Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

strafer, m.

strafer, m.,
zu strafen verb. (s. oben); mhd. strâfære; häufig in umgelauteter form sträfer, so lexikalisch neben der nichtumgelauteten form verzeichnet von Kramer, und hier scheint sich besonders energisch die verdoppelung des f unter verkürzung des stammvocals durchgesetzt zu haben (vgl. die einleitung von strafen verb.), offenbar auch mit vortragung der grenzen über das ursprünglich obd. verbreitungsgebiet hinaus in das md.: so ist sträffer, streffer (neben dem umlautlosen straffer) bei Luther zu nehmen (streffer Stolle thüring. chron. 65 Hesse), auch beide formen bei Mathesius; mit gerundetem stammvocal ströffer bei Murner, mundartl. vergröbert bei Steinhöwel (wann ain straufer sol unstrafbar syn Äsop 264 K.).
1)
entsprechend strafen verb. 1 ff., so neben richter (th. 8 sp. 888): ein yglicher, der sein selbs verkleger, straffer und richter ist Luther 18, 488 W.; vgl. auch die in der Berliner hs. (von 1523/24) vorgenommene änderung von es ist unter uns keyn straffer in scheydemann (th. 8 sp. 2401; dort unter 1) Hiob 9, 33 Weim. bibelausg. 405; und wenn kein streffer und richter were ... Pape bettel- u. garteteufel (1586) Z 1ᵇ;
es wirt endlich das böse maul
sein richter und straffer auch finden
Hans Sachs 3, 368 K.;
auch ndd. he eyn straffer unde richter wesen scholde städtechron. 16, 327, so deutlich auch: sowohl der gerechtigkeitssinn des strafers als der grad von der innern schuld des sträflings sind dem asylgeber gleich unbekannt Zschokke schr. 10, 86; schon im übergang zum folgenden: dasz sie hencker gewesen seind, richter und str. der abgötter Paracelsus op. (1616) 2, 591 Huser.
a)
straffer ultor Diefenbach gloss. 625ᵇ (vocab. predicat.) auch str. vindex Frisius (1556) 1383ᵇ;
auch soll man uns frü und spat
fürtragen ein gezogens schwert,
dasz dabei stets betrachtet wert,
dasz wir ein straffer sein des bösn
J. Ayrer dramen 1, 291 (Tarquinius 4) K.
besonders von gott (Logau 194, 35 E.) entsprechend strafen verb. 2: gott will und wird selber hie der streffer seyn, und sie solcher leychter straf gantz und gar nit wirdig sind Luther 8, 680 W.; es ist auch nit war, dasz der tüffel die straffen erdichtet hab, wie ob gesaget ist, dan der teüfel ist ein erfinder der sünden und got ein str. der übeltadten Murner an den adel 48 ndr.; diser aller freunde ist gott gewesen und der andern feinde und str. J. Agricola sprichw. (1534) B 1ᵇ;
hastu vor nie auf erd gehört,
wann sich ein reich aufs gröszest mört
mit böszem list an eer und guͦt,
und das im wächst der übermuͦt,
so wils dann auch ein straffer hon?
welsch gattung 3468;
dasz gott allein
einst wird der tugend lohner, der laster strafer sein!
Hartmann volksschausp. a. Bayern u. Österreich 335.
entsprechend oben strafengel: ertzengel Gabriel beschützer der frommen und str. der bösen Ayrer hist. processus juris (1600) 578. neben rächer (th. 8 sp. 26): ultor scelerum deus gott ein recher oder straffer der laster Golius 7; lesset got durch den hohen und teuren eyde, der mit seinem namen beteuert und bestettigt ist, herrn und unterthan zusammen verknüpfen und will selber recher und str. sein Mathesius w. 4, 385 bibl. deutscher schriftst. a. Böhmen; zu einem str. und recher der sünden ... gesetzt Thurneysser magna alchymia (1583) 1, 144; im fall da dieselbige (mauer) gar oft und viel übersprungen wird, wil er dennoch desselben recher und streffer sein Roth catechismipredigt (1573) 1, 77ᵃ. mit adject. bestimmung: darnach (ward der sonst nachlässige könig) ein harter str. und püsser aller der, die wider gerechtigkeit thetten Arigo decam. 5 K.
b)
castigator Frisius (1556) 195ᵇ (Calepinus 207ᵇ); zuchtiger vel str. disciplinator Diefenbach gloss. 184ᶜ; str., züchtiger punitore, gastigatore, che punisce Hulsius (1618) 2, 315ᵇ; a punisher Ludwig (1716) 1885; in der hauszucht u. sonst: damit werden sölche junge den merer thayl der selben sträffer (d. h. der strafenden väter) bewegen, dasz ... Schwarzenberg teutsch Cicero (1535) 88; alsdann findt der ausgenützt auch sein sträffer und wirt der ruͦt, die er im selbz auf den ars hat gemacht, nit entgon S. Frank chron. (1531) 235ᵇ; straf dein kind, und kere für deiner thür, ein frembder knecht und die drauszen sein, stehen und fallen ihrem herrn und haben ir eigen streffer Mathesius Sarepta (1571) 130ᵇ (Petri 2, T 8ᵇ); so möcht es sich leichtlich zutragen, dasz diser der gestraft wirdt ... sich in zorn wider den streffer bewegt P. Colman cordissiano (1571) 262ᵃ. im gerichtswesen 'der gerichtsbote, büttel, häscher': strafer, büttel sbirro Kramer dict. 2 (702), 994ᵃ; einem die sträfer über den hals schicken mandare gli sbirri (la corte) addosso ad uno (ebenda); auch in der zusammensetzung blutstrafer vindice sanguinario cioè carnefice, boia, manigoldo (ebenda) und so neben dem henker (th. 4, 2 sp. 990): es ist nicht auszureden, wie gottlos und böse die welt sei. welches man daraus wol merken und sehen kann, dasz gott die strafen nicht allein gemehret hat, sondern hat auch einen solchen haufen sträfer und henker geordnet Luther tischreden 2, 46; hierher wohl auch: man jetzt in allen landen die elendisten, ungeschicktsten leut zu sträffern nimpt Agricola sprichw. (1534) E 1ᵇ.
2)
in einem erweiterten sinne (entspr. strafen verb. 5): animadversor Calepinus 90ᵇ; correptor Frisius (1556) 338ᵇ; vgl. Terenz (1499) 116ᵇ straffer, verbesserer corrector Dentzler (1716) 2, 278ᵃ; straffer vel begriffer reprehensor Diefenbach gloss. 493ᵇ (vocab. predicat.); ein str. eruditor J. Nas antipap. eins und hundert (1567) 3, 74ᵃ; mit rücksicht auf das aufsichtsrecht des censors im alten Rom über die sittliche führung des familienlebens die übersetzung: straffer der sitten censor Diefenbach gloss. 112ᵇ (gemma v. j. 1507); Calepinus 219ᵃ; vgl. ein schetzer, ein strafer censor Megiser pol. (1603) 1, 238ᶜ; vgl. auch oben strafprediger: den bapst umb ainen cardinal (bitten), welcher euer schirmer, str. und regierer sey Eberlin v. Günzburg schr. 3, 61 ndr.; dan wa du (Luther) ein gemeiner christlicher ströffer werest, solt dein straf gemein sein, und findest wol bei dem adelischen stat so fil zuͦ straffen und bei dem peurschen als bei dem bapst und dem geistlichen Murner an den adel 36 ndr.; wir leiden keinen meister noch streffer, wir sind die götter, uns sol man hören Luther 31, 191 W.; ein so ernstlicher str. ritterlicher unzucht S. Frank chron. (1531) 144ᵇ; juristen wollen nicht schirmer seyn, es sey schwerlich bey groszen herrn; theologen wollen nicht str. seyn, es verdreust die leut Petri 2, A 7ᵇ; die straffer müssen ich heutigs tags mehr förchten als die übertretters Zinkgref apophthegmata (1628) 229; propheten waren ... oft eiferer für die ehre gottes, strafer der laster an land und leuten, warner, aufmunterer, tröster Herder 7, 185 S.;
neben dem rechten wege sy gent
kromp und achtent zumale nit
uff keinen iren wiser
odir auch iren straffer
pilgerfahrt des träumenden mönchs 10294;
zum dritten ist er auch ein straffer
der afterreder, falschen klaffer
Hans Sachs 19, 347 Keller-Götze;
doch hat der traun unrecht gericht,
der nur allein den streffer hie
und nicht den theter nimpt zur zie
Hayneccius schulteufel 4, 7;
durch holde scheu gemildert
sei auch des strafers wort
J. H. Vosz ged. (1802) 5, 255;
auch: das gesetz, der schirmer und str. E. M. Arndt w. 1, 248 R.-M. mit adj. bestimmung: darumb darf man keins zornigen straffers zuͦ den sündern und irrigen M. Herr sittliche zuchtbücher (1536) 153ᵃ.
3)
im anschlusz an das vorige wie oben strafdichter: str. satiricus Diefenbach gloss. 513ᶜ. bayr. der straffer als 'scheltlied' quelle bei Schmeller² 2, 811; vgl. oben strafgedicht und straflied.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1929), Bd. X,III (1957), Sp. 731, Z. 32.

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stolzschwebend strafmilderungsgrund
Zitationshilfe
„strafer“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/strafer>.

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