Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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1zucker, m.

¹zucker, m.,
auch zücker, einer der zuckt.
1)
zu zucken 'greifen, rauben' mhd. wb. 2, 933ᵇ; Lexer 3, 1166: rauber oder zucker voc. theut. (1482) a a 5ᵃ; hinzucker raptor Dasypodius 467ᵇ; rapax ein zucker voc. predicantium (1486) y 4ᵇ; zukker .. qui corripit ensem Schottel t. haubtspr. 684; solt gott solchen hochmuͦt und auszschlahung des frids nit mit dem schwert zalen, das gezückt allweg in des zückers hertz muͦsz geen S. Franck chron. Germ. (1538) 220ᵇ;
nun, ich will sein der erst zucker,
(der zuerst das schwert zieht)
H. Sachs 10, 361 K.;
für geizhals Frisch 2, 484ᵃ: bistu ... karig (karg) ein zucher und hebig Keisersberg irr. schaf (1514) 7ᵃ; nit bisz ein zucher, ein schmarotzer 16ᵃ; s. zucken II 3.
2)
zu zucken II, 'zuckende bewegung' Schmeller 2, 1084; Hügel 199ᵇ (Österreich, beim zahnziehen): er duut kai zucker mee 'ist tot' in Baden zschr. f. d. maa. 1916, 328. 'blitz', Obersachsen Müller-Fraureuth 2, 714ᵃ.
3)
ein lamm, das im hause als zeitvertreib für kinder aufgezogen wird, Henneberg Spiess 292, s. zuckeln 3. aus der bedeutung 'geizhals' erklärt es sich, wenn zucker gelegentlich im 16. bis anf. 17. jh. wie ein prädicatives adj. 'knapp' erscheint:
viel schwer gedancken ich ausz wag,
warumb all hendel yetz auff erden
so klemb, spitzig und zucker werden
H. Sachs 3, 491 K.
(vgl. klemm th. 5, 1136); der warheit .., so bey ihnen wildbrät ist, so gar theur und zucker sey J. Nas antipap. eins u. hundert 4, 296ᵃ; dagegen reine lehr und lehrer zumal zucker und thewer sein werden S. Artomedes christl. auslegung 1, 595 (zucker und thewer auch 1, 584). oder gehört dies zu ²zucker III 3?
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1922), Bd. XVI (1954), Sp. 293, Z. 42.

2zucker, m.

²zucker, m.,
mhd. zucker, wurde über mlat. zuccarum, zuccara aus dem arab. sokkar übernommen, das zuletzt auf aind. çarkara zurückgeht (zuerst vermuthet bei Kramer 2, 1482ᶜ), während gr. σάχαρον, lat. saccharum, die grundlage unseres sacharin, auf geradem wege dem ind. entstammt. wort und waare kamen vom Mittelmeer über Italien nach Oberdeutschland Seiler lehnw. 2², 208. von dort haben das nd. und die skandinavischen sprachen es als sukker übernommen Lübben-Walther 389ᵇ, Falk-Torp 1203. dagegen nahm das wort den weg nach den Niederlanden und England über Frankreich; mnl. suker, nnl. zuiker, westfries. sûker Dijkstra 3, 237, mengl. sucre, ne. sugar von frz. sucre. mit verändertem vocal heiszt es jetzt im nd. und nordfries. allgemein, im md. weitverbreitet sokker oder zocker. zocker erscheint schon in der geschäftsprache des deutschen ordens Marienburger tresslerb. 392 Joachim; handelsrechn. d. d. ordens 6 Sattler. in der gegenwart wird es für das md. sowohl im südwesten (Pfalz, Wetterau) wie im osten (Ruhla, Glatz) angegeben. die ältesten glossen zuccara cuccer ahd. gl. 3, 532 und zuccarum zuccer, zuker 569 sind kaum älter als das 12. jh. (Graffs ansatz zucura 5, 631 ist nicht ahd., sondern lat.). die ältesten belege bei Wolfram Parz. 50, 16 und Wh. 88, 2 zeigen das wort allgemein bekannt. unter erzeugnissen des südens nennt ihn Konrad v. Würzburg mit unklarer anschauung:
vîgen, zukker, lôrber,
swelh obez guot ist bî dem mer,
des hienc dâ vol vil manic zwîc
Partonopier 2323.
aus dem lat. neutr. ist es durchweg zum masc. geworden, wie in vielen anderen ähnlichen fällen gr. 3², 548 f.; Wackernagel umdeutschung 37 f. doch kommen ganz vereinzelte deutliche fälle des n. vor Joh. v. Würzburg Wilh. v. Österreich 8587; Breslauer arzneibuch (mitte des 14. jh.); Arigo dec. 222 Keller; Gäbelkover arzneibuch 1, 166. wie der zucker den honig als süszmittel ersetzte, so auch in der sprache im bildlichen und sprüchwörtlichen ausdruck, auch paaren sich beide gerne, s. I 1. Konrad v. Megenberg nennt das zuckerrohr honigrœr 394 Pfeiffer.
I.
in sachlicher verwendung bezeichnete zucker zunächst das aus dem zuckerrohr gewonnene, ursprünglich vom Mittelmeer, später aus Westindien und den Canarischen inseln (Thomaszucker, Canarienzucker) zugeführte erzeugnis, dann seit einführung des rübenzuckers diesen in demselben umfange, wogegen man es für den süszstoff der kriegsnothzeit zu brauchen vermied. dabei tritt bald die eine bald die andere eigenschaft in den vordergrund.
1)
es ist das süsze genusz- und nahrungsmittel vor allen anderen, mit dem man besonders kinder, frauen und hausthiere verzieht:
het er den prîs behalten sô
an vrävelen helden sô dîn lîp,
für zucker gæzen in diu wîp
Wolfram Parz. 50, 16;
die kinder sind ganz an mich gewöhnt, sie kriegen zucker Göthe 19, 20 W.; ob man schon eim vogel zucker zur speisz gibt Lehmann florileg. 1, 225. darum gerne mit honig zusammen genannt Er. Alberus fabeln 2 ndr.; Rollenhagen froschmeuseler (1595) c 7ᵇ; Zesen verm. Helikon 2, 116; medicin. maulaffe 35; Kramer 2, 570ᶜ. zucker zum zucker nimmt man, wie man den speck spickt: ew. durchlaucht ... erfüllen damit den alten Mendelssohnschen wunsch, 'wenn man doch zum zucker zucker nehmen könnte!' Pückler briefw. u. tageb. 6, 18. zucker ist so das süsze überhaupt: dreck, klei und kat, das ist sein (des schweins) mastung, zucker und rosengart sch. w. klugreden (1548) 16ᵇ; das biergen schmackte wie lauter zucker Chr. Reuter ehrl. frau zu Plissine 20 ndr.; die weiszen pülverchen schmecken wie zucker D. v. Liliencron 2, 142 (der töpfer).
2)
zucker ist die süszende zuthat zu speisen und getränken: eine speise mit z. süszen, z. auf etwas streuen Kramer 2, 1482ᶜ; zucker und zimt auf kuchen, reis u. dgl. streuen; Hoffmanns lebensbalsam auf zucker zu träufeln Hippel kreuz- u. querzüge 1, 96. früher paarte man würz und zucker H. Sachs 17, 417 G.; Fischart geschichtklitt. 198 ndr., s. auch den beleg hierunter aus Scheit. neuerdings ist er besonders die zuthat zu kaffee und thee und allerlei geistigen mischtränken: ein jeder zapfete ein schälchen voll (kaffee), füllte es mit zucker bis oben an Gottscheds vernünft. tadlerinnen (1725) 1, 235; utile cum dulci schnaps mit zucker! Grabbe 1, 376 Blumenthal;
jetzt mit des zuckers
linderndem saft
zähmet die herbe
brennende kraft
Schiller 11, 376 G.;
wenn sie in silberner schale mit wein uns würzet die erdbeer'
n,
dicht mit zucker noch erst streuet die kinder des waldes
Mörike 1, 95.
vergleichend verwendet man gerne den zucker, mit dem man bittere arzneien versüszt: wie die artzet die pillulen mit zucker und gewürtz bedecket, .. darreichen Scheit Grobianus s. 5 ndr.
3)
zucker ist der stoff, mit dem man süszes backwerk oder eingemachtes aller art bereitet: etwas süszes von zucker und schleckerwerk Harsdörfer gesprechsp. 1, o vᵃ; eingemachte sachen von zucker und obst t. secretarius 1, 523; früchte in zucker einmachen, mandeln, anis, koriander etc. mit zucker überziehen Kramer 2, 1482ᶜ; ein altar on heiligen ist wie ... ein marcipan on zucker Fischart bienenkorb (1588) 153ᵃ;
dagegen jene milden sachen,
die wir aus mehl und zucker machen
W. Busch d. heil. Antonius 7.
hierzu die lange reihe von zusammensetzungen für die erzeugnisse häuslicher wie gewerblicher backkunst vom zuckerbretzel bis zum zuckerzeltlein, meist für kleines knuspergebäck und was man allgemein bonbon nennt, vgl. Kretschmer wortgeogr. 140. eine nette liste Wiener backwerks bei B. Hikmann wienerisch. kochb. (1808) 593.
4)
zucker ist das daraus hergestellte süszzeug, vornehmlich 'bonbon': mach aus den blümlein von der wilden salbey ein zucker, wie man von rosen und andern blumen macht O. Gäbelkover arzneib. 1, 166;
und was er haben kan zur stat,
von zucker, nüsz und mandelkern
M. Hayneccius Hans Pfriem 31 ndr. (ähnl. s. 5);
da ich so klein, ein kindlein rein,
gwest und lag in der wiegen,
da war mein gröstes lieben
ein zucker und ein hültzenes rosz
Th. Höck blumenfeld 22 ndr.;
diesz gibt, in tiefer winterszeit,
erwünschteste gelegenheit
mit einigem zucker dich zu grüszen
Göthe 4, 249 W.
früher oft zusammen mit confect Fortunatus 109 ndr.; Arigo dec. 77; Fischart Eulenspiegel 392 Hauffen; Ph. v. Chemnitz schwed. krieg 2, 967. auch zucker und lebkuchen Lehmann floril. 1, 391, zucker und naschwerk Eichendorf 2, 131. vgl. zuckerchen, zuckerlein.
5)
dasz der zucker als nahrungsmittel gemeint ist, deutet die neuere sprache in der regel bestimmt an:
brodt und zukker, butter, milch, auch der kees ist hier nicht theuer
Neumark d. teutsche palmbaum (1668) 56;
er nährte sich meist mit zukker Schubart leben und gesinnungen 1, 249.
6)
die ältere zeit dagegen hielt ihn in erster linie für heilkräftig, s. Konrad v. Megenberg 426 Pfeiffer, daher tritt er in vielen vorschriften von arzneien auf: nim rosmarin .., zimmet, muscatnus, muscatblüt ... darzu nim zucker, so vil du wilt, stosz es wol under einander O. Gäbelkover arzneib. (1595) 1, 16 (dazu der beleg bei 4); ein mann ohne geld ist gleich wie ..., ein apotecker ohne zucker N. Duez vray guidon de la l. fr. (1646) 360.
7)
andererseits liegt der augenmerk auf der äuszeren erscheinung des zuckers: ein stück oder stückchen, ein bröckchen z., gestoszener zucker, streuzucker, der kunstbäcker übergieszt seine werke mit zucker wie mit eis, schafft allerlei gebilde aus z.: gantze platten von allerhand obswerck, ja schuncken, knackwurst und dergleichen genäsch aus lauter zucker gemacht Grimmelshausen 2, 404 Keller; triumphbögen aus zucker H. P. Sturz 1, 105; und die fenster waren von hellem zucker Grimm kinder- und hausm. 1, 54. daher für eis und schnee: gegen abend standen die wälder, die bisher immer bereift und, wie in zucker eingemacht gewesen waren, bereits ganz schwarz ... da Stifter s. w. 2, 219; jedes theilchen des ganzen schlittens ... war in eis, wie in durchsichtigen, flüssigen zucker, gehüllt 2, 222. für die zuckerfiguren und -gebilde giebt es allerlei kunstworte wie zuckergusz, -übergusz, -kruste, ferner zuckerfrauen, -männer, -kinder, -puppen, auch -herzen u. ä.
8)
im handel und verkehr ist er die waare: 8 hute zockers Marienburger treszlerbuch 392 Joachim; ein fäszlein vol eingemachten zucker Dürer tageb. 56; der preis des zuckers; die negersklaverei, deren endzweck zucker und kaffee ist Schopenhauer 2, 680 Grisebach. der handel unterscheidet viele sorten: braunen, weiszen zucker; rothen z. M. Böhme rosz-arznei (1618) 53; gebackenen, benid-, glas- sive kandel-, hut-, mehl-, melis-, kanarien-, rosen-, veyel-, strau-, wurmzucker Stieler 2243; anis-, bisem-, hut-, brod-, kanari-, kandit-, kandel-, glas-, koch-, konfect-, lumpen-, meliszucker, Thomaszucker, penit-, pulver-, puder-, meel-, rosen-, wurmzucker Kramer, eine weitere reihe giebt Sanders 2, 2, 1786. unter neueren bildungen ist wichtig rohzucker. die chemie unterscheidet trauben-, frucht- und milchzucker. oder man sieht in ihm das aus der pflanze gewonnene erzeugnis: in desen steden wassen gar vill reytz ader royrs dae man tzucker van maicht pilgerfahrt des ritters von Harff 83; darumb gebiret es (Spanien) vil honig, öl, ... zucker Stumpf Schwytzerchr. (1606) 12ᵃ; aus dem, was man sonst weggosz, (machen sie jetzt) zucker Immermann 2, 116 Hempel. man siedet, raffiniert den zucker.
9)
zucker ist dann auch die pflanze, aus welcher der zucker gewonnen wird:
suckar sach man auch da stan,
melonen, granat und annys
es wechst auch der zucker darin (auf der insel) Seb. Münster cosmogr. (1555) 1053; der zucker kömmt also in Egypten und Afrika ... fort F. Th. v. Schubert verm. schr. 1, 171.
10)
zucker ist der süsze saft wie im zuckerrohr, so in anderen pflanzen: so stend daselbs rore voll des zuckers Niclas v. Wyle translat. 234 Keller; der salbeybluͦmen zucker Bock kräuterb. 20;
ach das die bienen ...
und umb den süssen mundt und kleine lippen schweben,
die nichts als manna sind und besten zuckers voll
Opitz teutsche poem. 186 ndr.
11)
für die naturwissenschaft ist es jeder stoff von den chemischen eigenschaften des rohr- oder rübenzuckers: die stärke setzt sich um in zucker, der zucker in alkohol; tugend und laster sind producte wie zucker. und alkohol geflügeltes wort nach Taine.
12)
sprichwörtliche wendungen haben sich früh gebildet:
ûz eime herten steine zucker billen,
alde wahs ûz einem fûlen holze bern
Marner VI 15 Strauch;
habend sie das, so von ihren älteren erspart was, verthon und umb nassen zucker geben, so müssend sie dann ander leuten in die schüssel sehen Wickram 2, 194 Bolte (ebenso Fortunatus 19 ndr.); dasz wenn man zucker ins butterfasz werfe, gar keine butter könne zu wege gebracht werden Prätorius philosophia colus (1662) 212; zu käse mit zucker möchte man werden, wenn man sich genau überlegt, dasz man sich da hinsetzt und seine schulhefte corrigirt, das universum rundum voll von schnitzern und schönheit W. Raabe Horacker 154; für's geld bekommt mer zucker Martin-Lienhart 2, 900ᵇ; seefahre ös nich zocker löcke Lüpkes seemannsspr. 18.
II.
wie süsz im gegensatz zu bitter wird zucker auf das übertragen, was das unangenehme im leben mildert. dabei läszt sich neben einer einfachen, natürlichen auffassung, welche die vorstellung des schmeckens festhält, eine besondere, übertreibende unterscheiden, welche zucker zum zeichen des kostbaren schlechthin macht. die erste zeigt sich z. b. bei Luther, bes. in der verbindung eitel zucker: da sich ander bewme sperren und brüsten mit blettern und blüte, das man solt meinen sie wurden eitel zugker tragen 32, 518 W.; so würden sie nicht so bald zürnen, ob es nicht alles zucker were, sondern dencken, das gott also gemenget 34, 1, 63 W.; ein fürst oder richter ist demselbigen (dem geplagten) als ein vater und zucker 33, 540 W. für die andere finden sich reichliche belege zumeist bei poeten und literaten des 17. und beginnenden 18. jh. diese unterschiede des gebrauchs und geschmacks treten reichlicher und deutlicher in den zuss. hervor, s. III 3. einzelne verwendungen.
1)
zucker ist das angenehme im leben, besonders die von gott gewährte milderung jeglicher noth, vgl. die obigen belege von Luther:
wer dich recht liebt, dem wird das joch
der bittern todesschmerzen
gleich als wie lauter zucker
denn der himmel, dessen schoosz
neulich mir mit zucker flosz,
läszt nun alle donner los
B. Neukirch ged. (1744) 33.
allgemeiner sprichwörtlich: einem etwas zucker, lauter zucker, zu zucker werden Kramer 2, 1482ᶜ; frewd ist des lebens zucker Lehmann floril. 1, 233; geduld ... ist ein zukker aller beschwernüsse Butschky Pathmos 177; dasz dir der zucker auf die gebratene birn falle! Kramer; zucker an etwas thun ... condimentis humanitatis mitigare Serz t. idiotism. 182ᵃ. durch zuviel genusz verursacht er ekel:
auch zucker bringt eckel durch steten genusz
Günther ged. (1735) 259.
2)
der zucker wird dem bitteren, scharfen und sauren, der galle, dem gift, dem wermut, dem senf, den koloquinten und der aloe (um 1700) entgegengestellt: ohne der prinzessin gunst ist mir dieser zucker (der königlichen gnade) nur galle Ziegler asiat. Banise (1689) 104; sie vermeynten auf beyden theilen ihr voriges wermuth mit dem zucker einer anständigen heyrath zu überstreuen Joh. Riemer polit. feuermäuerkehrer 265; es scheinet, dasz gott etlicher leben in zucker einmacht, und der andern in pekkel schlägt P. Winkler 2000 gute gedanken (1685) c iiᵇ. sprichwörtlich: zu citronen gehört zucker Lehmann floril. 2, 815. wie bei einer arznei verdeckt der zucker das bittere gute: der zucker, dardurch die göttliche artzney überzuckert ... wird Dannhawer cat.-milch 1, 481; also musz man offt die bittere warheit mit zucker überziehen Schupp schr. 273; wer den fürsten ein sawer essen will anrichten, der musz zucker dabey nicht spahren Lehmann floril. 2, 749. er verhüllt aber auch das böse: möncherey ist ein hellisch gifftküchlin mit zucker überzogen Petri der Teutschen weiszheit 1, e 5ᵃ. ähnliches bei Wander 5, 613 f.
3)
besonders wird er auf die menschliche rede bezogen:
a)
lobend: eytel zucker und honig est in istis verbis Luther 17, 1, 335 W.; alle meine reden fielen mitleidenlich und süsser als zucker Grimmelshausen 2, 558 K.; so schertz nicht saltz oder zucker hat, ists bawernwerck Lehmann floril. 2, 725.
b)
zucker ist das wort des schmeichlers: zucker im munde haben Kramer 2, 1482ᶜ. es verhüllt die wahre gesinnung: die wort sind zucker, die werck gall Lehmann floril. 1, 358; zucker im mund, schermesser in der hand 505. überhaupt trügerische rede: dieselben verkerten lerer befleissen sich zuͦ zeiten die warhait zeschreiben ..., auf das ir falsche lere, so sy darunder müschen als gift under zucker, dest lieber geschlunden werde Berthold v. Chiemsee 93; drei ... Jesuiten .., die ihren zuhörern in der predigt zucker und honig vorlogen acta publ. 8, 247 Palm;
tieffer dienste demuth, göldner gaben glantz,
süsser worte zucker lassen keusch nicht gantz
Logau 423 Eitner.
c)
zucker kann aber auch der süszliche ausdruck sein gegenüber dem natürlichen: so fürchte ich doch manchmal zur reinen milch etwas zucker hinzugethan zu haben Herder 26, 7 S.
4)
auf liebe hat das wort zuerst der Stricker bezogen:
untz daz ir ietweders lip (ritter u. frau)
dem andern suzer muz sin
danne zucker und zimin
dtsche texte d. ma. 17, 115.
später haben es bes. die Schlesier und ihre zeitgenossen mit vorliebe angewandt: folget dem vielweisen Epicur, welcher mit seiner holdseligen Leontium den zucker dieser welt genosz Lohenstein Arminius 1, 456ᵇ;
die liebe keuscher lust,
so dir auf diesen tag des lebens zucker schencket
Günther ged. (1735) 601.
in volksthümlicher anwendung bekommt er derberen, selbst obscönen sinn.
5)
von der reinen farbe des zuckers geht eine eigenthümliche wendung G. Kellers aus: diese Indierinnen, die schön waren wie die blumen und gut wie zucker aussahen und sprachen 4, 39, ähnl. 5, 55. vgl. zuckerauge.
III.
zusammensetzungen.
1)
wie hausgebrauch und bäckerkunst, vgl. I 3, haben sich das gewerbe der zuckerbereitung, die chemie und die volkswirthschaft für ihren bedarf zahllose, ohne weiteres deutliche fachwörter gebildet und bilden sie weiter, wie zuckerfabrikation, -mühle, -presse, -pfanne, -trog, -lauge, -maische, -melasse; zuckergruppe, -lösung, -verbindung, -zersetzung, zuckergehalt, -werth, zuckerarm, -reich, zuckerkalk, -kohle, -salmiak, -säure, -schwefelsauer; zuckeranbau, -ausbeute, -ausfuhr, -einfuhr, -börse, -hafen, -markt, -abgabe, -prämie, -preis, -steuer, -zoll. auch die tagespolitik schuf wörter wie zuckerfragen, -junker, -magnaten, -schwindel.
2)
eine menge von pflanzennamen sind theils vom volksmunde, theils von gärtnern und botanikern gebildet, und zwar entweder für besonders süsze obstarten, wie zuckerapfel, -birne u. ä., und wohlschmeckende gemüse wie zuckererbse, -bohne, oder für zuckerstoff gebende pflanzen, wie zuckerrohr, -ahorn, oder für solche, deren blüthen süszen saft enthalten, wie zuckerblatt, -brötlein, oder auch nur zur unterscheidung der art. thiernamen mit z. bezeichnen meist die ihm feindlichen schädlinge, wie zuckerameise.
3)
noch deutlicher als das einfache wort, s. o. II, zeigen die zuss. in übertragener bedeutung unterschiede der auffassung und des geschmacks, s. bes. bei zuckerkand, zuckersüsz.
a)
mit deutlicher grundlage der sinnlichen geschmacksvorstellung bilden sich worte derb-natürlichen liebeslebens, wie zuckermäulchen, zuckermäullein für kusz und kosewörter wie zuckermädchen, -weibchen, -schatz, -schnäbelein.
b)
zucker bezeichnet in den zuss. das höchst kostbare. Wolfram braucht schon zuckermæzic in kühner übertreibung:
des breiten mers salzes smac
müese al zuckermæzic sîn,
der dîn ein zêhen würfe drîn
(Willehalms totenklage über Vivianz)
Willehalm 62, 13.
Konrad nennt nicht nur das herz als speise zuckermæze herzemäre 450, sondern auch den namen Christi gold. schmiede 657. die jungfrau Maria ist bei ihm zuckerstûde g. schm. 684, im lobgesang auf Maria zuckerwabe msg. 3, 458ᵇ (str. 31) v. d. Hagen, vgl. W. Grimm gold. schm. xli. in ähnlicher verwendung oder in der liebessprache bilden die späteren mhd. dichter allerlei zuss., s. Lexer 3, 1167 f. geradezu unersättlich in solchen bildungen sind die dichter etwa von der mitte des 17. bis zur mitte des 18. jh., und zwar nicht nur die der 2. schles. schule, denen die zuckerbäckerei (s. d.) von Chr. Warnecke, das zuckerwerk (s. d.) vom Frh. v. Schönaich vorgehalten wurde. anknüpfend an die natürlich-volksmäszige ausdrucksweise, bilden sie ihre zuss. überall, wo von liebe, besonders vom küssen die rede ist: sie schwelgen in zuckerküssen, zuckerlippen, im zuckerhonig der küsse, küssen ist ihnen zuckerfrucht, -kost, -lust, -spiel, küsse und liebesfreuden sind zuckerbäche, -flüsse, -fluthen, -meere, -ströme. die angebetete ist nicht nur ein zuckerengel, sondern auch ein zuckerkuchen u. dgl., s. z. f. d. wortf. 11, 194—210 an versch. stellen. seltener erscheinen solche wörter ganz allgemein für kostbares:
hier läst der überflusz die zuckerströme fliessen
Pietsch gebund. schr. (1740) 128.
der liebesdichtung schlosz sich die fromme und frömmelnde gern an. gottes wort ist da ein zuckerquell B. Schmolcke trost- u. geistr. schr. 1, 245, Jesus ein zucker- und honigmann V. Herberger hertzpostilla (1713) 1, 87, das gute gewissen ein zuckerhimmel 2, 204, gott sogar ein zuckerrosenmund Jesus u. die seele (1701) 162.
c)
von solchen übertreibungen führt der weg zum tadelnden sinne des allzu-süszen, süszlichen. neben worten wie zuckerfresser, -lecker, -näscher erscheinen schon früh zuckeraffe, -christ, -prediger. heute ist es die lebendige verwendung, man vgl. mhd. zuckermæze etwa mit einem zuckermäszigen stil. dabei tritt entweder das weichliche oder das allzu zierliche (conditorarchitektur) ins bewusztsein, s. bei zuckerbäckerei und zuckerwasser. selten ist es das weiche, ohne tadel gedacht: mit der viola, der zuckerseele von instrument F. Uhl aus m. leben 54. in der folgenden aufzählung ist vollständigkeit nur für die thier- und pflanzennamen erstrebt, reichliche belegung da, wo die bedeutung durch gefühl und anschauung besonders bestimmt ist, ferner wo die zuss. zu einer besonderen einheit geworden ist oder eine eigene geschichte hat.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1922), Bd. XVI (1954), Sp. 294, Z. 1.

zukehr, m., f.

zukehr, m. f.,
mhd. zuokêre, zuokêr Lexer 3, 1192, vgl. ags. tôcir-hûs Bradley-Toller 1, 994ᵇ. räumlich, fast wie 'verkehr': und bawet ein cappel ... und gewunnen die andächtigen leut ainen zuͦker Fortunatus 46 ndr.; in diser statt ist ain soliche niderlag und zuͤkör von allerlei gewerbshändeln S. Münster cosmogr. 651. länger erhalten in der bedeutung 'zuneigung', 'hinwendung' Adelung, und zwar zu gott, zuerst bei den mystikern: ein war gantz zuͦker zuͦ gote Tauler pred. 36 Vetter; die busse ist ein abkehr des hertzens von .. und wider zukehr zu gott F. Breckling mysterium magn. (1662) 71; darum soll man den innigen zukehr offt verneuern Chr. Hohburg theol. mystica (1730) 62; es findet ... keine zukehr zu gott statt; ohne ... erkänntnis allgem. d. bibl. 10, 1, 10. auch allgemeiner ein ort oder eine person, wo man rath u. hilfe findet: sonder ... alle obgeschribnen ire stet und lender iren zuͦker, rat und hilf und uszrichtung um al ir sachen alle zit finden J. v. Watt 2, 314; einen schafner oder zinspropst, den man stathalter nent und des abtz räten und amptleuten und guͦter closterfründen herberg und gemeiner auflasz oder zuͦkeer ist 2, 349.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1924), Bd. XVI (1954), Sp. 462, Z. 38.

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zuckeraderbirne zuklemmen
Zitationshilfe
„zukehr“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zukehr>.

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