Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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zaufen, verb.

zaufen, verb.,
ein obd. und md. wort, das erst in der nhd. periode zu tage tritt und aus noch einigemal belegtem zûfen diphthongiert ist; die obersächsische mundart entwickelt, wohl unter dem einflusz von lofen laufen, daraus die form zofen (Müller-Fr. 2, 692ᵇ). z. liegt dem intensivum zuppen zoppen zurückgehn, zurückziehen und zupfen, nd. tuppen zerren, ruckweise reiszen zu grunde und besitzt selbst gleichbedeutende mundartliche nebenformen mit -p- und -pf-. eine verwandte wurzel germ. *tab *tēf erscheint in zafen (sp. 20), das seinerseits landschaftlich auch den stammvocal zu au wandeln kann (vgl.: ire felder und gärten bawen und zauffen A. Diether F. Cortesii v. d. newen Hispanien [1550] 2, 3ᵇ). grundbedeutung der wurzel *tub *tūf ist ziehen, die von zûfen zupfen (thür) im besondern zurückziehen.
1)
trans., selten; die zugthiere vor einem wagen mit den zügeln anhalten und zurückziehen, so dasz sie diesen zum stillstehn bringen und zurückschieben: Westenrieder gloss. 684; so wohl auch aufzufassen: zauchen, z. mit gewalt ziehen, z. b. bey fuhren Klein prov. 2, 242; bergmännisch: zaupf, spricht auf bergwercken der ausrichter im göpel, wenn der fuhrmann die pferde auf- oder zurückhalten soll J. Hübner-Zinck natur-, kunst-, berg- ... lex. 2317, auch G. Junghans gräublein ertz F 3ᶜ, und wird darum nach Jablonski lex. 1428ᵃ auch zaupter (verdruckt für zaupfer?) genannt; z. aufziehen, frisch anziehen; zauf! ein wort, damit der anschläger dem haspelknecht zurufet, wenn der kübel gefüllet ist, dasz er ziehen soll bergm. wb. (1778) 612; hierher auch das reflexive sich zufe sich aufrecht zu halten suchen, z. b. von einem kranken (Nordhausen) Hertel Thür. 263;
2)
intrans.
a)
eig. als folge dieses zügelzuges zurücktreten, ein vorsichtig erfolgendes zurücksetzen der hufe, darum im hd. gebiet dafür weithin auch hufen (th. 4, 2, 1868), das auch im übertragenen gebrauch mit z. übereinstimmt: die pferde z. oder zurückz. lassen oder mit den pferden z. Kramer teutsch-it. 2, 1426ᵃ; modern bezeugt von Schmeller² 2, 1087, Unger-Khull, Loritza (zurückfahren, rückwärts tauchen), Hertel Thür., Schultze nordthür. 47ᵃ (-ū-), Müller-Fr., Jungandreas schles. zeitw. 42; ältere belege: Ch. Schmidt els., Fischer schwäb.; früh auch von lastthieren, die angehalten werden und zurücktreten, überhaupt allgemein vom zurückweichen des viehs, nam. auch, wenn es sich dabei stätig und störrisch erweist: widerspennig, hinder sich zuffende, stettig Frisius dict. 1158ᵇ; bovinari hinter sich zauffen, nicht fort wollen Corvinus 114; der esel scheücht, zaufft hinder sich Forer Gesners thierb. 50ᵇ; es ziehen zwey rosz basz neben denn vor einander, dergleichen ist auch am hinder sich zauffen und halten Fronsperger kriegsb. 1, 76ᵇ; damit sie (die pferde) nit stettig werden oder im wenden hindersich oder zuruck zaufen M. Herr vierf. thier 39ᵇ; dasz (die schlange) hinter sich zohfete Bucholtz Herkul. 843; ebenso von reitern: dieweil wir aber zuͦ rosz warn, kundten wir in si eintringen und sicher wider hindersich zauffen X. Betuleius new. Hispanien 1, 5ᵃ; überhaupt weichen, aus einem gefecht, ohne sich umzukehren:
sunst hat sein fan ain yeder hauff,
das niemandt an dem treffen zauff
J. v. Schwarzenberg Cic. 152ᵛ;
H. Sachs 22, 288 G.; Schöpper syn. c 7ᶜ; Aler dict. 2, 2228ᵃ;
b)
übertr. in wort und werk nicht standhalten. seinen standpunkt aufgeben, unfolgsam sein: tergiversari auszflucht und auszschlüpf suchen, sich winden oder z. Frisius dict. 1303ᵇ; tergiversari, fallere et dicta mutare hinder sich z., betriegen Pinicianus prompt. R 1ᵇ; Megiser pol. 2, 617ᵇ; z. etwas, das man zu voreilig sagte, wieder mildern, zurücknehmen Westenrieder gloss. 684; so der prediger ... sie aufweckt, das sie busz an sich nemen, z. sie hinder sich als ein bös rosz Keisersberg schiff d. penit. 10ᵃ;
kanst mit deiner treu so geschwind zurücke
zaufen
Goedeke-Tittm. liederb. 62;
das wir nit von der warheyt wider in schatten z. S. Franck weltb. 124ᵇ; da wir aber etwas bey Christo ... wagen ... sollen, da rümpft sich blut und fleisch und zaufft hindersich Mathesius postilla 1, 114ᵃ; zeufen wider hindersich und sehen ... nach den fleischhäfen in Egypto J. Andreä wucher 13; Adelung, Campe, Götze gl.dazu zaufung, f., tergiversatio Frisius 1303ᵇ; ursach der hindersich z. Pinicianus Scanderbeg 34ᵇ; zaufern, verb., eig., die zügel unsicher führen, bald straff, bald lose: wenn ein narr drauf sitzt und jetzt zauffert, dann neben, hinder und für sich fert, der macht bald stetige pferd Agricola sprw. 288ᵃ; ein thür.-schles. verbum z. sich vor kälte krümmen, sich sperren, sich weigern aus arbeitsscheu (Hertel Thür. 263, Jungandreas 61) weist auf stätige, störrische zugthiere zurück; dasselbc wort ist wohl zauwern zögern Hertel Thür. 263.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1927), Bd. XV (1956), Sp. 397, Z. 55.

zausen, verb.

zausen, verb.,
aus gemeingermanischer, lautnachbildung verrathender wurzel entsprossenes wort, das im deutschen recht früh (ahd. zerzûsôn zerzausen Hattemer denkm. 1, 420ᵇ, 102, zizûsôn entgürten, losbinden Graff 5, 711), in den übrigen dialekten erst spät (mengl. tôtûsen reiszen, zausen), z. th. erst in mundarten (schwed. dial. tösa heu ausbreiten, norweg. dial. tosa zerfahren, zupfen, dän. dial. tusse schütteln, in unordnung bringen) an den tag tritt. eine seltenere ablautform mit -ô- begegnet im mnd. (Lübben-W. 412ᵃ), nnd. (-ö- brem. wb. 5, 133, -eu- 56) und in den ostmd. dialekten (Müller-Fr. 2, 694ᵃ, brandenb., die ihr gezöst Lohenstein Ibr. Bassa 55, Frischbier 2, 498ᵇ), aber auch obd. (s. th. 16, 122 zosen); das mhd. bildet die formen zûsach, n., gestrüpp, zûse, f., haarlocke, -strang (Lexer 3, 1203) aus. z. ist landschaftlich heute überall verbreitet, auch neben zôsen in dessen bezirk, nur der nd. westen scheint dem verbum têsen (s. zeisen) vorbehalten zu sein. eine mit t erweiterte form besitzt das ostfries.: tûstern, die ihrerseits wohl aus tûste, tûst zotte, büschel herzuleiten ist Doornkaat-K. 3, 452; comp.: mhd. er-, zer-, nhd. ver-, zerzausen.
1)
zausen, zupfen, ziehen, zerren.
a)
eig. haare, ohren und alles einzelne aus einer masse, so dasz z. fachausdruck für das auszupfen der wolle ist, vgl. ablautend zöse (th. 16, 122) und zäse, zöse, f., gekämmelte wolle, das ganze schafvlies Frischbier 2, 488ᵃ: z., zauseln baumwolle rupfen, wie auch alles, was aus fäden besteht, aus einander lesen, ordnen, schlichten Stalder 2, 466; der lord zausete den bart auseinander Jean Paul w. 7/10, 40 H.;
geht heim und spinnt und zaust die wollen!
H. Sachs 20, 258 G.;
wollen z. und erlesen Wickram 2, 222 B.; lana concerpta gezaͤyste oder gezauste wolle Zehner nom. 373; Corvinus 458; Schwan 2, 1090ᵃ; vgl. aufzausen aufputzen, bes. kopf und haare Schmeller ² 2, 1154; sie kraust und zaust ihre haar und ziechts streng A. a s. Clara Judas 1, 101;
dem weibsvolk bin ich lieb.   das zauset meinen bart
S. v. Birken forts. d. Pegnitzschäf. 100;
häufiger indessen von rauhem zupfen und ziehen, hin- und herschüttelnd ziehen:
er schmeist dich
sonst vor sich
und zaust dir deinen kopff
Chr. Reuter harl. hochz. 73 ndr.;
das fell z.: Hollonius somn. 44 ndr.;
b)
bei veränderter objectsauffassung ist häufiger der träger der haare usw. object:
die klagt, wie sie der pawer zaust,
ein zopff mit har ir auszgerissen
H. Sachs 9, 282 K.;
z. bey den haaren ziehen Zaupser 84; einen beym schopf z. Kramer teutsch-it. 2, 1427ᵇ; Steinbach 2, 1075; z. bey den haaren umherziehen Ludwig 2562; z. einen bei den haaren ziehen v. Delling bair. 211;
das man sie zauste bey dem haar
jedermanns jammerklage (1621) B 4ᵃ;
auch intrans.: an den fellen wilder thiere z. J. J. Chr. Bode Montaigne 4, 335; den ... schafen ... zauste der wind in dem ... wollpelz v. Bülow allein ich will Velh.-Klas. monatsh. 1902ᴵ 566ᵃ; reciprok: die ... sich bei den haaren zauseten Raumer gesch. d. Hohenst. 6, 478;
c)
die bedeutung entfaltet sich, α) wenn den händen keine beschränkung auferlegt ist, zum begriff schlagen, stoszen, prügeln; so kaum schon:
die darnach an einander zausen
H. Sachs 3, 54 K.;
aber gewisz: indem wir ... uns wacker herumb zauseten A. Olearius pers. ros. 89; vielleicht: unsere väter zausten sich mit raubthieren Alexis Rol. 1, 48; bestimmt:
wenn ich mich mit dem hunger zause
Lichtwer äsop. fab. 169;
sich z., schlagen se battre Schwan 2, 1090ᵃ; prügeln, durchhauen Hügel Wien. 193ᵃ;
dasz ich dich, nach dem ernsten wort,
nicht zause
Göthe 1, 195 W.;
besonders deutlich bei pluralischem object, peinigen, heimsuchen, ausplündern, ausrauben: also das er Hungern und deutsche land wol z. mag Luther 30, 2, 172 W.; die groszen scharhansen ... ire arme aigne underthon schinden, schaben, rupffen und z. J. Nas antipap. 2 vorr. IVᵃ; β) wenn die angriffsfläche eine breitere ist, ohne dasz indessen die bedeutung zerren dabei gänzlich schwindet; diese hält sich bes., wenn hunde subject sind, vgl. sprichwörtlich: den letzten (fuchs) zausen die hund Lehmann flor. pol. (1662) 1, 126; Lessing 3, 127 M.; Nicolai reise 4, 635; ebenso gern vom winde: der wind zaust mich und schüttelt mir alles aus dem kopf Bettine Günd. 2, 202; der wind zauste die uralten tannen H. v. Kahlenberg Eva Sehring 47;
nicht zauset der sturm die segel mehr
bei K. Bücher arb. u. rhythm. ⁴ 230;
γ)
bei sachsubject, -object oder -mittel: die (scholastici) ... damit (mit vernunftschlüssen) die theologie zerreten und zauseten G. Arnold ketzerhist. 390ᵃ; tragödien ..., in denen der held arg durch das schicksal gezaust wurde G. Freytag ges. w. 14, 99; mit worten durchhecheln, bekritteln: der bey verträgen ..., was zu mitteln fürgeschlagen, cavillirt, zaust, durch die hechel zeucht Lehmann flor. pol. (1662) 2, 806;
das sind unsre sitten:
wo zwey sind,
da zausen sie den dritten
Wille sittenlehre 119;
den euer spott so arg gezaust
Kinkel ged. 2 (1868), 373;
d)
gruppe: die reichen ... zauseten und lauseten sich mit dem, das die ubrig hatten ('zupften sich die gabe ab') Luther 19, 334 W.; häufig gereimt: Kirchhof wendunmuth 2, 108 Öst.;
wollten sie zausen! wollten sie lausen!
Göthe 16, 16 W.;
die (frauen) mit krausen und z. (des haares) die guldene zeit möchten verliehren A. a s. Clara etw. 2, 432;
2)
in absoluter verwendung und vielleicht aus der gruppenstellung mit brausen entwickelt sich als aussage vom winde der sinn sausen, vgl. als übergangsstaffel: in den alten baumkronen zauste und brauste der wind Rosegger schr. 2, 269; dr wind hat züst (bes. in den ohren) Martin-L. 2, 915ᵇ; zuse neben suse Jak. Berger mdaa. d. St. Galler Rheintals 125 ist danach nicht als onomatopoetische anlautsteigerung aufzufassen, was durch tusen zausen ..., rauh sein, stark wehen, stürmen Doornkaat-Koolman 3, 449ᵇ bewiesen wird; alem. auch vom ziehenden, zuckenden schmerz einer wunde, eines zahns: d zeh (zähne) zuset Tobler Appenz. 463ᵃ; Seiler Basel. 329ᵇ; züsen-n-un brumme (im kopf) Martin-L.;
3)
auffällig ist die angabe Stielers 2603 z. pedem retro ferre, resilire, retro cedere (neben vellere capillos), sie findet indessen eine stütze in: ein zauserer oder trendtler Duez nom. 142 und hätte an andern verben des ziehens wie zapfen 1 b (sp. 267), zaufen (sp. 398) eine parallele. zauser selbst übersetzt Stieler 2604 mit mas vellens, vexans; zauser schon bei Beheim Wien. 390 Kar.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1927), Bd. XV (1956), Sp. 419, Z. 19.

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Zitationshilfe
„zaufen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zaufen>.

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