Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

zugeben, v.

zugeben, v.,
mhd. nur vereinzelt nachgewiesen Lexer 3, 1181.
1)
in der älteren sprache wie zueignen einfach 'übergeben': so viel die mutter mag, sol sie ir kindt selber seugen, und nicht sonst einer andern frauwen zugeben J. Ruoff hebammenb. 215; dieweil sie (die deutschen und franz. landleute) gemeinlich dasjenig, was er (Palladius) im jänner will gethan haben, sie dem hornung zugeben und haimschieben Sebiz feldbau 50. dann 'zuertheilen': wir lesen ... dasz ... Noah die welt unter seine kinder und nachkommen auszgetheilet, und einem jeden das seine zugegeben Binhardus thür. chron. 1; welcher blatz den pferden, lasztviehe und anderm blunder der underhauptleut wirt zugegeben (im lager) Xylander Polybius 337; einem lob und eer zugeben Frisius 611ᵃ (ähnlich 678ᵇ; 744ᵃ; 795ᵇ und öfter); aber die umbstende der rahtschläge und der rede, so den personen zugegeben werden, sind alle ... erdichtet Rollenhagen froschmeuseler (1595) b 1ᵇ. endlich 'zurechnen, zuschreiben': eim etwas falschlich zuͦgäben oder erdichtlich zuͦlegen Frisius 59ᵇ; besunderen glidern oder teilen des leybs besundere kranckheiten zuͦgeben 128ᵇ (ähnl. 121ᵇ; 264ᵇ; 288ᵇ u. ö.); er gibt ouch das nachlassen der sünd und heil nit dem öl zuͦ, sunder dem gebet Zwingli d. schr. 1, 241.
2)
erhalten hat sich die bedeutung 'hinzu': Frisius 29ᵇ; 30ᵃ u. ö.; zu der heiligen schrifft sol man nichts zugeben, noch auch nichts davon nehmen Luther 28, 542 W.; sücht zum ersten das himelreich, so werden alle andere güter euch zugegeben 10, 2, 457 (ähnl. Marc. 4, 24); wann du etwas von thon machen wilt, so mustu im so viel zugeben, als der thon zu schwinden pflegt L. Ercker beschr. aller mineral. ertzt (1580) 6ᵃ; meine seele ... giebt der lampe reines öl zu, die deine stille halle erleuchtet Bettine die Günderode 1, 203; an weite, länge, an maschen zu- und abgeben; so hustete der weber und gab noch einiges zu, was wirkliches husten vorstellen sollte O. Ludwig 2, 46. insbesondere beim kauf und messen, s. zugabe 1: es musz offt einer zugeben, was er nicht kan verkauffen Lehmann floril. 2, 893; die meile hat der fuchs gemessen und den schwanz zugegeben W. Körte sprichw. 303. von der zeit: du unverschampter hast nit gnuͦg daz ich dir ein täglin zuͦ gib Terenz (Straszburg 1499) 28ᵃ; der freundliche wirth ... verlangte vielmehr, wir sollten den morgenden tag noch zugeben Göthe 33, 175 W. beim kartenspiel:
spadilje sasz verzagt in schandewerther ruh,
und als ein dummkopf gab Sylvan die basta zu
Zachariä poet. schr. 1, 113;
bei den Franzosen ist die tragödie ein kartenspiel; der eine spielt aus, der andre giebt zu O. Ludwig 5, 155. das zugeben für auctarium und corollarium Frisius 141ᵇ; 336ᵃ. in der sprache der markscheider: zugeben ist die winckel, so in der gruben gezogen (s. zug I 38), an tage wieder zugeben G. Junghans gräublein erz. f 3ᵈ; Jacobsson 4, 722ᵇ. mundartlich wie 'zunehmen': ihr besitz und eigenthum, das früher bedroht war, wenn die wasser des stromes 'zugaben' und 'gossen', steht auf sicherem grund und boden J. Nordmann meine sonntage (1880) 164.
3)
dem entsprechend von personen 'zur seite stellen' in mannigfacher anwendung: Frisius 224ᵃ; und gab im einen heubtman zu, mit namen Gorgias 2. Macc. 8, 9; das weib das du mir zugeben hast Luther 28, 26 W. (vgl.zugesellen); der herr obriste von Dohna und andere zugegebene kommissarien acta publ. 7, 223 Palm; und da jemand dergleichen person (dirne) bey sich hätte, ... solte er sich solche ... ehrlich zugeben lassen Fleming vollk. t. sold. 98; höchstens spreche ich so, als ein zugegebener advocat für einen verbrecher spricht Lessing 13, 207 M.;
drum geb' ich gern ihm den gesellen zu,
der reizt und wirkt und musz als teufel schaffen
Göthe 14, 23 W. (Faust 342).
zugegebener als subst.: assessor eyn beysitzer oder radtsgeber, ein zuͦgebner Frisius 128ᵃ; Stilico der fürst und zuͦgebner Honorii Stumpf Schwytzerchr. 188ᵃ; (dem feldhauptmann) wurden vier landtman zugeben, die wurden genannt die zugeben ... eyn yeder genannter haubtman solt und mocht fur sich selbs haben 24 pherdt und yeder zugegebner 10 pherdt J. Unrest chron. Austriac. bei Hahn coll. mon. vet. 1 (1724), 590.
4)
an 'hingeben', s. 1, hat sich die bedeutung 'gewähren, gestatten, dulden' geschlossen: und wenn die käyser Justinus und Justinianus nur einen finger zugaben, friede und ruhe zu erhalten ..., nahmen die päbste gleich die ganze hand Arnold kirchen- u. ketzer-hist. 259ᵃ; indulgere zugeben mit gnad und gunst Diefenbach 259ᵇ; si diei permittit apricitas ... wenns die tagschöne zuͦgibt Frisius 108ᵇ (ähnl. 244ᵇ; 726ᵃ u. o.); wo ich hin geen wil, das wilt du nit dulden noch zuͦgeben Albrecht v. Eyb d. schr. 2, 69; denn du wirst ... nicht zugeben, das dein heilige verwese ps. 16, 10; das dritte stücke ist, das des Mahomeths Alkoran den ehestand nichts acht, sondern yderman zugibt weiber zu nemen wie viel er wil Luther 30, 2, 126 W.; wie es die umstände zugeben wollen Göthe IV 42, 236 W.; ihre mutter würde ... diese verbindung mit diesem ... doctor .. niemals zugegeben haben W. Raabe hungerpastor 2, 333. dem steht nahe die wendung einem etwas zugeben 'zu gute halten', 'nachsehen': gott laszt allein die sünd nach ... welicher sölichs der creatur zuͦgibt, zücht gott sin eer ab Zwingli d. schr. 1, 156; den kindern gibt man das erste mal wol etwas zu Petri 2, O o o ivᵃ; ir müssend meinen reimen etwas zuͦgeben und mer dem sinn und meinung nachgedencken dann scharpffen reimen Wickram 4, 130 Bolte. mehr mundartlich (Henneberg, Thüringen, Erzgebirge, Schlesien), wie klein beigeben, ist klein zugeben: Siegemund muste nun klein zugeben Lohenstein Armin. 2, 165ᵇ, und sich zugeben (niederdeutsch) 'sich beruhigen': dat kind gift sik to Schütze 2, 31; wenn ich mich darin zugäbe Droste-Hülshoff an L. Schücking 348. über das verhältnis zu zugestehen s. bei 5.
5)
ebenso alt ist die bedeutung 'eine meinung oder thatsache als wahr anerkennen', doch scheint Frisius sie nicht zu kennen, s. 436ᵇ bei do: zugeben vel deputare achten oder vermeinen voc. theut. (1482) f viiᵇ; gehylen oder volworten oder zugeben k viᵃ; wenn man noch heuttigs tags den Juden zugebe, das Christus eyn lauter mensch were Luther 18, 63 W.; er gibt zu, weszwegen man ihn beschuldigt Stieler 657; ich läugne die folgerung, da ich die vordersätze nicht zugebe Göthe IV 20, 89 W.; was wäre damit gewonnen, dasz ich zugäbe, 'wie ein esel' gehandelt zu haben? Bismarck ged. u. er. 1, 63 volksausg.; der graf in seiner antwort schwankte zwischen zugeben und bestreiten Fontane I 4, 61. seit mitte 18. jh. üblich sind die wendungen zugegeben dasz, dies zugegeben, zugegeben! (als antwort), u. ä. der unterschied von zugestehen, einräumen u. a. liegt weniger in der bedeutung, als im tone; dasselbe gilt für 4. siehe F. L. Jahn 1, 76 Euler.
6)
veraltet ist: coalescit vulnus die wunde gibt sich wieder zu Corvinus (1646) 41.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1924), Bd. XVI (1954), Sp. 399, Z. 24.

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Zitationshilfe
„zugeben“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zugeben>.

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