Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.
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Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Neubearbeitung (²DWB)

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fresse, f.

Fundstelle: Band 9, Spalte 994, Zeile 61 [Bartels]
FRESSE f.   abl. von fressen vb. vor dem 20. jh. selten. mund; auch gesicht. grob umgangssprachlich. häufig in verbindungen wie in die fresse schlagen u. dgl.: 1532 greyffts mich recht an lex, tum volo te leiden vel in die freß schlahen, ut dentes (nachschr.) Luther w. 36,283 W. ⟨v1590⟩ so schlug er den so schrecklich drauff,/ als ob mein freß sein eygen wer Frischlin dicht. 186 LV. 1657 aber haltet die fressen zu und höret, was ich sagen werde! Gryphius lustsp. 39 LV. 1729 auf! fort und schmeist/ der vollen sau die fresse blutig Hagedorn ged. 29 DLD. ⟨1774⟩ ich hab’ ihm wohl hundertmal .. in die fresse gesehn, und ich weiß, was er ist Bode Schandi (1776)5,63. 1831 wenn einer mir in’s auge sieht,/ werd’ ich ihm mit der faust gleich in die fresse fahren Goethe I 15,1,257 W. ⟨1947⟩ wie haste dich zugerichtet, du schwein, du? mit solcher fresse kommst du zur arbeit? Fallada jeder stirbt (1959)109. 1994 nach dem erfolg in Frankfurt hatten die Salzburger eine große fresse frankf. allg. ztg. 66,25. – in der verbindung meine fresse verstärkender ausruf: 1929 ‘meine fresse nochmal,’ sagt Haie, und sein gesicht taut auf Remarque westen 82. 1994 während Stich im dritten spiel wieder einmal den schiedsrichter kritisierte (‘meine fresse, du’), spielte Becker fast mit stoischer ruhe frankf. allg. ztg. 252,32.

fressen, vb.

Fundstelle: Band 9, Spalte 995, Zeile 5 [Bartels]
FRESSEN vb.   ahd. frezzan, mhd. vrezzen, verezzen. as. fretan, mnd. vrēten; mnl. nnl. vreten; ae. fretan, me. frēten, ne. fret; got. fra-itan. germ. präfixbildung zu essen vb. mit kürzung des präfixes in vorahd. zeit. 1 feste nahrung zu sich nehmen. a sich von etwas ernähren; verschlingen. von tieren. hauptgebrauch: u830 mit thiu hér thó sata, sumu fielun nah themo uuege inti vvurdun furtretanu, inti quamun fugala inti frazun thiu Tatian 271,2 S. ⟨v1022⟩ alde iro occisa cadauera frezent uulpes et lupi Notker 3,2,409 ATB. ⟨u1147⟩ wi des herzogen Ulixes gesinde/ ain cyclops vraz in Sicilje kaiserchr. 352 MGH. ⟨u1270/80⟩ si sprachen: ‘in (Joseph) hat ein tier vrezzen’ d. künige buoch 35 M. 14.jh. do chom ein rab vnd trůg daz ein aug hin weg vnd frazz ez gesta Romanorum 101 K. u1477 schwyg, oder ich gib dich dem wolff, daz er dich freße! Steinhöwel Äsop 261 LV. 1532 was die raupen lassen, das fressen die hewschrecken Luther bibel 11,2,216 W. 1588 weinrauthen .. zwischen die kleyder vnd das getuͤch gelegt, verhuͤtet daß sie nicht von den motten gefressen werden Tabernaemontanus kreuterb. 1,497a. 1623 sie haben etwan einem kalb weitzen kernen zufressen geben Machiavelli, kriegs kvnst 381. 1669 wer lehret hund und katzen, daß sie das bethaute gras fressen sollen, wann sie ihren vollen bauch reinigen wollen? Grimmelshausen Simplicissimus 128 Sch. ⟨1733⟩ wenn ich meinen bogen nicht mehr habe, .. so werden mich die thiere fressen SchützFénélon, Telemach (1741)548. 1775 mir wars in all dem wie einer ratte die gift gefressen hat Goethe IV 2,292 W. ⟨1827⟩ der fuchs .. erwischte den spatzen und fraß ihn Aurbacher volksbüchl. (1835)1,135. 1861 sie (stute) frißt sehr schlecht und ist schon ganz mager geworden Moltke ges. schr. (1891)6,377. ⟨1909⟩ die jungen käuzchen .. pfeifen so hungrig, als hätten sie seit drei tagen nichts zu fressen bekommen Löns s. w. 6,311 C. 1955 jeden abend zischte das giftgemisch hinauf in die bäume, in denen die raupen saßen und fraßen und ununterbrochen fraßen Hornsmann wald 36. 2003 die rehe fressen aber auch den 00‐raps nur in ausnahmefällen, etwa wenn sie im winter keine andere nahrung finden zeit 22,30. – durch fressen einen bestimmten zustand erreichen, etwas entstehen lassen: u1585 dan der haß, so er sich sat freßen .. außzuziehen begert nach seinem sitz, so muß er bleiben jagdtraktate 1,261 L. 1604 wasche die wunden damit die der wurm gefressen hat, so stirbt er Colerus oecon. 4,139. 1725 (sie) gingen mit den heerden,/ die sich inzwischen satt gefressen,/ nach einen hellen bache fort Triller betrachtungen 1,498 H. 1763 solch land, davon das vieh sich kaum einmal des jahres satt zu fressen im stande ist allg. forstmagazin 1,96 S. 1838 sicher hat das dumme tier/ sich zu tod gefressen! Mörike 1,213 M. 1881 sperrt man mehrere zusammen ein, so .. fressen (maulwurfsgrillen) sich tiefe löcher in den leib Hesz streifzüge 63. 1940 die weitere folge davon ist, daß die eisenindustrie Englands dank der kahl gefressenen wälder immer weiter zurückgeht Schmahl eisen 115. 2003 die larven des borkenkäfers fressen unter der rinde gänge quer zur faser hess. allg. (Kassel)199,Nordhessen. b (übermäßig, unzivilisiert) essen. von menschen. abwertend: 863/71 joh ward thero aleibo thero fisgo ioh thero leibo/ (ni frazun sie iz allaz) sibun korbi ubar thaz Otfrid III 6,56 E. ⟨u1185⟩ wan si ahten mêre/ ûf ander êre/ danne daz si vræzen vil Hartmann Erec 32134 ATB. ⟨1264⟩ wan sô dû einen menschen von sînen êren seist, sô möhtest dû einen ohsen gerner frezzen an dem karfrîtage (bearbeitung) Berthold v. Regensburg 1,84 P./S. ⟨M14.jh.⟩ uwir brunstopphir leget zu uwirm slachten und vrezzet daz vleisch 91Z. 15.jh. so hat er sich all vastag vermessen,/ das er uns gibt eitel eselsfeigen ze fressen fastnachtsp. 1,350 LV. 1526 wenn sie hette künden gesund werden, sie het die gantz apoteken gefressen? (bearbeitung) Luther w. 10,1,2, 436 W. 1551 ob auch am disch ein knebel saͤß,/ der sich grob hielt, vnd sewisch fraͤß Scheit Grobianus 24 HND. 1639 iß, friß, sauff, spiel vnd leb im saus,/ nach diesem leben wird nichts draus Pole schawplatz 152. 1665 die kerl erwerben nichts und fressen wie ein schock drescher Stieler printz 19. ⟨v1716⟩ im jahr 899. war eine solche hungers=noth, daß hin und wieder die leute ihre todten heimlich für hunger frassen Bilkau hadeleriologia (1722)33. ⟨1775⟩ der mutter tisch müßt ihr vergessen,/ klar wasser geschiedne butter fressen Goethe Faust 1,21 ak. ⟨1815⟩ mir tut’s nur leid um mich, denn zu fressen muß man doch haben! Eichendorff gesamtausg. 2,220 B./G. 1859 er hat zu viel knoblauch gefressen Schön geistesgestörte 132. 1924 mittags gibts einen mansch, den du frißt, weil du mußt Frank bürger 159. 1993 was der bauer nicht kennt, so pflegt man im norden zu sagen, das frißt er nicht frankf. allg. ztg. 216,32. – jmdm. schaden zufügen, gewalt antun. bis mitte des 18. jhs. selten. jünger häufig scherzhaft: ⟨v1022⟩ dîe mînen liut frezent also brôt dîe sih îlent kesaton iro ferlornissedo Notker 3,1,60 ATB. ⟨u1180⟩ ir waret in hertes muotes,/ ir vrazet sie (die armen leute) mit maniger not v. d. jungesten tage 349 W. ⟨u1330/40⟩ iren got hân wir vorswent;/ der was alsô vormezzin,/ daz er sich uns lîz vrezzin/ und tretin mit den vûzin Nicolaus v. Jeroschin kronike 23557 S. 1522 wilch eynn ernst ding ists umb eynen truncken man, der auff ein abent alle Turcken fressen kan! Luther w. 8,697 W. ⟨1558⟩ hat der knecht geantwort, er hette wol ehe mit maͤgden gekurtzweilet vnd dennoch keine gefressen theatrvm diabolorum (1569)353a. ⟨1616⟩ er soll nicht tyrannisch gegen seine soldaten seyn vnd sie nicht fressen, weder mit worten oder mit der that Wallhausen militia (1617)24. 1669 da kommen unversehens 1000. mohren mit .. so schrecklichem geschrey, als wann sie alles fressen wolten Francisci blumen-pusch 257. 1783 und da und dort sah ihn einer an, wie wenn er ihn fressen wollte Pestalozzi 2,312 B. 1820 einen helden=geist hab ich in mir, .. daß ich ein ganzes regiment von feindlichen reitern fressen könnte Meisl quodlibet 2,222. ⟨1854⟩ so bleib doch hier, wir werden dich nicht fressen! Keller 17,182 F. 1929 Kantorek schießt mir einen blick zu, als ob er mich fressen möchte Remarque westen 177. 1974 da ist doch nichts, vor dem du angst haben müßtest. niemand wird dich fressen Ginott, takt 175. 2 zerstören. a verbrauchen; auch verschwenden, verprassen. bezeugungsschwerpunkt im 16. jh.: u830 after thiu theser thin sun ther dar fraz alla sina heht mit huorun quam, arsluogi imo gifuotrit calb Tatian 297,7 S. hs.12.jh. sit aber dirre din sun urezin/ hat allez sin gůt in hůre der ist cho/ min unt du hast im irslagin daz/ ueîze chalp dt. bibelfragmente 1,976 K. ⟨v1300⟩ sô ir alsô verslûchent und frezzent daz ir habent und des iuwer kint und iuwer hûsfrouwe leben solten (bearbeitung) Berthold v. Regensburg 2,182 P./S. hs.u1430 meins hern gesmeyd/ daz hilff ich dir allez freßen erz. aus altdt. hss. 594 LV. 1506 sein lange kranckheit vnd verschuld hat jms als gfressen Dürer nachlaß 1,53 R. 1559 also frißt hůrerey das gůt mit dem bösen Schumann nachtbüchl. 16 LV. 1606 du narr, diß ist ein königlihe person,/ hot mer gelt, alß ih freßen kan st. lambrechter passionssp. 73 W. ⟨1680⟩ als einer puren lautern hoffart, so gemeinem vatterland teutscher nation viel gold und silber gefressen in: L. W. Hoffmann müntz-gespräch 77. 1792 sie machten sich ein gewissen daraus, einen zöllner anzurühren, und fraßen der wittwen häuser Goeze Cornelius (1789)3,289. ⟨1853⟩ du bist jedenfalls um dein geld, das fressen die proceßkosten Auerbach (1857)3,80. 1907 bei solchem anlaß gäste zu haben, fraß geld Zahn Hochstraßer 91. 1993 selbstabtauende gefriergeräte fressen zehn bis dreißig prozent mehr strom als vom benutzer zu enteisende frankf. allg. ztg. 27,T8. b ätzen, zersetzen; auch ein brennendes gefühl verursachen: 10.jh. demolitur frizit ahd. gl. 1,810,46 S./S. ⟨v1022⟩ durriu lôrbleter unde die errozeten uuittâ dîe nâh sibilla in iro hole ze cumis mileuuâ unde uuormmelo frezen habetôn Notker 2,22 ATB. ⟨v1150⟩ da nemach in der rost frezzen noch di milwen ezzen,/ da nemac er nit verfulen, da muz er imer duren armer Hartmann 154,7 M. ⟨A13.jh.⟩ ich lîde hunger unde frost,/ mich vrezzent melen unde rost Ebernand 3070 B. ⟨u1430⟩ daz ist ein gut salb’, .. sie .. hailt die wunden vnd frist das vnrein flaisch dorauß’ Peter v. Ulm 244 K. 1539 der safft von cressen kraut gedruckt, seubert vnd reyniget alle vnreyne fressende schaden Bock kreütterb. 1,21b. z.j.1551 so ist ain wasser, daraus man vitriol seut, das frisst das eysn in wenig stunnden font. rer. austr. I 1,382. 1641 der rost frisset das geld Balduin nobile nepenthes G3b. 1692 daher ist das zahn=fleisch wegen des scharffen fressenden speichels verfaulet Blankaart, anatomia practica 170. 1733 sollen die von der carie gefressenen löcher an den äusseren oberflächen der zähne auf der lincken seite weiter gemachet werden, so muß man sich auf die lincke seite stellen Fauchard, zahn-artzt 2,57. 1782 beyde mittel werden vorzüglich bey bösartigen, fressenden, mit vieler härte umgebenen, und drüsichten geschwüren gebraucht A. G. Richter wundarzneykunst 1,509. 1815 vom roste wird gefressen/ die mauer wie der muth Schenkendorf ged. 103. 1880 auch andere und schwerere (wunden), zum teil fressende und eiternde, haben sich geöffnet Mommsen reden (1905)91. ⟨1939⟩ an den ufern von flüssen, die sich im laufe der zeit ein tiefes bett gefressen haben Heinze motor (1950)331. 1996 eine .. spalte .., welche die heißen gase und aschen des vulkans ins eis ‘gefressen’ haben frankf. allg. ztg. 241,N3. – in der verbindung um sich fressen um sich greifen, sich ausbreiten: 1520 der siechtag des kreps bleibt nit er frißt stetz vmb sich Pauli narrenschiff A3a. 1585 es fraß aber die seuche dermassen vmb sich, .. daß sie schon anno 1495 biß gen Cracaw kommen Rätel schles. chr. 1,257. ⟨1631⟩ was ist gewissers doch bei diesen wilden zeiten,/ da sich die pest der welt, der Mars, pflegt auszubreiten/ .. und, wie der böse krebs, stets um sich frißt und beißt Fleming ged. 1,117 LV. ⟨1674⟩ was ist zu thun wann eine wunde umb sich frist? Bürger candidatus (1692)319. 1715 die medici theilen ihn ein in den verdeckten krebs, wenn er noch klein ist, und nur anfängt um sich zu fressen, und in den unartigen krebs Amaranthes frauenzimmer-lex. 1094. ⟨1772⟩ das feuer .. fraß desto schneller um sich, da niemand daran dachte, seinen verwüstungen einhalt zu thun Wieland I 9,197 ak. ⟨1812⟩ zuschauer .. des treibens der schlechteren, deren zahl täglich wächst und deren gesinnungen krebsartig um sich fressen Stein staatsschr. 90 Th. 1854 der verfall jener kleinen städte frißt von jahr zu jahr um sich Riehl naturgesch. 1,46. 1926 so wurden die Schweden .. neu aufgezüchtet ..: von emporgemästeten krüppeln des krieges und friedens, die meilenweit um sich fraßen Ehrenstein menschen 88. c vernichten, töten: ⟨v1022⟩ unde imo gefallet taz er heize comedens uuanda tempus frizet al daz tir ist Notker 2,84 ATB. ⟨1180/90⟩ si twanch des tiveles chneht:/ .. ir arbæit er alle vraz obd. Servatius 2955 W. ⟨u1270/80⟩ diu siben hungerjar .. vrezzent diu guoten so gar und alle die genuocsame d. künige buoch 38 M. ⟨1338⟩ eyn vuer begynnet vrezzen/ der gesinde und ir geczelt Hiob 6388 DTM. 1441 nun stelt darnach jung und alt/ und kriegend darumb so vermessen/ das si land und lüt tuond fressen teufels netz 3076 LV. hs.1523 soll denn das schwerd on ende fressen? Luther bibel 1,96 W. 1595 bedencke wie kurtz vnsr leben ist,/ wie bald der tod vns alle frist Rollenhagen froschmevseler G1b. 1630 wenn dürr holtz vnten im feür ligt so frist es daß grün Lehmann florilegium 145. 1657 es fraß solch kleiner krieg ein zehen tausend mann Greflinger dreyßigj. krieg A7a. 1738 wann fürchterliche fluthen schwellen,/ wann die gewalt vereinter quellen/ um Quebec wühlt und felder frißt Hagedorn fabeln 22. 1789 hin und wieder wurden wohlgebaute dörfer und flecken von den fressenden flammen zerstört Schwarz Diether v. Isenburg 1,197. 1837 von Hamburg bis Schleswig wurde die landschaft verwüstet; beide städte fraß die gluth Havemann gesch. Braunschw. 1,39. 1880 der schweigsame unhold, .. die kanone, wird euch fressen Nordau Kreml 1,225. 1922 es heißt, das höllische maschinenungeheuer/ frißt tausend webern die gerechte arbeit Toller maschinenstürmer 38. 1955 und was ist aus meinen kindern geworden? der krieg frißt sie Kirst null-acht (1954)3,210. 2003 brände .. fressen jährlich weitere 600 000 bis 800 000 hektar (wald) spiegel 32, 103. d stark zusetzen, verzehren. von gefühlen u. dgl.: hs.A13.jh. iz sint dri zende die die suntige sel vræzzent. der erste zant ist div vorchte dt. pred. 18 L. dr.1525 min yffer thut mich fressen,/ dins worts mein sind vergessen kirchenlied 3,527 W. u1560 noch hat got über uns verhengt/ solch schuld und kreuz, das mich hart drengt,/ ja, auch schwecht, krenkt und frißt mich ser schausp. 16. jh. 1,125 T. 1635 ein jeder den der ehrgeitz frißt,/ ein greuel vor dem herren ist ordensdrama 83 DLE. 1657 die liebe hat mich gantz besessen/ und wil mir lung und leber fressen Gryphius lustsp. 35 LV. 1729 das scheiden schmertzt, und dieser schmertz frisst mir das hertz Selimantes waaren 55. 1786 euer angesicht war am abend nicht so heiter wie am morgen, und das frißt mir’s herz Musäus volksmärchen 191,228 Z. 1803 denn zu tief schon hat der haß gefressen,/ und zu schwere taten sind geschehn Schiller 7,40 H. 1857 wehre dem überhandnehmen fressender sorgen, dieses grünspans an dem einstweiligen monument Cornelius lit. w. 1,255 C. 1907 wir tragen in unsern herzen einen haß, der brennt und frißt Strausz u. T. n. balladen 63. 1996 die angst vorm versagen frißt an der seele frankf. allg. ztg. 141,31. 3 in sich aufnehmen. a ein problem, trauer o. ä. still erdulden. überwiegend in der verbindung in sich fressen. nach dem 17. jh. selten; jünger durch in sich hineinfressen ersetzt: ⟨1060/5⟩ er scol alles des leides irgezzen des er sich nû lange hât frezzen wiener genesis 2454 S. ⟨n1427⟩ dorumb fraß er sich auch gar hartt, das er das weyb hett getöt Schiltberger 33 LV. ⟨v1510⟩ sy muͤssen etwen trurigkeit verschlucken vnd in sich fressen vnd muͤssen sich froͤlich erzeigen Geiler bilgerschafft (1512)115a. 1576 darumb must ich der rach vergessn,/ mein leid stilschweigend in mich fressn Rollenhagen Tobias 23 HND. 1602 die arme weiber fressens alles in sich, verbeissens vnd verschweigens offtermals Albertinus haußpolicey 1/4,153b. 1686 was frist du dann so viel kummer, o kleinmüthiger! Abraham a s. Clara Judas 1,205. 1732 ich muß mein leid,/ und meinen kummer in mich fressen,/ und niemand denckt an meine dürfftigkeit! Henrici ged. (1727)3,156. 1820 solche störenfriede .., welche .. krächzen und greinen und thun, als fräßen sie viel in sich Jean Paul I 15,152 ak. b geistig erfassen, verinnerlichen: 1521 horest du monch, das du die schrifft noch nit gar fressen hast Luther u. Emser 2,146 HND. ⟨1562⟩ vnd lassen die erkandte warheit wider faren vnd fressen den vnflat wider inn sich wie ein ander hund Mathesius Sarepta (1571)114b. ⟨1672⟩ also fraß er die kurtze lection mit aller gedult in sich Weise erznarren 27 HND. ⟨1715⟩ denckt, wenn er den Donat bis auf den band gefreßen/ ..,/ sein nahme müße noch ein wunderwerck auf erden/ und in der neuen welt ein staatsoracul werden Günther 4,41 LV. 1788 und das corpus juris mag/ dann der schwarze fressen! Langbein ged. 259. ⟨1896⟩ wie oft habe ich den Anatol seitdem vorgenommen, .. ja, ich kann sagen: ich fraß dieses buch Kerr ges. schr. (1917) I 1,121. 1930 der künstler sieht, frißt das wilde naturleben mit gierigen augen Ponten hochzeitsreise 64. 1963 das war eine zu anständige zeit, ihn anzurufen und ihn zu fragen, wieviel ordnungsprinzipien er Marie schon zu fressen gegeben hatte Böll ansichten 129. 4 phraseologische verwendungen im anschluß an 1. – einen narren an jmdm., etwas fressen von jmdm., etwas übertrieben eingenommen sein, in jmdn., etwas vernarrt sein: 1618 ja, das fast nicht zu gleuben ist,/ den narrn an seiner schwester frist Rinckart jubel-comödie 33 R. 1657 ich wil so klein und lieblich reden, dass der könig und königin an mir den narren fressen sollen Gryphius lustsp. 18 LV. 1700 die göttin Pallas hatte anfangs auch den narren an einem pfeiffer gefressen Kuhnau quack-salber 206 DLD. 1781 bis er endlich ganz am vogt den narren gefressen hatte Pestalozzi 2,153 B. 1833 ‘s alte weib will’s nun einmal nicht anders, die hat den narren an dir gefressen Sealsfield d. legitime 2,157. ⟨1864⟩ die andern haben ohne frage den narren an ihm gefressen Raabe 6,218 H. ⟨1947⟩ ich hab nun mal einen narren dran gefressen – an der fliegerei Zuckmayer ges. w. (1960)3,521. 1998 an dem thema Europa hat der bayerische ministerpräsident Stoiber einen narren gefressen frankf. allg. ztg. 85,10. – friß vogel oder stirb dies ist die einzige (unangenehme) möglichkeit; keine wahl haben: ⟨1621⟩ die soldaten solches sehendt haben gedacht, vogell friß oder stirb, haben mit grosser furien den feindt angegriffen vnd geschlagen Wallhausen camera (1623)68. ⟨1645⟩ der knecht .. spricht (friß vogel oder stirb,) wirstu dich nicht alsbald außziehen, .. so schwere ich dir, du solt nicht von dannen kommen Talitz reyszgespan (1663)94. 1701 denn es heisset hier wie allenthalben: friß vogel oder stirb Zeidler geister 81 R. 1762 friß vogel oder stirb. ich werde mein leben nicht schonen Carsted atzendorfer chr. 425 S. ⟨1826⟩ bei ihm heißts: friß vogel, oder stirb! Raimund 1,191 B./C. ⟨1855⟩ vogel friß oder stirb! das ist der text Kurz s. w. 5,51 F. 1928 friß, vogel, oder stirb – unterschreibt, ihr boches, oder wir marschieren! Scheidemann mem. 1,370. – die weisheit u. dgl. (mit löffeln) gefressen haben sich für sehr weise, gelehrt halten: 1657 du wirst meinen, daß man auf universitäten lauter weißheit mit löffeln fresse Schupp freund 57 HND. ⟨1723⟩ ich bilde mir nicht ein, daß ich allein klug wäre und alle processualische weißheit gefressen .. hätte Döhler mause-fallen (1724)146. ⟨1909⟩ und wenn sie auch die gelehrsamkeit nicht mit löffeln gefressen hatten, so hatten sie doch alle den mund wie das herz auf dem rechten fleck Binding nov. [1927]296. 1996 daß alle männer .. die weisheit mit löffeln gefressen haben, ist stark zu bezweifeln frankf. allg. ztg. 61,T1. – jmdm. aus der hand fressen zunächst in nichtphraseologischer verwendung von tieren, die so zutraulich sind, daß sie ihr futter direkt aus der hand des menschen annehmen: ⟨1763⟩ will man die hühnerchen kirre (zutraulich) machen, so muß man sie nur hungern lassen – sie kommen darnach von selbst und fressen aus der hand Weisze lustsp. (1783)1,199. dann phraseologisch für ‘jmdm. ergeben sein’. von menschen: 1903 alle hatten sich in den puppenspieler vernarrt, sie fraßen ihm aus der hand Lauff Pittjewitt 70. 1996 .. nachdem dir deine zuhörer an den lippen gehangen und aus der hand gefressen haben frankf. allg. ztg. 44,30. – jmdn. gefressen haben jmdn. nicht leiden können: 1965 dieser lange lulatsch .. legte es darauf an. hatte mich gefressen Pörtner gestern 77. 1976 die italienischen männer – die hatte sie vollends gefressen: ‘ein gesocks – eine bande – nicht zu glauben! ..’ Richartz bürorom. 125.

fressen, n.

Fundstelle: Band 9, Spalte 999, Zeile 24 [Bartels]
FRESSEN n.   abl. von fressen vb. 1 das aufnehmen fester nahrung, tätigkeit des fressens. a das übermäßige, unzivilisierte essen. abwertend von der nahrungsaufnahme der menschen. hauptgebrauch: ⟨u1350⟩ doch muoz er han al tag/ ain kifen vnd ain frezzen lieder saal 243,75 L. 15.jh. nu mustu doch dein lebtag ein narr beleiben,/ wann kein vernuft in dir nicht ist,/ dan hurerei, fressen und saufen zu aller frist fastnachtsp. 1,55 LV. 1520 so gatt er dem spil nach, dem fressen vnd suffen Pauli narrenschiff V5b. 1551 huͤt euch, das auff disser erden/ ewer hertzen nicht beschwert werden/ mit fressen und mit sauffen bloß Wickram 6,62 LV. 1632 Poggius Florentinus nennet die Teutsche weinfässer, die nur zum fressen vnd dem schlaff gebohren Zeiller itinerarium Germaniae 33. 1657 fressen und sauffen ist doch die beste kurtzweile Schoch studenten-leben E3a. 1731 so muß auch um diese zeit ein jeder sich der mässigkeit befleissigen, und alles überflüssige fressen und sauffen meyden Rohr bürgerl. recht 516. 1778 nu, kommstu diesen abend zum fressen auf meine stube? F. Müller Faust 39 DLD. 1806 schon herzog Julius sah sich gezwungen: das unmäßige fressen und saufen auf bauernhochzeiten und kindtaufen durch scharfe strafgesetze einzuschränken Venturini vaterländ. gesch. (1805)3,334. 1884 es scheint jedoch auch mit dem fressen und scheißen nicht mehr zu gehen, und kann man täglich gewärtigen, daß der alte ‘abkratzt’ Kautsky brw. 110 K. 1927 drum lud er ein, daß man am arsch ihm leckte/ wenn er beim fressen war und es ihm schmeckte Brecht hauspostille 26. 1997 ‘lost vikings 2’ läßt ein wikingerschiff auftauchen, .. ausgeschmückt mit disziplinen wie prügeln, pöbeln, fressen, trinken und rülpsen frankf. allg. ztg. 238,T2. – in der verbindung zum fressen sein, finden o. ä. außerordentlich attraktiv sein, finden o. ä.: 1756 der himmel hat mir auch so viele seltne gaben/ gegeben, daß man mich zum fressen lieb muß haben Kurz Pumphia 8 WND. 1820 da seht mich an, bin ich nicht zum fressen? Meisl quodlibet 1,30. ⟨1880⟩ Jule, sie wissen es, daß sie für mich zum fressen sind! Raabe 14,49 H. 1904 sie müßte den Adelrich lieb haben, so zum fressen, wie das jungvolk in dem stand sonst liebt Zahn schattenhalb 72. 1993 Mickey zum fressen gern haben muß man für Mickey’s Waffler frankf. allg. ztg. 207,T9. b die nahrungsaufnahme der tiere: 1642 es hat auch seinen pferden/ der Diomedes nicht zum fressen vorgelegt Tscherning früling 9. 1738 daher wir den ganzen tag stark darauf trieben, und unsern ochsen kaum zum fressen zeit liesen Downing, unruhen 325. ⟨1755⟩ ohne vorheriges wissen und anzeigen bey denen gemeindspflegeren solle das grasen oder frezen auf gemeindspläzen unter willkürlicher straff .. verbotten seyn württ. ländl. rechtsqu. 3,137. 1832 dort wird das thier (schlange) in ein behältniß gethan und man bemüht sich mehrere tage vergeblich, es zum fressen zu bewegen Lenz schlangenkde. 225. 1865 das pferd ersetzt das, was es an kraft verliert, durch fressen Huxley, organ. natur 9. ⟨1918⟩ nach dem fressen gehen die löwen an die tränke Ponten turm (1920)115. 1994 als der wackere landmann es geschafft hatte, dem tier (pferd) das fressen abzugewöhnen, brach es zusammen und verschied frankf. allg. ztg. 5/1,1. 2 feste nahrung. a speise der menschen. abwertend: hs.E15.jh. doch dunckt mich zwar dir sey gelegen/ dein fressenn, dw verfluchter pfaffe! erz. aus altdt. hss. 117 LV. 1528 also ein lauter gefres aus dem abendmal machten, als were es sonst ein ander schlechts fressen Luther w. 26,482 W. ⟨1590⟩ ey, das mein herrn das hellisch fewr/ verbrenn in ewigkeit hinein,/ das er von all dem fressen sein/ im nicht ein bißlein geben wil! Rollenhagen v. reichen manne 111 HND. 1620 welche sich mit dem fressen vberfüllen, denen wirdt die natürliche wärmde vberwältiget PhiliaterForestus, vromanteia 131. ⟨v1666⟩ ist aber ein verdeckter milch=topff ein verdecktes fressen, da gifft unterligt Dannhauer catechismvs milch 10(1673) 328. ⟨1740⟩ die hochzeit pfleget man in dieser welt zu feyren/ durch fressen und gesöf Lindenborn Diogenes (1742)1,97. ⟨1809⟩ schlechtes fressen im Pelican in gesellschaft mehrerer italienischer und zweier deutscher schlingel Werner tgb. 123 LV. ⟨1931⟩ so ein mensch braucht zuviel fressen/ dadurch wird der mensch teurer Brecht stücke (1953)4,288. 1979 man beschwichtigt seine ängste, .. erstickt sie im großen fressen frankf. allg. ztg. 149, bilder und zeiten. – in der verbindung ein (gefundenes) fressen für jmdn. sein o. ä. jmdm. sehr gelegen kommen: 1660 das wird dir ein gefunden fressen vor meine hühnerfänger seyn, sagte der großfürst Bucholtz Herkules [1659] 2,506. 1781 man mag mit recht behaupten, daß eine mit vielen bedingungen angefüllte verabredung der chikane .. ein gefundenes fressen sey Benekendorf grab 1,121. 1851 die ‘abolutionisten’ würden für Heinzen ein famoses fressen sein Engels brw. 1,280 B./B. ⟨1927⟩ mir scheint dieser innere monolog ein fressen für psychologen und psychoanalytikers Tucholsky 2,793 G.‐T./R. 1997 der fleischfetzen .. war natürlich zunächst einmal ein gefundenes fressen für die boulevardpresse frankf. allg. ztg. 149,29. b futter, nahrung der tiere: 1724 auch darff man .., wenn man ihnen futter in das krippgen schüttet, nichts von dem alten fressen darinnen lassen Fleming jäger (1719)2,340a. 1762 weil der fuchs wohl weißt, daß ein dergleichen wildpret ein galantes fressen, so .. Stahl jäger 205. 1852 für das fressen dieser bestien (löwen) hast du nicht zu sorgen Zingerle volksdicht. 1,247. ⟨1917⟩ das vorgesetzte fressen rührt er (hund) nicht an Sudermann rom. I (1921)6,191. 1997 ‘als löwendompteur muß man für gutes fressen sorgen’, sagt der bundestrainer frankf. allg. ztg. 124,27.

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Zitationshilfe
„fresse“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Neubearbeitung (1965–2018), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb2/fresse>.

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