erscheint heuchelndes betrügen und dasz sie sich arbeitsscheu davon nährten; man musz das im franz. volke guiler, guile, sie selbst guilere genannt haben, nach den schwindlern in handel und wandel (s. 2, a), gewiss auch in liedern gegen sie, von denen in der zeit die rede ist. bei Rutebeuf zwar, der in der zeit jenes streites mehrfach gegen sie dichtete, suche ich vergeblich nach dieser bezeichnung, doch einen anklang bietet wol seine klage in dem gedichte les ordres de Paris:
nostre creance tourne a guille,
mensonge devient evangile.
1, 168 Jub.
4)
alle jene vorwürfe gegen die prediger- und bettelmönche des 13. jh. erscheinen bei uns wieder bis ins 15. jh. als merkmale der gîler, geiler und müssen so mit dem franz. worte übernommen sein, wenn auch nachher losgelöst von den mönchen und zum eigenen begriff erweitert.
a)
als falscher prediger oder lügenprophet ist nl. im 13. jahrh. ghiler, ghijlre geläufig (wie mir De Vries nachweist), entsprechend dem pseudopraedicatores von den mönchen (3, b):
ghilers ende bedriegers mede
ghingen omme in menege stede,
die tvolc verwerren ende verkeren
ende hem ongelove leeren.
Maerlant spieg. hist. IV, ii, 70, 79,
wo denn franz. guileor betrüger noch deutlich anklingt;
een gijlre was in ghenen dagen (zu Christi zeit)
ende ghinc predeken ende ghewaghen (aussagen),
dat hi gods sone ware.
I, vii, 14, 61 u. ö.
auch solches predigen selbst wird ghilen genannt, gewiss auch franz. guiler:
want Nestorius, die sot (thor) ..
hadde gepredect in sijn ghilen,
dat der megeden sone reene
een puur mensce ware alleene.
III, vi, 24, 26.
auch mit becgaert tauschend (s. unter begine) und entsprechend den worten in der vorlage sub religionis habitu exhibebat se pseudoprophetam bei Vincent. Bellov.:
daer naer hi een becgaert sceen ..
ende wilde datmen seide mare
dat hi selve Cristus ware ...
dus worden si des ghilers quite.
III, vii, 6. 54. 71.
b)
zugleich als heuchler, dem hypocritae (3, b) entsprechend, bei Hugo v. Trimberg, wenn er z. b. das entarten hoher begriffe beklagt:
strâfer (strafredner) heiʒet man (nun) villære,
prediger, pfaffen gîlære.
Renner 16151,
in der Bamb. hs. zwar geiler, veiler, aber im Frankf. druck s. 82 filler (schinder), geyler, der auffallende reim ist doch möglich nach mêre: verzere 4765 fg., gedæhten : mehten (d. h. machten conj.) 9671 fg., vgl. Zupitza zur Virg. im Berl. heldenb. 5, xv; übrigens wäre wol auch gillære möglich nach gille für gîle sp. 2591 (s. auch giller u. 5, f), der ausdruck sollte sagen dasz die pfaffen an ihr predigen selbst nicht glaubten (vgl. der pfaffen gîl sp. 2591). auch mit betrügern und lügnern zusammen (vergl. Maerlant unter a) und mit gleisnern (hypocritae) unter vertretern der untreue aufgeführt:
glîhsner, biter (s. dazu 5, a) und lügenære,
manic gîler und vil trügenære,
die tummer liute vil betriegent,
sô sie swerent (bei gott und den heiligen) und doch liegent u. s. w.
Renner 10413;
mit valschen bredigæren, den pseudopraedicatores oben, zusammen:
biter, gîler, glîhsenære
und alle valsche bredigære.
4455.
dabei ist zu bredigære zu erinnern, dasz die Dominicaner und Franciscaner im volke einfach die prediger und barfuoʒen hieszen (Eckhart 457, 33), wie noch im 16. jh. die prediger und barfuͤszer S. Frank chron. 1, 255ᵃ, der sie da eigner weise auch nd. barfoten nennt (vgl. Paracelsus unter 2, d).
c)
und das alles zugleich als nahrung, d. h. als arbeitsscheues leben vom guten glauben der leute, und dieses selbst als gîlen (vgl. Maerlant unter a):
manic gîler sich jæmerlichen nert,
des sêle doch niht ze himel vert
umb daʒ (fromme) leben daʒ er hât (führt),
gîlen hât manic missetât.
Renner 13610.
so und noch schärfer in einer nd. quelle des 15. (noch 14. ?) jh., einem tractal über die 10 gebote, da werden unter solchen, die den namen gottes sündlich misbrauchen, auch genannt: die mit gevinsicheit (heuchelei), bij namen (namentlich) ut gyricheit ofte (oder) om loff der menschen als die ypocriten ofte glyseners bidden, prediken, ghylen efte anders sick generen. Geffken bilderkat. 2, 168. da ist denn das bild jener mönche bei Wilhelm von St. Amour u. a. unter 3 in voller deutlichkeit. in Hugos gîlen hât manic missetât meint gîlen deutlich das thun der mönche, das man sich doch ohne missetât denken sollte. wie es dann auf anderes, verwandtes thun übergieng, zeigt das gylen der blinden, der kreuzfahrer auf ihrer fahrt nach dem heidnischen osten unter geilen 2, c, heuchlerisches beten und betteln im namen gottes (vergl. von den crucigeri, kriuzæren im buch der rügen Haupt 2, 24. 59 und dazu u. kreuzbruder). überhaupt mochte dieses gîlen der mönche als nahrung auch von andern arbeitsscheuen landstreichern betrügerisch aufgenommen werden, wie denn das ganze geilerwesen in gaunerwesen auslief (5, c ff.), vgl. 'alphinus, falscher prophete' Dief. nov. gl. 17ᵇ mit 'alphanus, falscher bettler' 5, d (Dief. 26ᵃ); schon unter den valschen bredigæren im Renner unter b mögen solche gauner oder geiler mit sein, die sich im volke als predigermönche aufführten und nährten.
d)
auch als schmeichler erscheint geiler, in einer gl. bei Schm.² 1, 892: adulator, ein geiler, bestätigt im 15. jh.: wan die in wirdigkeit gesazt sind, die habend vil zututtler (ohrenbläser) und giler und die do redund sind was in gefellet. leg. aurea Münch. hs. 208 51ᵃ; und ob sie solichen giler (so) globund sind .. das. (Birlinger Augsb. wb. 196ᵃ). auch nl. bei Kilian ghijler, pluimstrijker, tafelschuimer, schon im 13. jahrh. bei Maerlant, wie mir De Vries nachweist:
ghylers, smeekers, die laet varen,
want si sijn alle valsch te waren.
spieg. hist. I, vi, 8, 39.
schmeichler aber geht auch über in schmarotzer, wie z. b. Frischlins nom. adulator auch mit suppenfresser gibt (Dief. 14ᶜ).
e)
als schmarotzer im voc. inc. teut.: geiler, balo, helo, helio, balatro, ardelio, scurro. h 5ᵃ (g 3ᵇ); balo meint nach 'geilen balare' das. (s. unter geilen 2, b) schmarotzer, im voc. theut. 1482 ist hello (d. i. heluo) ein fresser, lecker i 2ᵇ (in andern vocc. auch unstete mensch, lodder Dief. 274ᵇ), wie balatro, ardelio ein slicker ee 1ᵃ, scurro ein lecker, ludrer, bub e 2ᵇ. s. dazu unter h. Da ist denn der geiler als mönch zurückgetreten oder vergessen und der landfahrer mit seiner arbeitslosen nahrung überhaupt dafür eingetreten. auch der zipfler (s. u. 5, c und zipfelwerk u. 2, c) ist ein mensivagus Dief. 356ᵇ, landstreichender schmarotzer, es werden zusammen genannt geiler, zipfler, sterzer, pettler Schm.² 2, 1145.
f)
aber einen unmittelbaren zug aus jenem bilde des mönchstreibens geben im 14. jh. die gîler in dem spruche des Teichner von geilæren ze hove ein gleichnus (s. 69 Kar.), der da eine geschichte vom fuchse beim kranken löwen vorträgt (der wolf musz sein fell hergeben als heilmittel) als bild von hofleuten, die durch ränke, ohrenflüstern und verleumdung treue diener des herrn verdrängen und unglücklich machen, es werden ursprünglich mönche als beichtväter sein, s. Bonaventura und Paris unter 3, a, auch curiosi, penetrantes domos unter 3, b. Auch die anklage gegen sie als thalamorum subintratores das., verstohlene betreter von ehegemächern, findet sich als merkmal eines gîlære in dem 'geilere' in Müllers samml. 3, xxxiᵇ, 81 (ei kann dort î sein nach greiffen xxxiiᵃ, 76):
welh frowe ein bœsen man hât,
der zuo minnende ist unnütze,
wie si den betütze,
daʒ erloube ich ir wol (hs. also),
daʒ si sich sîn erhol (hs. erlo)
mit (hs. unde mit) einem gîlære,
der büeʒet ir die swære.
g)
noch ein anderer zug zum bilde des geilers blickt wol aus geiler als scurro, balatro unter f. wie in scurro eigentlich scurra steckt, das selbst zwar auch mit parasitus erklärt wird (Dief. 522ᵃ), eigentlich aber spaszmacher ist, so wird mlat. balatro nl. mit boertmaker, d. i. spaszmacher gegeben Dief. 68ᵃ (hd. schimpfer, auch gaugler, teuscher), nrh. mit buerdmecker, joculator Cölner gemma 1511 l 3ᶜ, in der Straszb. gemma mit clamorosus joculator, als (z. b.) ein hyppenruefer C 2ᵈ (vergl. hippenbube, hippenholer), im voc. opt. Lpz. 1501 D 2ᵃ mit gokeler, sodasz gaukler, spaszmacher, schmarotzer auch in eins verflieszen, und dazu betrüger, denn balatro, zu balare gehörig (s. unter geilen 2, b), mischt sich zugleich durch die nebenform baratro Dief. 68ᵃ mit mlat. barator, betrüger (s. Ducange). als einigender begriff blickt daraus ein landstreichender schmarotzer, der seinen wirt mit späszen bezahlt machte und auch ein geiler hiesz; auch das mochten zu zeiten lustige mönche leisten, die ja auf ihren fahrten die welt in ihren schwächen am genauesten kennen lernten. es schlieszt sich aber zugleich an geilen und geil sp. 2596 von spott und spasz an, und solche schmarotzende spaszmacher unterhielten den tisch besonders gern mit späszen auf kosten anderer, auch anwesender, wie denn das gîlen bei Maerlant sp. 2596 m. hauptsächlich so gemeint sein wird. s. noch unter 5, g bei Henisch, Stieler parasitus.
5)
zuletzt aber erscheinen die geiler als landstreichende bettler.
a)
dasz auch das auf die mönche, insbesondere auf die bettelmönche zurück geht (vgl. gyrovagi unter 3, b), verrät schon im Renner unter 4, b die wiederholte zusammenstellung der gîler mit biter (bettler und beter), glîhsner, valsche bredigære. und noch im 16. jh. wird dieser zusammenhang vorgestellt, wenn N. Manuel in seinem fasnachtspiel vom pabst einen bettelmönch, questionierer, der die sünden seiner gattung verkörpert, Bonaventura Giler nennt (s. 48 Bächt., 352 Gr.), nach dem groszen Franciscaner Bonaventura (3, a); vgl. aus dem 14. oder 13. jh. das getadelte gîlen und glîhsnen armer mönche (in einer predigt!) unter geilen 2, a sp. 2596, es musz aber damit eigentlich heuchelndes betrügen gemeint sein; s. weiter c ff.
b)
oft im 15. jh.: truncanus, giler, petler Schm. 2, 31 aus einem voc. von 1429, truncanus aber (vergl. Dief. s. v.) ist im voc. 1482 byckler oder syler d 8ᵇ. dd 7ᵃ (vgl. bickeln, also zu 2, b. c?), in einem voc. aus dem anfang des 15. jh. truntanus, geiler oder kecker Dief. nov. gl. 373ᵃ, also zum adj. geil gezogen; nrh. bedeler, ghylre, trugler, broitbidder, mendicus, stipus etc. Teuth. 20ᵃ;
lieger, trieger, mainaider ...
geitig geiler und petler ..
seint all des teufels solner.
meister Rennaus in J. M. Wagners archiv 1, 21.
in Frankfurt a. M. kommen im 15. jh. gîler unter bettlern vor, hatten sogar ihre eigene Gîlergasse, die ihnen angewiesen war (vgl. dazu unter gasse sp. 1438 δ): die beteler uff unser lieben frauwen berg hinfuro kein hutten (zum nachtlager) zu machen gestatten, sonder sie in die Gijlergassen driben. ratsbeschlusz von 1496, s. Kriegk bürgerth. 1, 539 fg., also völlig als eine art zunftname (eine Sterzirgaʒʒe in Worms im 14. jh. Baur hess. urk. 2, 864).
c)
auch unter landstreichern und gaunern: den sterzern und geilern wurde die stadt verboten. Schm. 2, 31 aus Gemeiners Regensb. chron. 2, 239; vergl. landstörzer und in den Nürnb. polizeiordn. 320 die sterzel- oder betelmeister 320, die über das bettelwesen zu wachen haben. Megenberg 423, 8 spricht von sterzeln, die sich künstlich aussätzig machten, in a aber gîler genannt s. 804. Mich. Beham nennt als abarten von vagabunden geiler, ziphler (vgl. unter 4, f), sterzer, stirzer und stoszer, s. Schm. 3, 660 (2, 786), wie im 16. jahrh. Math. v. Kemnat in seiner chronik 129 viele ober- und unterarten störzer aufzählt (die krankheiten erheucheln): die betragen sich allein des bettelns und geilens (Schm.² 1, 892. 2, 786).
d)
auch die geiler unter b sind eig. nicht bettler schlechthin, sondern betrügende, falsche bettler wie sie auch heiszen in vielen vocc. bei Dief. 26ᵃ, Teuth. 20ᵃ s. v. alphanus, alpharus, auch z. b. in dem schriftchen mit vorrede Luthers von der falschen betler büberei Wittemb. 1523 (s. Avé-Lallemant das deutsche gaunerthum 1, 199 ff.), im unterschied von den guͦten, frummen in Gengenbachs bettlerorden v. 84. 836 (s. 345. 366 Göd.), ein gedicht das ihren groszen betrug und buͤbery ans licht zieht v. 4. 20. 29, wie sie die menschen haben verspottet und geblendet 27, sie zuͦ doren machen 333, wie Brant in dem cap. 63 von bettleren (vgl. unter geil m. 3): bätler beschyszen alle land v. 62, vgl. Keisersberg vom bettelnarren in der fünften schelle (cap.) von bettlen aus gleisnerei und heuchelei (Avé-Lallemant 136). daher auch mit lieger, lügner wechselnd, in Knebels chronik, die zum jahre 1475 von den geilern handelt: disz ist die betrügnisse, damitte die geilen (so) und die lamen umbe gand (Avé-L. 125), in einer andern hs. dafür die lieger (weim. jahrb. 4, 70); es folgen darauf in langer liste ihre besondern namen und betrügerischen mittel, mit denen sie das mitleid erregten, die grautener, schweiger, valkentreiger u. s. w. Avé-Lall. 125 ff. (vgl. u. klant), alle aber zusammengefaszt als geiler oder gilen (für gilende, s. unter f), d. h. heuchler und gauner die arbeitslos von anderen leben.
e)
besonders auch mit religiöser heuchelei und betrug arbeiteten sie, d. h. setzten das gîlen u. 4, c in ihrer weise als nahrung fort; s. die lügnerischen heilthumführer Brant 63, 10, bei Keisersberg a. a. o. lügnerische ablaszkrämer und heiligthumbführer (vgl. dazu u. käsejäger), im liber vagatorum die debisser, stirnstoszer, grantner, schlepper, galaten u. a. (Avé-L. 1, 169 fg., weim. jahrb. 4, 81. 75), alles gauner die von kirchlicher heuchelei und lüge lebten und alle unter dem namen der geiler begriffen, als sie in Basel im 15. jahrh. entlarvt wurden (s. f). auch das gîlen der kirchenbettlerinnen unter geilen 2, a sp. 2596 wird schon eben so gemeint sein.
f)
eigentlich an den tag kam das unwesen dieser geiler in seiner entsetzlichen ausbildung durch eine enthüllung von Basel aus im 15. jh. (s. Avé-Lall. 123), wo sie von alters her eine freistätte hatten (wie in Wandsbeck), ja einen mittelpunkt ihres reiches, auf dem Kohlenberge oder Kohlberge, wo sie alljährlich ihr gericht hielten unter vorsitz eines reichsvogtes (s. Zarncke zu Brant s. 400 ff.); denn dasz auch sie, wie die pfeifer, sich als eine art reich im reiche behandelten, darauf deutet wol ihr bettlerkönig Gödekes Gengenbach 517 (vgl. dazu könig 8, auch bubenkuning Laurent Aach. stadtrechn. 430ᵇ). wie sie dort von haus aus unter öffentlicher anerkennung und schutz hausten, zeigt eine städtische verfügung vom j. 1465, gedruckt in den rechtsqu. von Basel 1, 188 ff.: es ist ze wissende, daʒ von der vogtie und des gerichtes uf dem Kolenberge der blinden, lammen, giller, stirnstoͤszer wegen, wie man denen gericht machen sol und das sy einem vogt (dem reichsvogt, den nun die stadt bestellte), gehorsam sin söllent, von den alten erfarn (erfarnen?) ist gehalten worden als harnach geschriben stat; nachher: von der giller, der stirnstöszel wegen, die unrecht betten fuͤrent (die falschen bettler und beter), die mag der vogt strafen, aber auch: so hat ouch der vogt macht, daʒ er in denen zyten, so der offen bettel menclichem nachgeloszen ist, giller, blinden und lammen .. mag gönnen drie tage hie ze blibende ze bettelnde, jedoch über drie tage fürer (hinaus) nit hie lasze bettelnde noch gilen (eigentlich gilend, vgl. u. d) s. 190 fg. also ihr anerkannter zunftname, den sie wol selbst offen führten (vergl. in Frankfurt unter b die Gîlergasse), und auch von den wirklich blinden und lamen wol unterschieden! aber merkwürdig, im 16. jh. ist der name verschwunden, denn in einer gleichen verfügung über den Kohlenberg im j. 1527 erscheinen nur landstricher und bettler s. 257, in einer vom j. 1559 nur freiheten s. 425 (s. unter freiheit 5), wie schon in der von 1465 gleichfalls die selben buͦben, die rechten friheit s. 189 und noch 1597 bei Ryff die fryetsknaben als ein völklin zu Basel (weisth. 1, 819), aber überall nichts mehr von geiler, es scheint durch die öffentliche klage und rüge, die Brant, Gengenbach, Luther, der liber vagatorum gegen den gräuel richtete, beseitigt zu sein; die sache selber, besonders das religiöse geilen unter e hatte gewiss durch den geist der reformation einen schweren stosz erhalten. einen nachklang im 17. jh. zeigt nl. gielerstaal von der gaunersprache, s. Willems belg. mus. 5, 71.
g)
doch das wort lebt fort, auch als name, z. b. Geiler von Keisersberg, meistens doctor Keisersberg oder Keisersberger genannt, denn jenes konnte nicht gut klingen (er selbst braucht weder geiler noch geilen, auch nicht in seiner predigt über die bettler u. d). als begriffswort für bettler überhaupt, aber hauptsächlich zudringlicher, unverschämter: gyler, ein strenger und muͤysaͤliger höuscher, flagitator. Maaler 202ᵇ (nicht bei Dasyp.); wer betteln wil, der musz sich nicht schemen, scham ist ein unnütz hausgesind in eines armen bettlers hause. so lobet Christus auch selbs einen unverschampten geiler Luce 11, 8. Luther 5, 200ᵃ, vgl. unter geilen 2, b, α; wie man sagt von den geilern, wie plaget mich doch der mensch so wol! gl. zu Luc. 18, 5; nun selbst ohne bösen klang, nur als kraftwort: unser herr gott hat solche geiler gern, die getrost anhalten. hauspost. 78ᵃ (vergl. unter geilen 2, b, α), und scherzend: und ich etliche wochen mich zuschrieben und zucorrigirt habe (zerschr. und zercorr.), damit ich meine bettler und geiler, die drucker, auf den Leipziger markt nicht verseumete (im messgeschäft aufhielte). schr. 5, 528ᵇ, br. 4, 419. noch im 17. 18. jahrh. in wbb.: geiler, flagitator et parasitus. Henisch 1442, aber nur aus Kil. (ghijler), bei Schönsleder fehlend; einem geiler ist jedermann feind, parasitus omnibus honestis odiosus est. Stieler 619, er bezeichnet es sonst als impudens precator, assiduus petitor; ein unverschämter geiler, erzgeiler. Ludwig 720, bei Frisch 1, 335ᵇ als veraltet. aber noch bair. von frechen bettlern, auch bettelgeiler Schm. 2, 31.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2598, Z. 41.

geilern

geilern,
frequentativum zu geilen, mutwillige possen treiben sp. 2594: als etliche weiber und medlin hinaus ins felt zugrasen gangen und wider zu haus keren wollen, haben sich die jungen meydlin mitteinander wie ir prauch ist gegeylert und eins das ander uf die erden geworfen, die brust besehen wollen. Büdinger hexenacten von 1558, sich geilern, wie sich geilen. hess. gelern (wie da gêl für geil): weil es (das mädchen) bei dem brunnen mit den kindern gelacht und gegelert. Marb. hexenacten von 1658 bei Vilmar 122; in Gieszen gælern, wett. gâlern, auch in Aschaffenburg, hier für verliebt schäkern Schm.² 1, 891.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1881), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2604, Z. 11.

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Zitationshilfe
„geilern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geilern>.

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