Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

geistig, adj.

geistig, adj.
zu geist neben geistlich (s. auch geistin und geistisch), mhd. geistic, doch nur selten und vorübergehend, nd. geistich (s. a. e.), nl. geestig, auch geestachtig (in der bedeutung 2, a).
1)
Die geschichte des hochd. wortes ist ziemlich merkwürdig, namentlich in seinem verhältnis zu geistlich (vgl. 3, l), durch welches es lange mit vertreten wird; es setzte zweimal an, im 14. und 17. jh., ohne durchzudringen, erst im 18. jh. bricht es allmälich durch (s. 3).
a)
mhd. erscheint es (s. Lexer 1, 799) in geistlich philosophischem gebrauch bei Eckhart, von ihm wie es scheint gebildet, aber nur als abwechselung mit dem längst bestehenden geistlîch, nebst geistekeit und geistlicheit: du solt got minnen nihtgeistlîche, daʒ ist, daʒ dîn sêle sol nihtgeistic sîn und entblœʒet aller geistekeite. wand die wîle dîn sêle geistförmic ist, sô hât si bilde, die wîle si bilde hât, sô hât si niht einikeit noch einbærekeit .. har umbe sol dîn sêle nihtgeistic sîn von allen geisten unde sol stân geistelôs u. s. w. 320, 19 ff., wo denn geist, ganz anders als wir gewohnt sind, als die noch nicht höchste kraft oder stufe des seelenlebens behandelt wird, da sie noch mit bilden zu thun hat (vergl. unter gedanke 5, a, auch geist 15, c); s. auch von geistekeit auf den heil. geist bezogen 176, 16, von geistikeit gotes 520, 20, von geistekeit oder geistlicheit der sêle 520, 24 ff. (auch von entgeistikeit und îngegeistikeit). bei einem geistlichen dichter im heutigen sinne, wieder beide schwesterbildungen gesellt:
diu stæte ist geistlich geistig,
reiner herzen ein spiramen,
des heiligen geistes flamen.
Laszberg lieders. 2, 438.
b)
später aber ist das wort wieder verschwunden, die vocc. und wbb. des 15. 16. jh. kennen nur geistlich, wie die schriftsteller. erst im j. 1616 bei Henisch 1445 auch geistig, aber in den bedeutungen argutus, ingeniosus, solers und scitus, elegans, bellus, venustus, und beides als vox belgica bezeichnet, d. h. wörtlich aus Kilian genommen, der gheestigh so aufführt. so gehört denn auch geistig bei Opitz, das Adelung beibringt, zu seinen entlehnungen aus dem nl. (sonst damals sinnreich genannt), in dem gedichte aus Paris an Zincgref:
wer nicht den himmel fühlt,
nicht scharf und geistig ist, nicht auf die alten zielt,
nicht ihre schriften kennt ... der ist ein guter mann,
und kein poete nicht.
Opitz 1641 s. 669 (2, 28 Fellg.).
noch jetzt gilt nl. geestig auch für geistreich, witzig, talentvoll (geestig zijn geistreiche dinge sagen), im 17. jahrh. auch in besonderer anwendung auf kunst, s. das grosze nl. wb. III, 753.
c)
von unsern wbb. gibt zwar am ende des 17. jh. Stieler 639 geistig, argutus, ingeniosus, acumine ingenii praeditus, solers, cordatus, perspicax, aber man sieht die einwirkung von Henisch (vgl. die anm. sp. 1127), der da nur weiter ausgeführt ist, wenn auch das geistig bei Opitz im 17. jh. weiter gebraucht sein wird, wie z. b. geistigkeit (1) bei Leibnitz bezeugt, auch 'geistig, geistreich, spiritoso' M. Krämer (1678) 522ᵇ. wie es aber in dieser bedeutung überhaupt nicht durchgedrungen ist (vgl. 3, i), so fehlt es überhaupt wieder in den wbb. nachher, bei Rädlein, Ludwig, Aler, noch bei Steinbach, Frisch, Weber (1745), obwol es auch dem leben schon nicht fremd war in einer bestimmten bedeutung (2, a), in der heutigen aber vertrat immer noch geistlich seine stelle mit.
2)
a)
Im 18. jahrh. erscheint es wieder als adj. zu geist von bier, wein u. ä., spiritus (s. geist 12): einige brauer decken um diese zeit den kessel oder die pfanne feste zu, dasz der brodem beisammen und das bier desto geistiger und stärker bleibe. öcon. lex. Lpz. 1731 sp. 290, geisthaltiger; ein geistiger wein, 'ein geistreicher, der viel flüchtige wirksame theile hat' Adelung (flüchtig als gegensatz zu phlegma, s. geist 12, b. e). geistige getränke, spirituosa: eine schöne gegend, ein künstliches gemälde, die beste mahlzeit, das geistigste getränke .. alles ist mir zur last. Gellert 5, 38 (29). auch es riecht geistig, nach spiritus:
der schrank der klafft und geistig riecht's ..
ein fläschchen schnapps ergreif ich da.
Göthe 47, 85 (3, 115 H.).
bildlich (vgl. von 'geistiger gärung' unter b):
sein herz, von hefen rein,
wird geistig nur, nicht sauer,
er wird, wie edler wein,
veredelt durch die dauer.
Voss ged. (1825) 3, 222.
b)
auch chemisch, ursprünglich alchymistisch (s. geist 12, a. d): die scheidekunst ziehet aus groben irdischen materien das wirksame und geistige heraus. Adelung; ein geistiges salz. Heynatz antib. 2, 21, für 'spirituös' (vgl. salzgeist unter geist 12, a), es ist ihm noch die gewöhnlichste bedeutung (i. j. 1797);
durch die ganze natur ist ein flüchtiger, geistiger, saurer
aether verbreitet, von ihm durchdrungen sind alle gewächse,
alle gewässer und steine u. s. w.
Neubeck gesundbr. 16
(s. u. gas 3, a);
die dämmernde grotte (der nymphe),
wo sich ihr geistiger quell ergieszt.
52.
geistige gärung, eigentlich gärung der chemischen lebensgeister: auch in der brodbäckerei spielt sie (die kohlensäure) eine wichtige rolle, indem der mehlteig, durch zusatz von hefen oder sauerteig in geistige gährung versetzt ... aufschwillt. Karmarsch techn. wb. s. v. kohlensäure. s. auch u. geistigkeit.
c)
wie damit den chemischen u. a. stoffen urspr. wirklich ein geist oder geister beigelegt waren (s. geist 11), so berühren sich diese auch wirksam mit den lebensgeistern in uns (s. geist 13): man stelle sich zween leute vor, von denen der eine wasser, der andre wein trinkt. dieser fühlt die geistigen bewegungen seines erwärmenden getränkes, und der wassertrinker fühlt sie nicht. Gellert 5, 150 (113).
3)
Endlich als adj. zu geist überhaupt im eigentlichen sinne, jetzt nach allen möglichen richtungen reich entwickelt, aber erst im 18. jahrh. langsam neu aufkommend, da sein auftreten im 13. 14. jh. (1, a) keine folge gefunden hatte. s. auch geistisch, das selbst schon dafür zeugnis gibt, wie das späte vorkommen von geistlich für geistig gleichfalls, dasz letzteres auch länger nach 1750 noch durchaus nicht fest stand.
a)
im gegensatz zu leiblich, körperlich, stofflich, sinnlich u. ähnl. (s. geist 20), z. b. bei Brockes in einer schilderung der rose:
der roten farben süszer schein
scheint leiblich nicht, nein geistig fast zu sein,
da er, nachdem als man die rose drehet,
bald von bald nach dem licht' entstehet und vergehet.
ird. vergn. in gott 1 (1728), 84;
quell aller geistigen vollkommenheiten (gott).
1, 498;
unsre geister (lebensgeister, s. geist 13) selber scheinen
ein behendes feur zu sein,
und es wird kein mensch verneinen,
dasz man meistens das allein
herrlich, schön und edel nennet,
worin geistig feuer brennet.
1, 386;
millionen creaturen, welche geistig, leben, schweben
unsichtbar um unser' erde.
5, 291,
er scheint es zuerst in gang gebracht zu haben (bei Haller, Drollinger, Hagedorn suchte ich vergeblich danach), s. auch unter geistigkeit 3; dann bei Wieland, der ja in der jugend ein verehrer von Brockes war:
jetzt zeigt sich unserm geist das ewig feste band,
das die geschöpfe knüpft an die allmächt'ge hand.
durch sie nur lebt der trieb, der in den wesen schläget (pulsiert),
die einen körperlich, die andern geistig reget.
natur der dinge 2, 70;
nun zeigt sich der gebrauch (nutzen) des stoffs, der selbst nicht denkt,
und doch gefühl und lust den geist'gen wesen schenkt.
3, 576;
dasz selbst die geist'ge schaar empfindender substanzen
aus dichtem stoff besteht (d. h. als ungereimtheit).
3, 31;
sie (die monaden) sind, erzählt man uns, unkörperliche spiegel,
in welche sich die welt mit feinen zügen drückt,
wohin ein jedes ding sein geistig bildnis schickt.
3, 128;
kurz, als ein marmorbild ist schwester Blaffardine
unläugbar ein werk der schönen natur
in ritter Berninis geschmack. doch ausdruck oder miene
verlangen sie nicht! so wenig als griechischen contour!
nichts von dem geistigen reiz, den nur die kenner fühlen!
neuer Amadis (1771) 1, 160;
in der natur nennen wir jede träge materie todt. je mehrere, je edlere kräfte sich in ihr regen, desto mehr erscheint sie uns geistig, geistvoll. Herder XX, 44;
dann hat er die theile in seiner hand,
fehlt leider! nur das geistige band.
Göthe 12, 96,
der geist als verbindende einheit (vergl. geist 26, f); die seele hat einen thätigen einflusz auf das denkorgan. sie kann die materielle ideen stärker machen ... und so mit macht sie auch die geistigen ideen stärker. Schiller I, 91, vergl. sinnliche idee 90, 16; wenn man annehmen darf, dasz die wesen, in sofern sie körperlich sind, nach dem centrum, in sofern sie geistig sind, nach der peripherie streben, so gehört unsere freundin (Makarie) zu den geistigsten. Göthe 23, 218 (wanderj. 3, 15); indem ihr geistiges ganze sich zwar um die weltsonne, aber nach dem überweltlichen in stätig zunehmenden kreisen bewegte. 219; geistige form, im gegensatz zur sinnlichen. 23, 247 (spr. in pr. 688), wie innere form 44, 2. 33, 203 (Creuz 2, 158, Wieland 1, 21); er findet keine geistigen lebendigen symbole .. er bedient sich, um das .. unbegreifliche zu erklären, der crudesten sinnlichen gleichnisse. 53, 199; dieses (ideal) präge er aus in täuschung und wahrheit .. präge es aus in allen sinnlichen und geistigen formen und werfe es schweigend in die unendliche zeit. Schiller X, 301 (9. ästh. br.). auch im gegensatz zu irdisch, von Klopstock: ein mann, der irgend ein irdisches thun durch geistige anregung zu veredeln .. weisz. Göthe 26, 123.
b)
der steigerung des geistigen in seinem verhalten zum körperlichen oder sinnlichen (vergl. geist 24, a a. e.) entspricht auch grammatische steigerung:
ob sie (die zweite classe der monaden) gleich, ungeschickt zu geistigern gedanken,
nur durch die sinne sich mit schlechtem stoffe speist.
Wieland natur der dinge 3, 294,
d. i. gedanken, die schon mehr geistiger natur sind; die künste .. wodurch einige alte völker diese so geistige kunst (die tonkunst) noch geistiger zu machen .. suchten. Herder IV, 112; durch ein geistiges gleichnis diese unfaszlichen wesen aus dem reiche der sinnlichkeit in ein geistigeres herübergespielt zu haben. Göthe 53, 196; es scheint, dasz Schillers krankheit ihm sein geistiges noch geistiger macht. frau v. Stein an Charl. v. Schiller 2, 304;
o edelsinn, des guten herzens krone ...
beweis und strahl der ewigkeit des geistes ...
o edelsinn, du geistigster der sinne ...
Lavater das menschl, herz 3, 249;
vgl. u. a von Makarien, die zu den geistigsten wesen gehört Göthe 23, 218; wenn unser seelenconcent (so l.) am geistigsten gestimmt ist. 25, 191.
c)
der bereich des gebrauchs ist weit und unerschöpflich, z. b. geistige freude, geistesfreude: wie würdig unserer bestimmung ist die ernste geistige freude, die ihr (grosze gedanken) einflöszet. Wieland sympathien (1758) 78; nimm gott aus dem all, so ist alles vernichtet, jede höhere geistige freude, jede liebe, und nur der wunsch eines geistigen selbermords bliebe übrig. J. Paul 61, 299. so besonders für den gen., wie geistiges reich für reich des geistes, die geistige welt, geisteswelt u. ähnl.: indem (in Deutschland) das politische reich wankt, hat sich das geistige immer fester und vollkommener gebildet. Schiller XI, 414; wie grundtief die veränderungen in dem geistigen reiche in Deutschland waren. Gervinus gesch. d. 19. jh. 8, 75; geistige schönheit, klarheit, stärke, hoheit u. a.:
himmlischer söhne
geistige schöne.
Göthe 12, 75;
dasz in den menschen so viele geistige anlagen sind, die sie im leben nicht entwickeln können. 16, 198; geistiges leben, wachsthum, gedeihen u. s. w.; das besuchen der kirchen und der streit über die religionslehren ward eine besondere art von geistiger unterhaltung. Schlosser weltg. 4, 468; der mangel an geistiger bewegung (beweglichkeit), welcher den Römern im gegensatz mit den Griechen eigenthümlich war. 3, 470; diesz rastlose geistige fortbewegen eignete ihn (Schiller) auch so vorzugsweise der poesie und in ihr der dramatischen. Humboldt an Körner 119. geistige ruhe, geistiger friede u. ä., aber auch geistige trägheit, stumpfheit, schwäche, flachheit, verkommenheit, geistige störung, verstimmung u. ä., geistige gärung J. Paul 34, 62. ferner geistige annäherung zwischen zweien, berührung, vereinigung u. ä. (vgl. geist 19, m): hier ist unter liebe das edelste bedürfnis geistiger, vielleicht auch körperlicher vereinigung gedacht. Göthe 45, 322.
d)
dazu auch als adv., ziemlich vielseitig, z. b.:
die seelen schienen ohne worteslaut
sich ohne mittel geistig zu berühren,
als sich mein athem mischte mit dem ihren.
Schiller braut von Mess. (1803) 83,
hier wie im geist, mit dem geist oder den geistern; ein kunstwerk musz geistig erfaszt, genossen werden, in seinem geiste oder mit dem innersten geiste des genieszenden oder beides; geistig empfinden, im geiste (vgl. geist 17, e): man hat mir nun eine andre wohnung angeboten ... hinten nach dem gebirge hin, worüber sie eine grosze freude hat, und die berge, die noch hinter mauern von wolken verborgen liegen, schon vorläufig geistig empfindet. Hegner molk. 1, 14; muszte es ihm (Göthen) unmöglich sein, sich der revolution geistig zu bemächtigen. Vilmar nat. lit. 2, 271. bei adjectiven, z. b. wie einem geistige gaben, grösze, überlegenheit u. ä. beigelegt werden, so heiszt er auch geistig begabt, grosz, überlegen, aber auch geistig unbedeutend, geistig gleich null u. ä. wer geistige anregung gibt, heiszt auch geistig anregend, und andere fühlen sich von ihm geistig angeregt. aber auch geistig todt, in geistigem tode lebend u. s. w. auch verbunden, z. b. geistig-schön (s. schöner geist sp. 2706):
ohne wandel durch die jahre ...
leuchtet hoch das reine klare
geistig-schone, gute, wahre
dieser seel' in ewigkeit.
Bürger 122ᵇ;
geistig-ungewöhnlich J. Paul 43, 148; s. auch unter f.
e)
auch substantivisch das geistige, z. b.: ich bringe nichts vor mich im zeichnen, jetzo sehe ich täglich mehr wie (nur) eine anhaltende mechanische übung endlich uns das geistige auszudrücken fähig macht. Göthe an frau v. Stein 2, 187, das im geiste ruhende oder lebende; wie er (der Grieche) jeder idee sogleich einen leib anbildet und auch das geistige zu verkörpern strebt. Schiller X, 69; den menschen immer bei seiner totalität zu behaupten, das physische zu vergeistigen und das geistige zu vermenschlichen. an Göthe 9. febr. 1798; vergl. sein geistiges (d. h. Schillers) frau v. Stein unter b.
f)
es wird auch mit seinen gegensätzen verknüpft, um diese durch höhere einheit zu überwinden, wie geistig-körperlich, geistig-sinnlich: ein ganzes bild vom ganzen menschen, sein geistig-körperliches dasein. Herder Kallig. 1, 168; so finden wir keinen so geistig-körperlichen ausdruck für das pulsiren. Göthe 53, 21; hier begeben sich visionen, geistig-sinnliche gegenwarten treten auf. 35, 357. ähnlich geistig-sittlich (die ja auch als gegensätze erscheinen): mit eigener scharfsinniger zartheit wurde dieser schätzenswerthe mann (Hemsterhuis) dem geistig sittlichen, so wie dem sinnlich ästhetischen unermüdet nachzustreben geleitet. 30, 238. auch noch enger 'geist-leiblich' (vergl. geistkörper): da die gesprochene sprache von selbst und nothwendig aus dem leben des menschen, als eines geist-leiblichen wesens, hervorgeht. K. F. Becker organism der sprache.
g)
zuweilen gleich geistähnlich, geistartig, z. b.:
zween, die mit mir überfuhren,
waren geistige naturen.
Uhland 67 (überfahrt);
o lösche deine fackel, tag! hervor,
du geistge nacht, mit deinem holden schweigen!
Schiller XI, 208, die erwartung;
geistige bilder stiegen aus dem zwielicht
der erinnerung, mich umschwebten trübe
die gestalten meiner entfernten lieben
und der gestorbnen.
Salis (1808) 46, abendwehmut;
ich fühle den geistigen hauch wehen in der mitte der freunde. Fr. Schlegel Athen. 3, 93 (vgl. geist 2, e). geistiger leib (vgl. geistleib), s. Bettine br. 2, 4 unter geist 14 a. e., gleich dem biblischen geistlicher leib 1 Cor. 15, 44 (s. geistlich 1, b):
es war als sähen sie auf seinem angesicht
die dämmerung von einem neuen leben
und wie von reinem himmelslicht
den widerschein um seine stirne weben,
der schon zum geistgen leib den erdenstoff verfeint.
Wieland Oberon 9, 40.
im hausdeutsch sagt man von einem kranken mit hohlem blick u. ä.: er sieht so geistig aus (auch geistlich), wie ein geist, nicht mehr wie ein mensch; s. geist 4, h.
h)
ähnlich von einer optischen erscheinung: das violette hingegen wird das papier verlassen und als ein geistiger, jedoch sehr deutlicher streif, tiefer unten über der finsternis schweben. Göthe 59, 93 (35, 384 H.). auch folg. geistige handrisse sind wol ähnlich gemeint, skizzen, mehr geistig als körperlich: ich habe selbst eine schöne sammlung von geistigen handrissen, besonders in landschaften, auf meiner rückreise zusammengebracht. Göthe an Lavater 73. auch im volksmund für unkörperlich, unfest, flüchtig, z. b. wenn ein straszenarbeiter bei Leipzig auf die klage über schlechten weg bei thauwetter erwiderte: es ist zu viel geistiges zwischen dem kies (der nach dem frost aufgestreut war), d. h. eis und schnee im auflösen begriffen; es schlieszt sich an das alchymistische geistig 2, b an.
i)
auch an geistreich, geistvoll anklingend (vgl. im 17. jahrh. 1, b. c):
fröhlich trinken, geistig schreiben.
Göthe 47, 45 (3, 157 H.);
dann folgt von Göthe skizze zu einer charakteristik von Winckelmann, die die köstlichsten und geistigsten resultate in seinem herrlichen stil enthält. W. Grimm an J. Grimm in ihrem briefw. (1881) 54. s. geist 24 als reicher geist, esprit u. ä., woraus sich das leicht ergab, wie im 17. jh. schon einmal.
k)
landschaftlich aber auch für lebensvoll, z. b. schweiz. geistig voll lebhaftigkeit, muntern wesens Stalder 1, 438, tirolisch auch von thieren, von menschen aber geistig sein, von stolzem mute Schöpf 183, d. h. zu geist (2, d) lebensgeist.
l)
über das verhältnis zu geistlich s. dort; beide auch in nahe beziehung gesetzt: adlicher frauen, welche durchaus mehr als die männer geneigt waren, etwas geistiges und geistliches aufzunehmen. Göthe 26, 279; dasz Lavater und Basedow geistige, ja geistliche mittel zu irdischen zwecken gebrauchten. 296. im folg. greift eigentlich geistig selbst in geistlich über: seine (Jesu) bekenner hofften auf die erscheinung seines reiches. geistige christen dachten sich darunter ein geistiges, fleischliche ein fleischliches reich. Herder ideen 4, 58 (17, 1); brünstiges beten .. fleisziges beichten und genusz des abendmahls, flehen und ringen nach geistigen gütern. Göthe 29, 191. findet sich doch älter nd. geistich und wertlich gesellt, s. mnd. wb. 2, 36ᵇ. vgl. auch geistiglich.
m)
bei Stieler 639 auch hochgeistig, reichgeistig, armgeistig (die beiden letzten schon bei Luther), d. i. mit hohem, reichem, armem geist; s. auch kleingeistig.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2771, Z. 13.

geistiglich

geistiglich,
geistig und geistlich:
ganz geistiglich ist sein beginnen,
er ist von fleischbegierden rein,
wie die lieben herzengelein.
Göthe 13, 63 (pater Brey),
als alterthümelnde form, in der geistig und geistlich wie zusammengenommen erscheinen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2776, Z. 52.

geustig, adj.

geustig, adj.,
s. Hunziker Aargauer wb. 103.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1898), Bd. IV,I,III (1911), Sp. 4640, Z. 20.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
geilerei gelaichen
Zitationshilfe
„geistig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geistig>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)