Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geiz, m.

geiz, m.
gier, habiger u. ä.
1)
a)
die alte form war vielmehr gît, noch im 16. jh. oberd. und landsch. dort noch jetzt geit (s. d.), die form mit -z zeigt sich gegen ende des 13. jh., wie mir F. Bech nachweist:
ûf der türne (den türnen?) hôhe   flugen die paniere.
ich enweiʒ war ich mich zôhe (für zôch),   daʒ ich armer von sô rîcher ziere
sprechen sol, eʒ ist mir ein hellewîze,
und ich sîn hân sô kleine:   doch ruͤrt mich selten daʒ dâ heizet gîze.
jüng. Tit. 3338,
habsucht mit neid, in der hs. gitze und witze, sonst wîʒe (vgl. witze so Haupts hoh. lied 136, 30). dann bei Hugo v. Trimberg, und zwar neben formen mit -t, in der Erlanger hs. v. j. 1347:
ein geitz ob aller geitikeit,
der mir von herzen ie was leit,
ist swâ priester geitich sint.
Renner 21403,
auch im reim verbürgt gîziclich:
einem wolfe ein bein bestecket was
in sîner keln, dô er ein âs
het gezerret geitziclich.
nu lief er und bat vleizziclich u. s. w.
1978,
denn der dichter liebt solche reime, wobei die 'silben sich suchen', vgl. übrigens geitikeit 2350. 2384. 13522, geitiger 2059, die form mit -z mochte den reiz der neuheit und gröszeren kraft haben. auch in einem gedicht des 14. jh. von bair.-östr. mundart mit geit zusammen, beim sog. meister Rennaus:
kaufleut und gastgebenwirt
seint mit dem geiz gar verirt.
J. M. Wagners archiv 1, 20 v. 114,
es sei pfaff, lei, frau oder man,
die mit dem geit umbe gan.
v. 142,
wie geitig 118. 131. 149, geitigkeit 105. 125, der schreiber war aber ein Mitteldeutscher (s. Schönbach das. s. 14). das -z scheint besonders in mitteld. rede rasch platz gegriffen zu haben, das zeigt gîzic (s. mehr unter geizig), auch im reime auf drîzic, wie im Renner vorhin auf vlîzic in einer kampfschilderung:
dô lîf ouch zû di gerûte dît (eine frische heidenschar)
und vîentlich dô nidir schrît (hieb),
cristins blûtis gîzic,
ân einen brûdir drîzic (d. h. 29 ordensbrüder).
Jeroschin 25114,
bei Pfeiffer s. 103 (vgl. 166, zum reim s. lxvi), also bluotes gîzic, blutgierig. dagegen z. b. in der Elisabeth, also hessisch, noch gîtekeit 9646, selbst gîdeclîche 7645. hat doch Luther noch anfangs geitig (s. d. 3) und gittig neben geizig.
b)
oberd. im 15. jh. in Nürnberg: geytz, bolismus. voc. th. 1482 k 6ᵃ (zur bed. s. 2, b), wie ebenda geytziger, geytzigkeit, auch in dem voc. ex quo von gleichem jahr und drucker geytzig avidus Dief. 61ᵃ (im voc. inc. teut. nur geitig); auch H. Sachs hat früh geiz, geizigkeit (s. 4, b), während noch spätere hss. von Meisterlins Nürnb. chron. geitig bevorzugen (städtechr. 3, 40. 428). aber auch im alem. gebiet schon früh im 16. jh.: darumb sind das merer teil der pfaffen und geistlichen uf den gits gericht und ir datum haben si daruf gesetzt, dasz si vil guͦts überkommen. Schade sat. 3, 60, v. j. 1521, aber mitten unter gît u. ä.: der grosz git, der in inen steckt. 69, 24; iederman het gnuͦg, wo der git nit were. 69, 36, durch den git verblendet 73, 6, du gitiger unflat. 61, 33, gitigkeit 66, 24 (vergl. kilchwie, nachkilwie 63, 33. 35), der schreibung nach scheint gits aus gehör übernommen, nicht aus schrift. bald darauf in Basel, in einer eingabe der evangelisch gesinnten zünfte an den rat i. j. 1528: was vermögen wir sin (können wir dafür), das etlich hochgelerten vor groszem gitz, nyd und hoffart die worheit nit wellen annemen? Basler chron. 1, 71, in der innern Schweiz damals gewiss noch unmöglich, wie denn noch Maalers wb. Zürich 1561 nur geyt kennt, auch Dasyp. Straszb. 1537 nur geitig, geitigkeit 338ᵃ, während Weigand schon aus Keisersberg neben geitig auch geitzig angibt (eergitig post. 3, 26ᵇ sp. 2784). auch in Baiern zeigt es sich im 16. jh. vordringend (schon im 15. jh. in einer bestimmten bed., s. 2, b), denn wenn zwar noch Aventin geitig braucht, hat doch schon Berthold v. Chiemsee daneben geiz: sy gebrauchen ainn subtilen geytz. teutsche theol. 13, 8; wie Petrus von inen schreibt, daʒ sy aus geytz .. mit den lewten handeln werden. 15, 6; aigner will des menschen liebet den geytz, nemlich gelt und zeitliche gueter. 48, 8, auch 44, 4, geytzig 15, 3, daneben aber noch geitikait 36, 11. 48, 8 u. ö., er braucht jenes vorzugsweis in stellen aus der bibel, sodasz er damit von seiner bibelübersetzung abhängig erscheint, ob von der lutherischen? im 17. jh. hat der Baier Schönsleder T 4ᶜ nur noch geytz, das nun auch Schmeller 2, 89 als bairisch gibt,das sprachrichtigere geit hat sich mehr in einzelnen gegenden des platten landes erhalten“. am festesten ist die alte form in der Schweiz, aber auch da gibt Tobler 222ᵇ als appenz. neben gît doch ehrgîz.
c)
die entstehung des -z suchte schon Frisch 1, 336ᶜ nach Schilter 383ᵇ in einer bildung mit ableitendem -s, sie kannten aber nur ags. gitsung appetitus, gytsian concupiscere, gytsere avarus; später hat sich mhd. gîtsen gefunden, doch nur einmal, bei Walther vom papst und der klerisei:
gîtset er, si gîtsent mit im alle.
33, 16,
die hs. aber hat schon gizet, gizent, sodasz jenes eine herstellung Lachmanns ist, doch gestützt durch gîtesære altd. wäld. 3, 171. 181 (Lexer 1, 1025), woraus mhd. gîtesen, ahd. gîtisôn zu erschlieszen ist, das denn in unserm geizen für altes geiten (s. d.) nachlebt. die entstehung der ganzen z-form daraus ist wol denkbar, nur müszte dann gîtsen (gîzen) geläufig, nicht so selten gewesen sein als es uns erscheint. aber eine steigerung von t zu z ohne inneren grund zeigt sich im anlaut oft, z. b. bei zwingen, zwerg, zwagen, auch im auslaut bei seufzen, mhd. siuften, so mag die neigung dazu bei dem vordringen von geiz mitgewirkt haben.
d)
merkwürdig ist das fehlen des wortes im nd. wie im nl.; denn nur auf entlehnung beruht nnd. gizen geizen, mit geiz erwerben, gizer geizhals, begizen geizig leben, die das Brem. wb. 2, 514 aufführt, um sie mit den ags. wörtern zusammenzustellen; aus der Altmark bei Danneil 64ᵇ gîzen, gîzer, gîzmichel geizhals, ostfries. gitzlappe, gitzpanse (geizwanst), gitzmichel geizhals Stürenburg 70ᵇ, nordfries. gitzig Outzen 96, also nur ableitungen, nicht gîz selber; doch auch schon im 16. jh.: gitzhelse, karge viltzen unde druckpenninge. Gryse wedewenspegel Rost. 1596 D 7 (Sch. u. Lübben 1, 587ᵇ); die rein nd. form wäre ja gîd neben hd. gît. Um so merkwürdiger erscheinen jene ags. wörter, gleichfalls nur ableitung, kein gît oder gîd selber: gîtsian, gŷtsian concupiscere, vehementer appetere, gîtsung libido, avaritia, gîtsere, feohgîtsere avarus Grein 1, 512. 288 (das î nach der hd. form), altengl. mit angleichung des -ts ʒissare, ʒissunge, auch ʒiscere, giscen Stratm. 264 (267). merkwürdig auch, weil gîdsian u. s. w. zu erwarten wäre, wenigstens neben gîtsian u. s. w., wie neben miltsian auch das echte mildsian Grein 2, 251, vgl. Grimm gramm. 1², 256. das î ist übrigens nach dem hd. angenommen und vielleicht i das richtige. vielleicht liegt auch für die stammform gid ein zeugnis vor in einem nordgerm. namen des hechtes, als gefräsziges thier (vgl. 2, a): altn. gedda f., norw. gjedda, schwed. gädda, dän. gedde, giedde, nordfries. gêd, schott. ged, gidd, hier auch 'a greedy or avaricious person', z. b. a perfect ged for siller (silber) Jamieson 1, 463ᵇ. 469ᵃ, suppl. 1, 471ᵃ. vgl. auch Diefenb. goth. wb. 2, 379.
e)
da die bezeichnung sinnlicher begier gewöhnlich vom offnen mund oder schlund ausgeht, so stellt sich geiz, eig. gît mit seiner urspr. bed. (s. 2, a) zunächst zusammen mit hess. geipen, gîpen maulaffen feil halten, lux. geipen lungern (s. u. geifen 3, b), beides ästchen eines überaus reich entwickelten stammes, von dem das eine sich ausgebreitet und ausgebildet hat, das andere in landsch. beschränkung stecken geblieben ist, eines stammes, der, wie die ältesten stämme thun, die reichste manigfaltigkeit der ausgestaltung in auslaut und vocal zeigt, s. unter gaffen, gäuen, vielleicht gehört auch goth. gaidv n. mangel hierher, s. Diefenbach goth. wb. 2, 378 fg., der auch, in der bed. näher stimmend, litt. guͦdas habgier, geidziu ich begehre, lett. gaidu u. s. w., altsl. že̜dati begehren dazu stellt, gewiss richtig, falls sie urspr. sinnliche begier bezeichnen.
2)
geiz, wie geit, ist eigentlich sinnliche gier.
a)
aufs essen oder fressen gerichtet: der teufel saget der Eva, ihr möget die verbotten frucht wol essen, und ihr werdet dardurch klar, lauter, mächtig als euwer schöpfer. also meinete sie, er saget die warheit, ward in hoffart und geitz bewegt, im zu glauben. buch d. liebe 292ᵃ, der geiz geht auf die frucht, eszgelüste, appetit. so schweiz. er iszt uffe gît ine (hinein, eig. înhin), gierig, um alles allein zu kriegen Stalder 1, 439; ich konnte mich nie daran gewöhnen auf den geiz hin zu essen und einzupacken, als ob ich tage lang nichts gegessen und tage lang nichts mehr essen wollte. Gotthelf 5, 163. auch hd. noch im 18. jh., von thieren:
dem kleinen Goldbach gegenüber
sucht sich der heerde geiz
am fusz des berges noch die magern halmen
des grases, das im frühlings überflusz
dort grünte.
Karschin (1764) 205.
so ahd. kît voracitas, kîtac gulosus, gîtacheit voracitas, gîtigî f. gula, fames, ingluvies, voracitas Graff 4, 145, auch deutlicher keligîtigî f. gulae ingluvies Haupt 5, 363ᵇ, mhd. kelegît, kelgît (als f.) Mones anz. 8, 424. 509, kelgîte f. Lexer 1, 1540. auch blosz gît, wie der wolf gîtslündec heiszt Helbl. 4, 419, vgl. hungergît, hungergîtic von bären u. ä. Lexer 1, 1386. auch von durst urspr., daher der wîngîte, weinschlund, schwelger Haupt 7, 407, vgl. geitiglich trinken bei Ortolf, wie noch jetzt geizig essen, mit gier, s. auch geizen gierig essen, besonders auch geizhals 1.
b)
daher auch für den heiszhunger, im 15. jh. geiz, βούλιμος bei Ortolf (Schm. 2, 89), als ärztlicher ausdruck, s. u. kühhunger, auch garz 3; geytz, bolismus. voc. th. 1482 k 6ᵃ, s. Dief. 84ᵃ s. v. bulimus, aus einem mrh. voc. das. 'delismus der gitze', vgl. n. gl. 62ᵃ der gicze bolismus, infirmitas (auch slintsucht).
c)
die ursprüngliche vorstellung von geiz als hunger ist auch in der bildlichen verwendung noch deutlich zu erkennen, noch jetzt z. b. in geizhals, s. auch geizkragen (d. i. hals), geld und gut wie unersättlich verschlingend gedacht, recht deutlich im 16. jh.: ist der fürmund der bauchs, junker Geitz, nicht ein listiger schalk? Luther 1, 554ᵃ (vgl. her Gît u. 4, b), vorher: da schnarckt der bauch (der priester) zu fast nach dem beichtpfennig; besonders auch in folg. aufgienen, den mund begehrlich aufsperren: was ist ärmers dann eins geitigen mans herz, der vil hat und aber immer zuͦ aufgienet wie die hell. S. Frank spr. 2, 136ᵃ; geitz will das mus gar allein essen, ander leut zähn thun ihm wehe. Lehmann flor. 1, 276; s. auch geldfrasz, gelddurst, geldhunger. in gleichem bilde geit des feuers, dieses als gefräszig gedacht, s. Thurneisser unter geit, s. auch geier 3, a von gefräszigen und geldgierigen. bemerkenswert übrigens geicz vom gierigen selber, s. u. 5, b a. e., wie frasz vom gefräszigen selbst; vgl. das mhd. adj. gîte neben gîtec.
3)
gier überhaupt (auch in gutem sinne).
a)
so noch jetzt in ehrgeiz, im 15. jh. ergeit (s. unter geit), ahd. sogar kîtag schlechthin für ambitiosus (s. unter geitig 3). im 17. jh. bei Stieler 640 auch amtsgeiz, ämtersucht, lobgeiz, lustgeiz. im 16. jh. landgeiz, ländergier (vgl. geiz der lande unter b):
weil ewerm blut und landdurst ir (Spanier)
wiszt nicht zusetzen masz noch gbür.
wolt ir so grosze thaten wirken,
laszt ewern landgeitz ausz beim Türken.
Fischart 3, 360 Kz. (klost. 10, 1119),
nachher v. 251 weltgeizigkeit genannt, gier nach weltherschaft, auch weltgeiz (s. unter geldgeiz); s. auch liebesgeiz, kaufgeiz, vergl. mhd. mortgîte, mortgîtic, auch sturmgîte kampfbegierig wb. 1, 537 fg.
b)
auch mit gen. oder nach, auf, zu (4, a), das erste mhd. z. b. der êren gît Greg. 2980, im 16. und noch im 19. jahrh.: also das ietz allein der affect geytze der ehren, der land odder des gelts und lauter tyranney kriegt (kriege führt). kriegsb. d. friedes 77;
mich (Mortimer) locket nicht des eitlen ruhmes geiz.
Schiller Maria Stuart II, 6;
und dasz, wonach ihm pochte
der ehren stolzer geiz,
dasz er sichs hat erfochten,
das ehrne ehrenkreuz.
Rückert deutsche gedichte 1814 s. 23.
mit nach, wie gier, z. b. geiz nach siegen, nach gefahren: hier lebt eine nation, fern von den schönen künsten und wissenschaften, ihre sitten sind rauh und wild und ihre weisheit ist tapferkeit und geiz nach siegen. Gellert 7, 14 (11), 16. mor. vorl.; geitz nach eigner macht. Weisze bei Lessing 6, 219; der grenadier (Gleim) redet von groszen bekannten begebenheiten ... die heroischen gesinnungen, der geiz nach gefahren, der stolz für das vaterland zu sterben ist seine einzige begeisterung. Herder fragm. 2, 347. vgl. geizen nach etwas, worin diese bedeutung noch jetzt geläufig ist.
c)
also auch im besten sinne, geiz nach gefahren, tirol. z. b. geit auf arbeit (s. u. geitig 3), wie im 16. jh. der geiz kunst zu lernen (s. 4, a), bei Stieler 640 kunstgeiz heftige wiszbegier, bei S. Frank kunstgeitig wiszbegierig; vgl. von sammelwut, sammlergier: man verstrickte sich in gelehrten geiz zu sammeln. Herder fragm. 3, 22. vom forschenden blick, der seinen gegenstand gleichsam verschlingt (vgl. geizig 2, c):
entzückt in süszes schaun, den reinsten liebsgenusz,
steht Hüon da als wie der genius
der schönen schläferin, betrachtet,
auf sie herabgebückt, mit liebevollem geiz
das engelgleiche bild, den immer neuen reiz.
Wieland Oberon 7, 65.
4)
vorzugsweis aber gier auf geld und gut, worauf sich der begriff immer mehr einschränkte (während gier allgemein blieb).
a)
lange auch noch mit besonderer bezeichnung in geldgeiz, gutgeiz (Frisch 1, 337ᵃ), schweiz. guͦtgît Stalder 1, 439, vergl. mhd. schazgîtec, auch schazgîte adj. Greg. 3122 var.; im 16. 17. jh. geiz zum gelde u. ä.: weil aber der geitz zum gelde dem geitz kunst (wissenschaft) zu lernen vorgeht. Paracelsus 1, 532ᵃ; der schnöde geitz zum zeitlichen wuchert gottes zorn. Butschky Patmos 871. auch mit gen. begird, geitz und sorg des gelts S. Frank spr. 1, 119ᵇ.
b)
aber früh auch bloszes geiz, mhd. gît, z. b. von dem nehmen der gernden:
swer nimt ze vil, nu wiʒʒet daʒ,
daʒ ist der sêle ein slac,
er tuot ouch niht wan gîtes vaʒ,
diu nieman ûf der erde hie mit guote ervüllen mac.
MSH. 2, 354ᵃ,
der habsüchtige wie ein gefäsz ohne boden, vergl. geizsack und bei S. Frank spr. 2, 86ᵃ inexplebile dolium von denen die unersetlichs geitz und fraszes seind und die niemand erfüllen kan, in Kärnten heiszt ein fasz geitik, in das mehr hineingeht als man dachte Lexer 112;
nu dar, her Gît, du hâst die welt
mit mangem mort durchbrochen
(das tuost du alles umb das gelt),
erslagen und erstochen.
vergl. junker Geiz bei Luther u. 2, c; die da reich werden wollen, die fallen in versuchung und stricke ... denn geitz ist eine wurzel alles übels. 1 Tim. 6, 9. 10; dieberei, geitz, schalkheit. Marc. 7, 22; wer aber eins kranken wartet umb geitzs und erbteil willen. Luther bei Dietz 2, 57ᵇ; es hat auch der liebe romische geytz den brauch erdacht .. an den adel D 4ᵇ, d. i. der papst als der geiz selber; das sie den bauch und ihren geitz füllen. Melanchthon apol. der Augsb. conf. 233 im corp. doctr. christ. Lpz. 1560, vergl. die mhd. stelle vorhin; sollich auszug (ausflüchte gegen das almosengeben) sucht allein der verborgen geiz im herzen. H. Sachs dial. 55, 10; und ist alles vol geiz vom minsten bisz zum meisten. 55, 19 u. ö.; den geitz und den bettel kan niemandt erfüllen. S. Frank sprichw. 1, 44ᵇ; der geitz ist bodenlos. das.; den geitz und die augen kan niemandt erfüllen. 45ᵃ; der armuͦt geht vil ab, dem geitz alles. das.; dem geitz ist nicht (d. h. nichts), der natur wenig gnuͦg. das.; es hilft kein guͦt für den geitz und macht kein gelt reich. 67ᵇ; der geitz ist niemandts freund, laszt nit fromm sein. 118ᵃ; geitz wechst mit dem gelt. 118ᵇ; der geitz nimpt sich arm, auch ist ein hausunglück, stoszt eim den boden aus, ist sein selbs stiefmuͦtter (Scriver seelensch. 2, 824 als sprichw.) das.; geitz ist iederman schad, im selbs der tod. das., ist die gröszt armuͦt 119ᵃ (vgl. geizarm). eine reiche sammlung von sprichwörtern auch in Lehmanns florilegium 1, 275 ff., z. b.: geytz nimpt es gott für den füszen hinweg (kirchenraub), nimbt sich wohl zu todt, ist ein bodenlos fasz, der hoffart poszler, ein strang der seel, spannet an, aber zeucht nicht mit, ist alles bösen ein königin (es ist geizigkeit gedacht); auch bei Henisch 1448, z. b.: armut und geitz treibt zu nichts guts; der geitz betrübt sein eigen haus, dröschet allzeit ledig stro, flichtet sich weit, wird täglich jünger u. a.; des geizes schlund ist unergrundt; untrew und geitz gedeyet nicht;
geitz und ehr treibt über meer;
der geitz treibt manchen über see
durch ungewitter, regen und schnee.
noch im 18. jh. ist der begriff habsucht lange in voller frische:
ein Midas trotzt auf den besitz der schätze,
um die der geiz nach fernen ufern reist.
Hagedorn 1, 11;
er (der weise) schaut von oben länder hufen gleichen
und städte löchern, in den engen reichen
schaut er in haufen, heiszen geiz zu kühlen,
maulwürfe wühlen.
Kleist (1771) 1, 5;
aber das haben wollen (statt des bloszen sehens), wovon ich rede, ist nicht geitz. dér wäre geitzig, der eine tulpe, ein edelgestein oder dukaten lieben könnte! Göthe bei Schöll br. u. aufs. 22. noch jetzt z. b. in der spielsprache, wenn einer zu scharf auf seinen vortheil spielt und verliert: das ist der geiz (der sich da strafte).
c)
der begriff spitzte sich endlich nach seiner andern seite zu in der bedeutung die uns jetzt im vordergrunde steht und die ursprüngliche verdeckt: scheu vor geldausgaben, ängstliches oder gieriges festhalten des gewonnenen, z. b.:
bist du wol klüger, als der geiz,
der traurig darbt bei angefüllten kasten?
Gökingk 3, 114;
wenn dem, der in der sonne brennt,
um deinen boden mühsam umzupflügen,
dein geiz kaum einen labetrunk noch gönnt.
das.
schon wenn Rädlein 343ᵃ erklärt geitz, kargheit, avarice, mesquinerie u. ä., verdeckt die letzte bedeutung die ursprüngliche. sie kündigt sich aber auch schon früher an, z. b.: geytz lebt spärlich, er ist ein recept zur gesundheit und langem leben. Lehmann flor. 1, 278; geitz thut ihm selbs kein gut. Henisch 1448, 40; wer sich dem geitz hat ergeben, der spricht er halte das seine zu rath. das. 60. s. auch unter geizig 3, b schon im 15. jh. das ursprüngliche wort dafür ist kargheit, karg, daher noch im 18. jh.:
der schlimmste geiz ist der, der sich mit kargheit paart.
Lichtwer recht der vernunft 70.
auch bildlich, z. b.: so mache ich es mit allen freunden (dasz ich auf viele briefe nicht antworte), theils aus obengemeldeter ursache theils aus geiz mit meiner zeit. Lessing 12, 387, mit mit wie geizen 2, e.
5)
an die ursprüngliche bedeutung aber schlieszt sich noch an geiz an pflanzen, störende nebenschöszlinge, auch wasserreis M. Kramer deutsch-holl. wb. 1787, aberzähne (auch aberzangen), nepotes J. G. Haas 2, 230ᵃ.
a)
so am weinstock keime, die an den tragreben zwischen den blattstielen hervorsprossen und entfernt werden müssen ( Adelung), im pl. auch geizen, z. b. ausbrechen der geizen Mones zeitschr. 3, 269, der rieszling treibt wenig geizen Bronner weinbau 15; auch als fem., im Rheingau, auch an obstbäumen Kehrein Nassau 1, 157. ebenso am tabakdie nach dem erstenmahl blatten neu hervorschieszende kleine blättleinöcon. lex. 790; die zwischen dem stengel und den blättern hervorsprossende zweige, die man geitz nennt, werden alle acht tage ausgebrochen Rüling beschr. von Nordheim 13; vgl. geizen 3. auch beim türkischen waizen die körner die sich in der obersten spitze der blüthstange ansetzen und dem übrigen kolben saft und nahrung entziehen Adelung.
b)
der letzte zug erklärt die benennung, es sind theile die den saft wie gierig an sich saugen und den fruchtbringenden theilen entziehen, daher jenes wasserreis und lat. nepotes, eigentlich schwelger, aberzähne (fehlt oben) weil sie mit zehren und sollen nicht, geiz aber wie im folgenden, das wol zugleich ein zeugnis ist für jenen begriff in der sprache der gärtner:
verpflanze den schönen baum,
gärtner, er jammert mich ...
noch hat seiner natur kraft
der erde aussaugendem geize ..
ein gegengift, widerstanden.
Göthe 56, 3 (1. ode an Behrisch).
jenes geiz aber ist statt des geizigen selbst gesetzt, wie oft in den sprichwörtern unter 4, b, und wie auch im eigentlichen sinne 'vorax geicz' (auch frasz) Dief. 629ᵇ, s. auch unter 4, b der romische geytz vom papste. entlehnt nd. gîz, dän. giis am tabak.
c)
auch andere verwendungen im leben müssen sich wol auf diesem wege erklären, wie bei Adelung geitz, eine schwarze stinkende salbe, womit man hunden die räude vertreibt, bei schäfern und jägern; bei Kehrein Nassau 1, 157 das gefühl in den fingerspitzen wenn man aus starker kälte in die wärme kommt, es ist wie nagend oder saugend; ebenda bei den metzgern eine haut in den därmen die beim schleimen entfernt wird; bair. geizen plur., ein insect das unter den flügeln der jungen gänse brütet, in ihre ohren kriecht und das gehirn anfriszt, s. Schm. 2, 89, schwäb. wassermotten an brunnquellen, von denen man glaubt dasz sie mit verschluckt die auszehrung verursachen Schmid 226; nass. der engerling des maikäfers Kehrein, weil er die wurzeln benagt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2811, Z. 24.

geizen

geizen,
geiz üben, mhd. gîzen, d. i. gîtsen (s. u. geiz 1, c), eig. gîtesen, ahd. anzunehmen gîtisôn; vergl. das einfache geiten, mhd. gîten.
1)
zu geiz als sinnliche gier (s. geiz 2): fressender oder geytzender, helliens, avide comedens. voc. th. 1482 i 2ᵇ; vgl. geiz 2, b, heiszhunger.
2)
zu geiz als gier überhaupt (s. geiz 3. 4), besonders nach geld und gut gierig trachten.
a)
bloszes geizen, wie mhd. gîtsen Walth. 33, 16: geitzen, zu sich scharren. Luther der 112. psalm 1526 a ijᵇ; burger geitzet, adel kratzt (scharrt). wider Hans Worst k 3ᵃ; das ist nicht die (rechte) weise gut zu erwerben und reich werden, so einer den andern hasset, neidet und unternander schindet, streitet, geitzet und teuschet. gl. zu Jac. 4, 2, von habsüchtigem gebaren in handel und wandel, wie oft (unserm 'gründerwesen' entsprechend), vgl. u. geizhandel, geschäft solcher art; ein iglicher geitzet fur sich in seinem stande. Jes. 56, 11; weh dem der da geitzet zum unglück seines hauses. Hab. 3, 9; dise feiszte und faule mammonsdiener .. geitzen und nemmen irem nechsten nicht allein schlecht, was er an barschaft und gelt hat, ab, sondern sie saugen, pressen, dringen und zwingen im ausz seinem leib bluͦt und mark, dasz er schier nichts im haus .. vor disen unersettlichen geitzhelsen behalten mag. Kirchh. wend 1, 361 Öst.; ein jeder geytzt jetzo, als wenn er wolt der welt gut allein zu sich reiszen. Lehmann flor. 1, 275;
so ist das arge gold ein gott der götter worden,
der himmel geitzet auch.
Opitz 1, 55,
von der sucht nach gold und dem zauberreiz den es ausübt, dem auch die götter (Jupiter, Juno u. s. w.) nicht widerstanden; zugleich in übergang zu der bed. u. e:
ein weib, das wie ein drache geizet (vgl. geizdrache),
und gegen kind und magd genau,
den dieb, mich (den mann) zu bestehlen, reizet,
o eine schlimme frau!
Lessing 1, 86;
mit drachen mag der drache geizen.
Göthe 12, 297. 41, 38.
b)
der gegenstand mit nach bezeichnet (vgl. geiz 3, b), der begriff zugleich auf allerlei heftiges verlangen und trachten, auch geistiges erstreckt und auch in gutem, ja bestem sinne gewendet: hette Abram lust zu büberey gehabt, so hette er wol ein andere funden, der besten eine zu Hebron, gehet aber nicht weiter denn Sarai haben wil und in bittet, daher clar ist, das er nicht gegeitzt hat nach einer andern. Luther 4, 94ᵇ (102ᵇ), bei der wahl der Hagar;
du weiszt, wie sehr auch mich des Flaccus kunst gereizt,
der, edlen Griechen gleich, nach nichts als ruhm gegeizt.
Hagedorn 1, 30;
lasz dich noch lange, herr (könig Friedrich), den namen vater reizen
und den: menschlicher held!
dort wird der himmel zwar nach seiner zierde geizen,
doch hier braucht dich die welt.
Lessing 1, 96;
sie geizte nicht nach reichthümern, wollte weder geehrt noch gefürchtet sein. Musäus volksm. 268; nach dem staatsrath geizen. Heyne br. an J. v. Müller 155;
er kannte nur den kampf der wahl, und härmte
sich dann nur, wann er, rechts und links gereizt,
nicht alles haschen kann, wonach die wollust geizt.
Gotter 1, 323;
was man ein kind ist! was man nach einem blicke geizt! Göthe 16, 50 (Werther 1. th. 8. jul.);
Klopstock will uns vom Pindus entfernen, wir sollen nach lorbeer
nicht mehr geizen, uns soll inländische eichel genügen.
2, 140;
nach ehre geizt die jugend,
lasz dich den ehrgeiz nicht verführen!
Schiller Maria Stuart II, 7;
dasz von ihrer hand du nach zwei zeilen
geizest so mit ungestümem drange.
c)
früher auch mit auf, wie geiz gleichfalls:
ein weicher Aristipp, der auf die wollust geitzt.
Haller 76.
selbst mit dem inf.:
kaum sieben jahr konnt' Iris zählen,
so wuszte sie voll list zu stehlen.
die kleine hand griff, was das auge reizte.
nicht dasz sies zu besitzen geizte ..
Kästner (1841) 1, 23, sinnged. nr. 65.
d)
einzeln aber auch mit unmittelbarem objectsacc.:
wenn Duban ehre geitzt, so kann er diesmahl sich
bis zur genüge dran erletzen.
Wieland 10, 331.
schon im 16. jh., bei wirklich gedachter bewegung, alles zu sich geizen und scharren, geizend zusammenbringen: wenns aber so klinget, ich hab mich des evangelii gerhümet und dem nehesten kein gut gethan, alles zu mir gegeitzet und gescharret .. Luther 6, 53ᵃ (als beispiel von gewissenbissen). so zusammen geizen, mühsam zusammenbringen durch abknapsen: wie sehr irrst du, lieber freund, wenn du glaubst, dasz ein werk, dessen erste vorstellung die ganze seele füllen musz, in unterbrochenen, zusammen gegeizten stunden könne hervorgebracht werden. Göthe 18, 127 (lehrj. 2, 2). vgl. ergeizen. auch refl. der geizige geizet sich nimmer satt, semper avarus eget Stieler 641.
e)
zu geiz als knauserei (s. geiz 4, c). auch hier bloszes geizen, geizig sein (s. a): bei einem kargen reichen der geizende wahn, dasz er die vorstellung, sich einmal, wenn er wollte, seiner reichthümer bedienen zu können, für genugsamen ersatz dafür hält, dasz er sich ihrer niemals bedient. Kant 6, 350;
frau, lasz uns nicht so nährig geizen,
wer weisz, wie bald man sterben kann!
Voss (1825) 4, 135.
der gegenstand wird durch mit bezeichnet, wie bei kargen, knausern u. ä.:
mit seinem golde geize der wechsler, dem
sechsfältige riegel kaum genügen und sechsfältige schlösser.
Platen 2, 258.
bildlich: ich habe oft mit bemerkungen gegeizt, ich meine immer aufs künftige damit gespart, ohne sie jemals gern auszugeben. Lichtenberg 1, 26; er geizt mit meiner freundschaft. Klinger 1, 372;
bürgerglück
wird dann versöhnt mit fürstengrösze wandeln,
der karge staat mit seinen kindern geizen.
Schiller Carlos III, 10;
zu diesem du waren sie gekommen .. so sehr sie sonst .. mit diesem heiligsten seelen-dualis gegen andere geizten. J. Paul Tit. 4, 5. vergl. begeizen.
3)
zu geiz (5) an pflanzen, z. b. tabak geizen, den geiz ausbrechen, auch ausgeizen. entlehnt nd. gîzen Schambach 64ᵃ, dän. gise.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2817, Z. 28.

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Zitationshilfe
„geizen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geizen>.

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