Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geistlich, adj.

geistlich, adj.
zu geist, welches lange das heutige geistig mit vertrat. ahd. keistlîh, geistlîch spiritualis, alts. gêstlîk, ags. gâstlîc, altfries. gâstlîk, jêstlîk; mhd. geistlîch, mnd. geistlick Dief. 547ᶜ, nl. geestelijk, engl. ghostly, entlehnt auch dän. geistlig (in bedeutung 3). bemerkenswert eine fürs sprechen erleichterte form, für häufigsten gebrauch des wortes zeugend, schon ahd. keislîch Graff 4, 272, gêslîh Müll. u. Sch. denkm. lxxxii, 1, mhd. geislîch (: vreislich) Haupt 2, 58, wb. 1, 496, alem. auch geischlich Lexer 1, 800, Merswin 9 felsen 16 (wie geischel für geisel sp. 2615), im 15. jh. geislich Dief. 23ᶜ. 547ᶜ, nov. gl. 254ᵇ, und noch im 16. jh.: in deinem gemuet geislich. Berth. v. Chiemsee 28, 3; vergl. übrigens geist I a. e.
1)
geistlich als gegensatz zu leiblich, fleischlich, natürlich, auch zu buchstäblich, äuszerlich.
a)
so zuerst im kirchlichen gebrauch, nach dem biblischen spiritualis, πνευματικός, wie geist selbst nach spiritus, πνεῦμα (s. geist 14). ahd. z. b. geistlîchaʒ brôt Otfr. III, 7, 77, geistlîchêr wîn II, 9, 24, geistliche und geistige nahrung: und (unsere väter) haben alle einerlei geistliche speise gessen und haben alle einerlei geistlichen trank getrunken, sie trunken aber von dem geistlichen fels, der mit folget, welcher war Christus. 1 Cor. 10, 3. 4; denn so die heiden sind irer (der heiligen) geistlichen güter teilhaftig worden, ists billich das sie inen auch in leiblichen gütern dienst beweisen (durch steuer und unterstützung). Röm. 15, 27; es sol auch der mensch von keines zeitlichen geistlichen oder leiplichen nuczes wegen liegen (lügen). Geffken bilderkat. 1, 90. geistliche und leibliche natur, creatur u. ä.: alliu geistlîchiu natura. Notker 150, 5; erste (frag) ist, ob menschliche sele geistlicher oder leiblicher natur sei? Berth. v. Chiemsee 28, 3; im anfang hat got beschaffen himel und erde, das ist geistlich und leibliche creatur. 23, 1; ein iglich christenmensch ist zweierlei natur, geistlicher und leiplicher. Luther von d. freiheit eines christenm. A ijᵇ (Dietz 2, 55ᵃ); gleich als wenn ich von einem menschen rede und ihn nach der seelen ein geistlichen, nach dem leip ein leiplichen menschen nenne. vom bapstum C 3ᵃ; figur und erfullung der figuren haben sich kegen ander wie ein leiplich und geistlich oder euszerlich und innerlich ding. D 3ᵇ;
dem leibling (für leiblichn) kranken auf ertreich
ist der geistlich krank eben gleich.
H. Sachs 6, 321 K.;
der leibliche durst hat durch den tod in dir aufgehöret, aber der geistliche durst wehret nochmal an dir, wird auch nicht aufhören. Schuppius 452.
b)
auch fleischlich als gegensatz (s. geist 14, b): ir aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders gottes geist in euch wonet. Röm. 8, 9;
des vinde wir hiute geistlîch liute
freislich in vleischlîcher hiute.
Renner 4291;
so wirt verkert die geistliche liebe in fleischliche liebe. Keisersb. hell. löw d 5ᵇ; das musz ja geistlich heiszen, was der geist thut und vom geist kompt, gleichwie fleischlich ist was fleisch thut und vom fleisch kompt. Luther 3, 364ᵃ; dasz zweierlei zorn sei, einer ist fleischlich, welcher die werke des fleisches würket, der ander ist geistlich, welcher die werke des geistes würket. Schuppius 299. aber auch ein unvergenglich, geistlich fleisch (Christi in der hostie). Luther 3, 468ᵃ.
c)
geistlich und natürlich als gegensätze: der natürliche mensch .. der geistliche. 1 Cor. 2, 14. 15; es wird geseet ein natürlicher leib und wird auferstehen ein geistlicher leib. hat man einen natürlichen leib, so hat man auch einen geistlichen leib. wie es geschrieben stehet, der erste mensch Adam ist gemacht ins natürliche leben und der letzte Adam ins geistliche leben. 15, 44. 45; got verleicht menschlichem geist zwaierlai leben, ain natürlichs und ain geistlichs. in natürlichem leben ist der geist untodlich, in geistlichem todlich. Berth. v. Ch. 28, 1; bemelt geistlich leben kumbt allain von got, des gnad, als ain geistlich leben, fleuszt in menschlichen geist, auf das er lebentig sei wie der leib lebentig ist dieweil in ine des geistes natürlich leben fleuszt. 28, 2 (vgl. geist 14, e, β); also ist sündiger mensch geistlich tod und natürlich lebentig. das., wie sonst auch nach dem geist und nach der natur.
d)
auch als gegensatz zu buchstäblich, schriftlich, daher für allegorisch, auch mystisch, typisch, nach der bibelstelle vom geist und buchstaben 2 Cor. 3, 6 (s. geist 26, b).
α)
geistlicher sinn, verstand, geistliche auslegung u. ä.: das schwert aber, das wort gottes, nimpt er (Emser) und gibt für nicht mit der scheiden, das ist mit dem buchstaben, sondern mit der schneiden, das ist mit dem geistlichen verstand zu hawen. Luther 1, 367ᵇ, in der schrift auf das überchristlich, übergeistlich und überkünstlich buch Bocks Emsers vom j. 1521; dieser stück und geistlicher auslegung (des biblischen buchstabens) ist das ganz buch vol. 368ᵃ; das (jene stelle 2 Cor. 3, 6) ziehet und deutet mein Emser dahin, das die schrift zweierlei sinn hat, einen euszerlichen, den andern verborgen, und die zween sinn nennet er schriftlich und geistlich sinn u. s. w. 377ᵃ (wiewol ich etwa auch in dem irrthum gewesen das.); da s. Petrus sagt, wir sind alle priester, spricht er, es sei gesagt im geistlichen sinn, nicht im schriftlichen sinn. 378ᵇ; leret klerlich, das sie nicht die lebendige, geistliche, sondern die schriftliche, tödliche, schedliche priesterschaft sei. das.; etliche wollen, es (das buch Judith) sein kein geschicht, sondern ein geistlich schön geticht eines heiligen geistreichen mans, der darin hab wollen malen und furbilden des ganzen jüdischen volks glück und sieg. Bindseils bibelausg. 7, 412, allegorische erfindung; nu solt ich hie die geistliche deutung auch einfüren. ders. bei Diez 2, 55ᵇ, die allegorische auslegung.
β)
allegoria wird in vocc. des 15. jh. erklärt als ein geistliche bedeutung, der fremd geistlich sinn, auslegung geislicher ding Dief. 23ᶜ, im 14. jahrh. ein geistlichiu betutung Wack. voc. opt. 32, 9; vergl. eine erzählung von H. Folz mit einer geistlichen glos Haupt 8, 524, allegorischer anwendung auf den zustand der welt. es gab lange eine geistliche, kirchlich allegorische dichtung, s. z. b. im 15. jh. vom geistlichen fasnachtkrapfen Münchner deutsche hss. nr. 841, geistliches schiffslied Schmeller bair. wb. 1, 360, geistliche mühle Riemer polit. maul. c. 100 (s. Uhland volksl. 864. 888), d. h. mit allegorischer aus- und umdeutung im geistlichen sinne.
γ)
auch mysticus ist in den vocc. geistlich (auch geistsinnig), mysticum corpus ein geistlich lichnam, mysticum geistlich vorspil Dief. 364ᵃ, mystice geislich nov. gl. 254ᵇ; etwas geistlicher weis verstehen, in senso mistico. M. Krämer 522ᵇ; der geistliche leib Christi, corpus mysticum Frisch 1, 336ᵇ. auch gaistlich typicus, bezeichenlich voc. 1482 k 1ᵃ, vorbildlich, wie z. b. die dinge des A. T. vorbildlich auf die des N. T. deutend angesehen wurden. schon ahd. bei Otfrid geistlîch für mystisch, allegorisch z. b. I, 17, 68. II, 9, 16. III, 7, 4. bei Luther 3, 3ᵃ 'im geist' so: darumb sind die wort im geist geredt auch im geist zu verstehen (geist 10, i). vgl. auch Schlegel unter 2, c a. e. über geistlich und allegorie.
e)
daher auch gleich innerlich (vgl. geist 19, a): die götter seind geister, darumb müssen ir dienst auch innerlich und geistlich sein, nicht leiblich, nicht euszerlich. Agricola spr. 181ᵇ (nr. 301); vergl. bei Luther u. a leiplich und euszerlich, geistlich und innerlich als gleich; so das inner unsichtbar und geistlich urteil verloren haben. S. Frank weltb. vorr.; von wachsender innerlichkeit, die ja das wesen des geistes darstellt (vgl. u. geist 19, h. 30, c): es sint fünf sinne ûʒwendig, die bekennent ein ieglich ding mit iren eigenen bilden .. nu sint fünf ander inwendig sinne, die entpfâhent disiu bilde von den ûʒwendigen sinnen und ie einer enpfâhet si geistlîcher denn der ander. Haupt 8, 435. noch im 18. jh.: der geistliche oder der innerliche mensch, the spiritual or inward man. Ludwig 721.
2)
So ist geistlich lange das herrschende adj. zu geist überhaupt, auch gelöst von seinem biblisch kirchlichem ursprunge, für das heutige geistig, das eigentlich erst im 18. jh. emporkommt.
a)
im philosophischen sinne schon mhd. und ahd. für immateriell (vergl. Notker unter 1, a): got in der gotheit ist ein geistlich substancie diu apgrüntlich ist, alsô daʒ nieman dâ von gesprechen kan dan daʒ eʒ niht ensî. Eckhart 500, 27, vergl.entplœʒet von allen geistlîchen materien 505, 34, vergl. unter geistig 1, a. im 15. 16. jh.: subtilis, geistlich. Melber y 8ᵃ, d. i. immateriell (vergl. unter geist 13, c); die geistliche und seelische wesentlicheit oder die subtilitäten von diesen dingen. Thurneisser von harnen vorr. 4; dann so ich eim ein geistlich gab mitteil, hab ichs nicht dester weniger und ietz der ander mit mir so wol als ich. S. Frank spr. 1, 137ᵇ; natürlich leben hat drei staffel, benentlich wachsend, empfindlich und geistlich oder vernünftig leben. Berth. v. Ch. 94, 11; das sehen hette sie nichts geholfen, wo nicht auch ein geistlich sehen da gewest were. Luther 3, 362ᵃ, inneres gesicht.
b)
das adv. steht auch für unser im geiste, am geiste, mit dem geiste u. ä.: wêre diz (innere) ouge .. zu mâle în gekârt, iʒ würde gotis gewar geistlîchen. myst. 1, 179, 14;
ich lob den tag ...
do ich es hört und gaistlich sach.
Wolkenstein LVI, 1, 12;
selig sind, die da geistlich arm sind, denn das himelreich ist ir. Matth. 5, 3, οἱ πτωχοὶ τῷ πνεύματι; es kompt aber die zeit ... das rechtschaffene anbeter den vatter anbeten werden geistlich und rechtschaffen. Luther bei Dietz 2, 56ᵇ, biblisch im geist, s. d. 19, k, γ; der geistlich und gründlich betet. das.; das macht, das er geistlich, unsichtlich regirt. das.; es ist auch zu viel das man so hoch im geistlichen recht hebt der geistlichen freiheit, leib und guter, gerad als weren die leien nit auch so geistlich gute christen als sie oder als gehorten sie nichts zur kirchen. an den adel B 3ᵃ. und wie bruder im geiste (s. d. 19, k, ε), so mit adv.: daʒ wir geistlîche gebrûdere sîgen, ut fratres simus spiritualiter. Diut. 1, 284, mit adj.: wanne si (die engel) unse geistlîchen brûdere sint, wanne wir sullen mit in besitzen daʒ veterlîche erbe des êwigen lebines. myst. 1, 207, 35. im 17. jahrh. z. b. geistlich blind:
wer dieses nicht bedenken
und überlegen kan, der ist recht geistlich blind.
Chr. Gryphius poet. wäld. 2, 203.
c)
noch das ganze 18. jahrh. braucht diesz geistlich neben dem aufkommenden geistig fort: auf solche weise könte eine machine durch blosze bewegungen gewisser materie eben dasjenige verrichten, was die seele durch ihre geistliche kräfte verrichtete. Wolff vern. ged. von gott (1720) 432; aber man musz wissen, dasz ein mensch der lesen und schreiben und von einem buche urtheilen kan, auf seine art eben so wol ein geistlicher könig ist, als ein christ, und seine feder so wenig umsonst führet als die obrigkeit ihr schwerd. Liscow vorr. 70 (52), ein könig in der geisteswelt; die künftige seligkeit wird blosz geistlich, die strafen aber dabei auch wol leiblich sein. Haller tageb. 1, 90; ich betrachte die sprache als eine kunst den gedanken durch thöne einen leib und eine sichtbare gestalt mitzutheilen .. die thöne, als der cörperliche theil, sind durch den willen der menschen mit den bedeutungen als dem geistlichen theil vereiniget worden. Breitinger forts. der crit. dichtk. 13; durch die mahlerische kunst giebt er (der poet) den unsichtbaren und geistlichen dingen einen cörper, den leblosen die seele. 404; man kan beides von dem menschen sagen, er sei ein geist der in die materie eingespärret und ihr unterwürfig gemachet ist, und er sei materie die eine geschicklichkeit empfangen hat auf das geistliche und unsichtbare zu würken. Bodmer poet. gem. 282; deswegen er (der poet) die materialische, ja die geistliche welt selbst nur in ihrer beziehung auf den menschen betrachtet. 281; und warum sollte es nicht auch in der reinsten himmelsluft (dem aether) einige gattungen geistlicher wesen geben können, die an keinen planeten gebunden sind? Gottsched weltweish., theor. theil (1743) 558, vergl. unter geist sp. 2637;
so lerne denn, dasz tod und sterben
allein in grobe körper dringt
und der verstörung grundverderben
ein geistlich wesen nie bezwingt.
es ist oft eben so unbillig einen gelehrten nach seinen schriften zu beurtheilen, als einen vater nach seinen kindern ... der geistliche vater kann oft in eben diesem falle sein. Lessing 4, 447 (vorr. zu Mylius schr., 2. br.); bei denjenigen büchern und stellen der schrift .. welche auf unsere geistliche besserung mehr oder weniger abzwecken. 10, 141 (axiomata 3); der zweck dieser (biblischen) poesie war nicht, das ideal des menschen physisch, sondern geistlich auszuführen. Herder XI, 360, in der inhaltsangabe dagegen im physischen und geistigen 354; deine frau seh ich (besuch ich) von zeit zu zeit, und öfter wenn der geistliche arzt nöthig sein will. Göthe an Herder während dessen abwesenheit in Italien (aus H.s nachl. 1, 103), um der freundin in ihrer schmerzvollen sehnsucht geistigen trost zu spenden; ich kann das gefühl, das mich beim lesen dieser schrift (des W. Meister) durchdringt, nicht besser als .. durch ein gefühl geistlicher und leiblicher gesundheit ausdrücken. Schiller an Göthe 7. jan. 1795, geist- und leibliches wolergehen u. ä. (vgl. geist- und weltlich u. 3, a) war eine beliebte wendung aus dem 17. jh. her; ich sehe nun klar vor mir liegen den grund meiner ehmaligen achtlosigkeit und blindheit über geistliche dinge. von irdischen zwecken angefüllt u. s. w. Fichte bestimm. des menschen 194, in einem zusammenhange der zwar vom reich gottes spricht, aber keineswegs kirchliche farbe hat; ein geistlicher ist, wer nur im unsichtbaren lebt, für wen alles sichtbare nur die wahrheit einer allegorie hat. Fr. Schlegel Athen. 3, 4; der geistliche blosz als solcher ist es nur in der unsichtbaren welt. 6, hier allerdings zugleich mit gesuchtem anschlusz an den kirchlichen begriff, daher auch: auch die sogenannten volkslehrer, die der staat angestellt hat, sollen wieder priester werden und geistlich gesinnt. s. 14. aber noch in unserm jahrh. bei Göthe: nun aber müssen wir, um das geistliche, das gemüthliche (des verhältnisses) zu einer art von vollständigkeit zu bringen, auch ein geheimeres offenbaren. 23, 215 (wanderj. 3, 14), später von herausgebern geändert das geistige (z. b. 1850 16, 373, Hemp. 18, 408), man sah wol einen druckfehler, wo nicht sprachfehler darin. auch Adelung setzte noch als erste bedeutung: aus geist bestehend ('wofür aber geistig üblicher ist'), z. b. die geistliche beschaffenheit gottes, die verklärten im himmel haben einen geistlichen leib.
d)
manche fälle stehen wie auf der brücke zwischen dem heutigen geistig und geistlich, jenem oder diesem näher, z. b.:
o schwere that! o werter fleisz!
so geistlich, weis   und kühn zu kämpfen
und mit gleichlosem sig und preis
lust und anmutungen zu dämpfen!
Weckherlin 546 (183 Göd.),
in dem preise eines fürstlichen hauses, das seine lust in edleren geistigen genüssen suchte statt in der gewöhnlichen sinnlich weltlichen art der zeit; Luther arbeitete, uns von der geistlichen knechtschaft zu befreien. möchten doch alle seine nachfolger so viel abscheu vor der hierarchie behalten haben, als der grosze mann empfand. Göthe 56, 217 (d. j. G. 2, 221), zugleich doch geistesknechtschaft überhaupt; dergleichen fromme handlungen waren jedoch zu herzlich und lebhaft, als dasz man nicht hätte suchen sollen sich zugleich auf eine geistliche und gefühlvolle weise über die wichtigsten gegenstände zu unterhalten. 29, 191 (Philipp Neri), mehr geistlich, als geistig, aber auch das letztere mit. unser geistige weihe, geistesweihe hiesz im 14. jh. geistliche salbe (s. salbung unter geist 23, e), allerdings dem heil. geist zugeschrieben:
du pist die ewig minne
und ain gaistleiche salbe,
die uns in diser albe
salbt mit gaistlicher süesze.
Vintler 7616.
e)
ein rest der allgemeinen geltung als adj. zu geist ist auch geistlich gleich geistig 3, g, wenn z. b. ein kranker so geistlich aussieht, wie man in Sachsen, Thüringen noch hört. zu zeitgeist bildet Rückert 12, 346 neuzeitgeistlich. anderseits auch gleich geistig 2, wenn z. b. die güte und gesundheit eines mineralwassers in seine höchste reinigkeit, flüchtigkeit und geistlichkeit gesetzt wird bei J. Fr. Henckel, Bethesda portuosa, das hülfreiche wasser zum langen leben, insonderheit in dem Lauchstädter brunnen Freib. u. Leipz. 1726, s. von flüchtigen geistern unter geist 12, d. e.
3)
Als gegensatz zu weltlich (oder zeitlich), woraus sich die heute herschende bedeutung entwickelt hat.
a)
biblisch z. b.: hören wir nicht auf fur euch zu beten .. das ir erfüllet werdet mit erkentnis seines willens in allerlei geistlicher weisheit und verstand. Col. 1, 9; leret und vermanet euch selbs mit psalmen und lobsengen und geistlichen lieblichen liedern. 3, 16; sie haben musicam gelernet und geistliche lieder getichtet. Sirach 44, 5. dazu geistlicher dichter, z. b. von David: des geistlichen dichters weissagunge, die erstrecken das end menschlichen lebens nicht über 80 jahr (ps. 90, 10). Schuppius 777. in geistliche und weltliche lieder, gedichte, schriften u. ä. dachte man sich lange alle poesie und literatur, ja alles leben im groszen und kleinen in geistlich und weltlich getheilt, womit erst Brockes eigentlich ein ende gemacht hat (der beides eben in eins zu bringen trachtete), während noch Günthers lieder in geistliche und weltliche oden oder lieder eingetheilt wurden; (eine hohe person, die) zeit dreier jahre, welche man (d. h. ich) an dero hofe zugebracht, wenig tage vorbei streichen liesz, in welchen sie nicht etwas neues aus den geistlichen oder weltlichen geschichten auf die bahne gebracht und darüber einige kurze poetische gedanken von dem verfasser gefodert hätte. Wernike vorr. a 5ᵇ. noch tief ins 18. jahrh. reicht die bequeme kürzung geist- und weltlich (vgl. geist- und leiblich unter 2, c), z. b.: unter dem druck geist- und weltlicher herrschaft geht alles gute furchtsam hervor. Herder ideen 4, 327; ihre geist- und weltlichen verwandten. Klinger 4, 235; im 17. jh. auch: geist- welt- und häuslicher stand. Olearius reisen auf dem titel.
b)
geistlich zu werden oder zu sein war das lebensziel, das die kirche ihren kindern und von der welt geängstete gemüter sich selbst steckten (wobei ursprünglich eingeschlossen ist was wir nun vergeistigung o. ähnl. nennen), daher auch gleich religiös, fromm, heilig (vgl. geist 10, k als subst. dazu und geistlos 2 als gegensatz zu geistlich), schon im 14. jh. so geläufig, dasz es z. b. auch von der katze heiszt, die den jungen mäuslein noch unbekannt ist:
wir sâhen bî dem viure
ein tierli, was gehiure,
eʒ hâte gar geislîchen schîn.
Boner. 43, 69;
ob ein volkommen geistlicher mensche sich damit (mit einer lüge) vergesze. Geffken bilderkat. 1, 88, aus versehen eine lüge sagte; ein kron der geistlichen oder der heiligen, diadema. voc. 1482 e 8ᵃ, die krone des ewigen lebens; es was ein priester, der het gar geistlich und gar wol gepredigt, und nach dem imbs da treib er den gauch mit den jungen gesellen. Pauli sch. u. ernst 269 Öst.; er (der ehebrecher) het ein frume frawen, die was fast (sehr) geistlich, die bat des herren (gatten) beichtvatter, er solt ein mal den eebruch dapferlich rüren. 267; es ist an vilen enden noch der brauch, das man in der fasten das gemein volk zuͦ der beicht vermanet, namlich (besonders) in der karwochen, so ist man dann ein wenig geistlich. wenn nun die ostern hinweg sind, so ist der geist auch hinweg. Wickram rollw. 88, 6; dis heiszt das gesetz recht geistlich gepredigt. Luther 3, 37ᵃ; ie geistlicher imand ist, ie mer und volkommenlicher er der sunde empfindet. Melanchthon br. an die Römer 9, 30;
ich stell mich geistlichr dann ich bin.
das macht das gelt und grosz gewinn,
den ich davon wol haben mag.
Ayrer 444, 11,
er geht in einem pfäffischen kleid; gleich wie nun die demuth das einige fundament ist, darauf alle andere heilige tugenden ruhen und bestehen, zumahlen dieselbige grundveste in aller rechtschaffenen geistlichen herzen unserer zeit eingewurzelt .. Simpl. 1684 3, 215;
schenkt uns ein den freuden wein,
last uns geistlich trunken sein,
bisz wir endlich selig sterben.
ehrenged. vor Rists sabb. seelenlust 46,
d. h. eigentlich vom heiligen geist, als all - liebe gedacht oder empfunden, vgl. schon ahd. keistlîch trunchenî, ebrietas spiritalis Notker 103, 15; die menschen, die das ganze jahr weltlich sind, bilden sich ein, sie müszten zur zeit der noth geistlich sein. Göthe 20, 66 (lehrj. 7, 6). noch z. b. bei Rädlein 342ᵇ geistlich, andächtig, fromm, gottesfürchtig, spirituel, es war lange das deutsche wort für religiös (s. geistlichkeit 2, religion, religiosität): ein geistliches leben führen, vitam religiosam ducere. Aler 875ᵃ. nicht mehr bei Adelung. aber noch landschaftlich, z. b.: sie kannten alle eifersüchtigen weiber, alle heirathslustigen mädchen ... alle geistlichen, alle abergläubischen leute. J. Gotthelf 1, 98, in Rüttes wb. mit frömmelnd erklärt. vgl. unter g.
c)
insbesondere vom geistlichen stande, der geistlich stant Folz bei Haupt 8, 529 (vgl. unter d).
α)
geistlich sein, dem geistlichen stande angehören: ob iemands .. von dem leben zum tot geurtheilt würd, das solle der vogt lassen thun (statt des abtes), so mein herr geistlich ist. weisth. 2, 391, der abt ist zwar der herr, aber als geistlich nicht befähigt zur handhabung des blutbannes; darum wo du hörest ein klapperman (schwätzer), und ob er schon geistlich ist und ein kutzhuͦt antregt, so bis sicher das niemants daheim ist. Keisersberg sünd. d. m. 76ᵃ;
doch musz ich leider auch bekennen
und werd es mit meim schmerzen innen,
das nit alles, was schwarz, geistlich ist,
das nit all geistlichs lauter christ.
J. V. Andreä bei Herder XI, 117 S.;
(gleich viel, ob) er seye ausländisch, geistlich, oder eine andere person. Mainzer landrecht 1755 25, 1; die geistlichen obren und prelaten. Keisersb. dreieck. spiegel Bb 1ᵇ; von den geistlichen prelaten. das.
β)
geistlich werden, sich dem geistlichen stande widmen: S. Brants 72. cap. im narrenschiff handelt von geistlich werden, vom an duͦn pfaffen-klosterkleit, d. h. sowol auf die weltgeistlichen als die ordensgeistlichen bezogen, die clerici in sacris ordinibus constituti et viri religiosi (s. Zarnckes anmerk.); sonderlich unser Deudschen (schäme ich mich), die wir so gar stöck und thier sind und sagen thüren: ja, was sollen die schulen, so man nicht so geistlich werden? Luther 2, 466ᵃ, gegen die meinung, aller unterricht habe nur geistlichkeit zum ziele. noch jetzt im katholischen volke, z. b.: ich (Ivo) kann nicht geistlich werden, lieber vater ... 'du kommst nicht lebendig aus der stub, wenn du mir nicht in die hand hinein versprichst geistlich zu werden'. Auerbach dorfgesch. (1846) 1, 368; vater, schluchzte er, ich hab mich ja nicht selber zum geistlichen bestimmt. 369, es handelt sich aber ums kloster, vgl. unter γ Schönsleder.
γ)
eben die klosterleute hieszen vorzugsweise geistlich, weil für sie die trennung und abkehr vom weltlichen als ziel am schärfsten ausgeprägt war:
ein wolf sîne sünde flôch,
in ein klôster er sich zôch,
er wolde geistlîchen leben.
minn. frühl. 27, 29;
ein iegelîch geislîch man,
der sînen orden wol kan.
Haupt 2, 58 (monachus s. 23);
die êrsten daʒ sint die pfaffen (clerici), die die kristenheit lêren sullent, daʒ ander sint eht geistlîche liute. Berth. v. Reg. I, 142, 30. 143, 34 ff.; darumbe hât der almehtige got geordent geistlîche liute in der heiligen kristenheit, daʒ si sich gein gote halten alse ir regel seit. 144, 22; dâ von sprach sant Francisce: der geistlîche mensche kan kûme immer ze êren werden, der niht gerne betet. II, 260, 25. 258, 23, in einer klosterpredigt, die vom geistlîchen leben, klosterleben handelt;
der bischof hîʒ Cristiân
und was ein geistlîchir man,
des grâwen ordins geacht (Cistercienser).
Jeroschin 1521;
swer durch dáʒ breite platten schirt
und geistlich man oder pfaffe wirt,
daʒ er müge werltlich êre erwerben,
der wil gern an der sêle verderben.
Renner 4296,
vorher pfaffe oder clôsterman (s.β), aber in geistlich liute 4291 scheint er beide zusammenzufassen. so später, im 17. 18. jahrh. ausschlieszlich von mönchen: gaistlich werden, in einn gaistlichen stand (orden) tretten, addicere se religioni, admitti in ordinem Benedictinorum vel inter Franciscanos etc. Schönsleder S 1ᵈ, wobei auffallend ist dasz der jesuit seines ordens dabei nicht gedenkt, nur noch der capuciner. geistlich werden, in einen geistlichen orden treten Ludwig 721. Dagegen gibt Schmeller 2, 594 unter münch aus der gegenwart als bairischen gebrauch an:aus der gemeinen rede ist das wort durch die ausdrücke klostergeistlicher oder klosterherr, wie pfaff durch geistlicher, herr beinahe ganz verdrängt“, also geistlicher zugleich auf seine allgemeine bedeutung zurückgeführt (s. d). wie bestimmt aber der begriff des geistlichen lebens und des mönchthums eigentlich zusammenfielen, zeigt der umstand dasz religio, religiosus vorzugsweis auf letzteres bezogen ward:
religiosi qui dicuntur
atque regulae subduntur.
Haupt 2, 23 v. 273,
wechselnd mit monachus 258. 281; religio, geistlich leben, sicut monachus ... geistlich verbuntnis, geistlich gelubd u. s. w. Melber v 2ᵃ, erst im verlauf der ausführung kommt der allgemeine sinn nach. und so in andern vocc., s. bei Dief. 491ᵃ religio als ein geistlich begebenheit ader gotis verbindung, religiosus als ein begebener man (d. h. der sich der welt begeben, entschlagen hat), gaist- vel cristelicher mensch. vergl. übrigens geistlichkeit (2, a) gleich religion.
δ)
welche not freilich auch in den klöstern war um diesz geistlich sein oder werden, läszt z. b. Keisersberg sehen: ain mensch dʒ hübsch ist und darzuͦ gaistlich ist, dʒ ist ain fast (sehr) sorgkliche person. siben schaiden k 6ᵇ, nach dem n. sind nonnen gemeint; ich sprich, wenn du den sin in dir hast (so gesinnt bist), so ist es ain zeichen das du noch gar weit hast zuͦ ainem rechten gaistlichen wesen. has im pf. b 2ᵃ; du wilt gaistlich sein, du legst aber dein begird auf fressen und saufen und auf alle schleck, darumb so ist dir not dʒ man dich in den äscher leg u. s. w. c 6ᵇ; nu wirt zeit dʒ du .. in ain andre natur verkert werdest, also das du ausz ainem fleischen oder thierischen leben verkert werdest in ain vernünftig leben, und von ainem vernünftigen leben verkert werdest in ain gaistlich leben, und also verformet werdest von ainer clarheit zuͦ der andern von dem gaist gottes. c 6ᵈ, vom heil. geiste, denn auf den ward geistlich zuletzt bezogen (vgl. geist 10, k).
ε)
übrigens rechnete man auch die kämpfer für den glauben zu den geistlichen leuten, z. b. die kriuzære, crucigeri im 13. jh. (vgl. kreuzbruder) im buch der rügen:
man hât iuch vür geislîch
und sît doch leider niht gelîch
geislîchen kinden.
Haupt 2, 59 v. 499;
nu merket selbe, ob ir sint
als gehôrsamiu kint,
ob ir baʒ geislîch
heiʒet oder vreislîch.
s. 61.
dazu geistlîche ritterschaft, auf den kreuzzügen: dô nu der .. lantgrâve zu Doringen .. in pilgerims wîse ûʒ zîhen wolde in verre fremde lant .. daʒ her got dâ von (von seinen besitzthümern) dînen solde unde geistlîche ritterschaft trîben. Ködiz 53, 14. vgl. geistlichritterliche vereine Beckers weltg. 6, 407, geistliche ritterorden.
d)
als subst. die geistlichen, ein geistlicher, doch erst seit dem 15. jahrh. wie es scheint, mhd. vielmehr geistlîche liute, geistlîcher man (s. oben), noch nhd. geistlîch personen z. b. Keisersberg hell. löw d 5ᵇ, im 15. jh. die gaistlichen person (plur.) Mich. Beham bei Schm.² 1, 955, doch das. auch schon von den gaistlichen ein straf (strafrede), zuerst wol so im pl., vgl. unter c, α geistlich sein, werden für das heutige ein geistlicher werden; im 16. jh.: dergestalt sein die geistlichen in hoherm stand dann die weltlichen. Berth. v. Chiemsee 94, 3, der clerus und die laien; man soll ouch die ordnung (wegen des stadtfriedens) den geistlichen und studenten anzeigen (dasz sie) sich deren mögen verglichen und halten (danach richten). rechtsqu. von Basel 1, 343, ratsbeschlusz vom j. 1516, die geistlichen gleich clerici (diesz in den vocc. doch fast nur als pfaffen); die pawrn ... sagen, er sei noch lebendig in ainem holen perg, soll noch herwider komen und die gaistlichen strafen. volksb. vom kaiser Friedrich Augsb. 1519 Haupt 5, 267, d. h. den gesamten clerus, mit einschlusz der prälaten und des papstes, wie im folgenden; ain neuer sendbrief von den bösen gaistlichen. Schade sat. u. pasqu. 2, 93, der brief beginnt wir Leo der zehent ain bapst zuͦ Rom sampt unsern cardinelen, bischofen, abten, probsten und gemainer gaistlichait, alle zusammen sind jene gaistlichen; er (H. Sachs in seiner wittemb. nachtigall) solt aber die geistlichen und geweichten nit darein gemengt han, der eselskopf, die wissen wol vor was sünd ist. H. Sachs dial. 2, 24, einem chorherrn in den mund gelegt; man sol den babst noch die geistlichen nicht schelten. Luther bei Dietz 2, 56ᵇ, mit ausnehmung des papstes; es ist doch zu hoffen, das hinfurt wenig mehr mönche und geistliche werden sollen. das.; priester waren eher als geistliche. Kant 6, 277, jene als geweihte verwalter frommer gebräuche, diese als lehrer der rein moralischen religion. im sing.: ihm hielte ein so gewandter geistlicher widerpart. Simpl. 4, 225 Kurz; dasz dieser ungeistliche geistliche .. alle leute (von der kanzel) über einen kam zu butzen gewohnet. Riemer pol. maulaffe c. 107, vorher der herr pfarr; ich glaube beinahe, jeder dritte mann ist ein geistlicher in Köln, wenn man die auswärtigen studirenden und die vielen andrer orten verjagten und emigrirten mönchsköpfe dazu rechnet. E. M. Arndt reisen 6, 279, vom jahre 1799. noch jetzt sagt man oft lieber ehrend ein geistlicher herr; im folgenden noch mit der eigentlichen bedeutung von herr: die geistlichen herren haben immer die schmackhaftesten .. besitzthümer. Göthe 14, 288 (bürgergen. 9), wie im 16. jh. übrigens auch stiftsgeistlicher, ortsgeistlicher, anstaltsgeistlicher, dorf- oder landgeistlicher, stadtgeistlicher und andere.
e)
geistlich heiszt auch alles was sich auf den geistlichen stand bezieht, einem geistlichen herrn gehört u. ä. (vgl. g a. e.), z. b. eben der geistliche stand, s. Luther bei Dietz 2, 56ᵃ (auch von den klosterleuten, und im gegensatz zu ehestand), g. stat, stand: der eergitig hoffertig in geistlichem stadt gedenkt, ach möcht ich nummen (nur) uf den stift kummen, dʒ ich ein probst würde, ein dechan oder ein tuͦmherr. Keisersberg post. 3, 26ᵇ; die geistlichen güter Göthe 14, 288, den vorhin erwähnten geistlichen herren gehörig, kirchengüter, vgl. aus Luther a. a. o., der den ausdruck geistlich da übel angewendet findet von zeitlichen gütern, die nit worhaftig geistlich sein durch den glauben vom bapstum 1520 C 3ᵇ, vgl. bei Melber misteria, heimlich geistlich guter Cristi p 2ᵇ; des papsts geistliches hofgesind. Fischart bien. 1588 216ᵇ; ich sehe dich, Stephane, der du bishero hast müssen des geistlichen schatzes sorge haben. Schuppius 750 (704); der Stephanus sagte, es (das geld) wäre dem geistlichen gebäu und anderen geistlichen gebräuchen (bedürfnissen) aufgeopfert worden. der Lazarus lachete sprechend: habt ihr dann auch geistliche zechen und geistliche trunkenheit und geistliche tänz? das.; geistlich wuͦcher, genant symoney, dʒ da ist verkoufung der heiligen und geistlichen ding. Keisersberg dreieck. spieg. Cc 3ᵇ; soll sie (die princessin braut) ihr gewissen dem pere la Chaise .. in verwahrung geben, weil diese zubrechliche waare nirgends besser, als in der geistlichen garderobbe der löblichen jesuitergesellschaft aufgehoben werden kan. Pasquini staatsphant. 317;
gern vertrau' ich, mein freund, euch (dem pfarrer) seel' und geist und gemüth an.
aber leib und gebein ist nicht zum besten verwahret,
wenn die geistliche hand der weltlichen zügel sich anmaszt.
Göthe 40, 303 (Herm. u. Dor. 6);
bei seinen lustigen sprüngen fiel ihm seine kleine geistliche violetsammtne mütze vom kopf. Bettine br. 1, 320; ihr habt eine gute geistliche kehle. Eichendorf 3, 253. selbst gaistliche dieberey oder kirchenbruch, sacrilegium. voc. 1482 k 1ᵃ, diebstahl an geistlichem gut verübt.
f)
ein geistliches reich, theils im himmel theils schon auf erden gedacht oder gesucht (vgl. übrigens geisterreich, geistesreich), daher auch mitten im weltlichen reich und um seine stellung darin mit ihm im kampfe: Christus reich hanget gar an gott alleine ... das es ein himlisch geistlich reich sei. Luther 3, 19ᵇ, vgl. vorher es ist nicht ein weltlich reich; ein heimlich geistlich reich ists, und ist doch auf erden unter den menschen, aber im glauben und im geist verborgen. das. (zugleich wie unser geistig); lasz sich dein (gottes) geistliches reich je mehr und mehr ausbreiten. Schuppius 432; fange in mir an ein geistlich reich, dadurch alle meine aus- und inwendige kräfte dir zumal unterworfen werden. 433. in dem irdisch geistlichen reich auch geistliche obrigkeit, geistliches regiment u. ähnl.: die geistlich und weltlich öberkeit solten in ihrem ampt billich handeln, so sie alle bettelseck abtheten. Luther von kaufsh. u. wucher F 1ᵇ; geistliche regirer, das geistlich ampt. ders. bei Dietz 2, 55 fg.; die geistliche stad Christi. an den adel C 2ᵃ, die kirche als civitas spiritualis; unser herr Christus hat sein kirch in ganze weld gesetzt und ir alle geistliche obrikait und regiment bevolhen, darinn der kirch monarchia gegeben ist. Berth. v. Ch. 91, 5; (Christus) der in seinem persondlichem abwesen ganze monarchiam geistlichs regiments hie in dieser weld irdischer kirch bevolhen .. hat. 91, 11. dazu das geistliche volk, die gemeinde: der prophet und das geistlich volk. Luther 3, 20ᵃ. der geistliche vater, der papst, jenes geistliche reich als familie gedacht, mhd. z. b. (s. Lexer 3, 32):
unser geistlîch vater sprach:
ir herren, râtet uns dar nâch,
der stuol ze Rôme ân scherm ist u. s. w.
Helbl. 8, 1109;
aber auch von den priestern überhaupt und von den erzvätern, z. b. von Abraham Wackern. leseb. 1859 200, 12 (12. jahrh.); im 18. jahrh. mein geistlicher vater, beichtvater Ludwig 721. im alten reich geistliche fürsten und stände, principes ecclesiastici Stieler 640, unter den neun churfürsten sind drei geistlich, die geistliche und die weltliche bank in dem fürstlichen collegio zu Regenspurg Ludwig 721. auch von den Türken z. b.: der mufti, der under inen in geistlichen sachen so hoch geacht wirt als bei den papisten der bapst. Kiechel reisen 416. geistliche würde, dazu geistlichwürdige, geistliche würdenträger: das hochwürdigste, vom bischof getragen, von geistlichwürdigen umgeben. Göthe 43, 265.
g)
das geistliche recht u. s. w.: gaistlich recht, jus canonicum. voc. 1482 i 8ᵇ, das geistlich rächt, jus pontificium Maaler 164ᶜ; daher kompt es, das so vil .. unnaturliche gesetz stehen im geistlichen recht. Luther an den adel B 3ᵇ, vgl. vom heiligen geistlichen unrecht H 4ᵃ; ei, der bapst und die seinen sein nit schuldig gottes geboten gehorsam zu sein, wie in geistlichen rechten stet (mit citat). H. Sachs dial. 4, 7, im munde eines chorherrn. geistliche rechtslehrer Lehmann flor. 1, 555, geistlicher meister, doctor juris canonici, s. Scherz 507. geistlicher richter, geistliches gericht, mhd.: noch werltlîche rihter noch geistlîche rihter. Berth. I, 413. 27. 215, 36; aller kristenliute sælde lît an den zwein gerihten, an geistlîchem gerihte und an werltlîchem gerihte. 363, 33; diu sîdîne stôle, daʒ geistlîche gerihte. 360, 36, gerichtsgewalt. das weltliche und geistliche schwert, s. Sachsensp. I, 1. III, 44, Schwabensp. 1, 4. die geistliche gewalt, im 16. jh. auch noch als m.: bestimbten geistlichen gwalt hat unser herr Christus anfangklich gestellt auf Petrum und sein nachkommen päpst uber all tödlich (sterbliche) menschen. Berth. v. Chiemsee 91, 15. geistliche satzung (plur.) 83, 9. geistlich gewaltig, mit der geistlichen gewalt ausgestattet, geistlicher gewalthaber: damit du dich vor dem gyt der geistlich gewaltigen beschirmen magst. Zwingli von freih. d. speisen c 4ᵇ.
h)
geistliches leben u. ähnl., als ziel und zweck jenes geistlichen reiches (vgl. b): dise (10) gebott zu wissen und zu verston ist schuldig ein ieglicher mensch .. umb behaltung des geistlichen lebens der seelen. Keisersb. dreieck. spieg. Bb 5ᵃ (Geffken bilderk. 2, 37); auf das durch bed höchst oberkhait, geistliche und weltliche, in ganzer weld all volkh möcht komen hie zuͦ geistlichem und dort zuͦ ewigem leben. Berth. v. Ch. 95, 9; got sendet den weltlichen das geistlich leben durch priester, die inen predigen oder sacrament raichen. das. (auch geistlicher einflusz); das geistliche leben, der von dem geiste gottes gewirkte grund der rechtmäszigen handlungen in dem menschen. Adelung, geistlich alsin engerer theologischer bedeutung gebraucht, die ewige wohlfahrt des menschlichen geistes betreffend.im gebrauch für die gegenwart ist es übrigens fast eingeschrumpft auf beziehung zu der geistliche, die geistlichkeit, wozu es als adj. gefühlt wird (nicht mehr zu geist), z. b. geistlicher zuspruch, den der geistliche gibt, im politischen leben geistliche ansprüche, übergriffe u. ä., von der geistlichkeit ausgehend.
i)
bemerkenswert auch substantivisch das geistliche (wie noch das kirchliche, weltliche u. ä.): wie wol das gotzhus under im (dem abt) in zitlichem und gaistlichem uf und zuͦgenomen haut .. Witegow ist aber der gwesen, der das gotzhus wider ufbracht in zitlichem und gaistlichem. G. Oheim chronik von Reichenau 90, 19. 22; als ziel der spanischen politik unter Philipp II. bezeichnet Fischart:
kurzumb éin haupt im geistlichen
und nur éin haupt im fleischlichen,
im geistlichen ein monachat,
im fleischlichen ein monarchat.
ged. 3, 356 Kz., klost. 10, 1114.
noch jetzt in eigenthümlichem gebrauch landschaftlich, hannöv. von weiszem linnen: nehmt einmal das geistliche vom tische ab, deckt das tischlaken ab; etwa, weil es ursprünglich nur an sonn- und festtagen in gebrauch gewesen wäre?
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2777, Z. 66.

1güstling, m.

¹güstling, m.,
animale non impregnato Jagemann (1799) 2, 552; besonders in Niedersachsen ein güstes, d. i. unbefruchtetes tier Adelung 2, 847.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1934), Bd. IV,I,VI (1935), Sp. 1208, Z. 63.

2güstling, m.

²güstling, m.,
gattung heringe Berghaus 1, 629; schon mnd., vgl. ¹güster: ock scholen de gemene, de den heringk uthwerpen en vorkopen wyllen, eyn iewlik staen upp siner stede, alse myt dem hilgenlandesschen heringe vor dem vleschhuse, myt den gustlinge unde schoenschen heringe vor de potteschen hutte bei Schiller-Lübben 2, 168.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1934), Bd. IV,I,VI (1935), Sp. 1208, Z. 66.

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Zitationshilfe
„geistlich“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geistlich>.

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