Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

stoszdegen, m.

stoszdegen, m.,
mit schmaler spitzer klinge; auf den stosz (I, 1, b) eingerichtet; eine weitere sprachliche ausgestaltung von degen (urspr. 'dolch'; vgl. th. 2 sp. 896 und Diefenbach gloss. 417ᵇ unter 'pugio') in ihrer ausbildung eine eigentlich romanische waffe (vgl. als besondere übungswaffe das floret, unter dem einflusz von lat. florem 'blümchen', wegen des knospenähnlichen knöpfchens an der spitze, aber eher mit dem vocalstand von span. florete; 1678 aber bei Kramer als flöret entspr. franz. fleuret) wie stechdegen (th. 10, 2 sp. 1221) und im gegensatz zum später entwickelten, aber deutscheren haudegen (th. 4, 2 sp. 572). — gleich unten stoszklinge Kramer 2 (1702), 987ᶜ; Ludwig (1716) 1880.
1)
(eigentlich:) zunächst noch dolchartig: stoeszdegen vel poeck, pugio Trochus (Diefenbach gloss. 471ᵇ); neben weidner 'jadmesser' (th. 14, 1 sp. 619 unter 1, β), stoszdegen, parazonium Golius 178; Orsaeus (1623) 117; vgl. Gargantua 179 neudr. und waadner, stosztagin, nl. stootdegen, poniaert, parazonium Diefenbach gloss. 412ᶜ (Junius); neben dolch: alsbald er das weib ansichtig wird, ersticht er sie mit einem stoszdegen oder dolchen Bütner epitome historiarum (1596) 118ᵃ; s. auch unten stoszdolch: einen zweischneidigen stoszdägen einer spanne lang Zürcher bibel (1531) richter 3, 16 (auch Luther brauchte hier zunächst unser wort, stiesz sich aber wohl an der eigentlich erst vom haudegen entwichelten zweischneidigkeit der waffe und änderte in schwert). hierher auch wohl der scherzvorschlag: werft alle nusz und holtzöpfel herab, dann die stumpfe stoszdegen sind mächtig gut dazu Gargantua 359 neudr.später lang: meinen langen stoszdegen zur hand (suchen) Chr. Reuter Schelmuffsky 119; kein langer stoszdegen schwanke mehr hinter ihnen her neuestes aus d. anmuth. gelehrsamkeit 7, 900; meinen langen stoszdegen her, Diego, den mach ich kalt Hauff w. 5, 152. — (gegensätzlich:) nicht der breite cavalleriesäbel noch der spitz geschliffene stoszdegen Görres ges. schr. 6, 369, vgl. (die einbildung,) die dragonerpallasche seyen stoszdegen allg. deutsche bibl. 10, 2, 277.
a)
sein gewöhnlicher gebrauch: so könnt ihr euch darauf verlassen, dasz jeder, welcher sich zwischen die verhandlung mischen will, meinen stoszdegen im herzen hat Fouqué jahreszeiten 2, 17;
bis er seins stoszdegens gedacht,
setzt ihm den in die seit mit macht
Rollenhagen froschm. Zz 2ᵇ;
doch vereinzelt schon früh auch zum hieb, so bei Luther: eyner schlug yhn mit einem stosztegen ynn den hyrnschedel 18, 239 Weim.; vgl.: mit kurzen, starken, auch zum hieb brauchbaren stoszdegen Fouqué gefühle, bilder 2, 264; vielleicht auch: mit tüchtigen stoszdegen ihr heil versuchen wollen Leipziger avanturieur 1, 247. — die art, ihn zu tragen; in seiner ausgangsform ermöglicht auf dem rücken: sein schwerdt an der seyten, stoszdegen auf dem ruggen ... tragende städtechron. 22, 434; doch gewöhnlich an der seite: item der fünfft uffm rotschimmel, den die andern juncker gehayssen, ein schwartzen zötigen huet, ein sylbrin stoszdegen an der seiten Thomas von Absberg 297; (raufbolde,) an der seite die stoszdegen Justi Winckelmann 1, 95; auch ohne den kurzen stoszdegen an der hüfte Gaudy 3, 87. — (zur abhaltung eines duells die sorge) für die waffen, als welche ich stoszdegen oder sogenannte Pariser, die einzigen, die ich etwas zu führen verstand, vorgeschlagen hatte, zumal ich wuszte, das auch Lys damit umgehen konnte G. Keller 2, 246.
b)
bildlich: auf den polemischen stoszdegen sich besser verstehen als auf den geistlichen hirtenstab Tholuck vorgeschichte des rationalismus 1, 41.
2)
obsc. penis: darumb opfert ihm wacker und tapfer gläser voll wein, steckets ihm aber nit wie dem Priapo an das latzstümpflein und stoszdegen, ... sondern hanckt ihm die gutteruff umb den hals Gargantua 167 neudr.
3)
als demin. bildung: hinter seinem bette steht noch ein kleines stoszdegelchen, das er als cammerjunker getragen Löwen schr. 4, 172.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1927), Bd. X,III (1957), Sp. 483, Z. 23.

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Zitationshilfe
„stoszdegen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/stoszdegen>.

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