Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

zufall, m.

zufall, m.,

eingebettete Stichwörter in diesem Artikel

mhd. zuoval mhd. wb. 3, 223ᵃ; Lexer 3, 1198, mnd. toval, nl. toeval, hat seine anwendungen im anschlusz an zufallen entwickelt und nur zum theil an ähnliche bildungen anderer sprachen, vgl. Paul wb. 572. anord. tilfall, tilfelli, schw. tilfälle, dän. tilfælde sind dem mnd. nachgebildet.
1)
räumlich von starkem andrang: wie eine orgel nach ihren hauptstücken, als mensuriren ..., zufall des windes ... zu erbawen J. P. Bendeler organopoeia (1690) 1ᵃ; affluens studiis locus ein ortt in welchem wol zelernen ist ... und darvon ein grossen zuͦfal hat Frisius 61ᵃ. noch mundartlich auf der Schnee-Eifel z. f. d. maa. 1913, 130. insbesondere vom zulauf zu einer person, dann parteinahme: wenn ein prediger .. einen grossen anhang und zufall hat Luther 17, 1, 238 W. (zufall und anhang öfter bei Luther verbunden); dasz weil der ab- und zufall der Langobarden .. ein gefährliches feuer in Deutschland anzuzünden schiene, er beyde .. zu vergleichen sich bemühen wolte Lohenstein Arminius 2, 1384ᵃ. weiter 'beistand': S. Bernhart, der ... klagete, das ihm so sawr würde recht zu beten und nicht künde ein vater unser on frembde zufelle ausbeten Luther 28, 77 W.; es geschach aber der predigt bald hernach ein zufal oder beystandt von den burgern, so das man die kirchen öffenen solte H. Dorpius evangelium zu Münster (1536) a 4ᵇ. daran schlieszt sich 'beifall, beistimmung': Alberus (1540) k k 2ᵃ; ir werdet des von vilen zuͦfall und lob haben J. v. Schwarzenberg büchl. v. zutrinken 21 ndr.; zufall geben C. Scheit frölich heimfart b 1ᵇ; H. v. d. Planitz berichte aus d. reichsregiment 28, 9 Wülcker- Virck, tun Hedio Tertullian von der geduld (1546) 2ᵃ; mit gmeinem zuͦfal S. Franck chr. germ. (1538) 125ᵃ; ein redner hat groszen zufall Müller-Fraureuth obersächs. wb. 2, 714ᵇ.
2)
es ist das, was einem zufällt
a)
als besitz oder vortheil, selten allgemein: ein zuͦflusz oder zuͦfal alles guͦten Frisius 469ᵃ (ähnlich 14ᵇ; 1274ᵃ); das hertz warde ihm frölich in disem seltzamen zufall der gefangnen buch d. liebe (1587) 218ᶜ. in der älteren sprache sind zufälle regelmäszige, rechtmäszige einkünfte: Diefenbach 200ᶜ; nov. gl. 149ᵃ; etlich zöll und zufell vom marckt und der wag und zins ausz etlichen heusern chr. d. städte 3, 163 (Nürnberg 1488); so gibt es auch nach jedlichem ortsgebrauch andere zufälle, meszgeld, sackgeld ... straffgeld Frh. v. Hohberg georg. curiosa (1692) 1, 52. ebenso mnd. tobeval Schiller-Lübben 4, 554ᵃ.
b)
als einfall: mir ist ein guͦter zuͦfall komen N. Manuel 223 Bächtold; woher solten sonst die Römer offt solche feine zufelle, rad und witze gehabt haben? Luther 23, 513 W.; und wer kan sich doch über des listigen staatsmannes nachdenkliche zufälle gnugsam wundern Rist friedejauchzendes Teutschland (1653) 125. dazu die belege aus Fischart bei zuberklaus und zuberklausisch und aus Dürer th. IV I 2, 3298 mitte. mundartlich noch in Obersachsen: er hat einen grausamen zufall 'einer der sich nicht lange besinnt' Müller-Fraureuth 2, 714ᵇ.
3)
in verschiedenen anwendungen schlieszt sich zufall an lat. accidens an, das dem συμβεβηκός des Aristoteles im gegens. zur οὐσία entspricht. thes. l. lat. 1, 296 f., s. auch accidere 295, frz. accident dict. d. l'ac.⁷ 15ᵇ.
a)
dem scholastischen accidens und accidentia folgt neben der allgemeinen logischen verwendung die theologische der deutschen mystik (dafür früher zuoschiht Frauenlob Marienleich 16, 12 Pfannmüller): accidens eyn zufalle voc. ex. quo Eltvil; Diefenbach 7ᵇ; den understant woltent sú wissen; den zuͦval wustent sú wol Tauler pred. 58 Vetter; wan götliche nature enpfohet keinen zuͦval 69; wan daz heizet zuͦval, daz dez understanden wesenheit zuͦ und abe vellet ane des understandes zerstörung, als dú varw tuͦt an dem brete Seuse 162 Bihlmeyer;
dann wird daz bley zu gold, dann fällt der zufall hin,
wann ich mit gott durch gott in gott verwandelt bin
Angelus Silesius cherub. wandersmann 23 ndr.
allgemein: geschöpffe, die .. mit mancherley zufällen bekleidet seindt A. Comenius jan. iv ling (1644) 6; die kunst der practik steckt darin, dasz man die zufälle selbst unter das joch der wissenschaft .. bringe Leibniz d. schr. 1, 320; dasz die ganze künftige welt in der gegenwärtigen stecke und vollkommentlich vorgebildet sey, weil kein zufall von auszen weiter dazu kommen kann, denn ja nichts auszer ihr 2, 49. in der grammatik wie auch im frz. Darmesteter-Hatzfeld 1, 19ᵇ: adjunctum der zufall, anhang, zugefügtes J. Orsäus nomenclator method. (1623) 13; (die endung) keit ... enderet ... die wesentliche deutung (des stammwortes) nicht, sonderen veruhrsachet den verstand eines anderen zufalles (ableitung), nemlich der gehorsamkeit J. G. Schottel t. sprachkunst (1641) 135. von orthographischer bezeichnung: sie (die deutschen buchstaben und wörter) sind ... einlautend, die durch einen natürlichen zufall den gehörigen laut veruhrsachen t. haubtspr. (1663) 59.
b)
in den naturwissenschaften waren zufälle unterscheidende eigenschaften der stoffe: M. Herr feldbau (1551) 30ᵇ; Schweickhart graf v. Kelfenstein Basilius Magnus (1591) 32. dann von auszen herantretende störungen: affectio astrorum ordnung, zuͦfäl, oder enderung desz gestirns Frisius 59ᵃ; also verlieren sie (die windsterne) ihr arth von den eussern zufellen. so ist aber solches nit allemahl, sondern allein mit zufall Paracelsus opera (1616) 2, 103ᵃ; alles dies beweist, dasz die flecken durch zufälle oder durch revolutionen auf der sonne entstehen F. Th. v. Schubert verm. schr. 3, 64.
c)
in der medizin wurde es allgemein bis ans ende des 18. jhs. als entsprechung von symptoma u. accidens gebraucht Stieler 424. zunächst bezeichnete es eine von auszen an den normalzustand hinzutretende störung, dann die wahrnehmbare krankhafte erscheinung im gegensatz zum wesen der krankheit. die beiden bedeutungen gehen nicht blosz neben, sondern auch durch einander, s. Blancard med. wb. (1710) 528 und viele stellen bei Bremser.
α)
zufall als krankhafte störung, wie accidentia morbus, infortunium Ducange 1, 46ᵃ: Frisius 25ᵇ; 421ᵇ; 1346ᵇ; alleyn der mensch hat vilerley zuͦfell der augen. dahär die zuͦnammen der schyler und glaurer härkummen H. v. Eppendorff Plinius (1543) 207; daher zufälle der verdauung immer die ersten symptome der krankheiten sind Hufeland kunst, d. menschl. leben zu verlängern (1797) 260.
β)
anzeichen, symptom: indicia morborum, symptoma ein zufall J. Orsäus nomencl. method. (1623) 218;
die eptesin ob dem zufal
der geschwulst sie (die schwangere nonne) stark examiniert
A. Metzger in J. Freys gartenges. 193 Bolte;
etliche, die eben solche zufäll oder symptomata haben, als ob sie von wütenden hunden gebissen weren Fischart bienenkorb (1588) 270ᵃ; er beschreibet die krankheit, erzählet ihre zufälle allg. d. bibl. anh. zu 25—36, 529; von den mannigfaltigen zufällen dieser krankheit hebe ich nur ein paar zufälle aus: er brauchte einige monate um einen einzigen brief schreiben zu können Zimmermann einsamkeit 2, 227.
γ)
zu einer krankheit hinzutretende erscheinungen, 'complicationen': symptoma ein zuͦfall neben der kranckheit Golius 315; zu diesen bösen gifftigen brennenden blattern sind ... andere zufäll kommen Schupp schr. (1663) 164; Bremser 270.
δ)
die krankhaften erscheinungen: schädliche zufälle Wirsung arzneib. (1588) 31, gefährliche z. Sebiz feldbau (1579) 90; üble z. allg. d. bibl. 1, 122; katarrhalische Bremser 258; 262 u. ö.; schnupfen, kopfweh und andere z. Lichtenberg verm. schr. 1, 372; körperliche z. Göthe IV 10, 211 W. vom wein Sebiz feldbau 529, allg. d. bibl. 97, 529.
ε)
das einzelne auftreten eines krankhaften zustandes, heute anfall: Epponilla machte sich so stark, dasz sie in wenig tagen nach diesem zufall (ohnmacht) wieder ausginge A. U. v. Braunschweig Octavia 3, 74; zu der wiederherstellung von dem sonderbaren zufall (fieberanfall) habe gleichfalls glück zu wünschen Göthe IV 32, 140 W.;
habt ihr den garst'gen zufall da schon lang
Schiller 12, 172 anm. G.
besonders vom podagra E. Th. A. Hoffmann 3, 199 Grisebach und schlagflusz Lessing 18, 167 M.; J. Möser 5, 114; Moltke 6, 156. jetzt lebendig und volksthümlich von krampfhaften und nervösen anfällen: sie bekömmt einen zufall über den andern Gellert w. 3, 344; sie hat ihre zufälle; hysterische zufälle; der husten des jungen und die bräuneartigen zufälle Mariechens Bismarck br. an braut und gattin 184.
4)
zufall ist vorfall, ereignis: eventus voc. theut. (1482) m 4ᵇ; Dasypodius 257ᵃ; 467ᵇ; etwas das sich zuͦtragt Maaler 526ᵃ.
a)
der vorfall tritt von auszen heran als ereignis, wirkung, erlebnis; so muͦstu glouben, das die gerechtigkeit so da wider solichen frembden zuͦfal (die erbsünde von Adam her) erfordert wirt, auch frembd und uszwendig har ... dir mitgetheilt und verlyhen ... muͦsz werden P. Gengenbach 193 Gödeke; die solten bedenken, das die elteren an den kindern nicht allein helfer ..., sondern auch aller zufäll mittheilhaftige erzeugen Fischart philos. ehzuchtbüchl. 191 Hauffen; der kinder zuflucht und schutz in ihren zufällen pflegen ihre eltern zu seyn A. Olearius verm. reisebeschr. 17ᵃ (pers. rosenthal); wenn wir ... unser gemüte wieder die zuefälle dieses lebens auszhärten Opitz d. poeterei 57 ndr.; die zufälle des menschen Chr. Wolff gedanken von der menschen thun u. lassen (1720) 95; menschliche zufälle Frisius 1338ᵃ; Schottel friedens sieg 11 ndr.; das gewebe der menschlichen zufälle Wieland Agathon (1766) 1, 10; dies ist die geschichte meiner zufälle Bürger 262ᵃ Bohtz.; gewisz ist der traum ... kein unwirksamer zufall in meinem leben gewesen Novalis 4, 58 Minor.
b)
der zufall wird als wirkung des glücks bezeichnet: die mannigfaltigen zuͦfell des gelückes N. v. Wyle translat. 124 Keller; in allerley verenderung und zuͦfall des glücks sich wissen zuschicken Xylander Polybius 1.
c)
es ist vorgang, vorfall, vorkommnis schlechthin: das Martinus Luther ein hailiger mann sey gewesst, bezeügen die erschröcklichen zuͦfäll nach seinem tod J. Nas antipapist. eins u. hundert 2, 166ᵃ; der Deutsche sprengte bey diesem zufall (des gegners pferd ist gestürzt) etliche mal umb seinen feind rings umb her Lohenstein Arm. 1, 33ᵇ; landgerichtliche zufähl, als schwere gotteslästerungen, diebstall, ehebruch, todschläg österr. weist. 11, 86 (1755); bey hochzeiten, auch in andern glückwünschen bey fröhlichen zufällen Gottsched vers. e. crit. dichtkunst (1751) 674; das ganze abenteuer mit allen seinen zufällen und zubehören Fr. Jacobi 1, 62; die stadt mit .. den .. verwirrenden zufällen Görres briefe 3, 12. gelegentlich übergehend in zustände: die zufälle wären eine weile so verwirrt, .. gewest, dasz auch der fürsichtigste auff so glattem eisse habe gleiten ... müssen Lohenstein Armin. 1, 11; in unterthänigen zufällen (im unterthanenverhältnis) österr. weist. 11, 91 (1755).
d)
zufälle sind vorfälle, die unversehens kommen: in gehem zuͦfal S. Franck sprichw. (1541) 1, 146ᵇ; die ungefähren zufälle S. v. Birken ostländ. lorbeerhain 64; in unversehenen, plötzlichen zufällen Lehmann floril. pol. 2, 634; wegen eines unvermutheten zufalls Fleming d. vollk. t. soldat (1726) 376; die ungewisse zufälle des krieges Chemnitz schwed. krieg 1, 53. zufälle sind wunderlich Lohenstein Arm. 1, vorber. c 2ᵃ; seltsam 1, 6ᵇ.
e)
selten wird der vorfall als glücklich bezeichnet: wer ist der? der nit desselben gelückseligen zuͦfale tuͦ begeren N. v. Wyle translat. 57 Keller. allgemein gilt ein zufall, als von auszen kommend, als widrig und störend, oft wie zwischenfall, vielleicht in späteren belegen an frz. incident anlehnend: suhte oder betrüpnisse oder ander zuͦvelle Tauler pred. 35 Vetter; das gelück betreugt und bringt zuͦfal den menschen Albr. v. Eyb spiegel d. sitten (1511) e 3ᵃ; mehltau und gifftiger regen, schlossen, raupen, frost und andere zufälle J. G. Schmidt rockenphilos. 1, 296; bis ein unvermutheter zufall sie nöthigte, wieder in ihre heimat zu kehren Rabener 1, 192; ein zufall, der die illusion sehr unterbrach (eine puppe fällt herunter) Göthe 21, 26 W. es wird im 18. jh., vielleicht unter einflusz von frz. accident geradezu 'unfall':
der höchste stärke geist und leib,
kein zufall kränke haupt und glieder!
Gottsched ged. (1751) 265;
meine ganze familie besinnt sich noch auf einen zufall, vor dem mein vater durch hülfe der ahnung ... bewahrt wurde Jung-Stilling s. schr. 6, 435.
5)
während die bisherigen bedeutungen nur noch vereinzelt in festen verbindungen weiterleben, bezeichnet der zufall heute in freiem vorkommen das unberechenbare geschehen, das sich unserer vernunft und unserer absicht entzieht. diese bedeutung konnte sich zwar aus den älteren, 4 und auch 3, vgl. zufällig 3, entwickeln, und so findet sich zufall als lexicalische verdeutschung von fors, fortuna Diefenbach 244ᵃ, von it. caso Hulsius (1618) 1, 284ᵃ, von lat. casus Calvisius (1616) 3ᵇ, auch gesellt es sich einmal zu glück: so viel inen auch muͤglich, setzen sie nicht dem glück oder zuͦfall heim H. Pantaleon wahrhaftige bestätigung (1571) 1. aber der bedeutungswandel hat sich erst im 17. jh. vollzogen. seitdem die causalität das wichtigste problem der philosophie und die gesetzmäszigkeit die grundlage der naturwissenschaft geworden war, brauchte man ein wort um das zu bezeichnen, dessen ursache unbekannt ist. eine ähnliche umwandlung hat, kaum viel früher, das frz. hasard durchgemacht, das, ursprünglich ein würfelspiel bezeichnend, sich im gebrauch erweitert hatte, aber jetzt erst la cause ignorée d'un effet connu Voltaire (s. Littré 2, 1987) wurde. daher ist diese einwirkung von hasard auf zufall nicht ausgeschlossen. jedenfalls zeigt sich die neue bedeutung nur bei schriftgelehrten verfassern und gewinnt erst im zeitalter der aufklärung ausbreitung und oberhand. volksthümlich wurde sie dann im 19. jh. (s. d. bel. aus Tieck bei 7). frühere belege:
was auff keinen grund gericht
und ausz zufall nur entbricht (entsteht),
ist plump ding; man acht es nicht.
Logau 168 Eitner (vgl. th. 3, 501);
denn diese (anapäste) gleichsfalls aus einem zufall ... erwachsen können A. Buchner anleitung zur poeterei (1685) 118.
a)
der zufall als die unberechenbare macht: er hielte den verlust des ringes und Alfelslebens verwundung für einen bloszen zufall Lohenstein Arm. 1, 102ᵇ; die erkenntnisz ..., dasz in der welt kein blinder zufall statt finde A. G. Kästner verm. schr. 1 (1755) 1; er habe den ursprung des himmels dem blinden zufalle ... zugeschrieben Gottsched d. neueste a. d. anm. gelehrs. 6, 838; diese launische unerklärbare macht, welche man glück oder zufall nennt Wieland Agathon 2 (1767) 213; vorhin, da ich ... jungen und alten schönen, so wie sie der zufall mir zuführte, eine schmeichelei sagen durfte J. Möser 5, 114 (1842); im roman darf der zufall mithandeln, aber der mensch musz dem zufall eine form zu geben suchen Göthe gespr. 1, 170 Biedermann; der dichter betet den zufall an Novalis 9, 4 Minor; der zufall ist der gott der reisenden Hebbel tageb. 3, 330; abgesehen davon, dasz arithmetik und zufall bei den majoritätsvoten an die stelle logischer begründung treten Bismarck ged- u. er. 1, 31 volksausg.
b)
der zufall wird der von der vernunft angenommenen gesetzmäszigkeit und nothwendigkeit gegenüber gestellt:
(der forscher) sucht das vertraute gesetz in des zufalls grausenden
wundern,
sucht den ruhenden pol in der erscheinungen flucht
Schiller 11, 80 G.;
das gewebe dieser welt ist aus nothwendigkeit und zufall gebildet Göthe 21, 108 W.; wir schreiben dem zufall die wirkungen zu, deren ursachen wir nicht sehen Fr. A. Lange g. d. materialismus 198, oder dem höheren walten, der vorsehung:
es gibt keinen zufall,
und was uns blindes ohngefähr nur dünkt,
gerade das steigt aus den tiefsten quellen
Schiller 12, 249 G.;
alles was wir zufall nennen ist von gott Novalis 2, 102 Minor; man sah wohl, dasz sie nicht zufall zu einander gebracht, etwas geheimes zog und hielt sie so liebevoll nebeneinander maler Müller 1, 84; frau von Vorsehung, geborene Zufall, hat sich dieszmal noch ganz ordentlich gehalten Vischer auch einer⁸ 1, 79.
c)
formelhaftes: der blinde, blosze zufall, bel. bei a; absicht oder zufall? Fontane I 4, 261; zufall und willkür E. M. Arndt 1, 153; willkür und zufall sind die elemente der harmonie Novalis 2, 195 Minor; zufall und laune Treitschke d. gesch. 1, 233; das spiel des zufalls Göthe 2, 147 W.; Hegel 10, 1, 41; B. G. Niebuhr röm. gesch. 1, 200; das fragespiel mit zufalls antwort Göthe III 1, 43 W.; der zufall der geburt (vgl.b) Lessing 3, 88 M. (Nathan III 5); etwas dem zufall überlassen N. D. Giseke poet. w. (1767) 28, preisgeben D. Fr. Strausz 6, 63; 251; der zufall wollte, dasz Archenholz England u. Italien I 2, 455; nun wollte es der zufall, dasz E. Th. A. Hoffmann 6, 144 Griseb. (vgl. zufällig 4 a); das ist kein z. Fontane I 5, 205; zufall! (ablehnend) Ebner-Eschenbach ges. schr. 4, 20; durch z. Göthe 23, 66 W.; IV 28, 62 W.; durch z. oder schickung 22, 12 W.; aus z. III 1, 322; IV 42, 71 W.
6)
nunmehr bezeichnet zufall einen einzelnen durch den zufall herbeigeführten vorgang. das berührt sich mit 3 und 4, aber der sinn ist umgedeutet: erhielte ich solche (millionen) durch einen auszerordentlichen zufall Gottschedin briefe (1771) 1, 41; indem er meint, in unendlich vielen zufällen könne allerdings eine welt entstehen A. v. Haller tageb. s. beob. 1, 18;
doch hätt auch gleich ein zufall der natur
sie hingerafft — wir hieszen doch die mörder
Schiller 12, 441 G. (Maria Stuart I 8);
es ist ein böser zufall
12, 212 G. (Wallensteins tod I 3);
da hinter allen diesen wunderbaren zufällen (im Wilhelm Meister) ... nichts steckt als die erhabenste poesie Fr. Schlegel Athenäum 1, 2, 175; wir klugen zwerge, mit unserem willen und unseren zwecken, werden durch die dummen, erzdummen riesen, die zufälle belästigt, über den haufen gerannt Nietzsche 4, 130. so spricht man von einem glücklichen, unglücklichen, günstigen, ungünstigen, seltsamen, närrischen, albernen zufall. durch einen zufall ist in der anwendung dasselbe wie durch zufall.
7)
in der bedeutung von zufallen 4 'sich fallend schlieszen' nur im wortspiel: täglich hört man: durch einen zufall ging die thür auf: nein, wenn sie zugeschlagen wird ..., dann ist es ein zufall, ... die maschinerie der mausfallen beruht einzig auf einem zufall Tieck 3, 19; der zufall is e kellerdiehr Askenasy Frankfurter ma. 41.
8)
fachsprachlich im bergbau: von geschicken und andern zufällen L. Ercker beschr. aller miner. erzt (1580) 2ᵃ; die salzburgische salzberge sind durch einen zufall eingegangen Lori bair. bergrecht XVI. in der malerei sind zufälle, wie frz. accidents dict. de la l'ac.⁷ 1, 15ᵇ, nebenlichter Jacobsson 4, 720ᵇ; Chr. L. v. Hagedorn betracht. über die malerei (1723) 673.
9)
zusammensetzungen erscheinen erst seit dem 19. jh. mit zunehmender häufigkeit. die bedeutung ist immer die von 5, z. b.
zufallserfolg
Rosegger II 4, 301,
zufallsfabel
Jean Paul 55/58, 246;
zufallsgebilde
W. Riehl naturgesch. d. volkes 1, 248,
zufallslaune
Justi Winckelmann 2, 2, 12,
zufallsschwestern
G. Hauptmann griech. frühling (1908) 62,
zufallsspiel
W. Riehl d. deutsche arbeit (1861) 161; C. Hauptmann Einhart d. lächler 2, 37,
zufallsteufel
Vischer auch einer 2, 211,
zufallstreffer
v. Alten handb. f. heer u. flotte 3, 556,
zufallstücke
Bog. Goltz jugendleben 2, 369,
zufallswelt
Jean Paul 49/51, 241 H.,
zufallswind
G. Falke ges. dicht. 1, 72,
zufallswirkung
W. Weisbach impressionismus 1 (1910) 176,
zufallswörtchen
Göthe 14, 185 (Faust 3642).
dazu das adv.
zufallsweise
selten, jetzt unüblich ohne s:
zufallwort
Jean Paul 54, 39 H.,
zufallähnlich
O. Ludwig 5, 335,
zufallartig
431.
die älteren bedeutungen ganz vereinzelt früher:
zufallsfrei
der himmel lasse .. ihrer .. gemahlin ihre wochen ganz zufallsfrei und heiter zurücklegen
Pauline zur Lippe an Christian v. Augustenburg 230
Rachel (1775).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1924), Bd. XVI (1954), Sp. 342, Z. 1.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
zuckeraderbirne zuklemmen
Zitationshilfe
„zufallsgebilde“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zufallsgebilde>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)