Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

zugabe, f.

zugabe, f.,
mhd. zuogâbe, zuerst mitte 14. jh. Lexer, ausgebildet im leben des marktes.
1)
zugabe ist was beim handel über gewicht und masz hinzugegeben wird: so etwas uber den auszschlag zugeworffen wird, ists ein zugabe A. Comenius ian. iv ling. (1644) 244. in den älteren wbb. für additamentum, auctarium, mantissa Diefenbach 12ᵃ; 63ᶜ; Frisius 30ᵇ; 141ᵇ; Dasypodius 463ᵃ u. s. f. andere wörter dafür zumasz, zusatz, zuwage, zuwurf Harsdörfer poet. trichter 3, 500, auszschlag Calvisius (1666) 809. beilage, vgl. Kretschmer umgangspr. 110. in eigentlichem sinne: unter andern machen sie es mit verganthung der geistlichen sachen, wie jener mezger, der das fleisch umsonst gabe, aber die zugabe oder beyhau sich theuer bezahlen liesze Lindenborn Diogenes 1, 139; zu unserm dreyerbrode, das uns als ein frühstück und zugabe unserer tischkost gereichet wurde Leipz. avanturieur 1, 64. sprichwörtlich: mantissa obsonum vincit die zugab ubertrifft schier die schuldgab Fischart geschichtklitt. 42 ndr. (ähnl. Lehmann floril. 3, 504). weiterhin übertragen auf allerlei dinge, die man zu anderem gibt oder erhält: sampt allen unsern verdienst und wercken der supererogation (das sein die werck so uns nach abgestrichenem sester zu einer zugab uberbleiben) Fischart bienenkorb (1588) 126ᵇ; solche leutte kommen der welt für, als schlieffen sie, als die träumende, denen wirfft gott zu seine gesegnete mantissas und zugaben Dannhawer catech.-milch 2, 165; die stampfmühlen werden auch meistens denen andern wassermühlen als eine zugab beygefügt Hohberg georg. cur. 1, 72; ich erhielt als zugabe zu der schmeichelhaften unterschrift des porträts eine alabastervase Bismarck ged. u. er. 2, 165 volksausg.; die farbe ist eine zugabe zu allen erscheinungen Göthe II 3, 215 W.; zugabe eines sängers im konzert, erfreuliche, angenehme zugaben.
2)
mit betonung der negativen seite von dem, was eigentlich nicht zu einer sache gehört: die kleider werden von so viel überflüssigen und unnöthigen gehencken und zugaben zusammengesetzet discourse d. mahlern 2, 169; ich kann .. nicht schlieszen, dasz, weil Slovaken und Ruthenen unter der herrschaft Österreichs stehen, diese die repräsentanten des staates und die Deutschen eine blosze beiläufige zugabe des slavischen Österreichs seien Bismarck pol. reden 1, 276. das unnöthige ist das unangenehme: die zugabe! die zugabe! die uns das schicksaal zu jeder glückseeligkeit drein wiegt! Göthe IV 1, 259 W.; nichts zu beiszen und zu brechen; und als zugabe noch die kranke mutter Holtei erz. schr. 24, 16.
3)
in älterer zeit war es die pflichtgabe bei der eheschlieszung voc. pred. (1486) h 9ᵃ, und zwar selten die des bräutigams: er gebot auch das die junckfrauwen on morgengaben oder zuͦgaben solten zuͦ der ee greyffen S. Münster cosmogr. 1044. häufiger die mitgift der braut: erstlich so ist sie on ein zuͦgab Boltz Terenz 93ᵇ; dann dasselbe herzogthumb was die zugabe und ehestewer dieser einigen tochter Megiser ann. Carinth. (1612) 1252; der jüngste assessor ..., der sein häszliches ... weib den augenblick mit ihr vertauscht hätte, ohne einen dreier als zugabe zu begehren, trat zu der armen sünderin Hippel kreuz- und querzüge 1, 173. auch nd. Schütze 4, 264. allgemeiner für hochzeitsgeschenk: darumb nam im der hochmeister für, die zuͦgab, so er beiden brüten geben, wolt er für frawen und junckfrawen spieglen Wickram 2, 59 Bolte.
4)
früh erscheint es für eine ableitung aus einem lehrsatz: corollarium, zugabe oder zusatz heiszet ein satz, welcher aus einem andern hergeleitet wird Wolff math. lex. 332. in weiterem sinne ein anhang zu einem schriftsatz: codicill, die zugabe eines testaments Sperander (1777) 120ᵇ; am ende auff ayn zugabe musz ich hie auch anttwortten denen, die von der restitution disputirn Luther 11, 278 W.; ich möchte meinen Divan mit seinen zugaben eben so gerne los seyn, als ich ihn zu ostern in euern händen wünschte Göthe IV 31, 44 W. auch was eine fassung eines textes mehr hat: in jedem fall haben wir in dieser zugabe des Matthäus einen höchst sinnvollen zug D. Fr. Strausz 4, 221.
5)
in der alten rechtssprache die gewohnheitsmäszige erweiterung von fristen und anderen zahlen, zugabetage, zugabezahlen J. Grimm rechtsaltert.⁴ 1, 303 ff.; 364; 2, 244; 289; 506; 574.
6)
in der musik früher gelegentlich für coda: den anhang oder die zugabe in einigen also genannten canonibus infinitis, damit die stimmen miteinander zugleich aufhören können J. G. Walther musik. lex. (1732) 174.
7)
selten allgemein für die handlung des zugebens: mit zugab eins frembden sulphuris L. Thurneysser magna alchymia (1583) 3; zugabe von alkohol Muspratt chemie 3, 388; der unterschied (zwischen mensch u. thier) ist nicht in stuffen oder zugabe von kräften, sondern in einer ganz verschiedenartigen richtung und auswickelung aller kräfte Herder 5, 29 S.
8)
noch seltener wie zugeben 4 u. 5 für 'einräumung', 'zugeständnis' Campe: wenn von einer preuszischen constitution die rede ist, so will Ancillon nichts darunter verstanden wissen, als was schon da ist in jener monarchie, und versteht sich nur zu einer zugabe von gleichsam freiwilligen beamten, welche das volk ernennen mag Gutzkow 9, 127; so kann er (der dichter) doch also, .. auch körperliche gegenstände schildern — was wollen wir mehr? ... mit einer solchen zugabe hat hr. L. den gröszten theil seines buches widerlegt Herder 3, 166 S.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1924), Bd. XVI (1954), Sp. 393, Z. 4.

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Zitationshilfe
„zugabe“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zugabe>.

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